Kein „Recht auf Beschäftigung“ für beamtete ChirurgInnen?

THOMASMAJOROS (WIEN)
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Einleitung

Der VwGH hat in einem Erk vom 1.3.2012 * die Ansicht vertreten, dass eine in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stehende Chirurgin kein subjektives Recht auf tatsächliche Beschäftigung (im konkreten Fall: Betrauung mit der Durchführung von Operationen) habe. Die von der betroffenen Beamtin gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde wurde somit als unbegründet abgewiesen.

Dieses Erk wirft einige Fragen auf, wie das im Bereich des zivilrechtlichen Arbeitsrechts bereits ausführlich diskutierte Recht auf Beschäftigung im öffentlichen Dienstrecht zu sehen ist. Im Besonderen ist zu fragen, ob ein derartiges Recht auf Beschäftigung bei BeamtInnen tatsächlich in jedem Fall (also unabhängig von den Auswirkungen der Verweigerung einer tatsächlichen Verwendung für den/die Betroffene/n) zu verneinen ist.

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VwGH zum Recht auf Beschäftigung bei beamteten ChirurgInnen

Wörtlich führte der VwGH in dem erwähnten Erk dazu Folgendes aus:

„In der Sache verweist die Beschwerdeführerin auf die Bestimmung des § 36 Abs 1 BDG 1979, wonach jeder Beamte, der nicht vom Dienst befreit oder enthoben sei, mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines in der Geschäftseinteilung seiner Dienststelle vorgesehenen Arbeitsplatzes zu betrauen sei. § 45 Abs 1 BDG 1979 normiere eine Pflicht des Vorgesetzten, darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben erfüllen, wobei er das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter nach Maßgabe ihrer Leistungen zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken habe, dass sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspreche. Aus diesen Bestimmungen leitet die Beschwerdeführerin ein subjektives Recht darauf ab, als Chirurgin bei Operationen in dem von ihr angestrebten Umfang verwendet zu werden.Mit dieser Argumentation ist sie allerdings auf die grundlegenden Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 27. September 2011, Zl 2010/12/0125, zu verweisen, in dem die Einräumung eines subjektiven Rechts des Beamten auf tatsächliche Erbringung der ihm an seinem Arbeitsplatz zugewiesenen Aufgaben verneint wurde. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses, dem auch die Darstellung der insoweit wesentlichen Rechtslage entnommen werden kann, wird gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.Schließlich verweist die Beschwerdeführerin auf die zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen ergangene Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach jedem Chirurgen ein einforderbares und durchsetzbares Recht auf Beschäftigung zukomme. Der Oberste Gerichtshof leite dieses Recht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ab, ‚die zweifellos auch auf das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis übertragbar‘ seien. Wenn die Dienstbehörde versuche, hier Unterschiede zwischen Privatrecht und öffentlichem Dienstrecht der Beamten zu konstruieren, überzeuge dies in keiner Weise.Dieser Argumentation ist zu entgegnen, dass sich auf Grund des Wesenskerns eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses aus diesem abgeleitete Rechte und Pflichten nur aus dem Gesetz oder einer Rechtsverordnung ergeben können. Aus dem Dienstverhältnis abgeleitete Ansprüche des Beamten können daher nur dann geltend gemacht werden, wenn sie eine Grundlage in ausdrücklichen Normen (Gesetze oder Rechtsverordnungen) haben (vgl dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2009, Zl 2008/12/0193, mwN). Dass derartige Vorschriften, die ein Recht auf die geforderte dienstliche Verwendung begründen, nicht bestehen, wurde im zitierten hg. Erkenntnis vom 27. September 2011 im Einzelnen dargestellt.“
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Recht auf Beschäftigung: Vergleich Judikatur VwGH/OGH

Dieses Erk des VwGH steht im Gegensatz zur Judikatur des OGH, wonach ChirurgInnen einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung haben, da das Brachliegen ihrer Fähigkeiten zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust und zur Minderung des chirurgisch-handwerklichen Niveaus und so zu einem unwiederbringlichen Schaden führt.* In der Lehre wurde ein allgemeines Recht auf Beschäftigung vertreten, da die Nichtbeschäftigung eines AN grundsätzlich die Persönlichkeit beeinträchtigt. * Die Judikatur ist diesem Ansatz bisher bedauerlicherweise nicht gefolgt, nimmt aber ein Recht auf Beschäftigung – von den wenigen ausdrücklich im Gesetz geregelten Fällen (§§ 9, 18 BAG, § 18 TA) – in Ausnahmefällen an (bspw wenn dadurch ein Qualifikationsverlust zu befürchten ist, wie72 dies etwa bei ChirurgInnen,* PilotInnen* oder BerufsfußballerInnen * der Fall sein kann).

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Frühere Erkenntnisse des VwGH

Der VwGH bezieht sich in seiner Entscheidungsbegründung auf ein Erk aus dem Jahr 2011, * in dem die Einräumung eines subjektiven Rechts des Beamten auf tatsächliche Erbringung der ihm an seinem Arbeitsplatz zugewiesenen Aufgaben verneint wurde. In diesem Erk („erster Oberbereiter“ an der Spanischen Hofreitschule) führte der VwGH aus, dass der Beamte gem § 43 BDG verpflichtet sei, seine dienstlichen Aufgaben zu besorgen, wo hingegen das BDG kein diesbezügliches Recht des Beamten regle. Dies spreche klar gegen die Einräumung eines subjektiven Rechtes des Beamten auf tatsächliche Erbringung der ihm an seinem Arbeitsplatz zugewiesenen Aufgaben.

Bereits in einem früheren Erk aus dem Jahr 2006* hatte der VwGH ausgesprochen, dass der Beamte grundsätzlich gegenüber seinem DG keinen Anspruch auf Beschäftigung habe. Im konkreten Fall ging es um einen ordentlichen Universitätsprofessor an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, der nach Ansicht des VwGH kein subjektives Recht auf Betrauung mit bestimmen Lehrveranstaltungen aus Pflichtgegenständen hätte. Im Zusammenhang damit steht auch ein Erk aus dem Jahr 2009, * wonach sich die Rechte eines Beamten aus ausdrücklichen Vorschriften in Gesetz oder Verordnungen ergeben müssten.

Beide Erk (und auch das Erk zum „ersten Oberbereiter“) sind aber mit dem Fall eines/einer beamteten ChirurgIn nur teilweise vergleichbar, zumal sich in diesen Erk das Problem des Verlustes von Fertigkeiten und die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens für den/die Betroffene/n nicht stellt.

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Gesetzliche Grundlagen

Richtig ist, dass in den Bestimmungen des BDG 1979 keine Normen enthalten sind, die ausdrücklich ein Recht auf Beschäftigung normieren.

Gem § 36 Abs 1 BDG 1979 ist jeder Beamte, der nicht vom Dienst befreit oder enthoben ist, mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines in der Geschäftseinteilung seiner Dienststelle vorgesehenen Arbeitsplatzes zu betrauen. Gem § 43 Abs 1 BDG 1979 (enthalten im 5. Abschnitt „Dienstpflichten des Beamten“) ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

Eine ausdrückliche Einräumung eines subjektiven Rechtes lässt sich aus diesen Bestimmungen jedenfalls nicht zwingend ableiten. Dies steht auch im Einklang mit der gängigen Praxis, wonach im Verwaltungsrecht enthaltene Pflichten der Behörde nicht ohne weiteres auch subjektive (durchsetzbare) Rechte des Einzelnen bewirken. Auch stünde die grundsätzliche Ablehnung eines Rechtes auf Beschäftigung im Einklang mit der Judikatur des OGH, welche ein Recht auf Beschäftigung nur in Ausnahmefällen annimmt.

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Recht auf Beschäftigung aufgrund Fürsorgepflicht

Damit ist aber noch nicht geklärt, in wieweit es nicht in Ausnahmefällen auch im öffentlichen Dienstrecht ein Recht auf Beschäftigung geben könnte.

In dem erwähnten Erk des VwGH zum „ersten Oberbereiter“ an der Spanischen Hofreitschule * war der Verlust von Fertigkeiten nicht thematisiert worden; es ging dort auch primär um die Frage, in wie weit eine Weisung zu befolgen ist. Weisungen sind (wenn sie nicht von einem unzuständigen Organ erteilt wurden, gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen oder trotz Bedenken des/der BeamtIn gegen deren Rechtmäßigkeit nicht schriftlich erteilt werden – siehe § 44 Abs 2 und 3 BDG 1979) nur bei „Willkür“ nicht zu befolgen. Eine derartige „Willkür“ ist aber nur bei einem gehäuften Verkennen der Rechtslage, bei Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeiten oder bei Zugrundelegung einer unvertretbaren Rechtsansicht anzunehmen. * Die „Nichtbeschäftigung“ des/der BeamtIn könnte nun durch Erteilung einer Weisung (Untersagen einer bestimmten Tätigkeit) oder durch faktisches Verhalten erfolgen. Wird der/die BeamtIn etwa bei der Einteilung zu bestimmten Tätigkeiten einfach nicht berücksichtigt, stellt sich die Frage, inwieweit er/sie einen Rechtsanspruch auf ein aktives Tun des/der DG hat. Im Falle einer die Beschäftigung verhindernde Weisung wiederum ist zu fragen, ob diese zu befolgen ist (was bei „Willkür“ jedenfalls zu verneinen ist) bzw ob der/die DG auf den/die Vorgesetzte/n entsprechend einzuwirken hat.

Ein wesentlicher Anhaltspunkt sowohl für die Beurteilung einer Weisung (auch unter dem Gesichtspunkt der „Willkür“) als auch für mögliche Ansprüche gegen den/die DG ist die Fürsorgepflicht. Die Fürsorgepflicht des/der DG ist nicht nur im privatrechtlichen Arbeitsrecht, sondern auch im öffentlich-rechtlichen Dienstrecht anerkannt.* Danach hat der/die DG etwa die Dienstleistungen so zu regeln, dass Leben und Gesundheit des/der DN (soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist) geschützt werden und die materiellen und ideellen Interessen der DN zu wahren sind. Dies kann bspw den Schutz der DN vor Straftaten bei Erfüllung ihrer Dienstpflicht,* die Bedachtnahme auf wirtschaftliche und soziale Umstände des/der DN bei der Prüfung der Gebührlichkeit eines Fahrtkos73tenzuschusses * oder das Setzen dienstrechtlicher Maßnahmen bei einer für den/die DN überfordernden beruflichen Situation * umfassen. Auch können nach stRsp des OGH Verletzungen der Fürsorgepflicht des/der öffentlich-rechtlichen DG Amtshaftungsansprüche begründen. * Wie der OGH idZ ausdrücklich festhält, gehören zur Erfüllung hoheitsrechtlicher Aufgaben auch Fürsorgepflichten der Vorgesetzten und ihrer Beauftragten gegenüber anderen BeamtInnen. Verletzt der/die öffentlich-rechtliche DG seine/ihre gesetzliche Pflicht gegenüber einem/einer BeamtIn, so haftet der Rechtsträger für die sich daraus ergebenden finanziellen Nachteile eines/einer anderen BeamtIn nach Amtshaftungsrecht.*

Wird nun einem/einer ChirurgIn das Durchführen von Operationen untersagt oder auf andere Weise unmöglich gemacht und besteht daher die Gefahr des Verlustes chirurgischer Fertigkeiten, wird in diesem Fall die Fürsorgepflicht des/der öffentlich-rechtlichen DG tangiert. Die Annahme, für das weitere berufliche Fortkommen unbedingt erforderliche Tätigkeiten, die mit einer bestimmten Verwendung, welcher einer/einem BeamtIn zugewiesen wurde, geradezu typischerweise verbunden sind, dürften ohne Interessenabwägung entzogen werden, würde mit der ansonsten angenommenen Fürsorgepflicht des/der DG im Widerspruch stehen; dies gilt auch für jene Fälle, bei denen die faktische Nichtbeschäftigung zu einem Verlust der Berufsberechtigung führen kann (ähnlich wie bei einem/einer LinienpilotIn).

Auch ist etwa gem § 40 BDG 1979 eine Verwendungsänderung, welche – vereinfacht gesagt – mit bestimmten Verschlechterungen verbunden ist, einer Versetzung gem § 38 BDG 1979 gleichzuhalten und nur unter bestimmten Voraussetzungen (Vorliegen eines „dienstlichen Interesses“, Einhaltung eines bestimmten Verfahrens) zulässig, wobei der/die betroffene BeamtIn die mit Bescheid zu verfügende Versetzung auch im Rechtsmittelweg bekämpfen kann. Dabei ist die Abberufung von einer bestimmten Verwendung bspw dann einer Versetzung gleichzuhalten, wenn dem Beamten keine neue Verwendung zugewiesen wird (§ 40 Abs 2 Z 3 BDG 1979). Würde man nun eine/n BeamtIn zwar nicht von einer bestimmten Verwendung abberufen, die damit verbundene Tätigkeit jedoch untersagen, wäre dies zwar nicht unmittelbar dem Regime des § 40 BDG 1979 zu unterstellen; würde man dafür aber – jedenfalls dann, wenn damit die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens für den/die Betroffene/n verbunden ist – keinerlei Rechtfertigung fordern, wäre dies mit den durch diese und andere zum Schutz der BeamtInnen vorgesehenen Bestimmungen des öffentlichen Dienstrechtes verfolgten Zielsetzungen des Gesetzgebers nur schwer in Einklang zu bringen. Damit würde man aber auch den Bestimmungen des BDG 1979 einen in verfassungsrechtlicher Hinsicht äußerst problematischen Inhalt (etwa in Richtung des Gleichheitssatzes oder der Erwerbsfreiheit) unterstellen.

In derartigen Fällen, in denen die berechtigten Interessen des/der BeamtIn in geradezu existenzgefährdendem Ausmaß beeinträchtigt werden, ist mE somit aufgrund der Fürsorgepflicht des DG, dem vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzwecken des öffentlichen Dienstrechts und dem Gebot einer verfassungskonformen Interpretation ein Recht auf Beschäftigung zu fordern, in welches dann auch nur bei Vorliegen eines höherwertigen (öffentlichen) Interesses unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden darf.

In früheren Erk zu Suspendierungen im Zuge von Disziplinarverfahren hielt der VwGH fest, dass dem jeweils von den Beschwerdeführern geltend gemachten Recht auf Beschäftigung aufgrund des Sicherungszweckes von Suspendierungen keine überwiegende Bedeutung zukäme * – ein solches Recht auf Beschäftigung schien dem VwGH somit nicht von vornherein absurd, er kam nur in den konkreten Fällen über eine Interessenabwägung zu einer Verneinung!

Lediglich hinzuweisen ist darauf, dass von der Verneinung eines Rechtes auf Beschäftigung durch den VwGH jedenfalls im Amtshaftungsverfahren geltend zu machende Schadenersatzansprüche unberührt bleiben.

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Zusammenfassung

Das Erk des VwGH2011/12/0084, wonach ein Recht auf Beschäftigung bei ChirurgInnen verneint wurde, steht im Gegensatz zur Judikatur des OGH, der in derartigen Fällen (aufgrund des drohenden Verlustes handwerklich-chirurgischer Fertigkeiten) ausnahmsweise ein Recht auf Beschäftigung bejaht. Dieses Erk steht zwar im Einklang mit früheren Erk des VwGH, die aber mit dem Fall eines/einer beamteten ChirurgIn (wegen des dort drohenden unwiederbringlichen Schadens) nur bedingt vergleichbar sind.

Ein Recht auf Beschäftigung ist in den Bestimmungen des BDG 1979 nicht ausdrücklich geregelt, man wird ein solches daher nicht allgemein annehmen können. Allerdings ist mE aufgrund der Fürsorgepflicht (welche nach stRsp des VwGH auch den öffentlichrechtlichen DG trifft) in Ausnahmefällen (wie dies auch der OGH bei zivilrechtlichen Arbeitsverhältnissen sieht) dennoch ein Recht auf Beschäftigung anzunehmen.

Von der Verneinung eines Rechtes auf Beschäftigung durch den VwGH bleiben vor dem Zivilgericht geltend zu machende Amtshaftungsansprüche wegen Verletzung der Fürsorgepflicht unberührt.74