Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

§ 4 Abs 2:
Vortragende im Auftrag des ArbeitsmarktserviceVwGH 11.7.2012, 2010/08/0204

Es liegt kein generelles Vertretungsrecht vor, das die persönliche Arbeitsverpflichtung ausschließt, wenn dies nach dem festgestellten Sachverhalt mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht im Einklang steht.

Dienstnehmereigenschaft eines Technikers für Ton- und Videoanlagen
VwGH 23.5.2012, 2009/08/0147

Allein der Umstand, dass in einem Unternehmen mehrere Beschäftigte mit ähnlichen Aufgaben betraut sind und64 dafür verschieden entlohnt werden, spricht noch nicht dafür, dass die höher entlohnten Beschäftigten in keinem persönlich abhängigen Dienstverhältnis stehen. Die Entgeltlichkeit an sich ist nicht ein Teilmoment der persönlichen Abhängigkeit, sondern muss zu dieser hinzutreten, um die Versicherungspflicht als DN zu begründen.

Reinigungkraft in einer Autobahnraststation
VwGH 11.7.2012, 2012/08/0137

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Arbeitsausführung und die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des DN erlauben, kann bei einer Integration in den Betrieb des Beschäftigers – in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte – das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden.

Familienhafte Mitarbeit oder Dienstverhältnis
VwGH 23.5.2012, 2010/08/0183

Die Unterstützung des Ehepartners durch den anderen auch im wirtschaftlichen Bereich stellt den Normalfall dar, ein Dienstverhältnis die Ausnahme. Dieses entsteht nur dann, wenn die Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübt wird und zumindest schlüssig eine Vereinbarung über einen Entgeltanspruch getroffen wird. Der bloße Erhalt einer Geldleistung kann das Vorliegen einer familienhaften Beschäftigung iSd § 98 ABGB nicht entkräften.

§ 49:
Beitragspflichtiges Entgelt einer SupermarktkassierinVwGH 6.6.2012, 2009/08/0072

Der VwGH schließt sich der E des OGH vom 28.6.2011, 9 ObA 33/11k an, wonach es sich bei der Tätigkeit einer Ladenkassierin in Selbstbedienungsläden an einer Scanner-Kasse nicht um eine atypische Tätigkeit des Berufsbildes handelt, die nach dem klaren Wortlaut des KollV in Beschäftigungsgruppe 3 eingeordnet ist. Es liegen keine hinreichenden Gründe vor, die Wertung der Kollektivvertragsparteien in Zweifel zu ziehen, weshalb die Einstufung in Beschäftigungsgruppe 3 zu erfolgen hat.

Beitragsfreie Krankenkostenzuschüsse
VwGH 11.7.2012, 2009/08/0257

Es steht der Qualifikation als soziale Zuwendung iSd § 49 Abs 3 Z 11 ASVG nicht entgegen, wenn eine Leistung gewährt wird, ohne die konkrete wirtschaftliche Situation des jeweiligen DN zu prüfen. Es ist nicht Voraussetzung für die Bejahung des sozialen Charakters einer Zuwendung, dass der DN ohne ihre Gewährung in eine Notlage geraten würde.

Beitragsrechtliche Behandlung eines gültigen Vergleichs
VwGH 6.6.2012, 2010/08/0195

Versicherungsträger und Verwaltungsbehörden sind an rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, in denen Entgelt ansprüche festgestellt wurden, gebunden. Da das Verfahren nicht ergeben hat, dass der gerichtliche Vergleich unwirksam, ein Scheingeschäft oder aus sonstigen Gründen nichtig wäre, ist dieser zu Grunde zu legen.

§ 67:
Haftung eines GeschäftsführersVwGH 23.5.2012, 2010/08/0193

Auch bei einer Aufgabenteilung zwischen Geschäftsführern bleibt eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung). Eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Erfüllung bestimmter Pflichten betrauten anderen Geschäftsführers kommt aber nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln.

§ 113:
Frage der BindungswirkungVwGH 11.7.2012, 2010/08/0124

Für das Verfahren betreffend Verhängung eines Beitragszuschlags kann eine Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenats in einem Strafverfahren, in der eine Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und demzufolge die Pflichtversicherung nach dem ASVG verneint wurde, keine Bindungswirkung entfalten.

§ 175:
Kein Unfallversicherungsschutz beim Trinken einer ätzenden FlüssigkeitOGH 24.7.2012, 10 ObS 97/12f

Gem § 175 Abs 2 Z 7 ASVG besteht Unfallversicherungsschutz lediglich dann, wenn besondere Umstände gegeben sind bzw die Verhaltensweise unter erhöhter Gefahr erfolgt und sich diese Gefahr realisiert. Die Gefahr, am Weg vom Firmengelände zu einer Baustelle beim Kauf eines Getränks in einer Bäckerei eine ätzende Flüssigkeit zu erhalten, steht nicht in einem inneren Zusammenhang mit der unfallversicherten Tätigkeit.

Kein Unfallversicherungsschutz bei Schiausflug

Unfallversicherungsschutz gem § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG besteht nur, wenn der konkrete Wirkungsbereich der jeweiligen Organisation (hier: Rotes Kreuz) betroffen ist. Maßnahmen zur Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls allein reichen noch nicht aus, um Unfallversicherungsschutz zu begründen. Der Schiausflug diente weder der Öffentlichkeitsarbeit noch der Beschaffung von Geldmitteln oder der Gewinnung neuer Mitglieder.

§ 209:
Anspruch auf VersehrtenrenteOGH 24.7.2012, 10 ObS 99/12z

Bei einer Dauerrente handelt es sich immer um eine Rente auf unbestimmte Zeit, die nicht befristet zuzusprechen ist, sondern im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse iSd § 183 Abs 1 ASVG neu festzustellen ist. Wurde dennoch rechtskräftig in einem Vorverfahren vom Sozialgericht eine befristete Rente zugesprochen, ist ein späterer neuerlicher Antrag ohne die Einschränkungen des § 183 ASVG zulässig.65

§ 255:
Berufsschutz als Eisenbieger?OGH 5.6.2012, 10 ObS 37/12g

Die Voraussetzung des § 255 Abs 1 ASVG können nur österreichische Lehrabschlüsse erfüllen. Wenn ein österreichischer Lehrberuf nicht existiert, stellt sich die Frage einer Gleichstellung nach § 27a BAG nicht. Kommt daher Berufsschutz nur über die Anlernqualifikation nach § 255 Abs 2 ASVG in Betracht, sind genaue Feststellungen betreffend die Kenntnisse und Fähigkeiten notwendig, wobei auf das aktuelle – möglicherweise gegenüber der früheren Judikatur veränderte – Berufsbild abzustellen ist.