Resch (Hrsg)Kündigungs- und Entlassungsschutz

Verlag des ÖGB, Wien 2012, 160 Seiten, € 29,90

PAULAASCHAUER (GRAZ)

Beruhend auf den Vorträgen des 26. Praktikerseminars, veranstaltet vom Institut für Rechtswissenschaft der Univer89sität Klagenfurt gemeinsam mit der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Kärnten, gibt das vorliegende Buch einen umfassenden und tiefgehenden Einblick in grundsätzliche Fragen und aktuelle Entwicklungen im Kündigungs- und Entlassungsschutzrecht.

Im ersten, und nicht zuletzt auf Grund der umfassenden Thematik, längsten Beitrag, gibt Drs einen Überblick über den allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Einleitend werden die wesentlichen Parameter für den Anwendungsbereich, wie beispielsweise die AN-Eigenschaft iSd ArbVG, dargestellt sowie der für Österreich charakteristische Fokus auf die Mitwirkung des BR im Rahmen von Kündigungen und Entlassungen thematisiert. Ausführlich beschreibt Drs das Vorverfahren bei Kündigung, wobei auch unter Einbeziehung von Judikatur auf jene Probleme hingewiesen wird, die sich bei einer Verständigung des BR mittels E-Mail ergeben können. Im Zuge der Besprechung der Wochenfrist des BR für eine Stellungnahme wird nicht nur die mit BGBl I 2010/101 ergangene Gesetzesänderung angesprochen, sondern auch auf die Diskrepanz zwischen dieser neuen Regelung in § 105 Abs 1 ArbVG sowie jener in § 63 Abs 1 BR-GO hingewiesen, die noch immer eine Frist von fünf Werktagen vorsieht. Eine Lösung dieses Regelungswiderspruchs wird jedoch nicht angeboten. Drs spricht auch die sich aus der Wochenfrist ergebende Problematik einer Nichtberücksichtigung von arbeitsfreien Tagen, insb bei Betriebsurlauben, an. Anders als Friedrich (in ZAS 2011, 60 [65]), der dem Gesetzeswortlaut den Vorrang gibt, vertritt Drs den Standpunkt, dem Regelungszweck zufolge müsse die Bestimmung so ausgelegt werden, dass Zeiten eines Betriebsurlaubes nicht mitzuzählen seien und weist darauf hin, dass es in einem solchen Fall meist sowieso an der ordnungsgemäßen Zustellung der Verständigung scheitere. Betreffend die Form des Beschlusses des BR wird auf die ebenfalls durch die Novelle eingeführte Möglichkeit hingewiesen, einen Beschluss im Umlaufweg zu fassen. Anhand einiger höchstgerichtlicher Entscheidungen stellt Drs überzeugend nicht nur jenen Handlungsspielraum dar, der einem Betriebsinhaber der Judikatur zufolge zukommt, damit zwischen Beendigung des Vorverfahrens und Ausspruch der Kündigung noch der geforderte sachliche und zeitliche Zusammenhang besteht, sondern auch die durch die Rsp entwickelte Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung.

Die Information des BR von erfolgter Kündigung bzw Entlassung sowie die Anfechtungsmöglichkeiten werden den sehr ausführlich besprochenen Anfechtungsgründen vorangestellt. Wie schon in den vorhergehenden Kapiteln wird die behandelte Materie, insb im Zusammenhang mit der Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit, durch Anknüpfung an zahlreiche Judikaturbeispiele lebendig und anschaulich dargestellt. Auch auf die Problematik der Durchführung eines Sozialvergleichs in Betrieben ohne BR wird hingewiesen. Die Anfechtungsthematik wird durch je zwei Beispiele zur Kündigungs- und Entlassungsanfechtung abgerundet. Den Abschluss bildet eine kurze Darstellung der Anfechtungsmöglichkeiten, die sich AN bieten, die entweder in Betrieben beschäftigt sind in welchen kein BR einzurichten ist, die nicht dem AN-Begriff des ArbVG unterfallen oder nicht in einem Betrieb iSd ArbVG beschäftigt sind.

Mair befasst sich in seinem Beitrag eingangs zunächst mit der Frage der individuellen Befugnisse der AN im System des österreichischen Beendigungsrechts, bevor er sich dem Kernthema, dem individuellen Kündigungs- und Entlassungsschutz, widmet. Er stellt voran, dass es, im Gegensatz zum allgemeinen Kündigungsschutzrecht, in diesem Fall an den AN selbst gelegen ist, die Kündigungserklärung des AG mittels Anfechtungsklage für unwirksam erklären zu lassen. Bevor auf die einzelnen Tatbestände des individuellen Kündigungsschutzes eingegangen wird, gibt Mair einen kurzen historischen Überblick über dessen Genese unter besonderer Betrachtung der 2. Novelle des GlBG 1979 sowie europarechtlicher Vorgaben. Durch die Umsetzung einiger Anfechtungstatbestände aus diversen europäischen Richtlinien in österreichisches Recht sieht Mair auch den Anwendungsbereich der Grundrechte-Charta gem Art 51 GRC eröffnet. Anschließend werden die einzelnen Tatbestände des individuellen Kündigungsschutzes beleuchtet. Als „wenig spektakulär“ bezeichnet Mair die Anfechtungstatbestände des AVRAG und spricht dabei § 8 AVRAG, das Verlassen eines Gefahrenbereichs durch den AN, § 9 AVRAG, Kündigungsschutz von Sicherheitsvertrauenspersonen, Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizinern sowie § 15 Abs 3 AVRAG betreffend anfechtungsberechtigte Geburtsjahrgänge 1935–1942 bei männlichen und 1940–1947 bei weiblichen AN an, wobei letzterer aus demographischen Gesichtspunkten an Bedeutung stark eingebüßt hat. Hier stellt Mair auch auf den Unterschied zwischen dem Anfechtungstatbestand des § 9 AVRAG für einen „betriebsverfassungsfreien“ Betrieb und dem allgemeinen Motivkündigungsschutztatbestand nach § 105 Abs 3 Z 1 lit g ArbVG ab, der vor allem in der durch § 9 Abs 3 AVRAG normierten Pflicht des AG zur Anzeige einer bevorstehenden Kündigung bei der örtlichen Arbeiterkammer liegt. Zwar nicht als „spektakulär“, aber dennoch als „Anfechtungstatbestände mit Potential“ bezeichnet Mair Diskriminierungstatbestände des GlBG. So werden neben dem Tatbestand der Altersdiskriminierung des § 26 GlBG und dessen Beweiserfordernissen auch die EuGH-Entscheidungen Age Concern England, Rosenbladt und Georgiev besprochen. Ebenso wie der OGH geht auch der EuGH in seiner Rsp davon aus, dass es keinen Verstoß gegen das (unionsrechtliche) Verbot der Altersdiskriminierung darstellt, wenn gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen AG dazu ermächtigen, AN mit dem Erreichen des Regelpensionsbezugsalters zu kündigen. Ebenso viel Potential wird vom Autor auch Antidiskriminierungstatbeständen nach BEinstG zugesprochen. Den Abschluss des Beitrags bilden Abgrenzungsfragen zwischen individuellem und allgemeinem Kündigungsschutz.

Der dritte Beitrag von Eichinger behandelt schließlich den besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Ein auf den ersten Blick sehr enges Thema wird von Eichinger umfassend bearbeitet und lässt keine Fragen offen. Zuerst wird eine Abgrenzung des besonderen zu allgemeinem und individuellem Bestandschutz vorgenommen, bevor vom besonderen Bestandschutz erfasste Personenkreise wie Betriebsratsmitglieder, Präsenz- und Zivildiener, Schwangere, Mütter, Väter usw sowie die korrespondierenden Spezialnormen erläutert werden. Die abweichenden Voraussetzungen für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses in den Fällen des besonderen Bestandschutzes im Gegensatz zum allgemeinen Bestandschutz werden im Kapitel „Ausgestaltungselemente des besonderen Bestandschutzes“ übersichtlich dargestellt. Abschließend geht Eichinger auf die Neuerungen im Kündigungsschutz bei Menschen mit Behinderung durch das Budgetbegleitgesetz 2011 BGBl I 2010/111BGBl I 2010/111 ein, die ua eine Verlängerung der „Wartezeit“ vor Beginn des Sonderschutzes auf nunmehr vier Jahre, Veränderungen beim geschützten Personenkreis gem § 2 Abs 1 BEinstG oder die Abschaffung90 der Befassung des Amts der Landesregierung im Zustimmungsverfahren vorsehen und rundet somit jenen Themenkreis ab, der bei Mair seinen Anfang genommen hat.

Der vorliegende Band bietet damit nicht nur einen hervorragenden Überblick über das geltende Kündigungs- und Entlassungsschutzrecht unter Beachtung der wichtigsten Neuerungen, es wird auch die praktische Relevanz der jeweiligen Schutzinstrumente analysiert und somit Wissenschaft und Praxis in bewährter Weise verknüpft.