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Zur Bereinigungswirkung eines Vergleichs anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses

THOMASKALLAB (WIEN)
  1. Die Bereinigungswirkung eines anlässlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vergleichs erstreckt sich im Zweifel auf alle aus diesem Rechtsverhältnis entspringenden oder damit zusammenhängenden gegenseitigen Forderungen. Sie tritt selbst dann ein, wenn in den Vergleich keine Generalklausel aufgenommen wurde. Die Bereinigungswirkung umfasst auch solche Ansprüche, an die die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zwar nicht gedacht haben, an die sie aber denken konnten.

  2. Die Auslegung eines Vergleichs nach dem objektiven Sinn der Erklärung unter Berücksichtigung der für den Vergleichsabschluss maßgebenden Umstände und ebenso die Beurteilung der Reichweite der Bereinigungswirkung kann nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen.

  3. Beim aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vergleich geht es um die Prüfung, ob die Einbuße bestimmter Rechtsstellungen durch Vorteile an anderer Stelle wiederum aufgewogen wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gerade auch nicht materielle Vorteile, wie die Klärung einer zweifelhaften Rechtslage zur Vermeidung eines Rechtsstreits, zu berücksichtigen sind und für eine Bereinigungswirkung sprechen.

Der Kl war ab 2.7.1990 bei einem Unternehmen beschäftigt, das in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesBR) geführt wurde. Im Jahr 2002 sollte die Rechtsform geändert und eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet werden. Den Mitarbeitern wurde mitgeteilt, dass ihre Dienstverhältnisse zur GesBR mit 31.12.2002 einvernehmlich aufgelöst und sie ab 1.1.2003 von der GmbH zu gleichen Bedingungen neu beschäftigt würden. Die beendigungsabhängigen Ansprüche, insb die Abfertigung, sollten ausgezahlt werden. In der Folge unterfertigte (auch) der Kl die entsprechende schriftliche Vereinbarung vom 24.9.2002. Der Themenbereich „Betriebsübergang“ wurde nicht besprochen. Ab 1.1.2003 wurde (ua) der Kl von der bekl GmbH zu den gleichen Bedingungen wie vorher neu beschäftigt. Ab diesem Zeitpunkt wurden von der Bekl zu seinen Gunsten Beiträge an eine Mitarbeitervorsorgekasse gezahlt. Nachdem vom Kl eine Teilauslastung abgelehnt worden war, wurde er von der Bekl am 27.3.2009 zum 30.6.2009 gekündigt. Am 30.3.2009 schlossen die Streitteile eine Vereinbarung mit folgendem Inhalt:

„Vereinbarung über die Dienstzeit in der Kündigungsfrist:Die am 27.3.2009 überreichte Kündigung bleibt weiterhin aufrecht. Zwischen [dem Kl] als Dienstnehmer und [der Bekl] als Dienstgeber wird folgende einvernehmliche Vereinbarung getroffen.Die Kündigungsfrist endet am 30.6.2009. Es wird eine Dienstfreistellung bei vollen Bezügen vom 16.5.2009 bis zum Ende der Kündigungsfrist vereinbart. Der letzte Arbeitstag ist somit der 15.5.2009.Im Gegenzug verzichtet [der Kl] auf eine Anfechtung der Kündigung.“

Der Kl begehrte Kündigungsentschädigung einschließlich Urlaubsersatz sowie restliche Abfertigung. Da der DG-Wechsel im Jahr 2002/2003 als Betriebsübergang zu qualifizieren sei, liege eine insgesamt22 18-jährige Dienstzeit vor. Davon ausgehend habe die Kündigungsfrist tatsächlich vier Monate betragen. An Abfertigung gebührten ihm sechs Monatsentgelte. Den Abfertigungsbetrag, den er im Jahr 2002 erhalten habe, lasse er sich anrechnen.

Die Bekl entgegnete, dass die Vordienstzeiten nicht anzurechnen seien, weil das Dienstverhältnis zur GesBR einvernehmlich aufgelöst worden sei. Diese Vereinbarung sei ohne Störung des Abschlusswillens des Kl zustande gekommen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kl eine allfällige Ungültigkeit der Auflösungsvereinbarung vom 24.9.2002 verspätet geltend gemacht und seine Aufgriffsobliegenheit verletzt habe. Auch am 30.3.2009 sei die Unwirksamkeit der Auflösung des ersten Dienstverhältnisses kein Thema gewesen. Davon abgesehen komme der Vereinbarung vom 30.3.2009 Bereinigungswirkung zu, weshalb sämtliche Ansprüche erledigt worden seien.

Das Erstgericht wies (im zweiten Rechtsgang) das Klagebegehren neuerlich zur Gänze ab. Die Vereinbarung vom 30.3.2009 stelle einen Generalvergleich dar, mit dem sämtliche Ansprüche des Kl endgültig erledigt worden seien. Die Streitbereinigung sei auch im Interesse des Kl gelegen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und sprach ihm – in Form eines Teilurteils – die Kündigungsentschädigung samt Urlaubsersatz zu; die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. In Ansehung der Abfertigungsdifferenz sowie im Kostenpunkt hob es das angefochtene Urteil auf und ließ den Rekurs an den OGH zu. Schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung vom 30.3.2009 komme ein Generalvergleich nicht in Betracht, zumal der Kl nur auf eine Anfechtung der Kündigung verzichtet habe. Ein Verzicht auf „alle allenfalls noch offenen finanziellen Ansprüche“ sei für die Annahme eines Bindungswillens auch zu unbestimmt formuliert. Schließlich müsse bei einem Vergleich, der unverzichtbare Ansprüche erfasse, die Einbuße bestimmter Rechte durch entsprechende Vorteile aufgewogen werden. Von einer derartigen Ausgewogenheit sei ebenfalls nicht auszugehen. Die Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses im Jahr 2002 stelle eine unzulässige Umgehung der Wirkungen des Betriebsübergangs dar. Eine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit sei dem Kl nicht anzulasten, weil eine derartige Verpflichtung im Zusammenhang mit Betriebsübergängen nur anerkannt werde, wenn der neue Betriebsinhaber die Weiterbeschäftigung des DN ablehne. Eine solche Konstellation liege hier nicht vor. Der geltend gemachte Anspruch des Kl auf Kündigungsentschädigung einschließlich Urlaubsersatz sei daher berechtigt. Das Gleiche gelte für die Abfertigungsdifferenz. Über die Höhe dieses Anspruchs könne aber noch nicht entschieden werden, weil auf den Auszahlungsbetrag aus der Mitarbeitervorsorgekasse (Beiträge abzüglich Verwaltungskosten) nicht Bedacht genommen worden sei.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Bekl, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kl, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil sich die Auslegung der Vereinbarung vom 30.3.2009 durch das Berufungsgericht als korrekturbedürftig erweist. Sie ist dementsprechend auch berechtigt.

1. [...]

2.1 Die Auslegung eines Vergleichs nach dem objektiven Sinn der Erklärung unter Berücksichtigung der für den Vergleichsabschluss maßgebenden Umstände und ebenso die Beurteilung der Reichweite der Bereinigungswirkung kann nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen (RIS-Justiz RS0044358 [T5]; RS0042776; RS0112292). So wie die Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt dementsprechend auch die Auslegung eines Vergleichs im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0113785; vgl auch RIS-Justiz RS0042776; RS0112106). Anderes gilt jedoch, wenn – wie hier – eine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliegt.

2.2 Auch in der arbeitsrechtlichen Judikatur des OGH ist anerkannt, dass sich die Bereinigungswirkung eines anlässlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses geschlossenen Vergleichs im Zweifel auf alle aus diesem Rechtsverhältnis entspringenden oder damit zusammenhängenden gegenseitigen Forderungen erstreckt. Sie tritt selbst dann ein, wenn in den Vergleich keine Generalklausel aufgenommen wurde. Die Bereinigungswirkung umfasst auch solche Ansprüche, an die die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zwar nicht gedacht haben, an die sie aber denken konnten. Macht eine Partei nach Abschluss eines Vergleichs ein Recht geltend, so muss sie im Bestreitungsfall die Voraussetzungen für das Nichteintreten der Bereinigungswirkung des Vergleichs behaupten und unter Beweis stellen (RIS-Justiz RS0032589; RS0032453; 9 ObA 34/05y; 8 ObA 78/06p; 9 ObA 33/10h). Die Bereinigungswirkung bezieht sich somit auf solche Ansprüche, die typischerweise mit dem bereinigten Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen und ihre Wurzel darin finden. Entscheidend ist, dass es sich um zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses naheliegende Ansprüche handelt (8 ObA 21/11p).

2.3 Das Berufungsgericht ist insoweit im Recht, als nach dem Wortlaut der fraglichen Vereinbarung davon die Rede ist, dass der Kl im Gegenzug zur Dienstfreistellung unter Fortzahlung der Bezüge auf eine Anfechtung der Kündigung verzichtet. Ebenfalls richtig ist, dass in der Vereinbarung beendigungsabhängige Ansprüche nicht erwähnt werden. Allerdings wird darin die Kündigungsfrist thematisiert und auch ausdrücklich deren Ende festgelegt. Die Dauer der Kündigungsfrist wurde aber unstrittig von der Problematik des Betriebsübergangs bestimmt. Aus Anlass der ausdrücklichen einvernehmlichen Regelung der Kündigungsfrist hätte der fachlich beratene Kl auch an die rechtlichen Konsequenzen aus dem Betriebsübergang im Jahr 2002/2003 denken können und diese jedenfalls thematisieren müssen. Dass die Vereinbarung keine Generalbereinigungsklausel enthält, steht der Bereinigungswirkung nicht entgegen.

Schon die Auslegung der schriftlichen Vereinbarung vom 30.3.2009 führt somit zum Ergebnis,23 dass entsprechend der Beurteilung des Erstgerichts dem Inhalt nach ein Generalvergleich vorliegt, dessen Bereinigungswirkung auch die sich aus einer (allfälligen) Nichtigkeit der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses mit Vereinbarung vom 24.9.2002 ergebenden Mehransprüche erfasst. Auf einen von diesem Auslegungsergebnis abweichenden übereinstimmenden Parteiwillen beruft sich der Kl nicht. Die vom Erstgericht getroffenen – und vom Kl in seiner Berufung bekämpften – Feststellungen zu den Erklärungen und zum Wissensstand des Kl betreffend den Betriebsübergang anlässlich des Abschlusses der Vereinbarung vom 30.3.2009 wirken sich nicht mehr zu seinen Lasten aus. Auf sie kommt es nicht an, weshalb sie nicht relevant sind.

2.4 Richtig ist an sich, dass es beim aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vergleich um die Prüfung geht, ob die Einbuße bestimmter Rechtsstellungen durch Vorteile an anderer Stelle, vor allem auch durch die Kl einer bisher ungeklärten Sach- und Rechtslage oder ungewisser Rechte, wiederum aufgewogen wird (RIS-Justiz RS0028337; RS0029958). Der Bekl ist also darin zuzustimmen, dass gerade auch nicht materielle Vorteile, wie die Klärung einer zweifelhaften Rechtslage (hier zu den Konsequenzen aus dem Betriebsübergang im Jahr 2002/2003) zur Vermeidung eines Rechtsstreits, zu berücksichtigen sind und für eine Bereinigungswirkung sprechen (vgl 8 ObA 36/10t). Hinzu kommt die sechswöchige Dienstfreistellung des Kl bei vollen Bezügen, sodass er während der restlichen Kündigungsfrist nicht mehr im Betrieb der Bekl weiterarbeiten musste.

3. Im Zusammenhang mit dem vom Erstgericht als solchen qualifizierten „Generalvergleich“ zeigt die Bekl somit eine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Beurteilung durch den OGH führt zu einer Abweisung des dem Teilurteil des Berufungsgerichts zugrunde liegenden Klagebegehrens.

In Anbetracht der Bereinigung der dem Kl aus dem Arbeitsverhältnis zur Bekl zustehenden Ansprüche einschließlich jener, die aus der (nicht mehr strittigen) Umgehung der Eintrittsautomatik des § 3 Abs 1 AVRAG im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang im Jahr 2002/2003 resultieren, muss auf die – in der Rsp des OGH weitestgehend geklärte – Frage der „Aufgriffsobliegenheit“ (zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses; vgl dazu schon 8 ObA 211/96 und 9 ObA 160/99s; Glosse von Gahleitner zu 8 ObA 211/96 in

) nicht mehr eingegangen werden.

4. Insgesamt hält die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Bedeutung und zu den Konsequenzen der Vereinbarung vom 30.3.2009 der Überprüfung durch den OGH nicht stand. In Stattgebung der Revision war das angefochtene Urteil daher iS einer Wiederherstellung der E des Erstgerichts zu dem vom angefochtenen Teilurteil erfassten Begehren auf Kündigungsentschädigung einschließlich Urlaubsersatz abzuändern. [...]

ANMERKUNG

Der OGH hat sich in der Vergangenheit schon mehrfach mit der Frage des Umfangs der Bereinigungswirkung einer Vereinbarung (Vergleiches) auseinanderzusetzen. Die sich aus dieser E ergebenden Leitsätze sind insofern eine Fortsetzung der aus der bisherigen Entscheidungspraxis erarbeitenden Grundsätze. Der OGH betont vor allem, dass Entscheidungen in derartigen Fragen immer abhängig von den Umständen des Einzelfalles sind. Dennoch ist ein (kritischer) Blick auf die Grenzen der Bereinigungswirkung von Vergleichen sinnvoll.

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Vergleich versus Verzicht

Auch der vorliegenden E liegt die Streitfrage zu Grunde, ob im Ergebnis der Vertragsfreiheit der Arbeitsrechtsparteien oder eher der dem arbeitsrechtlichen Normen innewohnenden zwingenden Charakter der Vorzug bei der Auslegung der Vereinbarung zu geben ist.

Der Gesetzgeber hat an zahlreichen Stellen immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass bestimmte offenbar besonders wichtige AN-Ansprüche oder Vertragsgestaltungen einer vertraglichen Disposition der Arbeitsvertragsparteien entzogen sein sollen. Derartiges findet sich nicht nur im § 40 AngG, § 6 EFZG, § 12 UrlG, sondern auch zB im § 16 AVRAG.

Darüber hinaus hat der OGH in einer jahrzehntelangen Spruchpraxis erkannt, dass ein Verzicht auf unabdingbare Ansprüche zumindest während der Dauer des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, weil angenommen werden muss, dass der AN diesen Verzicht nicht frei, sondern unter wirtschaftlichem Druck abgibt (JudNr 26 OGH 8.6.1927, Prä 600/26, Arb 3725 = SZ 9/80; Löschnigg, Arbeitsrecht11 [2011] 100 ff; zusammenfassend mit weiterführenden Hinweisen Kollros, Verzicht auf den Abfertigungsanspruch bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses, ZAS 1998, 111).

Zu allererst ist festzuhalten, dass es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen (Abfertigung, Urlaubsersatzleistung und Kündigungsentschädigung) um an sich unabdingbare Ansprüche (§ 40 AngG bzw § 12 UrlG) handelt. Auch die Frage, ob es sich um ein „einheitliches“ Arbeitsverhältnis infolge Betriebsübergang handelt, ist eine an sich unabdingbare (§ 16 AVRAG).

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Zur Zulässigkeit eines Vergleiches über unabdingbare Ansprüche

Nimmt man die entsprechenden Gesetzesstellen wörtlich, ist eine vertragliche Disposition über die sich daraus ergebenden Ansprüche zulasten des AN nicht möglich. Die hier getroffene „Vereinbarung“ wäre daher rechtsunwirksam und – wenn die strittigen Fragen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang zugunsten des AN geklärt werden – die eingeklagten Forderungen stünden unzweifelhaft zu. So einfach geht es aber nun doch nicht.

Der OGH hat in einer Vielzahl von Entscheidungen auch erkannt, dass Vergleiche auch über an sich unabdingbare Ansprüche zulässig sind (zuletzt OGH8 ObA 97/11iDRdA 2012, 522 = infas 2012 A 50 = ARD 6234/2/2012; OGH9 ObA 138/02p ecolex 2003/224).24

Ein Vergleich ist ein Vertrag, der an sich auch an den Grenzen der Unabdingbarkeit zu messen ist. Jedoch sollen AN durch die Regeln der Unabdingbarkeit nicht in ein zu enges, sie im Ergebnis benachteiligendes Korsett gezwängt werden. Daher sind Vergleiche auch über unabdingbare Ansprüche insoweit zulässig als die Einbuße bestimmter Rechtsstellungen durch Vorteile an anderer Stelle wiederum aufgewogen wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gerade auch nicht materielle Vorteile, wie die Klärung einer zweifelhaften Rechtslage zur Vermeidung eines Rechtsstreits, zu berücksichtigen sind und für eine Bereinigungswirkung sprechen. Insoweit ist die vorliegende E des OGH eine Fortsetzung der bisherigen Rsp (grundlegend OGH9 ObA 315/90

[Chr. Klein]; OGH9 ObA 10/05vDRdA 2006/27 [Eypeltauer]).

Die Frage ist nun, ob der geschlossene Vergleich tatsächlich die Voraussetzung einer „Ausgewogenheit“ erfüllt, die für den rechtmäßigen „Verzicht“ auf an sich unabdingbare Ansprüche notwendig ist. Das OLG Innsbruck kommt in seiner Wertung zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die notwendige Ausgewogenheit nicht mehr vorliegt und spricht dem klagenden AN die Beendigungsansprüche zu.

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Generalbereinigende Wirkung

Vorweg ist aber noch das Problem der generalbereinigenden Wirkung eines Vergleiches anzusprechen. Denn wesentlich für den Ausgang dieses Verfahrens ist, dass Vergleichen im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im Zweifel (immer) eine generalbereinigende Wirkung unterstellt wird (siehe die vorliegende E unter Pkt 2.2 der rechtlichen Begründung). Im Ergebnis ist es für eine Klagsabweisung in Fällen wie den vorliegenden unumgänglich, dass, soweit keine ausdrückliche Generalklausel in den Vergleich aufgenommen worden ist, schlüssig – aus den Umständen des Einzelfalles – vom Vorliegen einer solchen ausgegangen werden kann. Andernfalls wären die Forderungen eben offen. Der OGH geht in der vorliegenden Begründung aber noch weiter, wenn er im Urteil ausführt: „Macht eine Partei nach Abschluss eines Vergleichs ein Recht geltend, so muss sie im Bestreitungsfall die Voraussetzungen für das Nichteintreten der Bereinigungswirkung des Vergleichs behaupten und unter Beweis stellen .... Die Bereinigungswirkung bezieht sich somit auf solche Ansprüche, die typischerweise mit dem bereinigten Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen und ihre Wurzel darin finden. Entscheidend ist, dass es sich um zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses naheliegende Ansprüche handelt.

Wörtlich betrachtet bedeutet dies, dass wann immer im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Vereinbarungen getroffen werden, die bedeutende oder unbedeutende Ansprüche betreffen, der OGH im Allgemeinen von einem Generalvergleich ausgeht, von dem sich kl AN nur dann befreien können, wenn sie beweisen können, dass nur Teilansprüche verglichen worden sind. Im Ergebnis führt dies freilich dazu, dass in solchen Fällen immer ein schlüssiger „Verzicht“ auf an sich unabdingbare (!), noch dazu im Allgemeinen noch nicht fällige, Ansprüche unterstellt wird – also eigentlich eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des durch eine Vielzahl von gesetzlichen Regelungen ausdrücklich geschützten AN. Entscheidungen des OGH müssen zwangsläufig auch allgemeine Formulierungen zur Begründung beinhalten. Gerade das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer generalbereinigenden Wirkung eines anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vergleiches zeigt jedoch, dass eine Übertragung dieser allgemeinen Grundsätze auf andere Sachverhalte nur mit äußerster Vorsicht möglich ist.

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Wo liegen die Grenzen?

Der Schutzgedanke, der den gesetzlichen Regelungen über die Unabdingbarkeit von AN-Ansprüchen innewohnt, gebietet es meiner Meinung nach allgemein zivilrechtliche Grundsätze mit besonderer Vorsicht anzuwenden. So ist mE streng zu prüfen, ob trotz Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im Vergleich tatsächlich von einer alle Ansprüche umfassenden Vereinbarung auszugehen ist. Natürlich sind hier die Umstände des Einzelfalles besonders zu berücksichtigen. Allgemeine detaillierte Regelungen sind nicht sinnvoll. Jedenfalls kann eine Auslegung, die im Ergebnis dazu führt, dass der an sich geschützte AN im gerichtlichen Verfahren die eindeutig schwierigere Beweissituation vorfindet, dem Gesetz nicht entnommen werden. Im Zweifel ist daher davon auszugehen, dass AN nicht auf Ansprüche verzichten wollten.

Auch werden die Gerichte nicht umhinkommen, die Grenzen der Ausgewogenheit eines Vergleiches zu beurteilen. Der Schutzgedanke der Normen über die Unabdingbarkeit von AN-Ansprüchen wird mE nämlich ausgehöhlt, wenn AN vergleichsweise auf Ansprüche verzichten, denen kein auch nur annähernd gleichwertiger Gegenwert entspricht.

Im vorliegenden Fall verzichtet der AN auf sein Anfechtungsrecht. Zwar ist damit eine unklare Rechtsposition bereinigt, dies aber ausschließlich zugunsten des AG. Als einziges Plus auf Seiten des kl AN verbleibt die Dienstfreistellung für sechs Wochen. Ob das alleine als ausgewogene Abgeltung für sich aus der nichtigen einvernehmlichen Lösung im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang ergebende Ansprüche bewertet werden kann, erscheint mir sehr streng und muss wohl auch im Zusammenhang damit gesehen werden, dass der Betriebsübergang schon sehr lange zurückliegt.

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Zusammenfassung

Alles in allem handelt es sich bei der vorliegenden E des OGH um eine sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles begründbare. Darüber hinaus sollte mE der der gesetzlichen Regelung über die Unabdingbarkeit von AN-Ansprüchen innewohnende Schutzgedanke bei Beurteilung von Vergleichsabschlüssen vermehrt wieder in den Vordergrund gerückt werden. Ein Abgehen davon kann nur dann berechtigt sein, wenn diese Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise berechtigt erscheinen.25