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Zurechnung einer sexuellen Belästigung durch den „faktischen“ Geschäftsführer an eine KG

KLAUSMAYR (LINZ)
  1. Nimmt eine juristische Person als AG ihre vertraglichen Fürsorgepflichten nicht (nur) durch ihre Organe wahr, sondern überträgt die Erfüllung dieser Pflichten auf Gehilfen (ausdrücklich oder stillschweigend), so sind jene Handlungen von Gehilfen, die in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Fürsorgepflicht stehen, dem AG gem § 1313a ABGB zuzurechnen.

  2. Dem AG gleichgestellt sind jene Personen, die kraft ihrer Befugnisse und ihrer Stellung gegenüber den anderen AN als zur selbständigen Geschäftsführung berufene Stellvertreter anzusehen sind, also nur solche Personen, die zur selbständigen Ausübung von Unternehmer- und insb AG-Funktionen berechtigt sind.

  3. Da § 7b Abs 1 BEinstG von Diskriminierung „im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis“ spricht, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass dieser Zusammenhang bei diskriminierenden Äußerungen in einem Schlichtungsverfahren vor dem Bundessozialamt nicht mehr gegeben ist, da dieses Verfahren gerade wegen einer vermeintlichen Diskriminierung im Arbeitsverhältnis angestrengt worden ist.

Die Kl, die seit 1999 den Status einer begünstigten Behinderten hat, war von Oktober 2008 bis 8.1.2009 bei der Bekl zunächst mit dem Schwerpunkt Software-Support und in der Folge als Technikerin außer Haus beschäftigt. Anfänglich arbeitete sie dienstags und donnerstags und legte für ihre Tätigkeiten Honorarnoten. Vom 1. bis 15.12.2008 arbeitete sie nur sporadisch für die Bekl und verrechnete dafür nichts. Beginnend mit 15.12.2008 wurde mit ihr unter Vereinbarung eines Probemonats ein Dienstvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Am 18.12.2008 versandte ihr Vorgesetzter [...] an acht männliche Mitarbeiter der Bekl ein E-Mail mit dem Begleittext „Wir haben eine neue Servicetechnikerin, kann sein, dass das Geschäft mit den Wartungsverträgen jetzt steil bergauf geht ...“ und einer beigefügten Videodatei, auf der eine Servicetechnikerin mit kurzem Rock und Strapsen bekleidet zu sehen ist, die unter dem Schreibtisch eines Arbeitskollegen hantiert und dabei Gesäß und Geschlechtsteile entblößt.

Die Kl begehrte mit ihrer am 25.5.2009 eingebrachten Klage die Zahlung von zuletzt 30.489,26 € brutto, davon 1.276,78 € brutto Sonderzahlungen von 1.10. bis 14.12.2008, 9.903,73 € Kündigungsentschädigung von 9.1. bis 31.3.2009, 2.090,37 € brutto abzüglich 281,72 € Urlaubsersatzleistung für den Zeitraum 1.10.2008 bis 31.3.2009, 10.000 € Schadenersatz nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) sowie 7.500 € immateriellen Schadenersatz nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG). [...]

Die Bekl bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, dass mit der Kl erst mit 15.12.2008 ein unbefristetes Dienstverhältnis geschlossen worden sei. [...] Die Kl habe das Dienstverhältnis noch innerhalb der Probezeit am 8.1.2009 aufgelöst. T. C. sei weder Komplementär oder Kommanditist der Bekl noch deren „de facto Geschäftsführer“. Er habe die Kl weder diskriminiert noch sexuell belästigt. [...] Eine Verletzung der Fürsorgepflicht sei ihr daher nicht anzulasten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, da es hinreichende Feststellungen zur Beurteilung, ob bereits ab 1.10.2008 ein Dienstverhältnis vorgelegen habe, sowie Feststellungen zur behaupteten Funktion von T. C. als Geschäftsleiter der Bekl vermisste. [...]

In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragt die Bekl die Abänderung des angefochtenen Beschlusses iS einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. [...]

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Die Bekl ist der Ansicht, dass die getroffenen Feststellungen zur Beurteilung, ob bereits vor dem 15.12.2008 ein Vertragsverhältnis vorgelegen sei, ausreichten. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass der OGH, der keine Tatsacheninstanz ist, der Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, nicht entgegentreten kann (RIS-Justiz RS0042179).

2. Die Bekl meint weiter, bei ihr handle es sich um eine Personengesellschaft, bei der nur die persönlich haftenden Gesellschafter, nicht aber Vorgesetzte als AG iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG anzusehen seien. Damit verkennt sie, dass das Berufungsgericht T. C. in seiner Eigenschaft als Vorgesetzter der Kl nicht als AG ansah, sondern prüfte, ob seine Handlung der Bekl als AG derart zuzurechnen ist, dass im Ergebnis iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG von einer sexuellen Belästigung des AG selbst auszugehen ist.

Der OGH teilt in diesem Punkt die Ausführungen des Berufungsgerichts, sodass zunächst darauf verwiesen wird (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Gem § 6 Abs 1 GlBG liegt eine sexuelle Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch vor, wenn eine Person

  1. vom/von der AG selbst sexuell belästigt wird,

  2. durch den/die AG dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrags angemessene Abhilfe zu schaffen,

  3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder52

  4. durch Dritte außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (§ 4) belästigt wird.

Gem § 12 Abs 11 erster Satz GlBG hat bei einer sexuellen Belästigung nach § 6 oder einer geschlechtsbezogenen Belästigung nach § 7 die betroffene Person gegenüber dem/der Belästiger/in und im Fall des § 6 Abs 1 Z 2 oder § 7 Abs 1 Z 2 auch gegenüber dem/der AG Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens.

Im vorliegenden Fall ist die Bekl eine Personengesellschaft (KG). Schon aufgrund ihrer Rechtsfähigkeit (§ 105 iVm § 161 Abs 2 UGB) kann entgegen der Ansicht der Bekl nicht zweifelhaft sein, dass ihr auch die Funktion des AG der Kl zukommt.

Bei der Kommanditgesellschaft sind nach dem Prinzip der Selbstorganschaft die unbeschränkt haftenden Gesellschafter für die Geschäftsführung verantwortlich (§§ 164, 114 ff iVm § 161 Abs 2 UGB) und zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt (§§ 170, 125 ff iVm § 161 Abs 2 UGB). Unstrittig ist, dass der Belästiger kein Komplementär der Gesellschaft ist und daher keine einem vertretungsbefugten Organ gleichzuhaltende Stellung innehat. Nach dem Vorbringen der Kl führt er aber de facto die Geschäfte der Bekl und ist auch für Personalagenden zuständig, sodass zu prüfen ist, ob er ungeachtet des Fehlens einer Organstellung der Bekl iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG zuzurechnen ist.

Der OGH hat in der E 9 ObA 18/08z bereits ausführlich zur Zurechnung eines Vertretungsorgans an eine juristische Person Stellung bezogen und diese zusammengefasst mit folgender Begründung bejaht:

Beim Verbot der sexuellen Belästigung eines/einer AN durch den AG handelt es sich um eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht und um die ausdrückliche Sanktionierung ihrer Verletzung (§ 6 Abs 1 iVm § 12 Abs 11 GlBG). Nach § 12 Abs 11 GlBG wird der AG dann schadenersatzpflichtig, wenn er den/die AN entweder selbst belästigt (§ 6 Abs 1 Z 1 GlBG) oder einer allfälligen Belästigung durch Dritte nicht auf angemessene Weise abhilft (§ 6 Abs 1 Z 2 GlBG). In beiden Fällen verletzt der AG seine Fürsorgepflicht durch eigenes Verhalten. Dass eine juristische Person als AG ihre Fürsorgepflicht nicht selbst wahrnehmen kann, heißt nicht, dass sie keine Fürsorgepflicht trifft. Trifft sie aber eine diesbezügliche Pflicht, dann kann sie diese auch verletzen. Dabei sind die von ihr mit der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht betrauten natürlichen Personen als Erfüllungsgehilfen anzusehen. Ein Vertretungsorgan (dort: Geschäftsführer einer GmbH) muss jedoch nicht besonders mit der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht betraut werden. Der Geschäftsführer handelt damit als Belästiger nicht nur deliktisch, sondern verletzt durch sein Tun auch die vertragliche Fürsorgepflicht der von ihm vertretenen GmbH, also des AG.

In der Lehre werden zur Zurechnung sexueller Belästigungen von Gehilfen an juristische Personen unterschiedliche Positionen vertreten, die schon aufgrund der Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften auch auf diese übertragbar sind:

Rebhahn in

Rebhahn
, GlBG § 3 Rz  13 und Kletecka in
Rebhahn
, aaO § 12 Rz 13 ff, befürworten zwar grundsätzlich die durch sinngemäße Anwendung des § 1313a ABGB bewirkte Zurechnung fremden Verhaltens an den AG. Die sexuelle Belästigung stelle jedoch einen Sonderfall dar, bei dem – so Kletecka – die Zurechnung von Gehilfen und Vertreter nicht in Betracht komme, weil dort der Belästiger selbst hafte und das Gesetz ausdrücklich bestimme, dass der AG nur dann in Anspruch genommen werden könne, wenn er es schuldhaft unterlassen habe, eine angemessene Abhilfe zu schaffen.

Majoros, Mobbing (2010) 186 ff, bejaht die Zurechnung von Organen und Repräsentanten, die eine leitende Stellung mit selbstständigem Wirkungsbereich innehaben, an juristische Personen. Eine darüber hinausgehende Erfüllungsgehilfenhaftung sei insoweit gegeben, als es sich um die Übertragung von den AG selbst treffenden Pflichten wie etwa die Fürsorgepflicht handle, was idR nur bei Vorgesetzten der Fall sein werde. Abzugrenzen seien aber Schädigungen „bei“ von jenen „gelegentlich“ der Erfüllung der Fürsorgepflicht. Eine Erfüllungsgehilfenhaftung bei etwa von Vorgesetzten begangenen, jedenfalls vorsätzlichen Belästigungshandlungen sei daher idR nicht anzunehmen.

Nach Reischauer in

Rummel
3, ABGB § 1328 Rz 25, kommt eine Deliktshaftung von Organen und Machthabern der juristischen Personen nur in Frage, wenn das Delikt in einem inneren Zusammenhang mit der zu verrichtenden Tätigkeit stehe, was bei sexueller Belästigung zu verneinen sei. Allerdings bejaht er die Zurechnung unter dem Aspekt der Verletzung der vertraglichen Fürsorgepflicht: Die juristische Person habe für Belästigungen durch Gehilfen dann einzustehen, wenn es zu ihrem Aufgabenkreis zähle, vor Übergriffen zu schützen (idR Abteilungs- oder Werkstättenleiter). Wo der Täter an sich dazu berufen wäre, Abhilfe gegen sexuelle Übergriffe zu schaffen, die Belästigung aber selbst begehe, habe er schon deswegen zu haften. Mit seinem belästigenden Verhalten unterlasse er gleichsam die Abhilfe.

Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 12 Rz 115, führen allerdings zur Abhilfeverpflichtung iSd § 6 Abs 1 Z 2 GlBG aus, es bleibe dem AG zwar unbenommen, diese aus der allgemeinen arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht abzuleitende Pflicht zu delegieren. Dadurch könne er sich aber nicht einer allfälligen Haftung für die unterlassene Abhilfe „entledigen“. Werde die Abhilfeverpflichtung von einem/einer mit der Fürsorge/Abhilfe betrauten Gehilfen/Gehilfin verletzt, sei von einem Schaden „durch die Erfüllung“ und nicht bloß „anlässlich der Erfüllung“ auszugehen, für den der AG gem § 1313a ABGB iVm § 12 Abs 11 GlBG einzustehen habe (siehe auch Krömer, Anm zu 9 ObA 18/08z, RdA 2009/45).

Der erkennende Senat ist dazu folgender Ansicht: Dass auch eine juristische Person als AG vertragliche Fürsorgepflichten gegenüber ihren AN treffen und diese von ihr auch verletzt werden können, wurde bereits zu 9 ObA 18/08z dargelegt. Nimmt sie diese nicht (nur) durch ihre Organe wahr, sondern überträgt sie die Erfüllung dieser Pflichten gleich, ob ausdrücklich oder stillschweigend auf Gehilfen, so sind jene Handlungen von Gehilfen, die in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Fürsorgepflicht stehen, dem AG gem § 1313a ABGB zuzurechnen. Das trifft zweifellos auf die Verletzung der Pflicht, bei sexueller Belästigung des/der AN Abhilfe zu schaffen (Z 2), zu.53

Die Frage, inwieweit dem AG auch die sexuelle Belästigung selbst (Z 1) zurechenbar ist, wenn sie von einer vom AG oder von Vertretungsorganen einer juristischen Person verschiedenen Person vorgenommen wird, wurde in der E 9 ObA 18/08z offen gelassen. Dazu kann allerdings die Rsp zu § 26 Z 4 AngG fruchtbar gemacht werden. Nach dieser Bestimmung ist ein Angestellter ua dann zum vorzeitigen Austritt berechtigt, wenn sich der DG Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Angestellten oder dessen Angehörige zuschulden kommen lässt oder es verweigert, den Angestellten gegen solche Handlungen eines Mitbediensteten oder eines Angehörigen des DG zu schützen. Auch hier wird sohin zwischen einer Tätlichkeit, Sittlichkeits- oder Ehrverletzung durch den DG selbst und der Verletzung seiner Schutzpflichten bei solchen Handlungen unterschieden. Als DG iS dieser Bestimmung gilt grundsätzlich nur der Geschäftsinhaber (bei juristischen Personen die vertretungsbefugten Organe), also derjenige, der die Verantwortung für das gesamte Unternehmen trägt und in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen und weitere Ehrverletzungen in Zukunft zu verhindern. Ihm gleichgestellt sind aber jene Personen, die Kraft ihrer Befugnisse und ihrer Stellung gegenüber den anderen DN als zur selbständigen Geschäftsführung berufene Stellvertreter anzusehen sind, also nur solche Personen, die zur selbständigen Ausübung von Unternehmer- und insb AG-Funktionen berechtigt sind (RIS-Justiz RS0029091). Es besteht kein Anlass, den Kreis der der Gesellschaft zuzurechnenden Personen im Rahmen des § 6 Abs 1 Z 1 GlBG enger zu ziehen (idS auch Krömer, aaO 292).

Anders als die Bekl meint, wird mit diesem Verständnis § 6 Abs 1 Z 2 und 3 GlBG auch nicht beinahe jeglicher Anwendungsbereich entzogen. Denn als Dritte iSd § 6 Abs 1 Z 2 und 3 leg cit kommen keineswegs nur mit der selbständigen Ausübung von AG-Funktionen betraute Personen einer Gesellschaft, sondern generell vom AG und dem/der Belästigten verschiedene Personen wie Vorgesetzte auf anderen Organisationsstufen, Arbeitskollegen, Geschäftspartner oder Kunden des AG in Betracht (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, aaO § 6 Rz 9).

Jedenfalls im vorliegenden Fall scheitert eine Zurechnung der sexuellen Belästigung an die Bekl auch nicht am Fehlen eines inneren Zusammenhangs zwischen den von T. C. zu erbringenden Tätigkeiten und der inkriminierten Handlung, weil das E-Mail zeitnah mit dem Abschluss des Dienstvertrags acht Mitarbeitern eine „neue Servicetechnikerin“ ankündigte.

Das Berufungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Haftung der Bekl nicht bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil T. C. keine Organstellung und keine gesetzliche Vertretungsbefugnis zukommt. Maßgeblich ist vielmehr, ob und inwieweit dieser im dargelegten Sinn zur selbständigen Ausübung von Unternehmer- und insb AG-Funktionen berechtigt war und die sexuelle Belästigung damit in einem inneren Zusammenhang stand. Zutreffend vermisste das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen.

3. Auch seiner Beurteilung, dass die Versendung des E-Mails eine sexuelle Belästigung darstellt, ist entgegen der Ansicht der Bekl beizupflichten:

Gem § 6 Abs 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft. Das inkriminierte E-Mail erfüllt diese Voraussetzungen zweifellos, da es einen objektiv herabwürdigenden und geschlechtsdiskriminierenden pornografischen Inhalt hatte, einen von T. C. verfassten, auf die Position der Kl Bezug nehmenden Begleittext enthielt („Wir haben eine neue Servicetechnikerin“), von der Kl herabwürdigend und diskriminierend empfunden wurde, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der formalen Anstellung der Kl stand und in der Folge auch zu einem noch näher festzustellenden „seltsamen Verhalten“ von Teilen der Belegschaft gegenüber der Kl führte.

4. Die Bekl erachtet schließlich die vom Berufungsgericht vermissten Feststellungen zum Vorbringen der Kl, es habe in Bezug auf ihre Behinderung diskriminierende Äußerungen von T. C. und der Komplementärin vor dem Bundessozialamt gegeben, für unerheblich, weil das Schlichtungsgespräch vor dem Bundessozialamt am 6.4.2009, somit nach Beendigung des Dienstverhältnisses stattgefunden habe (wobei die Einleitung des Schlichtungsverfahrens durch die Kl am 27.2.2009 bereits aus der von ihr selbst vorgelegten Urkunde Beil./A hervorgeht) und daher allfällige diskriminierende Äußerungen für das gegenständliche Verfahren irrelevant seien.

Richtig ist, dass der Anwendungsbereich des § 7a Abs 1 Z 1 BEinstG privatrechtlich begründete „Dienstverhältnisse“ erfasst, ein solches aber zum Zeitpunkt der inkriminierten Handlung (diskriminierende Äußerungen vor der Schlichtungsstelle) schon definitiv beendet war. Wie § 7b Abs 1 BEinstG zeigt, ist hier allerdings nicht auf den formal aufrechten Bestand eines Dienstverhältnisses, sondern auf eine Diskriminierung „im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis“ abzustellen, sodass die Phase der Begründung eines Dienstverhältnisses (Z 1), in der ein solches definitionsgemäß noch nicht besteht, ebenso erfasst wird wie die Phase „bei der Beendigung des Dienstverhältnisses“ (Z 7). In diesem Sinne wurde zu den insofern vergleichbaren Bestimmungen der §§ 1 Abs 1 Z 1 und 3 Z 1 GlBG der Bereich des Schutzes gegen sexuelle Belästigung auch auf die vorvertragliche Begründungsphase erstreckt (9 ObA 18/08z). Es ist folglich nicht ausgeschlossen, dass den AG auch nachvertraglich Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem AN treffen können, wenn sie noch „im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis“ stehen. Ob ein solcher Zusammenhang gegeben ist, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Er ist daher bei einem nachvertraglichen behördlichen Schlichtungsverfahren, das gerade wegen einer vermeintlichen Diskriminierung im Dienstverhältnis angestrengt wird, nicht schon von vornherein zu verneinen.

Ungeachtet der behaupteten Aussagen von T. C. und der Komplementärin vor dem Bundessozialamt hat die Kl eine Diskriminierung wegen ihrer Behinderung aber auch auf mehrere Umstände bei ihrer Ein54stellung und im aufrechten Dienstverhältnis gestützt (zB Aussage von T. C., die Kl müsse froh sein, als Behinderte überhaupt eine Anstellung gefunden zu haben, und solle „spuren“). Auch dazu fehlen die bereits in der Berufung monierten Feststellungen.

5. Nach all dem hat das Berufungsgericht zutreffend das Ersturteil wegen der genannten Feststellungsmängel aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. [...]

Anmerkung

Nicht nur aus der vorliegenden E, sondern auch aus den OGH-Entscheidungen vom 5.6.2008, 9 ObA 18/08z und OGH 27.2.2012, 9 ObA 21/12x ist zu erkennen, dass von der Beklagtenseite vermehrt versucht wird, mit sehr formalen Argumenten die Subsumtion verwerflichen Verhaltens unter den gesetzlichen Belästigungsbegriff zu verhindern. Da das Arbeitsrecht tagtäglich praktisch gelebt wird, müssen die faktischen Gegebenheiten bei der Beurteilung von Sachverhalten entscheidend sein. Daher ist der vorliegenden OGH-E bei der Zurechnung der sexuellen Belästigung des faktischen Geschäftsführers an eine KG uneingeschränkt zuzustimmen. Im Folgenden sollen noch einige Details besprochen werden:

1

Der Begriff AG ist im GlBG nicht definiert. Durch die Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis ist aber grundsätzlich vom arbeitsvertraglichen AG-Begriff auszugehen (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG [2009] § 6 Rz 7), sodass als AG jede Person anzusehen ist, die im Rahmen des Arbeitsvertrags über die Arbeitskraft einer anderen Person verfügt (vgl Löschnigg, Arbeitsrecht11 [2011] 170). Da juristische Personen nur durch ihre vertretungsbefugten Organe handeln können, ist es naheliegend und richtig, dass auch (sexuelle) Belästigungen dieser Organe den juristischen Personen unmittelbar zugerechnet werden (so bereits OGH9 ObA 18/08z ZAS 2009/45 [Krömer]). Wenn es aber neben diesen gesetzlich vorgesehenen Organen noch weitere Personen gibt, die faktisch AG-Funktionen ausüben, so muss dies in jenen Fällen, in denen dies mit (ausdrücklicher oder konkludenter) Zustimmung des AG bzw dessen Organen erfolgt, zum selben Ergebnis führen, ansonsten dies zu einer Aushöhlung des Schutzes vor sexuellen Belästigungen führen würde. Könnten nämlich Belästigungsopfer in diesen Fällen nur den unmittelbaren Belästiger klagen, könnte dies trotz Obsiegens dazu führen, dass sie – mangels wirtschaftlicher Potenz des Täters – keinen Schadenersatz bekommen. Dies würde den Grundsätzen von Art 18 der RL 2006/54/EG nach einem tatsächlichen und wirksamen Schadensausgleich nicht entsprechen. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte ist zwar der arbeitsvertragliche AG der primär maßgebliche AG, es darf aber dort nicht Halt gemacht werden. So ist auch der faktische AG, welcher Ausländer ohne Beschäftigungsbewilligung beschäftigt, gem § 29 Abs 1 AuslBG als AG im Rahmen des GlBG zu betrachten, ebenso der Beschäftiger iSd § 6 Abs 1 AÜG (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 7). Ähnliches muss auch für vom AÜG ausgenommene Bereiche der sogenannten Ausgliederungs- oder Zuweisungsgesetze gelten, wo meist Teile der Belegschaft dienstrechtlich weiterhin Bundes-, Landes- oder Gemeindebedienstete bleiben, aber faktisch für eine Kapitalgesellschaft tätig sind.

2
Sonstige Besonderheiten im Zusammenhang mit Belästigungen

Hier möchte ich noch zwei Besonderheiten ansprechen, nämlich die zeitliche Lage der Belästigung und die Intensität derselben. Da der Gesetzgeber bei Belästigungen von „in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis“ spricht, gebietet ein – richtlinienkonformer – Belästigungsschutz, dass auch die Begründungs- und Beendigungsphase erfasst sind. Daher hat der OGH zu Recht auch die Phase der Bewerbung (vgl OGH9 ObA 18/08z ZAS 2009/45 [Krömer]; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 8 mwN) und auch die Zeit nach der Beendigung (vgl auch OGH 27.2.2012, 9 ObA 21/12x), zumindest solange dies im Konnex zum beendeten Arbeitsverhältnis steht, etwa bei der Durchsetzung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen, als vom Belästigungsschutz erfasst, angesehen. Die von Rauch (ASoK 2012, 172) vertretene Ansicht, dass der Abschnitt „bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses wegen Wegfalls der Drucksituation beendet sei, übersieht nicht nur die Streitigkeiten, die sich aus fristlosen Beendigungen (Entlassung, Austritt) ergeben, sondern auch die Tatsache, dass es genügend Streitigkeiten um Beendigungsansprüche und deren Berechnung oder auch über die Zahl geleisteter Überstunden gibt. Gerade in solchen Situationen reagieren manche mit Belästigungen. Es kann daher mE dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, AN in diesem belästigungssensiblen Abschnitt ungeschützt zu belassen. Zudem wäre sehr fraglich, ob diese Auslegung der RL 2006/54/EG entsprechen würde, da diese in den Erwägungsgründen 6 und 7 der Präambel generell über das bloße Arbeitsverhältnis hinausgeht und eine Unterscheidung der (sexuellen) Belästigung während und außerhalb eines Arbeitsverhältnisses etc überhaupt nicht kennt. Daher ist eine extensive Auslegung sogar gemeinschaftsrechtlich geboten.

In der E des OGH vom 27.2.2012, 9 ObA 21/12x, wurde zwar bei einer Belästigung, die nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses stattgefunden hat, der Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bejaht, aber die Erfüllung des Tatbestands des § 21 Abs 2 Z 3 GlBG („einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt“) verneint, weil es „nur“ zu einer Belästigung in einem einzigen Brief gekommen sei und danach keine weiteren Kontakte zwischen AG und AN stattgefunden hätten. Weiteres Vorbringen und demzufolge weitere Feststellungen dazu fehlten leider, sodass Rauch (ASoK 2012, 172) mE zu Unrecht die Ansicht vertritt, dass auch weitere Kontakte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nur in Ausnahmefällen geeignet seien, das geforderte feindselige Umfeld zu schaffen. Nach dem Wortlaut des § 21 Abs 2 Z 3 GlBG genügt55 ja bereits die Absicht, dies zu tun („dies bezweckt“), es muss nicht der negativste Fall, die Schaffung eines feindseligen Umfelds, verwirklicht werden. Im Verfahren erster Instanz wäre daher vorzubringen und zu klären gewesen, was die AG mit ihren beleidigenden Aussagen in dem Brief an die AN beabsichtigte. Wenn die AG die AN etwa durch dieses Schreiben dazu bringen wollte, auf ihre Ansprüche ganz oder teilweise zu verzichten, so würde dies mE den Tatbestand des § 21 Abs 2 Z 3 GlBG erfüllen. Es wird daher im Einzelfall immer sehr sorgsam zu prüfen sein, ob nicht aufgrund der Intensität oder einer klaren Absicht auch bei Einzelfällen bereits eine Belästigung vorliegen kann. Auch wenn es sich hier um eine Belästigung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis gehandelt hat, ist zu bedenken, dass nicht nur die §§ 6 und 7, sondern auch § 21 GlBG andere Bereiche, etwa die Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit oder den Zugang zur Berufsberatung etc, erfassen. Sollte nun jemand während eines Beratungstermins beim Arbeitsmarktservice oder einer Gewerbebehörde mit ähnlichen Aussagen wie in OGH9 ObA 21/12x konfrontiert werden, so kann dies vielleicht das erste Beratungsgespräch zwischen diesen Personen sein und vielleicht nur wenige Minuten dauern. Daraus den Schluss zu ziehen, dies sei zu kurz und bloß einmalig gewesen, würde mE den Sinn des Gesetzes verkennen, da solche Beratungsgespräche in der Regel nur sehr kurz dauern, aber im Falle einer Belästigung meist massive negative Auswirkungen haben. Um die unterschiedlichen Belästigungssituationen weitgehend gleich behandeln zu können, müsste mE daher generell mehr der Absicht des Belästigers („bezweckt“) Bedeutung geschenkt bzw diese erforscht werden.