SteinhauserAltersdiskriminierung in Großbritannien

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2012
320 Seiten, Paperback, € 59,70

FLORIANG.BURGER (INNSBRUCK)

Auf Grund ... des Alters ... darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand ... diskriminiert werden“, gebietet in Österreich § 17 GlBG, der jedoch keine genuin österreichische Vorschrift ist, sondern dem Unionsrecht entstammt. Die EU hat sich ua die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und Diskriminierungen zum Ziel gesetzt (Art 3 Abs 3 EUV) und schwört mit mehreren Richtlinien ihre Mitgliedstaaten auf die Gewährleistung gleicher Chancen für alle ein. Allein aus diesem Grund ist ein Blick über die Grenzen des heimatlichen Staates zu anderen Unionspartnern von Interesse, um mit Hilfe des dort Gesehenen möglicherweise auch die Grenzen der eigenen Gedanken überwinden oder zumindest diese erkennen zu können. Doch dieser erhabene Vorsatz scheitert nicht selten an gewöhnlichen Schwierigkeiten wie einer fremden Sprache oder verborgenen Quellenlage Umso wertvoller sind dann zu Hilfe eilende Werke wie das hier vorgestellte Buch.

Altersdiskriminierung in Großbritannien“ beruht auf einer Dissertation an der Universität Halle-Wittenberg und bereitet dem deutschsprachigen Leser – wie sich unschwer aus dem Titel ableiten lässt – die britische Rechtslage zur Vermeidung altersbedingter Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf auf. Aus österreichischer Sicht eher vorteilhaft ist, dass Steinhauser wirklich nur das britische Recht nachzeichnet und in keinen rechtsvergleichenden Dialog mit dem dann naheliegenden deutschen Recht eintritt; dementsprechend wurde überwiegend britische Literatur eingearbeitet.

Bevor der Leser zum eigentlichen Kern der Arbeit vordringt, wird er zum besseren Verständnis auf den ersten 86 Seiten zum einen kurz in das englische Rechtssystem eingeführt, zum anderen mit Hilfe gerontologischer Erkenntnisse über das Alter als einzigen Diskriminierungstatbestand aufgeklärt, der jeden Menschen betrifft und wo der Einzelne im Laufe der Zeit von der Mehrheits- in die Minderheitsgruppe – oder auch umgekehrt – wechselt. Gerade diese Eigenart, dass jeder sich wegen seines Alters in irgendeiner Form diskriminiert fühlen darf, macht das Thema spannend, aber auch aufreibend.

Wenngleich in der englischen Methodik des case law Gerichtsentscheidungen die zentrale Rechtsquelle bilden, sind in Großbritannien gerade das Arbeitsrecht im Allgemeinen und das Antidiskriminierungsrecht im Besonderen Beispiele für Rechtsbereiche, wo ein verstärkter Trend zur Kodifizierung beobachtet werden kann. Mit den Employment Equality (Age) Regulations 2006 wurde von der Regierung ein gesetzeswirkender Rechtsakt ohne Beteiligung des Parlaments erlassen, der die RL 2000/78/EG umzusetzen sucht. Diese EE(A)R 2006 bilden auch den Hauptteil des Buches (S 110–278), dem noch eine Beschreibung der Rechtslage vor 2006 und des unionsrechtlichen Hintergrundes vorangeht. Dem case law freilich ist es geschuldet, dass das Buch dabei über zahlreiche Darstellungen englischer wie auch einiger irischer Urteile verfügt – irischer Urteile auch deshalb, weil die RL 2000/78/EG sich am irischen Employment Equality Act 1998 orientiert zu haben schien (S 100) –, ohne dabei den Leser mit den Sachverhaltsdetails zu ermüden. Zwar ergingen zur EE(A)R 2006 noch nicht allzu viele Entscheidungen, doch können aus der reichhaltigeren Rsp zu anderen Diskriminierungsgesetzen – in Großbritannien gilt bereits seit 1975 der Sex Discrimination Act und seit 1976 der Race Relations Act – Erkenntnisse gewonnen werden, die für die Interpretation der EE(A)R 2006 hilfreich sind. Mögliche Umsetzungsdefizite in den EE(A)R 2006 werden meist mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer, dem case law besonders zugänglichen unionsrechtskonformen Interpretation der Gerichte gelöst (etwa S 131 oder S 158). Der Wichtigkeit angemessen findet die Auseinandersetzung mit der Diskriminierung bei der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aus Anlass des Erreichens des Pensionsantrittsalters von 65 Jahren einen breiten Raum (S 222 bis 246). Bereits die Einführung dieses default retirement age, dessen Überschreitung eine grundlose Kündigung erlaubt, war „die sowohl politisch wie auch juristisch am kontroversesten diskutierte Regelung innerhalb der Regulations“ (S 225). Die unionsrechtliche Prüfung erfolgt dabei anhand des vom High Court entschiedenen Heyday-Verfahrens – bei uns als EuGHRs Age Concern England bekannt.

An dieser Stelle lässt sich jedoch auch der größte Kritikpunkt ansetzen, denn mit 1.10.2010 wurden in einem94 ehrgeizigen Kraftakt die bis dato geltenden mehr als 100 gleichstellungsrechtlichen Einzelvorschriften Großbritanniens im Equality Act 2010 kodifiziert, womit auch die EE(A)R 2006 abgelöst wurden. Wenn nun aber der Verlag das Werk auf 2012 datiert und der Autor sein Vorwort mit November 2011 unterzeichnet, ist ein einfacher Hinweis auf die geänderte Rechtslage auf der ersten Seite der Einführung (S 27) und auf der letzten Seite der Schlussbemerkungen (S 292) nicht ausreichend, sondern es sind auch die Seiten dazwischen aktualisierungsbedürftig, nicht nur weil der EqA 2010 nicht einfach den Text der EE(A)R 2006 übernommen hat, sondern er die Diskriminierungsbereiche auch inhaltlich angleicht, ergänzt und korrigiert. Das Versprechen des Autors, „wesentliche Änderungen ..., soweit erforderlich, an entsprechender Stelle kenntlich“ zu machen (S 27), wird hingegen nicht erfüllt, weil an keiner Stelle auf den EqA 2010 verwiesen wird; sinnvoll wäre dies aber etwa bei der Mehrfachdiskriminierung (S 141) oder der Belästigung durch Dritte (S 162 f), beide nunmehr ausdrücklich in Art 14 bzw Art 40 EqA 2010 geregelt, oder insb beim default retirement age gewesen, der durch die am 5.4.2011 publizierten Employment Equality (Repeal of Retirement Age Provisions) Regulations 2011 abgeschafft wurde, womit die Zukunftsprognose der S 246 bereits bei Unterzeichnung des Vorworts eingetreten und die Feststellung, dass die EE(A)R 2006 das „jüngste in einer langen Reihe von Diskriminierungsgesetzen in Großbritannien“ seien (S 279), überholt war. Zwar ist die Frustration, dass zwischen Abschluss der Dissertation und ihrer Drucklegung der Gesetzgeber seine Feder zückt, verständlich, und natürlich ist dieses Buch damit nicht zur Makulatur geworden, vermag es nach wie vor über die Altersdiskriminierung in Großbritannien in interessanter und lesbarer Weise ausführlich zu berichten, doch wer sich einen Überblick auf Basis der aktuellen Rechtslage verschaffen möchte, wird ergänzend auf andere Werke (etwa Hepple, Equality: The New Legal Framework, Hart Publishing 2011) zurückgreifen müssen.