Hengstschläger/LeebGrundrechte

Manz Verlag, Wien 2012, XXII, 298 Seiten, broschiert, € 48,50

ELIASFELTEN (SALZBURG)

Das Kurzlehrbuch „Grundrechte“ soll in erster Linie Studierenden „einen übersichtlichen und verständlichen, aber doch umfassenden Einblick in die rechtlichen Grundlagen und wichtigsten Fragen der Grundrechtsdogmatik geben“ (siehe Vorwort). Diesem Anspruch wird das vorliegende Werk vollumfänglich gerecht.

Zu Beginn erfolgt eine Einführung in die allgemeine Grundrechtslehre. Dh, es werden Funktion und Begriff der Grundrechte näher erläutert und in weiterer Folge auch die historische Entwicklung der Grundrechte dargestellt. Anschließend wird ein Überblick über die einzelnen Grundrechtsquellen gegeben. Neben dem nationalen Verfassungsrecht gehen die Autoren auch auf die EMRK und die Europäische Grundrechtscharta (EGRC) ein. In diesem Zusammenhang wird auch das Verhältnis der einzelnen Rechtsquellen zu einander und der ihre Einhaltung überwachenden Gerichtshöfe VfGH, EGMR und EuGH thematisiert. Tatsächlich wird eine entscheidende Frage in der Zukunft sein, welchen Einfluss die EGMR-Rsp auf den EuGH und seine bis jetzt eher zurückhaltende Judikatur zu Bedeutung und Reichweite der europäischen Grundrechte nimmt (S 16). Davon wird ganz maßgeblich zB die Rolle der Gewerkschaften innerhalb der Union abhängen (Stichwort „Streikrecht“). Gerade deshalb wäre es aber wünschenswert gewesen, wenn die Autoren auch einige Worte über die Auswirkungen der EGRC auf das nationale Recht verloren hätten. Diese Frage, die sich konkret in der Diskussion kristallisiert, wie weit der Anwendungsbereich der Charta gem Art 51 („bei der Durchführung des Unionsrechts“) zu interpretieren ist, ist nämlich höchst umstritten. Darauf hätte man uU auch gesondert hinweisen können (vgl S 15).

In weiterer Folge werden die einzelnen Arten von Grundrechten dargestellt. Hier zeigt sich, dass ein rein liberales Grundrechtsverständnis insb auf Grund der inter- bzw supranationalen Rechtsquellen tatsächlich „überkommen“ erscheint (S 20). Soziale Grundrechte spielen zunehmend eine bedeutende Rolle. In der Realverfassung ist dieser Umstand freilich kaum wahrnehmbar. Das hängt mit ihrer mangelnden Durchsetzbarkeit zusammen (S 24).

Etwas ausführlicher wird dann – entsprechend der Bedeutung für das Studium – die Grundrechtsbindung der Staatsgewalten und die Möglichkeiten und Grenzen von Grundrechtseingriffen behandelt. Die Ausführungen orientieren sich in diesem Zusammenhang am üblichen Prüfungsschema für Grundrechtseingriffe. Durch Beispiele aus der Judikatur des VfGH und des EGMR werden die Problemstellungen veranschaulicht. Nicht oder nur kursorisch behandelt wird hingegen das Problem der Grundrechtskollision (S 47) sowie auf europäischer Ebene der Kollision von Grundrechten und Grundfreiheiten. Auch wenn letzteres im Studienalltag primär im Rahmen des Faches „Europarecht“ behandelt wird, wäre zumindest ein kurzer Hinweis auf die Problematik erfreulich gewesen.

Im Anschluss an die Grundlagen setzen sich die Autoren mit einzelnen Grundrechten – sowohl des nationalen Verfassungsrechts als auch der EMRK – auseinander. Dabei folgt die Darstellung nicht immer ein und demselben Schema, sondern ist abgestimmt auf den Regelungsinhalt des jeweiligen Grundrechts. Aus Sicht des Arbeitsrechts interessiert natürlich in erster Linie das Recht auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit. Im Rahmen der Vereinsfreiheit wird auch auf die Bedeutung dieses Grundrechts für die Vereinigungs- und Betätigungsfreiheit der Koalitionen eingegangen. Die Grundlage dafür bildet weniger Art 12 StGG als vielmehr Art 11 EMRK. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass das Lehrbuch auch die jüngsten Entwicklungen berücksichtigt. So wird mit Verweis auf die neuere Rsp des EGMR zu Art 11 EMRK (Demir und Baykara) auch das Recht auf Kollektivverhandlungen als „essentielles Element dieses Rechts“ (gemeint ist das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit) genannt (S 237). Im Gegensatz dazu werden das Streikrecht und die hierzu ergangene Rsp des EGMR nicht einmal erwähnt. Das ist insofern bedauerlich, als es in diesem Bereich wohl die größte Dynamik in den letzten Jahren gegeben hat und zwar sowohl auf der Ebene des Unionsrechts (Rs Viking und Laval) als auch auf der Ebene der EMRK (Enerji Yapi-Yol vs Türkei). Lediglich die negative Vereinigungsfreiheit wird noch im Zusammenhang mit der Sonderproblematik der Koalitionsfreiheit behandelt.

Diese inhaltlichen Abstriche sind freilich auch dem Umstand geschuldet, dass es sich hierbei um ein Kurzlehrbuch handelt, welches das Thema Grundrechte in erster Linie aus dem Blickwinkel des öffentlichen Rechts behandelt, ohne auf Besonderheiten einzelner Rechtsgebiete im Speziellen Rücksicht zu nehmen. Auf knapp 300 Seiten ist das auch gar nicht möglich und im Hinblick auf das selbstgesteckte Ziel des Werkes auch gar nicht nötig. Vor diesem Hintergrund ist es aber umso erfreulicher, dass die Autoren nicht darauf verzichtet haben, ihre Ausführungen mit einer Vielzahl an Fußnoten mit Quellennachweisen und weiterführender Literatur und Judikatur zu versehen. Das ist nicht nur deshalb positiv hervorzuheben, da es den Studierenden die Anforderungen an wissenschaftliches Arbeiten nahebringt, sondern weil das Lehrbuch auf diese Weise über den Studienbetrieb hinaus auch für die Praxis zu einem empfehlenswerten Arbeitsbehelf wird.