B. SchwarzAlterssicherung mit Zukunft

Verlag des ÖGB, Wien 2012, 220 Seiten, kartoniert, € 29,90

JOSEFCERNY (WIEN)

Publikationen über die Zukunft der Altersversorgung gibt es in Hülle und Fülle. Das Spektrum reicht von plumper, ideologisch gefärbter Polemik bis hin zu anspruchsvollen wissenschaftlichen Untersuchungen auf nationaler und internationaler Ebene. Was kann man da von einem (weiteren) Buch zu diesem Thema schon erwarten?

Einiges, wenn man weiß, dass der Autor Vorsitzender der Pensionskommission im Sozialministerium und vorher als Sozialexperte der Arbeiterkammer, Kabinettschef von Sozialministerin Lore Hostasch und im Personalmanagement eines großen Unternehmens tätig war, also viel Wissen und Erfahrung in die Diskussion einbringt.

Die Erwartung wird nicht enttäuscht. Das Buch von Bernhard Schwarz ist kein langweiliges, trockenes Sachbuch. Es ist flott, zum Teil sogar unterhaltsam geschrieben, immer wieder mit persönlichen Episoden garniert, und unterscheidet sich wohltuend von marktschreierischen Horrormeldungen selbsternannter „PensionsexpertInnen“. Statt düsterer Zukunftsprognosen bietet Schwarz Daten, Fakten und Argumente dafür an „Wie wir mit Änderungen in der Arbeitswelt und bei der Zusammensetzung der Bevölkerung zurechtkommen können“ (so der Untertitel des Buches).

Das Buch enthält eine fundierte Darstellung der Grundlagen, der Entwicklung und der Rahmenbedingungen des Systems der Alterssicherung. Es zeigt die Hintergründe der immer wieder aufgewärmten Diskussion über eine „Pensionsreform“ (laut Schwarz ein „Unwort“) auf und räumt mit dem Mythos der demographischen Entwicklung als Hauptursache der angeblichen Unfinanzierbarkeit unseres Pensionssystems auf. Die Bezeichnung des Bundesbeitrages zur PV als „Defi88zit“ wird mit klaren Worten als das deklariert, was sie ist, nämlich „Unkenntnis über das Finanzierungskonzept der Pensionen“. Der Bundesbeitrag stellt einen „unverzichtbaren Beitrag zur Erhaltung des Pensionsniveaus dar“ (S 161).

In manchen Fragen kann man durchaus anderer Meinung sein als Schwarz. Obwohl er, wie er ausdrücklich betont, nichts von Beschönigungen hält, tendiert er doch an manchen Stellen zu einer allzu rosigen Darstellung der gegenwärtigen Zustände, so wenn er meint, es habe noch nie zuvor eine andere Generation gegeben, die eine so gute Alterssicherung genießen könne wie jene, die derzeit im Ruhestand ist (S 9). Das werden wohl viele PensionsbezieherInnen, vor allem Frauen, die mit weniger als 1.000 € Pension auskommen müssen, anders sehen. Auch die Thesen, dass die „Gesamtbilanz“ des Pensionssystems „für die Frauen besser“ sei als für die Männer (S 113), oder dass die PensionistInnen an der Produktivitätserhöhung nicht beteiligt werden sollen (S 147), werden – begreiflicherweise vor allem bei den Betroffenen – auf Widerspruch stoßen. Und dass es für die PensionistInnen einen „erheblichen Kaufkraftgewinn“ gegeben habe (S 27), wie Schwarz statistisch und graphisch nachzuweisen versucht, stimmt zwar in einer Gesamtbetrachtung, weil die Zahl der PensionistInnen gestiegen ist und neue Pensionen höher sind als weggefallene, im Einzelfall werden aber jene PensionistInnen, deren Pensionen in den letzten Jahren mehrmals unter der Inflationsrate angepasst wurden, und die dadurch einen (dauerhaften!) Kaufkraftverlust in Kauf nehmen mussten, die Sache anders sehen.

Das Buch von Schwarz ist klar in der Analyse, aber wenig innovativ bei den Lösungsvorschlägen (die Schwarz ausdrücklich als seine eigenen, und nicht als die der Pensionskommission deklariert). Es bleibt im Wesentlichen bei der Argumentationslinie derer, die schon bisher das System der Alterssicherung verteidigt haben. Dennoch ist es kein system-konservatives Konzept, sondern ein glaubhaftes Plädoyer für künftige Veränderungen.

(Auch) Schwarz hält eine Anhebung des faktischen Pensionsalters in Zukunft für unerlässlich. Was er im Vorwort als Kritik an den Ergebnissen der Pensionskommission formuliert, nämlich dass sie kein exaktes Konzept dafür gefunden habe, wie das geschehen soll, kann auch er nicht anbieten. Die Vorstellung, dass man mit „Übergangsbeschäftigungen“, vor allem mit Tätigkeiten im sozialen Bereich, die Grenze zwischen Vollerwerb und Vollpension aufweichen und so für eine Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters sorgen könnte, erscheint mir doch ziemlich unrealistisch. Wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist und bleibt, wie man für jene, die derzeit vor Erreichung des „Regelpensionsalters“ in Pension gehen (und zwar aufgrund eines Rechtsanspruchs!) altersadäquate (und entsprechend bezahlte) Arbeitsplätze zur Verfügung stellen kann. Diese Frage kann auch Schwarz nicht überzeugend beantworten.

Bei den Ausführungen über die zum Teil bereits erfolgte und zum Teil für die nächste Zeit geplante Reform des Invaliditätspensionsrechts (Stichwort „Rehabilitation vor Pension“) werden die arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen weitgehend ausgeblendet, obwohl Schwarz zu Recht immer wieder den engen Konnex zwischen Alterssicherung und Arbeitsmarkt betont. Wie soll es das AMS schaffen, bei steigender Arbeitslosigkeit und überdurchschnittlich hoher Altersarbeitslosigkeit gesundheitlich beeinträchtigte Menschen nach der Rehabilitation auf einen zumutbaren Arbeitsplatz zu vermitteln?

Die Rahmenbedingungen, die Schwarz für die Zukunftssicherung des Pensionssystems formuliert, beruhen auf unsicheren Annahmen. Was passiert, wenn das von ihm angenommene Wirtschafts- und Beitragswachstum von mindestens 1,6 % im Jahresschnitt aufgrund einer längeren Wirtschaftskrise nicht erreicht werden kann? Und was, wenn die Erhöhung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters nicht ohne Steigerung der Arbeitslosigkeit möglich ist? Schwarz selbst ist sich dieser Problematik durchaus bewusst (S 206: „Auf die Umstände kommt es an“), spielt aber für den Fall der Abweichung der Realität von den Annahmen den Ball an die Politik weiter: „Die Aufgabe der Politik ist es nun, möglichst darauf hinzuwirken, dass die Bedingungen erfüllt werden, die einen Bestand des Pensionssystems nach menschlichem Ermessen sichern.“ Wenn die Politik so einfach dazu in der Lage wäre, gäbe es wohl die ständige Pensionsdebatte nicht...

Die Überlegungen von Schwarz für künftige Veränderungen setzen vorwiegend beim Leistungsrecht des Pensionssystems an. Vorstellungen über alternative Finanzierungsformen, die nicht nur zur finanziellen Absicherung des Systems, sondern auch zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen könnten, wie zB die seit Dallinger viel diskutierte „Wertschöpfungsabgabe“, werden zwar ebenfalls angesprochen, aber nicht weiter verfolgt, offensichtlich weil Schwarz sie für „schwer durchsetzbar“ hält. Damit dürfte er schon Recht haben, aber das Gleiche gilt wohl auch für die von ihm favorisierte Umwandlung des AG-Beitrags zu einer Steuer mit Zweckbindung für den Bundesbeitrag zur PV. Die Zurückhaltung gegenüber „systemüberschreitenden“ Finanzierungsmodellen spielt jenen in die Hände, die als Alternative zum solidarischen System der sozialen Alterssicherung die Private Altersversorgung anbieten, deren Nachteile Schwarz mit überzeugenden Argumenten aufzeigt.

Insgesamt könnten kritische BeobachterInnen der medialen Szene die Frage aufwerfen, was an dem Buch von Schwarz denn so neu ist, wo doch seine Vorstellungen über die Zukunft der Alterssicherung weitgehend systemimmanent bleiben. Gerade dass er versucht, mit pragmatischen Ansätzen zu einer realistischen Zukunftsperspektive zu kommen, macht aber das Buch aus meiner Sicht wertvoll.

Im Vorwort bezeichnet es Schwarz als Intention seines Buches, mehr Information zu geben, mehr Hintergrundwissen zu verbreiten und immer an die Verbesserungsfähigkeit von Zuständen und Handlungen zu glauben. Ob ihm das tatsächlich bei allen LeserInnen gelingen wird, muss nach den bisherigen Erfahrungen mit der „Pensionsreformdiskussion“ leider bezweifelt werden. Von manchen wird nämlich die Debatte offenbar nach dem Motto geführt: „Von meinen Vorurteilen lasse ich mich auch durch Fakten nicht abbringen“. Wer aber an fundierter Information über komplexe Zusammenhänge der „Alterssicherung mit Zukunft“ ernsthaft interessiert ist, dem kann das Buch von Schwarz nur bestens empfohlen werden. Es ist eine wahre Fundgrube für eine offene, vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit einem der zentralen Themen der Zukunft unserer Gesellschaft.