15Kündigung sozialwidrig trotz Verweigerung erforderlicher Tätigkeiten durch den AN, jedoch kein verpöntes Kündigungsmotiv
Kündigung sozialwidrig trotz Verweigerung erforderlicher Tätigkeiten durch den AN, jedoch kein verpöntes Kündigungsmotiv
Der AN darf nicht von einer immerwährenden Unabänderbarkeit seines Tätigkeitsinhalts ausgehen und muss im Zuge einer Organisationsänderung gewisse Tätigkeitsänderungen in Kauf nehmen. In der Behauptung einer vertragsändernden und/oder verschlechternden Versetzung ist noch keine „offenbar nicht unberechtigte Geltendmachung“ bestehender Ansprüche zu sehen.
Die Aufforderung des AG, auf die bisher praktizierte Gleitzeit im Zusammenhang mit der Organisationsänderung zu verzichten und die bei Ablehnung ausgesprochene Kündigung stellen nur eine Folge der nicht erreichbaren Veränderung und keine Anspruchsgeltendmachung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG dar.
Kündigt der AG einen AN aufgrund eines Krankenstandes, ohne davor den Krankenstand inhaltlich zu beanstanden, ist auch dies keine unzulässige Motivkündigung.
Die Weigerung des AN, auf die Gleitzeit zu verzichten, an Teamsitzungen teilzunehmen, die Weigerung einer geringfügigen Änderung des Tätigkeitsbereiches zuzustimmen, sohin die Tatsache, dass der AN sich der Versetzung widersetzte sowie die Weigerung der Direktkommunikation mit einer Kollegin genügen in Anbetracht der für den AN schwierigen Umbruchsituation und der Tatsache, dass der AN in seinen zwölf Jahren Tätigkeit für den AG als ausgezeichneter Jurist anerkannt war, rasch Lösungsvorschläge unterbreitete und auch Akten in tadellosem Zustand hinterließ, nicht, um die Kündigung zu rechtfertigen. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass sich die Situation auch durch das Verhalten des AG zuspitzte, in dem er dem AN ein sehr kleines Zimmer zuwies und die Kommunikation distanzierter wurde, sodass sich der AN gemobbt fühlte.
Der 1956 geborene AN ist seit 13.11.1989 beim Bekl als Jurist tätig. Er ist verheiratet und für vier Kinder sorgepflichtig. Beim Bekl fand Anfang 2001 eine Neuorganisation statt, bei der die Sektionen und die Rechtsschutzabteilung umgestaltet und ua die Regionalgeschäftsstelle Wien geschaffen wurde. Die Bundesgeschäftsführung versetzte den AN Ende Jänner 2001 in das Regionalsekretariat Wien. Mit Schreiben vom 17.5.2001, ihm zugegangen am 21.6.2001, wurde sein Arbeitsverhältnis vom Bekl gekündigt.
Der Betriebsrat, der der Kündigungsabsicht widersprochen hatte, beantragte als Kl, die Kündigung des AN als unzulässige Motivkündigung und wegen Sozialwidrigkeit für rechtsunwirksam zu erklären. Zusammengefasst sah er die Gründe für die Kündigung in der Weigerung des AN, im Zuge der Neuorganisation des Rechtsschutzwesens des Bekl auf die langjährig geübte Gleitzeit zu verzichten, im Widerspruch des AN gegen eine verschlechternde Versetzung, nach der er nicht mehr nur mit Vertretungstätigkeiten in Arbeitsrechtssachen betraut gewesen wäre, sowie einem vom Bekl zu Unrecht angezweifelten Krankenstand. Die Familie des AN sei auf dessen Arbeitseinkommen angewiesen. Es werde ihm unter Berücksichtigung seiner Ausbildung, seiner Tätigkeit für den Bekl und des angespannten Arbeitsmarkts nicht gelingen, in angemessener Frist einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden.
Der Bekl bestritt dies, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, eine Einschränkung der Tätigkeit des AN auf Arbeitsrechtssachen sei nie erfolgt. Die lediglich in der Rechtsabteilung praktizierte Gleitzeit sei bloß de facto von der Geschäftsleitung nicht unterbunden worden. Trotz der Notwendigkeit der Neuregelung habe der AN eine Änderung der Gleitzeitregelung bzw einen Verzicht darauf abgelehnt. Weder dies noch sein Widerstand gegen die neue Tätigkeit, die er auch angetreten habe, sei jedoch der Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen. Sie sei vielmehr wegen seines absolut inakzeptablen Verhaltens im Zusammenhang mit dem Urlaubsverbrauch im April 2001 und einem offenbar vorgetäuschten Krankenstand sowie deshalb ausgesprochen worden, weil es ihm an fachlicher Eignung, an Integrierbarkeit, an Kooperations- und Gesprächsbereitschaft sowie an Teamfähigkeit fehle, was zu massiver Unzufriedenheit der Teammitglieder mit seiner Tätigkeit geführt habe. Seine Interessen seien durch die Kündigung nicht wesentlich beeinträchtigt. Er nehme offenbar absichtlich keine andere zumutbare Tätigkeit an.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Infolge des Aufhebungsbeschlusses des OGH9 ObA 11/09x stellte es nunmehr fest, dass der Bekl das Arbeitsverhältnis des AN deshalb kündigte, weil dieser auf die Gleitzeitvereinbarung bestand, sich der Versetzung widersetzte und im April 2001 in Krankenstand ging. Dabei ging es im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Zur Gleitzeit:
Grundsätzlich gab es fixe Arbeitszeiten, die wiederholt zu Unmut und Problemen innerhalb der Rechtsab-152teilung führten. In den Sektionen wurde die Arbeitszeit flexibel gehandhabt, die Landessekretariate hatten Gleitzeit, der Betriebsrat stand mit der Geschäftsführung wegen eines Gleitzeitmodells auch für die Wiener Zentrale in Verhandlung. Dr. S entschloss sich zur Einführung der Gleitzeit in der Rechtsschutzabteilung. [...] Die Vorgesetzten nahmen den Zustand hin. Ab 1.4.1993 wurde in der Rechtsabteilung Gleitzeit praktiziert. [...]. Die Rechtsabteilung brachte ihren Standpunkt, dass die Gleitzeitvereinbarung Inhalt jedes einzelnen Dienstvertrags geworden sei, gegenüber dem Leitenden Zentralsekretär mit Schreiben vom 20.1.1997 zum Ausdruck. Die Geschäftsführung der GPA antwortete mit Schreiben vom 27.1.1997, dass sie eine rechtliche Abklärung vornehme und keine Zustimmung zur weiteren Praktizierung ab 1.2.1997 vorliege. Eine weitere Reaktion der Geschäftsführung folgte nicht.
Im Zuge der Neuorganisation ersuchte der Bekl den AN und seine Kollegen um einen Verzicht auf die Gleitzeit. Der AN entgegnete, dass er nicht verzichte. [...] Schließlich erklärten alle außer dem AN, dass sie die Gleitzeit in der Region Wien nicht in Anspruch nehmen. Dr. S ersuchte den AN um einen Verzicht auf die Gleitzeit und bot an, dass er die Arbeitszeit nicht ganz exakt einhalten müsse; es würde auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere die Kinder betreffend, Rücksicht genommen. Der AN lehnte ab und erklärte, wie bisher weiterzuarbeiten. W. K. und Dr. S von der Bundesgeschäftsführung erklärten dem AN mit Schreiben vom 30.1.2001:
Du wirst mit Wirkung vom 5.2.2001 als Rechtsschutzsekretär im Regionalsekretariat Wien tätig sein. Für dich gilt die gleiche Arbeitszeitregelung wie für die anderen KollegInnen im Regionalsekretariat Wien.
Als klar war, dass der AN nicht auf die Gleitzeit verzichtete, wurde ihm ein sehr kleines Zimmer zugewiesen. Zuvor hatte es noch Pläne gegeben, nach denen der AN nicht übersiedeln hätte müssen. Für den AN und seine Frau war die Kinderbetreuung wichtig und die Mitwirkung des AN notwendig.
Zur Versetzung:
[...] Der AN war als „Sekretär“ aufgenommen worden. [...] Gesucht wurde ein Jurist für die Rechtsabteilung. [...] Der AN bekam hauptsächlich schon vorbereitete Akten auf den Tisch, in denen schon Information mit dem Dienstnehmer aufgenommen und mit dem Dienstgeber korrespondiert worden war. Der AN hatte die Klage zu formulieren, einzubringen und vor Gericht zu vertreten. Er war auch mit allfälligen Berufungen einschließlich der Beurteilung einer Revisionserhebung befasst. [...]
2000 wurde [...] die Neuorganisation [...] abgesegnet. [...] Die bisher nur in Wien vorhandene Rechtsschutzabteilung wurde aufgelöst. Für die acht Betreuungsbezirke in Wien wurden Teams aus je drei Regionalsekretären, einer Assistentin und einem Rechtsschutzsekretär gebildet. Der Rechtsschutzsekretär neuer Ordnung sollte ua Mitglieder und Betriebsräte vor Behörden und Gerichten vertreten und Regionalsekretäre nach Bedarf bei ihren Aufgaben, wie zB Beratung von Mitgliedern und Betriebsräten unterstützen. [...]. Es war keine extreme Abweichung von den bisherigen Aufgaben geplant. [...]
Im Zuge der am 19.12.2000 erfolgten Ausschreibung der Rechtsschutzsekretäre bekundete der AN am 12.1.2001 sein Interesse an der Position eines Rechtsschutzsekretärs im Regionalsekretariat Wien „bei Aufrechterhaltung der bisherigen Entgelt- und sonstigen Arbeitsbedingungen“. Bezüglich des Arbeitsinhalts dachte er, seine bisherige Tätigkeit genau weiter zu machen. Der Regionalgeschäftsführer kündigte aber an, dass die Rechtsschutzsekretäre künftig etwa sechs Stunden monatlich in die Mitgliederberatung eingebunden werden sollten. Der AN widersprach der Versetzung und erklärte der Vorgesetzten und dem Regionalgeschäftsführer, dass er nach seiner Rechtsauffassung nicht zur Mitgliederberatung verpflichtet sei. Am 5.3.2001 schrieb er an Dr. S, dass seine Versetzung eine verschlechternde gewesen und mangels Zustimmung des Betriebsrats unwirksam sei. Eine Mehrbelastung der Rechtsschutzsekretäre nach der Reorganisation kann nicht festgestellt werden.
Zum Urlaub:
Für den Urlaub gab es in der Rechtsschutzabteilung eine Vertretungsregelung. Kurzfristiger Urlaub war absolut üblich und möglich, wenn der Vertreter einverstanden war.
Der AN hatte einige Zeit vor dem 19.2.2001 angekündigt, zu Ostern auf Urlaub gehen zu wollen. In einem Workshop am 19.2.2001 wurde [...] für den AN als Urlaub 9.–13.4.2001 vermerkt. [...] Am 28.3.2001, 14:39 Uhr, schrieb er an die Vorgesetzte:
„Da ich an der letzten RS-Besprechung nicht teilnehmen konnte, übermittle ich Dir auf diesem Weg meine geplanten Abwesenheiten: 2.4.–19.4. Urlaub 20.4. Zeitausgleich.“
Sie antwortete am 29.3.2001, 12:12 Uhr:
„Dein Urlaubswunsch über 3 Wochen kommt etwas plötzlich. Da wir nächste Woche 4 Regionalsekretäre und mich bei den Grundkursen in Velm haben und im Büro jeden Kollegen, jede Kollegin brauchen, ist es fraglich, ob du deinen Urlaub nächste Woche auch tatsächlich genehmigt bekommst. Freitag 30.3.2001 vormittag, wenn wir die Abwesenheitslisten aller Sekretäre haben, kann ich dir sagen ob es geht.“
Am 30.3.2001, 10:32 Uhr, wandte sich der AN an den Regionalgeschäftsführer:
„Ich vermisse eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass der angemeldete Urlaub von 2.4.–6.4. nicht genehmigt wird. [...] Für 20.4. beanspruche ich Zeitausgleich und werde an diesem Tag jedenfalls nicht anwesend sein.“
Der Regionalgeschäftsführer und die Vorgesetzte machten den AN darauf aufmerksam, dass Urlaub Vereinbarungssache sei und eine solche für 2.–6.4.2001 nicht getroffen wurde; sollte er „am 2.4.2001 und in der Folge Urlaub konsumieren, so bedeutet dies einen einseitigen Urlaubsantritt ... Da für dich aufgrund der Versetzung nach Wien die Gleitzeitvereinbarung nicht mehr gilt, ist ein Zeitausgleich am 20.4.2001 nicht möglich.
“ Der AN entgegnete um 14:00 Uhr, dass er weiter eine nachvollziehbare Begründung vermisse [...]. Noch am selben Tag erhielt er zur Antwort:
„Zu deinem letzten mail von 14.05 Uhr müssen wir dir mitteilen, dass nach Durchsicht der Abwesenheiten153 für die nächste Woche die Mitgliederberatung für Montag, Mittwoch und Freitag nicht gewährleistet ist. Du erhältst hiermit die Weisung, am 2., 4. und 6.4.2001 beginnend mit 8.00 Uhr die Mitgliederberatung zu machen. Am 3.4.2001, von 11.00 bis 12.00 Uhr, findet das erweiterte Teamgespräch mit Koll. Sch statt. Es gibt daher keine Urlaubsvereinbarung für die Zeit 2. bis 6.4.2001.“
Der AN entgegnete um 19:37 Uhr, dass das erweiterte Teamgespräch nicht im Wochenplan enthalten sei und ohne ihn stattfinden könne. Die Mitgliederberatung habe nie zum Aufgabenbereich eines Rechtsschutzsekretärs gezählt. Daran hätte sich nichts geändert. Er würde am 2.4.2001 erscheinen, wäre aber um 8:00 Uhr und um 15:00 Uhr bereits aus wichtigen Gründen dienstverhindert. Ein Personalengpass in der ersten Aprilwoche kann nicht festgestellt, aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Zum Krankenstand:
[...] Die Veränderungen belasteten den Kl, er fühlte sich gedemütigt. Er hatte massive Schlafstörungen und auch Sehstörungen. Einmal wurden Flimmern und Kopfschmerzen so stark, dass er ein Krankenhaus aufsuchte. Einmal brach er zuhause zusammen. Den Wechsel in ein anderes Zimmer sah er als Mobbing. Er empfand die Verweigerung des Urlaubs und die Einteilung zur Mitgliederberatung am 2., 4. und 6.4.2001 als Strafaktion.
Am 2.4.2001 erschien der AN zwischen 8:15 und 8:30 Uhr zur Arbeit. Er wollte wie angekündigt ungestört arbeiten und eine an diesem Tag fällige Berufungsbeantwortung erstellen, für die er noch den Akt lesen musste. [...] Dann wollte der Regionalgeschäftsführer den AN gleich zur Mitgliederberatung einteilen. Dieser verwies auf die Terminarbeit. In einem ihm sodann geschickten Mail wurde ihm mitgeteilt, dass er zuerst die Berufungsbeantwortung fertigstellen und sich dann beim Regionalgeschäftsführer melden solle, um bis 16:00 Uhr die Mitgliederberatung zu machen. Der AN wollte jedoch wie jeden Montag um 15:00 Uhr gehen, um seine Kinder abzuholen, was der Regionalgeschäftsführer wusste.
Der AN konnte sich nicht konzentrieren, dachte an die Möglichkeit einer Entlassung, war überfordert und fühlte sich unfähig, seine Arbeit zu erledigen. Da kam ihm die Idee, seinen praktischen Arzt zu konsultieren. Er teilte dies und den Umstand, dass noch dringende Arbeiten zu erledigen waren, dem Regionalgeschäftsführer und mehreren weiteren Personen mit und verließ um 12:30 Uhr die GPA.
Der Arzt diagnostizierte ein akutes exogenes Überlastungssyndrom, Schwindel, Kopfschmerz und Schlaflosigkeit. Unverzüglich nach Verlassen des Arztes informierte der AN das Sekretariat der GPA von der Krankschreibung. Der Krankenstand war medizinisch berechtigt. [...]
Zur Eignung und Arbeit des AN:
In der Rechtsschutzabteilung waren seine Qualifikation und Teamfähigkeit nie ein Problem. Er war als ausgezeichneter Jurist anerkannt und unterbreitete im Kollegenkreis rasch Lösungsvorschläge. Seiner Vertretung erleichterte er die Arbeit, weil er die Akten in tadellosem Zustand hinterließ. [...] Mit seiner direkten Tätigkeit gab es keine Probleme.
Probleme hingegen gab es in der Zusammenarbeit. Er schrieb einen Brief an eine Kollegin, welche Unterlagen er noch benötigte und legte diesen seiner Vorgesetzten vor. Sie führte eine lange Diskussion mit ihm, warum er nicht direkt mit der Kollegin reden oder ihr ein E-Mail schreiben könnte. Schließlich unterfertigte die Vorgesetzte den Brief, wies ihn aber an, mit der Kollegin zu reden oder per E-Mail zu verkehren. Der Binnenbrief war der erste und letzte. Der AN bestand aber dann, wenn ein Regionalsekretär ein Gutachten von ihm als Rechtsschutzsekretär wollte, auf einer Befassung der Vorgesetzten.
[...] Der AN weigerte sich, an Teamsitzungen teilzunehmen, weil er die Organisationsreform ablehnte. In einer am 9.3.2001 durchgeführten Schulung zum Sozialrecht forderte er seine Vorgesetzte auf, zu akzeptieren, dass er kein Sozialrecht machen würde. Sie fragte ihn, ob er an der Schulung teilnehmen wolle, andernfalls er den Raum verlassen sollte. Er forderte eine Weisung, die sie nicht erteilte. Nach rund zwanzig Minuten Diskussion entfernte er sich.
Zur Aussicht am Arbeitsmarkt:
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre es dem AN auch bei intensiver persönlicher Arbeitsplatzsuche nicht möglich gewesen, vor sechs bis zwölf Monaten ab Ende des Dienstverhältnisses eine annähernd gleichwertige und so dotierte Beschäftigung zu erlangen. [...]
Zu in der Person gelegenen Gründen:
Der AN ist stur, sieht solche Sturheit aber nur bei anderen. Er erwartete, dass die Gegenseite auf ihn zukäme, ihm Informationen sandte und Vorschläge unterbreitete.
Zu diesem Sachverhalt führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, in Hinblick auf § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG sei die Kündigung zwar nicht sozialwidrig gewesen, weil bei einer Abwägung der den AN aus der Kündigung treffenden Nachteile mit den für den Betrieb aus seiner Person zu erwartenden Schwierigkeiten letztere überwiegen. Es erklärte die Kündigung aber für rechtsunwirksam, weil die behauptete Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG vorliege. Anders als sein Widerstand gegen den geänderten Arbeitsinhalt (Einbeziehung in die Beratung von Mitgliedern und Betriebsräten) sei der vom AN geltend gemachte Gleitzeitanspruch und sein Widerstand gegen die Versetzung insofern, als mit ihr die Geltung der Gleitzeit negiert worden sei, nicht offenbar unberechtigt gewesen. Dem Krankenstand sei wirklich eine Erkrankung zugrunde gelegen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Bekl keine Folge. Eine unzulässige Motivkündigung liege schon darin, dass der Bekl den AN wegen des von ihm im April 2001 in Anspruch genommenen Krankenstands gekündigt habe. Auch habe er durch das Schreiben der Bundesgeschäftsführung vom 30.1.2001 die vom AN beanspruchte Gleitzeit in Frage gestellt. Vom Schutzzweck des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG seien auch Ansprüche auf Bewahrung von Rechtspositionen aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis bzw Schutz gegen einseitige Eingriffe erfasst. Der Bekl habe weder eine Änderungskündigung ausgesprochen noch dem AN hinreichend deutlich gemacht, dass er bei Nichtannahme des Änderungsangebots bzw Nichtabgabe154 des Verzichts auf seine Rechte mit einer Kündigung des Dienstverhältnisses rechnen müsse. Eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des AN sei lediglich im Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG, nicht aber bei der Prüfung, ob eine unzulässige Motivkündigung vorgelegen habe, vorzunehmen. [...] Die Geltendmachung von „Verfehlungen“ des AN als die Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG rechtfertigender in der Person des AN gelegener Grund komme bei Vorliegen einer gem § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG anfechtbaren Kündigung nicht in Betracht. [...]
In seiner dagegen gerichteten Revision begehrt der Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.
1. Der vom Bekl geltend gemachte Verfahrensmangel, den er in einer unzureichend erledigten Tatsachenrüge sieht, liegt nicht vor: Er wäre nur dann zu bejahen, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst hat (RIS-Justiz RS0043371). [...]
2. Inhaltlich ist der Bekl der Ansicht, entgegen dem Aufhebungsbeschluss 9 ObA 11/09x sei neuerlich keine Gesamtwürdigung des Verhaltens des AN vorgenommen worden. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass es für eine Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht darauf ankomme, aus welchen Überlegungen der AG die vom AN offenbar nicht unberechtigt geltend gemachten Ansprüche in Frage gestellt habe, sei unrichtig. Die Anspruchstellung durch den AN werde überproportional in den Vordergrund gestellt, ohne zu berücksichtigen, dass sich der AN mit seinem Verhalten grundlos der notwendigen Organisationsänderung des Bekl widersetzt habe.
Dazu war Folgendes zu erwägen:
2.1. Wie im Aufhebungsbeschluss 9 ObA 11/09x dargelegt, obliegt es nach § 105 Abs 5 ArbVG zunächst dem Anfechtungskläger, ein verpöntes Motiv glaubhaft zu machen. Gelingt ihm dies, ist es Sache des AG, seinerseits glaubhaft zu machen, dass ein anderes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend ist. [...]
Für die Glaubhaftmachung eines anderen Motivs ist es nicht ausgeschlossen, auch solche Gründe heranzuziehen, die bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit personenbezogene Gründe iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG darstellen würden. Unter diesem Aspekt besteht aber tatsächlich ein Wertungswiderspruch, wenn die „äußerst schwierigen Persönlichkeitszüge“ des AN (Ersturteil S 26) den Vorinstanzen Grund dafür waren, die Kündigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG als sozial gerechtfertigt zu erachten, dieser Umstand in Zusammenhalt mit seiner generellen Ablehnung der Neuorganisation, der Weigerung, an Teamsitzungen oder einer Sozialrechtsschulung teilzunehmen, und mit den Schwierigkeiten bei der Binnenkommunikation jedoch bei Prüfung der Frage, ob bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein anderes als das glaubhaft gemachte verpönte Motiv spricht, außer Acht gelassen wurde.
Einer Neubewertung dieser Tatsachen bedarf es allerdings schon deshalb nicht, weil nach dem nun festgestellten Sachverhalt bereits die Voraussetzungen einer verpönten Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht erfüllt sind:
2.2. Nach dieser Bestimmung kann eine Kündigung beim Gericht angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom AG in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den AN erfolgt ist. Beachtlich ist dabei, dass das Interesse eines AG an einer notwendigen oder sachgerechten – auch verschlechternden – Änderungsvereinbarung für die Zukunft noch kein Infragestellen bestehender Ansprüche des AN bedeutet, weil der Änderungswunsch deren Anerkennung gerade voraussetzt. In einem solchen Fall kann § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG daher schon deshalb nicht greifen (Schrank in Tomandl, ArbVG § 105 Rz 119 mwN). Insofern kann aber in der Ablehnung eines Änderungsbegehrens durch den AN auch keine Geltendmachung von Ansprüchen gesehen werden, die vom AG in Frage gestellt wurden.
Das Erstgericht hat festgestellt, dass die Kündigung erfolgt ist, „weil der AN auf der Gleitzeitvereinbarung bestand, sich der Versetzung widersetzte und im April 2001 in Krankenstand ging
“. Bei näherer Würdigung zeigt sich dazu aber ein von der Rechtsansicht der Vorinstanzen abweichendes Bild:
2.3. Zur Gleitzeit:
Bereits das Erstgericht hob hervor, dass die Leiterin der Rechtsabteilung mit den Mitarbeitern eine Gleitzeitvereinbarung getroffen hatte und die Geschäftsführung des Bekl dies nicht nur wusste, sondern auch duldete. Deren bereits 1997 erfolgten Ankündigung einer rechtlichen Abklärung des Standpunkts der Rechtsabteilung, dass die Gleitzeitvereinbarung Inhalt jedes einzelnen Dienstvertrags geworden sei, folgte keine weitere Reaktion. Konsequenterweise wurde der AN sowohl vom Regionalgeschäftsführer als auch von der Bundesgeschäftsführung (Dr. S) ersucht, auf die Gleitzeit zu verzichten. Sowohl daraus als auch aus den weiteren Gesprächsverläufen geht hervor, dass der Bekl damit nur für die Zukunft die Geltung fixer Arbeitszeiten im neuen Regionalsekretariat anstrebte, es ihm jedoch nicht darum ging, den bisher praktizierten Gleitzeitanspruch des AN in Frage zu stellen. Davon konnte auch der AN nicht ausgehen, wenn und weil er um einen Verzicht darauf ersucht wurde.
Ist aber die begehrte oder angebotene Vertragsänderung notwendig oder zumindest – wie hier durch die Umorganisation des Bekl – sachlich begründet und liegt der künftige Status auch im Rechtsrahmen, so ist die bei Ablehnung ausgesprochene Kündigung nur eine Folge der nicht erreichbaren Veränderung und ist damit nicht wegen Anspruchsgeltendmachung iSd lit i, sondern nur unter Sozialwidrigkeitsaspekten überprüfbar (Schrank in Tomandl, aaO § 105 Rz 119). Eben dies trifft auf den Wunsch des Bekl, die bisher praktizierte Gleitzeit zu ändern, zu.
2.4. Zum Krankenstand:
In der Literatur (Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III § 105 Erl 31 S 394) wird zwar vertreten, dass auch dann, wenn ein AG bei einem Krankenstand des AN die155 Erkrankung bestreitet, ein Infragestellen von Ansprüchen des AN und damit eine verpönte Motivkündigung vorliegen kann. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte, dass der Bekl vor Ausspruch der Kündigung je zum Ausdruck gebracht hätte, dass der AN entgegen der ärztlichen Diagnose nicht krank gewesen sei. Nach den Feststellungen kam es vielmehr zu keinen inhaltlichen Beanstandungen gegenüber dem AN. Der bloße Umstand, dass ein AG einen AN aufgrund eines Krankenstands kündigt, reicht ohne die tatbestandliche Voraussetzung von „vom AG in Frage gestellter Ansprüche“ nicht für eine unzulässige Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG aus.
2.5. Zur Änderung des Arbeitsinhalts:
In diesem Punkt teilt der OGH die schon vom Erstgericht geäußerte Rechtsansicht, wonach der AN, der als Rechtsschutzsekretär und Jurist aufgenommen worden war, nicht von einer immerwährenden Unabänderbarkeit seines Tätigkeitsinhalts ausgehen durfte. Angesichts dessen, dass er auch nach der Organisationsänderung als Rechtsschutzsekretär eingesetzt werden und weiter die Vertretung vor Gerichten und Behörden erledigen sollte, eine telefonische Erstberatung der Mitglieder und Betriebsräte – mag sie in der Umstellungsphase auch passiert sein – weiterhin nicht zu seinen Kernaufgaben zählen sollte, sondern diesbezüglich primär eine Unterstützung der Regionalsekretäre bei schwierigen und komplexen Fragen vorgesehen war, kann darin keine solche Änderung seiner Tätigkeit gesehen werden, dass er in Bezug auf die neue Tätigkeit selbst mit Grund von einer vertragsändernden und/oder verschlechternden Versetzung ausgehen durfte. Es mag zwar zutreffen, dass die beharrliche Bestreitung des AN grundsätzlich die Geltendmachung des Anspruchs auf Nichtbefolgung der Weisung des AG indizieren kann (so Wolliger in ZellKomm, § 105 Rz 135; Breiter, Verpönte Motiv- oder zulässige Änderungskündigung, RdW 2002, 93, 96). Aufgrund der eben genannten Umstände ist jedoch – wie bereits das Erstgericht zu erkennen gab – in der Ablehnung des modifizierten Arbeitsinhalts keine „offenbar nicht unberechtigte Geltendmachung“ bestehender Ansprüche zu sehen.
Im Ergebnis zeigt sich damit aber, dass die Voraussetzungen für eine verpönte Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht gegeben sind.
3. Allerdings haben der Kl und der AN sowohl im Berufungs- als auch im Revisionsverfahren den Standpunkt vertreten, dass das Erstgericht die im Rahmen des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG gebotene Interessenabwägung unrichtig vorgenommen habe, sodass die Kündigung richtigerweise als sozialwidrig zu beurteilen gewesen wäre. Darin ist ihnen beizupflichten:
Gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG kann die Kündigung angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist und der gekündigte AN bereits sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des AN beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung – soweit hier von Relevanz – durch Umstände, die in der Person des AN gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, begründet ist.
Dass durch die Kündigung wesentliche Interessen des AN beeinträchtigt wurden, ergibt sich schon daraus, dass er bezogen auf den Zeitpunkt der Kündigung Sorgepflichten für vier Kinder hatte und aufgrund seines Alters nicht damit rechnen konnte, innerhalb von sechs bis zwölf Monaten ab Ende des Dienstverhältnisses eine annähernd gleichwertige Beschäftigung mit vergleichbarem Einkommen zu finden. Davon ging auch das Erstgericht aus.
Nicht zu folgen ist diesem allerdings darin, dass die für den Betrieb aus der Person des AN zu erwartenden Schwierigkeiten schwerer zu wiegen hätten. Wenn das Erstgericht dies mit der Weigerung des AN, an Teamsitzungen teilzunehmen, begründete, so ist auch zu berücksichtigen, dass er zu gewissen Vorbereitungsveranstaltungen zur Umstrukturierung gar nicht eingeladen wurde. Die vom Erstgericht ins Treffen geführte „umständliche Zwischenschaltung“ der Vorgesetzten anstelle eines Direktverkehrs mit einer Kollegin stellte nur ein einmaliges Ereignis dar, das sich in der weiteren Arbeit des AN nicht wiederholte und überdies verständlich erscheint, wenn man bedenkt, dass er in einer für ihn schwierigen Umbruchsituation eine Dokumentation und Absicherung seiner Handlungsweise anstrebte. Gänzlich unberücksichtigt blieb dagegen, dass die Qualifikation und die Teamfähigkeit des AN festgestelltermaßen nie ein Problem darstellte, er in den zwölf Jahren seiner Tätigkeit für den Bekl als ausgezeichneter Jurist anerkannt war, rasch Lösungsvorschläge unterbreitete und auch die Akten für seine Vertretung in tadellosem Zustand hinterließ – Umstände also, die die betrieblichen Interessen des Bekl nicht beeinträchtigen, sondern nur fördern konnten. Berücksichtigt man überdies, dass sich die Situation auch durch das Verhalten des Bekl zuspitzte, indem dem AN etwa abredewidrig ein sehr kleines Zimmer zugewiesen und die Kommunikation mit ihm zunehmend distanzierter wurde, wodurch er sich gemobbt fühlte, so können die aufgetretenen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit ihm nicht generell seiner Persönlichkeit oder seiner Arbeitsweise zugeschrieben werden, sondern müssen auch als Reaktion auf die Vorgehensweise des Bekl gedeutet werden.
In Anbetracht all dessen kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die betrieblichen Interessen des Bekl durch in der Person des AN gelegene Umstände gravierender beeinträchtigt wären als dessen Interessen. Die Kündigung stellt sich damit als sozial ungerechtfertigt dar, sodass die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht von ihrer Unwirksamkeit ausgingen.
Nach all dem ist der Revision keine Folge zu geben. [...]
Der vorliegende Fall zeigt einmal mehr, wie schwierig es in der Praxis ist, in einem konkreten Sachverhalt die Grenze zwischen einer vom AG gewünschten Änderung von Arbeitsbedingungen für die Zukunft einerseits und einer aktuellen Infragestellung von156 Ansprüchen, die vom AN offenbar nicht unberechtigt geltend gemacht werden, andererseits zu unterscheiden: Besonders schwierig ist dies immer dann, wenn Auffassungsunterschiede über den bisherigen Vertragsinhalt bestehen, etwa weil – wie auch im vorliegenden Fall – entgegen schriftlicher Vereinbarungen eine andere Handhabung in der Praxis von einzelnen Vorgesetzten toleriert wurde.
Entsprechend den gegensätzlichen Rechtsstandpunkten ist der AG überzeugt davon, keine Vertragsänderung durchführen zu müssen, um den AN mit geänderten Arbeitszeiten einsetzen zu können, während der AN davon ausgeht, dass für eine solche Änderung seine Zustimmung oder aber eine Änderungskündigung erforderlich wäre.
Nach der bisherigen Judikatur schließen Unklarheiten oder unterschiedliche Auffassungen über den Bestand von Ansprüchen den Anfechtungsgrund keineswegs aus; nur wenn ohne jeden Zweifel erkennbar ist, dass kein Anspruch besteht, ist die Geltendmachung „offenbar nicht berechtigt“ (vgl OGH9 ObA 9/02t, DRdA 2003/12 [Trost]). Der AG läuft sohin, selbst wenn er der Auffassung ist, dass er sich im Arbeitsvertrag ein einseitiges Änderungsrecht bei der Einteilung der Arbeitszeit vorbehalten hat und damit betrieblich erforderliche Änderungen im Rahmen des Zumutbaren durchführen kann, Gefahr, dass bei einer Auseinandersetzung über den Vertragsinhalt und einer nachfolgenden Kündigung der AN diese wegen eines verpönten Motives im Sinne der obigen Ausführungen anfechten kann. Zu beachten ist auch, dass selbst dann, wenn eine Arbeitszeitänderung im Rahmen des Weisungsrechtes des AG zulässig ist, der AG in weiterer Folge gem § 101 ArbVG im Falle einer Verschlechterung für den AN den Betriebsrat um Zustimmung zur verschlechternden Versetzung ersuchen muss. Dies jedenfalls dann, wenn die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen – hier der Arbeitszeit – anlässlich eines Wechsels des Arbeitsplatzes erfolgt und daher tatsächlich eine Versetzung vorliegt (zum Versetzungsbegriff vgl Cerny in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, ArbVG Band 3, § 101, Erl 2).
Besteht Unklarheit, ob der Inhalt des Arbeitsvertrages die gewünschte Änderung der Arbeitsbedingungen tatsächlich möglich macht, so empfiehlt es sich, eine Änderungskündigung auszusprechen und dem AN für die weitere Zusammenarbeit ein klares – geändertes – Arbeitszeitmodell anzubieten. Regelmäßig wird bei Nachvollziehbarkeit eines betrieblichen Bedarfes für die Arbeitszeitänderung eine solche Kündigung kaum erfolgreich vom AN angefochten werden können, da eine geringfügige Änderung der Arbeitszeit nicht als wesentliche Interessenbeeinträchtigung angesehen werden wird und es dem AN regelmäßig zumutbar sein wird, die modifizierte Tätigkeit mit den geringfügig modifizierten vertraglichen Konditionen weiter auszuüben (vgl zur Anfechtbarkeit von Änderungskündigungen Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, ArbVG , Band 3, § 105 Erl 36 und Erl 49 sowie OGH9 ObA 244/98t ARD 4985/7/98).
Wenn ein AG zum Mittel der Änderungskündigung zur Klarstellung der vertraglichen Bedingungen für die Zukunft greift, ist keine verpönte Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG anzunehmen. So hat der OGH auch im vorliegenden Fall den Streit um die Geltung der Gleitzeit letztlich nicht unter den Tatbestand der verpönten Motivkündigung eingereiht, sondern ist davon ausgegangen, dass bloß ein Änderungswunsch für die Zukunft vorlag. Auch bisher hat der OGH in ständiger Judikatur vertreten, dass eine Anwendung der Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG auf Fälle, in denen der AN ein Vertragsänderungsangebot ablehnt, die Privatautonomie des AG, zulässige Änderungen des Arbeitsvertrages herbeizuführen, unverhältnismäßig beschränken würde, zumal der AN ohnedies die Möglichkeit habe, die Sozialwidrigkeit einer solchen Kündigung geltend zu machen (vgl OGH9 ObA 114/93). Dennoch ist es bemerkenswert, dass der OGH im vorliegenden Fall diese Judikaturlinie zur Anwendung bringt:
Der AN hatte mehr als sieben Jahre hindurch im Rahmen seiner Tätigkeit ein Gleitzeitmodell praktiziert. Der AG hatte zu einem Verzicht auf die Gleitzeit aufgefordert, von anderen Kollegen diesen Verzicht letztlich erwirkt, der AN jedoch bestand auf die weitere Einhaltung der Gleitzeit. Dennoch wurde ihm von AG mitgeteilt, dass für ihn in Hinkunft die gleiche Arbeitszeitregelung wie für die anderen KollegInnen gelte. Auf die Äußerung, Zeitausgleich konsumieren zu wollen, antwortete der AG dem AN, dass aufgrund seiner Versetzung die Gleitzeitvereinbarung nicht mehr gelte und er daher keinen Zeitausgleich konsumieren könne. Der AG weigerte sich sohin, einen Anspruch des AN auf Gleitzeit anzuerkennen, dies ohne eine Änderungskündigung ausgesprochen zu haben oder einen Verzicht des AN erwirkt zu haben. Der OGH geht – implizit – davon aus, dass der AN einen Anspruch auf Gleitzeit hatte und kommt dennoch in weiterer Folge – entgegen den Vorinstanzen – zum Schluss, es sei dem AG nur für die Zukunft auf die Geltung fixer Arbeitszeiten angekommen, er habe jedoch nicht den bisher praktizierten Gleitzeitanspruch in Frage stellen wollen. Dies habe auch der AN erkennen können, weil er um einen Verzicht auf seinen Anspruch ersucht wurde. Der OGH kommt somit zum Schluss, dass selbst dann, wenn der AG einen bestehenden Anspruch negiert, weil er in Hinkunft eine Vertragsänderung wünscht, dies nicht als verpöntes Kündigungsmotiv anzusehen ist, wenn der AN letztlich diesem Änderungswunsch nicht nachkommt und der AG daher in weiterer Folge die Kündigung ausspricht. Diesfalls schadet es sohin nach Auffassung des OGH nicht, wenn der AG schon vor Ausspruch der Kündigung den – offenbar in diesem Zeitpunkt noch berechtigten – Anspruch verweigert. Dieses Ergebnis erweitert die bisherige Judikatur insofern, als bei einer unklaren Vertragssituation keine unzulässige Motivkündigung anzunehmen ist, selbst wenn der AG von einem seiner Meinung nach bestehenden Weisungsrecht Gebrauch macht, welches letztlich bei Klärung der Gesamtsituation vom Gericht als gar nicht berechtigt angesehen wird. In einer solchen Situation soll eine nachfolgende Kündigung keine verpönte Motivkündigung sein, selbst wenn sich he raus stellt, dass der AG zu Unrecht auf dem Standpunkt stand, dass er eine Beendigung der Gleitzeit einseitig verlangen könne und der AN eigentlich berechtigt auf Einhaltung der mit ihm schlüssig vereinbarten Gleitzeit besteht. Dies dürfte nunmehr157 vom OGH zumindest in jenen Situationen akzeptiert werden, in denen aus nachvollziehbaren Gründen der AG eine Änderung der bisherigen Handhabung der Arbeitsbedingungen wünscht und nicht völlig klar ist, dass er dies ohne Vertragsänderung nicht verlangen kann.
Überraschend erscheint dies zunächst deshalb, weil der AG bei den anderen AN Verzichtserklärungen auf die Gleitzeit erwirkte und beim betreffenden AN einen solchen Verzicht nicht erzielte und dennoch darauf bestand, dass der AN ab sofort mit fixen Arbeitszeiten arbeitet und auch die Konsumation von Zeitausgleich unter Hinweis darauf, dass die Gleitzeitvereinbarung nicht mehr gelte, verweigert wurde. Soweit aus der OGH-Entscheidung ersichtlich, wurde auch nicht geklärt, ob etwa alte Gleitzeitguthaben noch vorhanden waren. Der OGH hat jedenfalls mit der vorliegenden Entscheidung den Schwerpunkt der Beurteilung bei der verpönten Motivkündigung darauf gelegt, ob der AG einen Änderungswunsch für die Zukunft hat, dies äußert und deshalb mit dem AN eine Auseinandersetzung über den Vertragsinhalt beginnt, die letztlich in einer Kündigung mündet, oder aber, ob der AN von sich aus einen berechtigten Anspruch geltend macht und nur deswegen vom AG gekündigt wird. Nur im letzteren Fall kann nach Meinung des OGH eine verpönte Motivkündigung vorliegen.
Damit folgt der OGH Resch, der Kündigungen des AG, die deshalb erfolgen, weil der AG Ansprüche gegen den AN geltend gemacht hat und der AN diese Ansprüche bestritten hat (zB Anspruch auf einseitige Änderung der Arbeitszeit) nicht vom Wortlaut des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG umfasst sind (vgl Resch, Kündigung des AN wegen Bestreitens von AG-Forderungen – ein Fall des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG? RdW 1992, 408).
Das Berufungsgericht hatte noch vertreten, dass eine unzulässige Motivkündigung auch darin liege, das der AG den AN wegen eines in Anspruch genommenen Krankenstands gekündigt hatte, da der AG auch vorgebracht hatte, dieser Krankenstand sei offenbar vorgetäuscht gewesen, da er in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einem verweigerten Urlaubswunsch und einem vom AN nicht gewünschten Arbeitsauftrag stand. Da sich im Verfahren herausgestellt hatte, dass der AN medizinisch gerechtfertigt krankgeschrieben worden war, sei auch die Kündigung wegen des Krankenstandes eine verpönte Motivkündigung. Der OGH kommt hingegen zum Ergebnis, dass der bloße Umstand, dass ein AG einen AN aufgrund eines Krankenstandes kündigt, nicht für eine unzulässige Motivkündigung ausreicht, wenn der AG nicht ganz konkret den Anspruch schon vor Ausspruch der Kündigung gegenüber dem AN in Frage stellt. Im vorliegenden Zusammenhang geht der OGH davon aus, dass der AG vor Ausspruch der Kündigung niemals zum Ausdruck gebracht hätte, dass der AN entgegen einer ärztlichen Diagnose nicht krank gewesen sei und daher eine solche Infragestellung von Ansprüchen nicht erfolgt sei.
Der Kläger war im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung 45 Jahre alt und sorgepflichtig für vier Kinder. Genauere Angaben über seine sonstigen Lebensverhältnisse, insb etwa auch über eine Berufstätigkeit seiner Ehegattin und die sonstigen Umstände sind der Entscheidung des OGH nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Arbeitsmarktsituation geht der OGH aber – übereinstimmend mit dem Erstgericht – davon aus, dass der Kläger innerhalb von sechs bis zwölf Monaten ab Ende des Dienstverhältnisses als Jurist keine annähernd gleichwertige Beschäftigung mit vergleichbarem Einkommen zu finden in der Lage sei. Da der OGH im Endergebnis im Rahmen der Interessenabwägung letztlich – entgegen den Vorinstanzen – die Sozialwidrigkeit der Kündigung bejaht, wäre in Anbetracht der festgestellten – schwerwiegenden – Kündigungsgründe zu erwarten gewesen, dass er zur Interessenbeeinträchtigung auf der Seite des Kl nähere Ausführungen macht bzw eine weitergehende Betroffenheit des AN vorliegen müsste, als durch die Kurzbeschreibung nachvollzogen werden kann.
Die vorliegende Entscheidung zeigt deutlich auf, wie wenig vorhersehbar Entscheidungen im Rahmen der Interessenabwägung bei Kündigungen wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 ArbVG letztlich sind: Hatten noch beide Vorinstanzen im Rahmen der Interessenabwägung die Berechtigung der Kündigung aufgrund der Handlungen des AN klar bejaht (hingegen ein verpöntes Kündigungsmotiv angenommen), so kommt der OGH zum genau gegenteiligen Ergebnis, wonach kein verpöntes Kündigungsmotiv vorliege, die Kündigung aber sozialwidrig sei. Dass bei dem vorliegenden Sachverhalt die Interessenabwägung zugunsten des AN ausfiel, überrascht in Anbetracht der bisherigen Judikatur des OGH:
Der OGH kommt nämlich zum Schluss, dass die vom AG geforderte Änderung des Arbeitsinhaltes dem AN jedenfalls zumutbar war. Der Sachverhalt ergibt diesbezüglich folgende vom OGH und den Vorinstanzen festgestellte Umstände:
Der AN verweigert eine geringfügige Änderung seiner Arbeitszeit, obwohl ihm zugesichert wird, dass auf seine Kinderbetreuungsverpflichtung Rücksicht genommen werde;
der AN weigert sich, als Jurist neben Arbeitsrechtssachen auch Sozialrechtssachen zu betreuen, obwohl ihm niemals explizit zugesichert wurde, dass er ausschließlich mit Arbeitsrechtssachen betraut werde;
der AN weigert sich, neben der Vertretungstätigkeit vor Gerichten und Behörden auch Mitgliederberatung durchzuführen, obwohl dies nur für etwa sechs Stunden monatlich geplant war;
eine Mehrbelastung der Rechtsschutzsekretäre nach der Reorganisation konnte gerichtlich nicht festgestellt werden;
der AN weigert sich, mit einer Kollegin direkt zu kommunizieren und verlangt von der Vorge158setzten, dass diese der Kollegin mitteile, welche Unterlagen der AN von der Kollegin benötige;
der AN besteht darauf, dass er keine direkten Arbeitsaufträge von Regionalsekretären annehmen müsse und hierbei vorher seine Vorgesetzte befasst werden müsse;
der AN weigert sich, an Teamsitzungen teilzunehmen, weil er die Organisationsreform ablehnt;
der AN fordert bei einer Schulung zum Sozialrecht, dass seine Vorgesetzte zu akzeptieren habe, dass er kein Sozialrecht machen werde und verlässt die Schulung nach 20-minütiger Diskussion;
der AN ist stur, sieht solche Sturheit aber nur bei anderen.
Zugunsten des AN stellt der OGH lediglich fest:
die Qualifikation und die Teamfähigkeit des AN sei davor nie ein Problem gewesen;
er sei in zwölf Jahren seiner Tätigkeit als ausgezeichneter Jurist anerkannt gewesen;
der AN habe rasch Lösungsvorschläge unterbreitet und die Akten in tadellosem Zustand hinterlassen;
der AG habe dem AN ein sehr kleines Zimmer zugewiesen;
die Kommunikation sei zunehmend distanzierter geworden.
Nach der bisherigen Judikatur des OGH wurden etwa in folgenden Konstellationen ein personenbezogener Kündigungsgrund gesehen:
Bei Weigerung, einen angeordneten Fortbildungskurs zu besuchen (OGH2 Ob 554/86 ARD 9892/10/87);
bei mangelnder, das Betriebsklima gefährdender Integrationsfähigkeit des AN (OGH8 ObA 262/97f ARD 4921/14/98);
bei Weigerung eines AN, ein neues Produktionssystem zu akzeptieren (OGH9 ObA 38/04k RdW 2004/636);
wenn die erforderliche reibungslose Zusammenarbeit nicht mehr gewährleistet ist aufgrund von Auseinandersetzungen und auch eine optimale Kundenbetreuung gefährdet ist (OGH9 ObA 146/93).
Im vorliegenden Fall hat der AN in vielfacher Weise, nämlich nicht nur hinsichtlich der Arbeitszeit, sondern auch hinsichtlich des Tätigkeitsinhaltes klar zu verstehen gegeben, dass er die Organisationsänderung des AG in keiner Weise zu akzeptieren bereit ist, die Eingliederung in die Organisation in der neu gewählten Form negiert und zumutbare Tätigkeiten, die von seinem Vertragsinhalt nach Auffassung des OGH sehr wohl erfasst waren, wie etwa Beratungstätigkeit oder Gutachtenserstellung oder Vertretung im Sozialrecht, verweigert und bereits klarstellt, dass er auch geringfügige Änderungen seiner Arbeitszeit trotz Rücksichtnahme auf seine Kinderbetreuungsverpflichtung nicht zu akzeptieren bereit ist. Da der AN mit 45 Jahren und in Anbetracht seiner Ausbildung als Jurist wohl auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – wenn auch erst nach längerer Zeit – wieder Tätigkeiten verrichten kann, ist es doch überraschend, dass in Anbetracht dieser Verweigerungshaltung des AN der OGH – entgegen den Vorinstanzen – die Interessenabwägung zugunsten des AN vorgenommen hat.
Da der OGH bei Organisationsänderungen bisher Flexibilität von AN einforderte, bleibt offen, ob diese Entscheidung vereinzelt bleibt oder eine Judikaturwende darstellt. Ergebnis der vorliegenden Entscheidung ist nämlich, dass der AG den AN trotz seiner Weigerung, vom Arbeitsvertrag laut OGH erfasste Tätigkeiten zu verrichten, weiterbeschäftigen muss. Muss der AG also nun tolerieren, dass der AN sich weigert, Rechtsberatungen oder sozialrechtliche Verfahren bei Gericht durchzuführen und darauf besteht, weiterhin ausschließlich arbeitsrechtliche Gerichtsvertretungen zu übernehmen?
Bedenkt man, dass verhaltensbedingte Kündigungsgründe iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG zwar Gewicht haben müssen, um eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung aufzuwiegen, keinesfalls aber die Intensität von Entlassungsgründen erreichen müssen (vgl Schrank in Tomandl [Hrsg], Arbeitsverfassungsgesetz, § 105 Rz 184), so ist doch überraschend, dass der OGH im vorliegenden Fall die Weigerung des AN, vom Arbeitsvertrag erfasste Tätigkeiten zu verrichten nicht doch zumindest als ins Gewicht fallenden persönlichen Kündigungsgrund gesehen hat. Insb wurde bisher von der Judikatur bei verhaltensbedingten personenbezogenen Kündigungsgründen iSd § 105 ArbVG die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht gefordert, vielmehr ist nach den verba legalia ausreichend, wenn die betrieblichen Interessen entsprechend nachteilig berührt werden (vgl OGH 30.8.2007, 8 ObA 48/07b). Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt scheint daher die Interessenabwägung der Vorinstanzen eher zu überzeugen.159