Die Änderungen bei der SchülerInnenfreifahrt und der Lehrlingsfreifahrt durch die FLAG-Novelle 2012

HELGAHESS-KNAPP (WIEN)
1
Einleitung

Die Bundesarbeitskammer (BAK) hat am Projekt „Entlastung der BürgerInnen in Verwaltungsverfahren“, das am 14.4.2009 von der Bundesregierung initiiert wurde, als Sozialpartnerin teilgenommen. Dabei wurden neben zahlreichen anderen Verwaltungsverfahren auch die wichtigsten Familienleistungen auf zu vereinfachende Verfahrensabläufe geprüft. Sehr hohe Vereinfachungspotenziale wurden im Bereich der SchülerInnenfreifahrt erkannt, welche die Eltern, Schulen, Verkehrsunternehmen, Verkehrsverbünde und Ministerien ab der Antragstellung bis zur Ausstellung und der Ausgabe der fertigen Ausweise betreffen. Bereits bei den Gesprächen zu diesem Projekt wurde sowohl von den Verkehrsverbünden als auch von der BAK eine Pauschalierung der SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt vorgeschlagen. Es wurde schnell klar, dass der effizienteste Weg dazu das Abgehen vom komplizierten Streckenkartensystem wäre. SchülerInnen und Lehrlinge sollten zur Fahrt – legitimiert durch einen Pauschalausweis – auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Einschränkung auf bestimmte Linien zur Freifahrt berechtigt werden. Die aufwändige Antragstellung und alle damit verbundenen Verwaltungsarbeiten könnten damit fast zur Gänze entfallen. Allfällige Leistungsausweitungen könnten durch Einsparungen bei der Verwaltung weitgehend kompensiert werden. Das Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) ermöglicht die SchülerInnenfreifahrt derzeit nur für Fahrten zwischen dem Hauptwohnsitz im Inland und der Schule bzw der Lehrstelle und zur Berufsschule. Diese Form der Ausgestaltung ist nur durch die Ausstellung von individuellen und deswegen aufwändigen Streckenkarten möglich. Es wurde daher die Zweckmäßigkeit der geltenden Regelungen im FLAG hinterfragt, die trotz oder wegen des hohen Verwaltungsaufwandes und der starken Fallbezogenheit der Regelungen nicht sicherstellen können, dass alle SchülerInnen der unterschiedlichen Schultypen, alle Lehrlinge und sämtliche bildungsbezogenen Wegstrecken von der Freifahrt erfasst sind. Ursprünglich sollte durch das Streckenkartensystem eine sparsame und zweckmäßige Gebarung erreicht werden. Die derzeitige Form der Ausgestaltung ist jedoch aufgrund des enormen Verwaltungsaufwandes nicht geeignet, diese Gebarungsziele zu erreichen und einem modernen Bildungssystem gerecht zu werden. Durch die FLAG-Novelle 2012 wird es zu enormen Vereinfachungen bei der Verwaltung kommen und gleichzeitig wird die Lebensrealität der SchülerInnen und Lehrlinge viel besser abgebildet.

1.1
Die Entwicklung der SchülerInnenfreifahrt und Lehrlingsfreifahrt

Zu Beginn der 70er-Jahre wurden im Zuge der damaligen gesellschaftspolitischen Reformen neben der Familienbeihilfe und anderen Geldleistungen (Geburtenbeihilfe, Kleinkindbeihilfe) zwei weitere Familienleistungen geschaffen, welche die Chancengleichheit beim Zugang zur Bildung insb für Kinder aus einkommensschwächeren Haushalten erreichen sollten. Es handelte sich dabei um die SchülerInnenfreifahrt und um die kostenlosen Schulbücher. Bildungsbarrieren aufgrund von hohen Fahrtkosten, etwa aus einer weit entfernten ländlichen Region, sollten möglichst beseitigt werden. Die SchülerInnenfreifahrt und die Schulfahrtbeihilfe wurde mit BGBl 1971/116 vorerst befristet und ab82 dem Schuljahr 1971/72 dauerhaft eingeführt. Damit wurden zuerst SchülerInnen an öffentlichen bzw mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen und HochschülerInnen allerdings nur mit österreichischer Staatsbürgerschaft begünstigt. Mit BGBl 1972/284 wurde die Schulfahrtbeihilfe und SchülerInnenfreifahrt in das FLAG übernommen und allen SchülerInnen und StudentInnen unabhängig von der Staatsbürgerschaft zugänglich gemacht. Mit der Novelle BGBl 1992/311 wurden ab 1.9.1992 die SchülerInnenfreifahrt und Schulfahrtbeihilfe um die Lehrlingsfreifahrt erweitert. Mit Novelle BGBl 1994/511 wurde die Fahrtenbeihilfe für Lehrlinge analog zur Schulfahrtbeihilfe geschaffen. Im Zuge von späteren Budgetkonsolidierungen kam es durch das Strukturanpassungsgesetz 1995 BGBl 1995/297 ab 1.9.1995 bei den Schulbüchern und bei allen Leistungen der SchülerInnenfreifahrt zur Einführung eines Selbstbehaltes in der Höhe von € 19,60 bzw (öS 270,–) im Schuljahr. Auch die zumutbare Wegstrecke von 2 km pro Richtung wurde zwischenzeitlich auf 3 km erhöht und später wieder auf 2 km gekürzt. Mit dem StrukAnpG 1996 BGBl 1996/201 wurden die Freifahrt und die Freifahrtbeihilfe für StudentInnen mit Wirksamkeit ab 1.9.1996 abgeschafft. Im Jahr 2004 wurden die Pflichtpraktika bei Ausbildungen im Gesundheitswesen und andere lehrplanmäßig vorgesehene Pflichtpraktika in die Bestimmungen des § 30a implementiert und ein Anspruch auf Fahrtenbeihilfe normiert. Weitere Novellierungen betrafen Anpassungen bei den Pauschbeträgen der Schulfahrtbeihilfen und der Fahrtbeihilfen für Lehrlinge.

1.2
Allgemeines zur geltenden SchülerInnenfreifahrt und Lehrlingsfreifahrt

Der Anspruch auf die SchülerInnenfreifahrt, die Lehrlingsfreifahrt, die Schulfahrtbeihilfe und die Freifahrtbeihilfe für Lehrlinge besteht, wenn das Kind bzw der/die Jugendliche das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe vorliegt. Die SchülerInnenfreifahrt (Freifahrtsausweis) ist auf Fahrten zwischen der Wohnung (des Hauptwohnsitzes) im Inland und der Schule und bei Lehrlingen zwischen Wohnung und (einer) Ausbildungsstätte des Lehrbetriebes und zurück auf die jeweils kürzeste Wegstecke beschränkt. Um dies sicherzustellen, ist der bisherige Freifahrtausweis als Streckenkarte konzipiert, der jedes Jahr von den Eltern neu zu beantragen ist. Eine Fahrstrecke in eine Richtung muss mindestens 2 km lang sein und an mindestens vier Tagen in der Woche zurückgelegt werden, sonst besteht kein Anspruch auf die Schul- bzw Lehrlingsfreifahrt oder auf die Fahrtbeihilfen. Hat ein Kind mehr als einen Wohnsitz und verbringt die halbe Woche beim anderen Elternteil oder den Großeltern und besucht von dort aus die Schule, entfällt der Anspruch ebenfalls. Lehrlinge müssen den Weg nur zu einer Betriebsstätte des Ausbildungsbetriebes zumindest an drei Tagen der Woche zurücklegen, um Anspruch auf die Lehrlingsfreifahrt zu haben. Neue Ausbildungsformen, wie die Lehre mit Matura oder von der traditionellen Familie abweichende Lebenssituationen, werden aufgrund der restriktiven Regelungen zur SchülerInnenfreifahrt und der Schulfahrtbeihilfen gar nicht erfasst. Aber auch eindeutig bildungsbezogene Wege, die im Regelschulwesen zum Unterricht gehören, wie Museumsbesuche, Exkursionen und Wege zum Schulsport, sind von der SchülerInnenfreifahrt sogar ausdrücklich ausgenommen. In manchen Bundesländern bieten anknüpfend an die Berechtigung zur SchülerInnenfreifahrt Verkehrsunternehmen Nachmittagsbildungskarten und ähnliche Modelle an. Das System der SchülerInnenfreifahrt ist aber auch nicht kostendeckend. BerufsschülerInnen, die zB in einem weit entfernten Bundesland eine turnusmäßig geführte Berufsschule besuchen und in einem SchülerInnenheim untergebracht sind, haben nur einmal im Monat Anspruch auf eine bezahlte Wochenendheimfahrt. Ein Lehrgang dauert jedoch acht bis neun Wochen. In vielen Fällen schließen die SchülerInnenheime am Wochenende und damit sind die überwiegend 15- bis 19-jährigen Lehrlinge wöchentlich zur Heimfahrt gezwungen. Für diese häufigen Heimfahrten müssen die Eltern aufkommen, da die Lehrlingsentschädigung für die Unterbringung im SchülerInnenheim bzw für die Zweitunterkunft aufzuwenden ist. SchülerInnen und Lehrlinge, die BürgerInnen eines anderen EU-Mitgliedstaates sind und für die kein Anspruch auf eine österreichische Familienbeihilfe besteht, sind vom Anspruch auf die Freifahrt überhaupt ausgeschlossen. Inzwischen liegt jedoch ein EuGH-Urteil vor, das die Bindung einer Fahrpreisermäßigung an die österreichische Familienbeihilfe als nicht europarechtskonform beurteilt, weil diese Regelung gegen Art 18 AEUV iVm Art 20 und 21 AEUV verstößt. Ebenso sind Kinder aus Familien, die als Asylwerbende nach Österreich gekommen sind, mangels Anspruch auf Familienbeihilfe von der SchülerInnenfreifahrt ausgeschlossen. Damit aber alle Kinder und Jugendlichen einen gleichberechtigen Zugang zur Bildung haben, sollte alleine die Tatsache des Schulbesuches oder der Absolvierung einer Lehre für den Anspruch auf die Freifahrt ausreichen.

1.3
Die bisherige Organisation der SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt

Durch die §§ 30f und 30j FLAG ist der zuständige Bundesminister ermächtigt, mit den Verkehrsunternehmen die im Tarif jeweils vorgesehenen Fahrpreise für die Beförderung der SchülerInnen und Lehrlinge zur und von der Schule zu ersetzen, wenn sich das Verkehrsunternehmen verpflichtet, einen Fahrausweis zur freien Beförderung der SchülerInnen und Lehrlinge gegen Nachweis des bezahlten Selbstbehaltes (Eigenanteil) in der Höhe von € 19,60 für jedes Schuljahr an die begünstigten Kinder und Jugendlichen auszugeben. Die Abwicklung der SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt stellt aber alle mit der Organisation befassten Stellen wegen der aufwändigen Ausgestaltung vor Herausforderungen verwaltungstechnischer Art. Es müssen Antragsformulare von den Verkehrsunternehmen gedruckt und für die Schulen bereitgestellt werden. Die Schulen haben Schulbesuchsbestätigungen gem § 30g FLAG auszustellen. Die Lehrbetriebe müssen ebenfalls gem § 30p Abs 2 FLAG bestätigen, dass die Lehrlinge in einem Lehrverhältnis zum jeweiligen Betrieb stehen. Die Antragsformulare müssen von den Lehrkräften zusammen mit den Erlagscheinen für den Selbstbehalt ausgegeben und zu Beginn des nächsten Schuljahres83 wieder eingesammelt werden. Die SchülerInnenfreifahrt muss von den Eltern jedes Jahr neu beantragt werden. Sie müssen die Antragsformulare unter Angabe aller für den Schulweg notwendigen Verkehrslinien inklusive aller Umstiegsstellen genau ausfüllen, den Selbstbehalt einzahlen, ein Foto des Kindes besorgen uvm. Die weiteren Verwaltungsschritte von der Anspruchskontrolle bis zur Ausstellung der Ausweise finden bei den Verkehrsunternehmen und den Verkehrsverbünden und in bestimmten Finanzämtern statt. Sie müssen dafür ganze Organisationseinheiten mit entsprechenden Arbeitszeitäquivalenten bereithalten.

1.4
Kosten und Nutzen der Novelle

In den Materialien zur Novelle 2012 wird bei SchülerInnen von einer Fallzahl von 548.926 und bei Lehrlingen von rund 60.000 Fällen ausgegangen. Nach den Schätzungen des Familienministeriums, aber auch der Verkehrsverbünde, könnten bei einer Vereinfachung dieser Abläufe alleine in der Verkehrsverbundorganisationsgesellschaft der Ostregion (VOR), die Wien, Niederösterreich und Burgenland umfasst, Einsparungen von ca € 525.000,– erzielt werden. Österreichweit wird das Entlastungspotential auf 1,3 Mio € geschätzt. Den Erläuterungen zur FLAG-Novelle 2012 kann entnommen werden, dass die vorgesehenen Änderungen alleine bei den bestehenden Informationsverpflichtungen zu einer Verminderung der Verwaltungskosten für die BürgerInnen um € 4.724.978,– pro Jahr führen. Ein erster Schritt zur Verwaltungsvereinfachung wurde anlässlich des Budgetbegleitgesetzes (BGBl I 2010/111) gemacht, allerdings bei den Schulbüchern. Aufgrund des hohen, vom Rechnungshof kritisierten, Verwaltungsaufwandes bei der Einhebung des Selbstbehaltes wurde dieser für die Schulbuchaktion ab dem Schuljahr 2011/2012 abgeschafft. Im Zuge dessen wurde aber auch die maximale Anspruchsdauer der Familienbeihilfe um zwei Jahre verkürzt. Trotz des hohen Einsparungspotenzials könnte es durch die Pauschalfahrkarte zu Einnahmeausfällen bei den Verkehrsunternehmen kommen. Die BAK hat in ihrer Stellungnahme zur FLAG-Novelle 2012 in diesem Zusammenhang dafür plädiert, dass es eine realistische Kalkulation geben muss, welche die notwendigen Spielräume für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts ermöglichen soll. Allfällige Mehrkosten dafür wären jedenfalls durchaus vertretbar – nicht nur iSd Einsparungen, die durch die Verwaltungsvereinfachung erzielt werden können, sondern auch iS ökologischer Zukunftsinvestitionen, indem junge Menschen als Fahrgastpotenzial langfristig von den Vorteilen des öffentlichen Verkehrs überzeugt werden, als höchst sinnvoll zu erachten.

2
Die Schritte zur Verwaltungsvereinfachung der VOR-Region
2.1
Das Pilotprojekt „Top-Jugendticket“ des VOR für Wien, Niederösterreich und Burgenland

Ausgehend vom Projekt „BürgerInnen im Verwaltungsverfahren“ hat der VOR nicht zuletzt auf Initiative der AK einen wichtigen Schritt zur Vereinfachung der SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt schon im Schuljahr 2012/13 eingeführt und damit die Verwaltungsvereinfachung im Bereich des VOR in Wien, Niederösterreich und im Burgenland bereits durch das Top-Jugendticket vorweggenommen. Im Rahmen dieses Pilotprojekts ist kein Antragsformular für die Freifahrten der SchülerInnen und Lehrlinge mehr erforderlich und auch kein Zahlschein mehr zur Entrichtung des Selbstbehaltes an das BM für Wirtschaft, Familie und Jugend. Im Unterschied zu bisherigen Freifahrtsausweisen für SchülerInnen und Lehrlinge handelt es sich beim Top-Jugendticket um keine Streckenkarte mehr ist, sondern um einen Pauschalausweis zum Preis von € 60,–, der zur Fahrt auf allen öffentlichen Verkehrslinien innerhalb der Region des VOR berechtigt. Begünstigt sind SchülerInnen und Lehrlinge, die innerhalb der VOR-Region ihren Hauptwohnsitz haben und sich der Schul- oder Ausbildungsort in Wien, Niederösterreich oder im Burgenland befindet. Das Pauschal ticket gilt an 365 Tagen im Jahr und damit auch in den Ferien. Begünstigt sind alle Kinder und Jugendlichen, welche die Sekundarstufe II (eine allgemein bildende Schule, eine AHS oder BHS, eine Lehre im dualen Ausbildungssystem, Berufsschulen, eine Schule bzw ein Pflichtpraktikum im Gesundheitsbereich usw) noch nicht abgeschlossen und das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das Pauschalticket erfasst sämtliche bildungsbezogenen Wegstrecken, aber auch alle Wege in der Freizeit und in den Ferien. Beim neuen Top-Jugendticket handelt es sich deshalb um eine Naturalleistung, die dazu geeignet ist, alle Familien finanziell zu entlasten. Das Pauschalticket ist mit € 60,– jedenfalls preisgünstiger als die bisherige SchülerInnenfreifahrt, die zwar um den Preis des Selbstbehaltes von € 19,60 zu haben ist, aber in Kombination mit der Nachmittagsbildungskarte, die zusätzlich € 6,– pro Monat (Wien) kostet, und im Schuljahr zusammen mit dem Selbstbehalt von € 19,60 auf fast € 80,– kommt. Es kann inzwischen gesagt werden, dass das Top-Jugendticket im Schuljahr 2012/13 bisher in einem sehr hohen Ausmaß angenommen und immer noch stark nachgefragt wird. Damit wurde zunächst in der VOR-Region der Verwaltungsaufwand erheblich eingedämmt und das Angebot an den tatsächlichen Erfordernissen von SchülerInnen und Lehrlingen – vorerst ohne gesetzliche Grundlage im FLAG – ausgerichtet. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hat dieses Projekt aufgegriffen und einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der dieses Konzept auch im FLAG abbildet und damit die Finanzierung aus den Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds sicherstellt. Der Minister für Wirtschaft, Jugend und Familie wird nunmehr aufgrund der Novelle 2012 ermächtigt, direkt mit den Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften Verträge über die Abgeltung der Fahrtkosten abzuschließen. Die Verkehrsverbünde sollen danach die Mittelaufteilung an die Verkehrsunternehmen durchführen. Da die Umsetzung des TOP-Jugendtickets auf vertraglicher Basis ausgehandelt wurde und seitens des Ministers eine Ausweitung dieses Projekts auf das gesamte Bundesgebiet geplant ist, soll diese Beförderungsvariante nun auch auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Mit der Novellierung des FLAG wird die Grundlage für die Leistung einer Pauschalabgeltung an die Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften geschaffen.84

Die neue pauschalierte Form der SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt soll durch die Novelle zukünftig auf alle Verkehrsverbünde im Bundesgebiet ausgeweitet werden. Pressemeldungen zufolge besteht auch bei anderen Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften die Absicht, sich diesem Projekt anzuschließen. Wünschenswert wäre es, wenn das Top-Jugendticket zukünftig auch verkehrsverbundübergreifend gelten könnte; dies bleibt noch abzuwarten und wäre iSd besseren Zuganges zur Bildung und der Entlastung der Familien jedenfalls vorteilhaft. SchülerInnen und Lehrlinge, die in einem anderen Verkehrsverbund wohnen und daher pendeln müssen, könnten besser berücksichtigt werden als dies durch die Änderung der Novelle bei den Fahrtbeihilfen gem §§ 30d Abs 3 (neu) und 30o Abs 4 (neu) der Fall sein kann. Für BerufsschülerInnen, die eine turnusmäßig geführte Berufsschule in einem anderen Verkehrsverbundgebiet besuchen, könnte die bundesweite Gültigkeit des Top-Jugendtickets eine erhebliche Entlastung sein. Weiters muss sichergestellt werden, dass SchülerInnen aller Schultypen und Ausbildungswege, die schon bisher Anspruch auf die SchülerInnenfreifahrt hatten, durch das Top-Jugendticket begünstigt werden. Dazu zählen auch kollektivvertragliche Ausbildungsformen in der Art einer Lehre, die (derzeit) noch nicht vom BAG erfasst sind, wie zB zahnärztliche AssistentInnen.

2.2
Die Abwicklung des Top-Jugendtickets (Pauschaltickets) im VOR

Die Abwicklung erfolgt in Wien durch den Kauf des Top-Jugendtickets und durch den Nachweis des Anspruchs mit Hilfe des Schülerausweises. In Niederösterreich und im Burgenland wird das Pauschalticket über die Schulen abgewickelt. Der VOR bietet den Ankauf seit August 2012 im Internet (Online-Ticketshop) an. Es wird der Kauf im Internet angeraten, da das Ticket bei Verlust oder Diebstahl jederzeit neu ausgedruckt werden kann. Angeboten wird das Ticket seit August im VOR-Servicecenter, bei Bahnhöfen, an Fahrscheinautomaten und bei den Vorverkaufsstellen der Wiener Linien sowie in den Wiener Trafiken. Lehrlinge mit Lehrstelle im Burgenland können ein gültiges TOP-Jugendticket über die Arbeiterkammer Burgenland erwerben. SchülerInnen und Lehrlinge in Wien können das bei den Verkaufsstellen erhältliche Top-Jugendticket in Verbindung mit einem Schülerausweis, welcher in vielen Trafiken erhältlich ist und von der Schule bestätigt werden muss, nutzen. KrankenpflegeschülerInnen in Niederösterreich oder dem Burgenland erhalten ihre Jugendtickets über die Schule. Sollte ein alter Erlagschein mit dem Selbstbehalt von € 19,60 im System der Schülerfreifahrt bereits eingezahlt worden sein, kann dieser beim Finanzamt Wien 1030, 1110, Schwechat und Gerasdorf mittels Rückerstattungsformular rückgefordert werden. Als Berechtigungsnachweis müssen SchülerInnen einen SchülerInnenausweis, Lehrlinge einen Lehrlings- bzw Berufsschulausweis mitführen. Bei SchülerInnen einer österreichischen Schule wird bis zum Ende jenes Schuljahres, in dem sie das 15. Lebensjahr vollenden, auch ein amtlicher Lichtbildausweis anerkannt.

Anzumerken ist, dass das Top-Jugendticket je nach Verkaufsstelle noch kein einheitliches Erscheinungsbild hat. Bei den ÖBB etwa gleicht dieses hochwertige Ticket einer herkömmlichen Fahrkarte und kann somit leicht in Verlust geraten. Hier wäre noch eine Angleichung der Ausweisformate mit einem einheitlichen grafischen Erscheinungsbild, etwa im Scheckkartenformat, erforderlich. Problematisch ist, dass nicht alle Schulen Schülerausweise ausstellen. Deshalb können sich SchülerInnen bei einer Kontrolle nicht legitimieren. Dies ist jedenfalls ein Problem, das rasch gelöst werden muss. Daher wäre es auch sehr von Vorteil, wenn die Educard, dies ist ein Projekt des BM für Unterricht, Kunst und Kultur rasch umgesetzt werden könnte, damit sich alle Anspruchsberechtigten als SchülerInnen oder BerufsschülerInnen ausweisen können.

3
Die FLAG-Novelle 2012
3.1
Die Hauptgesichtspunkte der Novelle
  1. Die Leistung einer Pauschalabgeltung für die Beförderung von SchülernInnen und Lehrlingen im öffentlichen Verkehr in einem Verkehrsverbundbereich durch den Bund.

  2. Schaffung einer Rechtsgrundlage im FLAG 1967.

  3. Rechtsanpassungen im Bereich der Schulfahrtbeihilfe und Fahrtenbeihilfe für Lehrlinge.

Durch die Gesetzesänderung sollen die Voraussetzungen für ein Pauschalticket nach dem Muster des VOR geschaffen werden, wonach SchülerInnen und Lehrlingen die Fahrt auf allen öffentlichen Verkehrslinien innerhalb eines Verkehrsverbundbereiches ermöglicht werden soll. Mit der Novelle wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass sich auch alle anderen Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften vorerst in ihren Wirkungsbereichen dem Modell des VOR anschließen können.

3.2
Ermächtigung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend mit den Verkehrsverbundgesellschaften Verträge abzuschließen

Schon bisher war der zuständige Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend nach § 30f Abs 1 FLAG sowie nach § 30j Abs 1 FLAG ermächtigt, mit Verkehrsunternehmen des öffentlichen Verkehrs Verträge abzuschließen, wonach der Bund den Verkehrsunternehmen die im Tarif vorgesehenen Fahrpreise für die Beförderung von SchülerInnen und Lehrlingen ersetzt. Diese Verträge werden jährlich im Auftrag des zuständigen Ministers über die Finanzlandesdirektion mit jedem einzelnen österreichischen Verkehrsunternehmen abgeschlossen. Dabei werden die jeweils aktuellen SchülerInnen- und Lehrlingszahlen berücksichtigt. Mit der Novelle 2012 wurden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, dass der Abschluss dieser Verträge nunmehr auch mit den Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften, in denen die Verkehrsunternehmungen zusammengeschlossen sind, erfolgen kann. Die diesbezügliche Ermächtigung wurde in den §§ 30f85 Abs 6 FLAG (für die SchülerInnenfreifahrt) und 30j Abs 3 FLAG (für die Lehrlingsfreifahrt) implementiert. Es handelt sich dabei um Verträge nach den §§ 17 und 18 des BG über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (ÖPNRV-G 1999). Die neuen Regelungen sehen ua vor, dass das Finanzvolumen der Pauschalabgeltung im Einvernehmen zwischen dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend und der jeweiligen Verkehrsverbundorganisationsgesellschaft festgelegt werden muss.

Dabei werden

  1. die Höhe der Pauschalabgeltung im Einvernehmen zwischen dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend und der jeweiligen Verkehrsverbundorganisationsgesellschaft nach der Anzahl der fahrberechtigten SchülerInnen und Lehrlinge festzulegen sein.

  2. Gem §§ 30f Abs 6 und 30j Abs 3 FLAG wird bestimmt, dass der zuständige Minister mit den Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften einvernehmlich einen Beobachtungszeitraum (ein Basisjahr) festlegt, aus dem die Anzahl der fahrberechtigten SchülerInnen und Lehrlinge ermittelt wird.

  3. Aus diesen Fallzahlen ist die jährliche Pauschalabgeltung zu ermitteln.

  4. Von der Pauschalabgeltung soll der Selbstbehalt (Eigenanteil) je nach Anzahl der SchülerInnen und Lehrlinge abgezogen werden.

  5. Die so errechnete Pauschalabgeltung soll jährlich vom Bund aus den Mitteln des FLAF an die Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften geleistet werden.

Vorgesehen ist, dass die Verkehrsverbünde zukünftig die Zuteilung der Geldmittel auf die Verkehrsunternehmen innerhalb ihres Wirkungsbereiches regeln. Die Bestimmung bezüglich der weitestgehenden Ermäßigung (§ 30f Abs 1 FLAG) ist nicht auf die Pauschalabgeltung anzuwenden. Diese Bestimmung bezieht sich auf bestimmte Tarife eines Verkehrsunternehmens. Bei der Pauschalabgeltung erfolgt aber keine entsprechende Leistungsabgeltung im Einzelfall mehr. Die bisher geltende Regelung über die weitestgehende Ermäßigung, zu der die Verkehrsunternehmen verpflichtet wurden, ist bereits im Mengengerüst für die Pauschalabgeltung enthalten und daher nicht mehr zu berücksichtigen.

3.3
Anpassungen bei der Schulfahrtbeihilfe gem § 30d FLAG und der Lehrlingsfahrtbeihilfe gem § 30o FLAG an das Pauschalticket

Die Schulfahrtbeihilfe kommt dann zum Tragen, wenn die SchülerInnenfreifahrt bzw die Lehrlingsfreifahrt im Linienverkehr nicht oder nur teilweise möglich ist, und die Freifahrt im Gelegenheitsverkehr etwa infolge einer zu geringen SchülerInnenanzahl bzw Lehrlingszahl ebenfalls nicht oder nur teilweise in Betracht kommt. Die Höhe der Schulfahrtbeihilfe richtet sich nach der Wegstrecke und ist nach Kilometern gestaffelt. Die entsprechende Regelung sind für SchülerInnen in den § 30c FLAG und für Lehrlinge in § 30n FLAG geregelt. Können aber die dort vorgesehenen Pauschbeträge die tatsächlichen Kosten nicht decken, können 100 % des Fahrpreises beim Finanzamt geltend gemacht werden. Die Bestimmungen der §§ 30d und 30o FLAG wurden nunmehr durch jeweils einen Absatz ergänzt und an die Erfordernisse des Pauschaltickets angepasst. Die Anpassungen betreffen Restschulwege außerhalb eines Verbundgebietes, wenn diese mehr als 2 km betragen. Vorgesehen sind weiters Aufstockungen bei der Schulfahrtbeihilfe und bei der Heimfahrtbeihilfe für jene SchülerInnen und Lehrlinge, die keine Möglichkeit haben, ein Pauschalticket zu nutzen. Ebenso erfolgt eine Anpassung für Wegstrecken, die nicht oder nur teilweise mit einem Pauschalticket zurückgelegt werden können. Für Familienheimfahrten (Internat oder Berufsschule) auf Reststrecken über 2 km pro Richtung wird die Schulfahrtbeihilfe bis zu einer Weglänge von 10 km um monatlich € 5,– aufgestockt. Übersteigt die Reststrecke 10 km, wird der Auszahlungsbetrag nach § 30c Abs 1 FLAG um die zustehende monatliche Pauschalabgeltung nach § 30c Abs 4 FLAG aufgestockt.

3.4
Implementierung der Novelle zum BAG in § 30k Abs 4 FLAG

Die Novelle zum BAG, BGBl I 2008/82, schuf eine einheitliche gesetzliche Grundlage für die Lehrausbildung außerhalb von Betrieben, indem dem Jugend-Ausbildungssicherungsgesetz (JASG) ab 1.1.2009 der Wirkungsbereich für neue Maßnahmen entzogen wurde und stattdessen der neue § 30b im BAG die spezifischen Maßnahmen des Arbeitsmarktservice im Rahmen der überbetrieblichen Lehrausbildung regelt. Die Lehrausbildung außerhalb von Betrieben ist nunmehr ausschließlich im BAG geregelt. Die Änderungen erfolgen in Anpassung an den geltenden Rechtsbestand. Mit der Implementierung dieser Regelung erfolgte nunmehr eine Klarstellung, dass die überbetrieblichen Lehrausbildungen nach BAG ebenfalls durch die SchülerInnenfreifahrt (Berufsschulen) und die Lehrlingsfreifahrt sowie durch die Fahrtenbeihilfen begünstigt sind.86