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Keine IESG-Sicherung von Ansprüchen eines an eine Fußballakademie als Trainer zugewiesenen Gymnasiallehrers

GERT-PETERREISSNER (INNSBRUCK)BRUNOSUNDL (GRAZ)
  1. Wird ein mit voller Lehrverpflichtung am Gymnasium beschäftigter Lehrer zugunsten eines Fußballclubs als Trainer in der Fußballakademie abgestellt, so ist dies eine Art Dienstzuteilung, welche kein gesondertes Arbeitsverhältnis zum Fußballclub nach sich zieht.

  2. So wie ein atypisch gestaltetes Arbeitsverhältnis nicht in den Schutzbereich des IESG fällt, gilt dies auch für eine bloße Aufwandsersatzregelung im Verhältnis zu einem sogar weisungsbefugten (insolventen) Dritten, mit der nicht Zwecke der Existenzsicherung verfolgt werden.

Der Kl war seit dem Schuljahr 2008/2009 als Lehrer an einem Gymnasium mit sportlichem Schwerpunkt im Rahmen einer vollen Lehrverpflichtung beschäftigt. Das Arbeitsausmaß betrug 20 Werteinheiten, die derart aufgeteilt waren, dass der Kl 12 Werteinheiten am Vormittag als Turnlehrer am Gymnasium erbrachte. Im Ausmaß von acht Werteinheiten war er im Rahmen einer Fußballakademie als Jugendtrainer zugunsten eines Fußballclubs abgestellt. Die Entlohnung der gesamten Lehrverpflichtung erfolgte durch den Bund. Hinsichtlich der Tätigkeit für den Fußballclub wurde mit dem Kl ein Jahresvertrag abgeschlossen, demzufolge er einen pauschalierten Aufwandsersatz in Höhe von 100 € monatlich erhielt. Damit sollte auch der Aufwand für die Matchbetreuung an den Wochenenden abgegolten werden.

Mit Beschluss des LG für Zivilrechtssachen Graz vom 10.12.2009, 40 S 94/09k, wurde über das Vermögen des Fußballclubs das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 16.12.2009 wurde die Schließung der Fußballakademie angeordnet. Der Kl meldete seine Honoraransprüche vom 1.7.2009 bis 10.12.2009 als Insolvenzforderungen in Höhe von 547 € an; zudem machte er eine Masseforderung geltend. Diese Ansprüche wurden vom Masseverwalter anerkannt. In der Folge beantragte der Kl die Gewährung von Insolvenz-Entgelt in Höhe der Insolvenzforderungen. Mit Bescheid vom 17.6.2010 lehnte die Bekl diesen Antrag ab.

Der Kl begehrte im vorliegenden Verfahren die Zahlung von 547 € netto. Für den Fußballclub sei er im Rahmen seines Zweitberufs tätig gewesen. Zwischen ihm und dem Fußballclub habe ein Dienstvertrag, in eventu ein freier Arbeitsvertrag bestanden. Nach § 1 Abs 2 Z 3 IESG seien auch Aufwandsersätze als sonstige Ansprüche gegen den AG gesichert. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...]

Das Berufungsgericht änderte diese E ab und gab dem Klagebegehren statt. [...]

Gegen diese E richtet sich die Revision der Bekl, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt. [...]

Die Revision ist zulässig, weil sich die E des Berufungsgerichts als korrekturbedürftig erweist. Sie ist dementsprechend auch berechtigt.

1.1 Der Kl war mit einer vollen Lehrverpflichtung am Gymnasium beschäftigt, wobei er hinsichtlich eines Teils seiner Arbeitsleistungen zugunsten des Fußballclubs als Trainer abgestellt war. Die Entlohnung der vollen Lehrverpflichtung erfolgte über die Schule durch den Bund. Aufgrund dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kl seine Tätigkeit für den Fußballclub im Rahmen seiner Lehrverpflichtung und damit im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Schule erbrachte. Es handelte sich somit um eine Art Dienstzuteilung. Für diese Tätigkeiten wurde aber kein gesonderter Arbeitsvertrag mit dem Fußballclub abgeschlossen.

1.2 Richtig ist, dass es bei einer Arbeitskräfteüberlassung sui generis dem dritten Beschäftiger freisteht, vor allem zur Abgeltung zusätzlicher Leistungspflichten dem AN ein zusätzliches Entgelt bzw eine Zulage zu gewähren (9 ObA 64/10t mwN). Diese Judikatur bezieht sich auf die Begründung einer zusätzlichen privatrechtlichen Verpflichtung zum dritten Beschäftiger neben einem ausgegliederten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Frage nach einem gesonderten privatrechtlichen Rechtsverhältnis neben einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis im vorliegenden Fall nicht stellt. Davon abgesehen begründet eine bloße Entgeltvereinbarung mit einem Dritten noch kein Arbeitsverhältnis zu diesem. Durch den zwischen dem Fußballclub und dem Kl abgeschlossenen Jahresvertrag wurde auch keine Vereinbarung über ein Arbeitsentgelt (siehe dazu Liebeg, IESG3 § 1 Rz 343) getroffen, sondern dem Kl eine Abgeltung von Aufwendungen, wie zB Reisekosten, zuerkannt. Schon angesichts der Höhe des Aufwandsersatzes bestehen für eine Falschbezeichnung keine Anhaltspunkte. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erhielt der Kl den Aufwandsersatz auch nicht nur oder hauptsächlich für seine Trainertätigkeiten an den Wochenenden. Vielmehr bezog sich diese Leistung auf die gesamte Tätigkeit des Kl für den Fußballclub.

1.3 Die Begründung des Berufungsgerichts zu dem von ihm angenommenen Zustandekommen eines gesonderten Dienstverhältnisses zum Fußballclub hält der Überprüfung durch den OGH somit nicht stand. Auch eine gesonderte Vereinbarung über die Leistung von Arbeitsentgelt ist mit dem Fußballclub nicht zustande gekommen.

2.1 Zur Sicherungsfähigkeit von Entgelt- bzw sonstigen Zahlungsansprüchen gilt Folgendes:

Dem Kl ist zuzustimmen, dass die Leistung des den Gegenstand des Verfahrens bildenden Aufwandsersatzes auf einem gesonderten (Jahres-)Vertrag zum Fußballclub beruhte. Weiters ist zutreffend, dass auch vertraglich zugesicherte Aufwandsentschädigungen – als sonstige Ansprüche gegen den AG – nach § 1 Abs 226 Z 3 IESG gesichert sind (Liebeg, IESG3 § 1 Rz 422). Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Ersatzleistungen im Rahmen eines vom Schutzbereich des IESG erfassten Vertragsverhältnisses erbracht werden.

2.2 Der Zweck des IESG besteht nach der Rsp des OGH in einer sozialversicherungsrechtlichen Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von AN im Fall der Insolvenz ihres AG. Versichertes Risiko ist demnach im Kernbereich die von den AN typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (RIS-Justiz RS0076409; 8 ObS 6/11g; Liebeg, IESG3 § 3a Rz 19).

Ausgehend von diesen Wertungen hat der OGH bereits wiederholt ausgesprochen, dass völlig atypisch gestaltete Arbeitsverhältnisse, die nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet sind, nicht nach den Bestimmungen des IESG gesichert sind (RIS-Justiz RS0111281; 8 ObS 2/11v). Ebenso entspricht es der Rsp, dass für das IESG der sozialversicherungsrechtliche Entgeltbegriff (§ 4 Abs 2 hier iVm § 49 Abs 3 Z 28 ASVG) maßgebend ist (RIS-Justiz RS0110252; Liebeg, IESG3 § 1 Rz 25; zum AN-Begriff vgl 8 ObS 273/01g und RIS-Justiz RS0112221).

2.3 Für den Schutzbereich des IESG ist demnach die Absicht des AN maßgebend, ein über den bloßen Aufwandsersatz hinausgehendes Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts zu erzielen. So wie ein atypisch gestaltetes Arbeitsverhältnis nicht in den Schutzbereich des IESG fällt, gilt dies auch für eine bloße Aufwandsersatzregelung im Verhältnis zu einem sogar weisungsbefugten (insolventen) Dritten, mit der nicht Zwecke der Existenzsicherung verfolgt werden.

Der Hinweis der Bekl auf § 49 Abs 3 Z 28 ASVG iVm der VO des BMAGS BGBl II 1998/41 ist durchaus berechtigt.

2.4 Die hauptberufliche Tätigkeit des Kl bestand in der Lehrtätigkeit am Gymnasium; das Entgelt zur Existenzsicherung wurde ausschließlich vom Bund bezahlt. Die Ansicht des Erstgerichts, dass der aus dem Jahresvertrag zum insolventen Fußballclub resultierende Aufwandsersatz in § 1 IESG keine Deckung finde, erweist sich damit als zutreffend. Aus diesem Grund war die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. [...]

Anmerkung

In der Begründung der vorliegenden E bleibt das Höchstgericht uE immer wieder auf den von ihm eingeschlagenen Wegen stecken und lässt damit wesentliche Fragen offen. Der OGH verneint zunächst das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem von der Schule für die Fußballakademie abgestellten Trainer und dem Fußballclub, die (direkte) Prüfung weiterer subjektiver Anknüpfungspunkte des IESG unterbleibt (dazu 1.). Die vom Fußballclub an den Trainer geleisteten € 100,– pro Monat werden sodann als Aufwandersatz qualifiziert, ein solcher sei zwar an sich nach § 1 Abs 2 Z 3 IESG gesichert, weil aber ein „atypisches Rechtsverhältnis“ vorliege, sei wie beim „atypischen Arbeitsverhältnis“ keine IESG-Sicherung gegeben (dazu 2.).

1
Ist die Rechtsbeziehung zwischen Trainer und Fußballclub vom subjektiven Geltungsbereich des IESG erfasst?

Laut OGH liegt zwischen Trainer und Fußballclub kein Arbeitsverhältnis vor. Schon an dieser Ausgangsthese können Zweifel angemeldet werden. Nach wohl hA (Gahleitner in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht2 [2011] § 1 IESG Rz 3; Reissner/Sundl, Insolvenz-Entgeltsicherung, in Nunner-Krautgasser/Reissner [Hrsg], Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht [2012] 102, jeweils mwN; OGH8 ObS 206/00b ZIK 2001/117; OGH8 ObS 2049/96

) ist der AN-Begriff des § 1 Abs 1 IESG arbeitsvertragsrechtlich definiert, dies ungeachtet der Zuordnung der Materie zum Kompetenztatbestand „Sozialversicherungswesen“ iSd Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG. Insb die Vereinbarung eines Arbeitsentgelts ist kein Wesensmerkmal des Arbeitsvertrags gem § 1151 ABGB, sodass Unentgeltlichkeit vereinbart werden kann (arg § 1152 ABGB; dazu zB Löschnigg, Arbeitsrecht11 [2011] 160; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht4 [2011] Rz 48). Der sozialversicherungsrechtliche DN-Begriff – bei welchem die Entgeltlichkeit eine Rolle spielt (vgl § 4 Abs 2 ASVG) – soll für das IESG gerade nicht gelten (so auch M. Mayr, Der Zweck einer Erwerbstätigkeit und die Sicherung durch das IESG. Anm zu OGH8 ObS 13/11m wbl 2012, 129 mit Verweis auf die Materialien, etwa RV 464 BlgNR 14. GP 8). Sowohl Erst- als auch Berufungsgericht sind daher aufgrund der erstgerichtlichen Feststellungen von einem Arbeitsvertrag ausgegangen, was durchaus plausibel ist, hat doch der zur maßgeblichen Zeit auch Spitzensport betreibende Fußballclub offensichtlich stark in diese am Gelände der Schule, einer AHS mit Sportzweigen inklusive Leistungssportklassen, angesiedelte Fußballakademie eingegriffen, sodass „in der Welt“ eine massive, direkte Eingliederung des Gymnasiallehrer-Trainers in die Organisation des Clubs samt auf die Person bezogenen Weisungen zu sehen war. Würde aber nun ein Arbeitsverhältnis iSd IESG vorliegen, so dürfte der OGH die (uE schon allgemein) problematische teleologische Reduktion mittels des Konstrukts des „atypischen Arbeitsverhältnisses“ (dazu auch 2.) jedenfalls insoweit nicht verwenden, als es um Ansprüche geht, die nach der InsolvenzRL 0/987/EWG innerstaatlich zu gewährleisten sind. Die RL verweist in Art 2 Abs 2 hinsichtlich der Bestimmung des Begriffs „AN“ zwar auf das mitgliedstaatliche Recht, der EuGH (15.7.1993, C-334/92, Wagner Miret, Slg 1993, I-6911 = EAS RL 80/937/EWG Art 1 Nr 1) hat allerdings festgehalten, dass die Entgeltsicherung für alle Gruppen von AN zu gelten hat, die innerstaatlich als solche definiert sind. Das innerstaatliche Recht kann daher solche Personen nicht einfach als „Sonderfälle“ ausschließen, es sei denn, es wäre dafür im Anhang der RL ein Vorbehalt erklärt (dazu auch OGH8 ObS 13/03z wbl27 2004/230, 435). Würden darüber hinaus AN iSd innerstaatlichen Rechts von der Sicherung von Ansprüchen iSd RL ausgenommen, so wäre dies offenkundig unionsrechtswidrig.

Zurück zum subjektiven Geltungsbereich des IESG: Ist der AN-Begriff zu verneinen, so muss nach § 1 Abs 1 IESG – was der OGH zumindest nicht direkt gemacht hat – weiter geprüft werden, ob ein freier DN iSd § 4 Abs 4 ASVG vorliegt. Hier handelt es sich um Personen, die sich aufgrund freier Dienstverträge gegenüber gewissen Auftraggebern verpflichten, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen, über keine nennenswerten eigenen Betriebsmittel verfügen und nicht schon anderweitig sozialversichert sind. Bei diesem Begriff spielt nun die Entgeltlichkeit der Dienstleistung eine Rolle, die Vereinbarung eines bloßen Aufwandersatzes würde für die Annahme eines freien DN iSd § 4 Abs 4 IESG nicht reichen. Stellte sich der Aufwandersatz jedoch – was das Höchstgericht (nicht ganz unplausibel) nicht angenommen hat – als verschleiertes Entgelt dar, wäre eine Sicherung nach § 1 Abs 2 Z 1 IESG zu bejahen (vgl M. Mayr, wbl 2012, 130).

Wäre also herausgearbeitet worden, dass kein AN und auch kein freier DN iSd § 1 Abs 1 IESG vorliegt, so hätte eine weitere Diskussion über die Sicherung des Aufwandersatzes unterbleiben können (bzw müssen), der OGH hätte sich die Ausführungen zum „atypischen Arbeitsverhältnis“ bzw – genau genommen – zum „atypischen sonstigen Rechtsverhältnis“ ersparen können.

2
Aufwandersatz und „atypisches“ Arbeitsverhältnis

Der OGH nimmt eine teleologische Reduktion des subjektiven Anwendungsbereichs des IESG insofern vor, als im Schutzbereich des IESG nur Arbeitsverhältnisse (bzw – wie sich im vorliegenden Fall zeigt – sonstige Rechtsverhältnisse) erfasst seien, denen ein Entgeltrisiko immanent sei. Rechtsbeziehungen, die nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet seien, seien demnach aus dem IESG ausgenommen. Die Rede ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich von „atypisch gestalteten Arbeitsverhältnissen“ (vgl Liebeg, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz3 [2007] § 1 Rz 25 mwN). Zur Begründung verweist man auf (angebliche) Prinzipien des Sozialversicherungsrechts: Dieses diene der Existenzsicherung (ausschließlich?), daraus folge, dass das IESG, das auf den Kompetenztatbestand „Sozialversicherungswesen“ gestützt wird, auch nur Ansprüche sichere, die typischerweise für die Bestreitung des Lebensunterhalts des Betroffenen und seiner Angehörigen bestimmt seien usw.

Wie unter 1. erwähnt machen Überlegungen zu diesem Thema im konkret zu beurteilenden Fall nur dann Sinn, wenn zunächst der AN-Begriff iSd § 1 Abs 1 IESG bejaht wird. Geht man von dieser Voraussetzung aus, so erweisen sich die Ausführungen des Höchstgerichts uE als zumindest problematisch, im Falle eines verschleierten Entgelts sind sie sogar aller Wahrscheinlichkeit nach unionsrechtswidrig.

Dass die Herausnahme von AN iSd innerstaatlichen Rechts aus dem Schutzbereich der InsolvenzRL unionsrechtlich unzulässig ist, wurde bereits unter 1. ausgeführt. Zu fragen ist, ob es diesbezüglich auch Grenzen in Bezug auf „atypische Entgelte“ von AN gibt. An sich ist ja das „Arbeitsentgelt“ iSd innerstaatlichen Rechts nach der RL in einem gewissen Ausmaß zu sichern (vgl Art 3 Abs 1 iVm Art 2 Abs 2 der RL). Zu beachten ist hier uE, dass die Mitgliedstaaten nach stRsp des EuGH (20.4.1993, C-2/92, Bostock, Slg 1994, I-955; EuGH 13.4.2000, C-292/97, Karlsson, Slg 2000, I-2737 sowie insb EuGH 27.6.2002, C-442/00, Caballero, Slg 2002, I-11915 = ZAS 2003/74, 74) bei der Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen die Erfordernisse des Grundrechtschutzes soweit wie möglich beachten müssen. Zu den Grundrechten gehört insb der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung. Nach diesem Grundsatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nur unterschiedlich behandelt werden, wenn eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt ist (vgl zB EuGH 12.7.2001, C-189/01, Jippes, Slg 2001, I-5689). So gesehen wäre es bedenklich, AN aus dem Anwendungsbereich des IESG lediglich aus dem Grund auszunehmen, dass abstrakt betrachtet ein nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes dienendes (Neben- oder Zusatz-)Entgelt vorliegt. Eine objektive Rechtfertigung für diese Differenzierung ist nicht zu sehen, insb liegen keine Missbrauchsindikatoren vor, die eine derartige Rechtfertigung darstellen könnten (dazu Art 12 InsolvenzRL).

In Bezug auf den Aufwandersatz eines AN iSd RL gibt es keinen unionsrechtlichen Hintergrund, weil dieser innerstaatlich nicht zum Arbeitsentgelt gehört (siehe oben). Begibt man sich in die eingangs skizzierte Argumentationslinie, wonach nur Ansprüche zu sichern seien, die nicht atypisch seien, dh der Bestreitung des Lebensunterhalts dienten, so ist zu fragen, warum ein AN, der Aufwandersatz beanspruchen kann, weil er einen Aufwand vorfinanziert hat, kein Verlustrisiko iSd IESG tragen soll. Man bedenke nur die Fallvariation, dass der AN mit einem Vielfachen des Aufwandes, den er im konkreten Fall zu übernehmen hatte, belastet ist, also zB nicht mit € 100,–, sondern mit € 1.000,– im Monat. Soll ein derartiger AN aus dem Schutzbereich des IESG herausfallen? UE nicht! Verwiesen sei diesbezüglich auf M. Mayr (wbl 2012, 132), der von einer überschießenden Einengung des Schutzbereiches des IESG spricht, weil Nebenbeschäftigungen, aus denen bei abstrakt-wirtschaftlicher Betrachtung nicht das von der Rsp verlangte Niveau des existenzsichernden Einkommens erlangt wird, uU umfassend aus dem IESG ausgeschlossen würden.

Nicht zuletzt auch angesichts dieser Unsicherheiten hätte sich der OGH im konkreten Fall zur Hebung der Rechtsklarheit zumindest auf den – aus seiner Argumentation konsequenten (wenngleich auch fragwürdigen; vgl 1.) – Standpunkt stellen sollen, dass angesichts der Nichterfüllung der subjektiven Voraussetzungen eine IESG-Sicherung von vornherein nicht in Frage kommt.28