Die Eventualkündigung
Die Eventualkündigung
Die Eventualkündigung stellt eine gewöhnliche Kündigung dar, deren Besonderheit darin liegt, dass der Kündigende von der bereits erfolgten rechtswirksamen Beendigung des Dienstverhältnisses ausgeht und unbeschadet dieser Rechtsauffassung aus Gründen der Rechtssicherheit für den Fall der Unrichtigkeit seines Standpunktes die Beendigung herbeiführen will. Sie hat unter Einhaltung sämtlicher Formvorschriften (Schriftlichkeit und Begründungspflicht; Einbindung der DN-Vertretung gem § 9 Abs 1 lit i iVm § 10 Abs 9 PVG;* in der Privatwirtschaft etwa § 105 Abs 1 und 2 ArbVG) zu erfolgen. Spiegelgleich bedarf es ebenso auf AN-Seite ihrer fristgerechten Bekämpfung.* Die Eventualkündigung ebenso wie die -entlassung dienen der Rechtssicherheit und Vermeidung von wirtschaftlichen Leerläufen. Durch die (Eventual-)Kündigung wird idR mehr Rechtssicherheit erzielt und die Ausgangslage des/der AG im arbeitsgerichtlichen Verfahren noch verbessert. Der Ausspruch einer derartigen (Eventual-)Kündigung wird daher in der Privatwirtschaft, wie insb auch im öffentlichen Dienstrecht (bei Vertragsbediensteten), von der Rechtsvertretung der jeweiligen Personalabteilung in zahlreichen Fällen empfohlen, um Fälle mit möglichen Form- oder sonstigen Mängeln (unterbliebene Verständigung des BR, der Personalvertretung bzw der richtigen Personalvertretung, Ausspruch durch eine angeblich unzuständige Stelle, Übersehen der Verstän172digungsnotwendigkeit nach § 45a AMFG,* dem „Frühwarnsystem bei Massenkündigungen“, mindestens fünf AN; Anführung zu weniger bzw der unrichtigen Kündigungsgründe bei besonderem Bestandschutz, Erfassung weiterer, später gesetzter Kündigungsgründe etc) in den Griff zu bekommen. Auch wenn es sich somit um ein Instrument handelt, das gerade von AG-Seite zum Einsatz gebracht wird und nicht von AN-Seite, muss sich selbstverständlich auch der/die DN und dessen/deren RechtsberaterIn bzw -vertreterIn damit auseinandersetzen, um im Fall des Falles gewappnet zu sein. Zu untersuchen sind daher die grundsätzliche Zulässigkeit dieses Rechtsinstitutes (trotz fehlender expliziter Regelung im positiven Recht), Formvorschriften, gerichtliche Bekämpfung (Notwendigkeit und Verfahren, Urteilsbegehren, Fristen etc), Kosten und sonstige Fragen der technischen Abwicklung und Durchführung. Der folgende Beitrag soll hierfür einen Überblick bieten.
Bestimmte Rechtsgeschäfte wie zB die Eheschließung (§ 17 Abs 2 EheG) und andere personen- und familienrechtliche Rechtsgeschäfte* oder zahlreiche prozessuale Dispositionen* sind befristungs- und bedingungsfeindlich. Im Arbeitsrecht sind die Institute der Eventualkündigung, -entlassung und einvernehmlichen Eventualauflösung nicht ausdrücklich geregelt. Die Zulässigkeit zumindest der ersteren beiden (letztere spielt in der Praxis in Folge des häufig mangelnden Konsenses der beiden Teile des Arbeitsvertragsverhältnisses im Zeitpunkt der Beendigung desselben nach vorausgegangenen unwirksam [scheinenden] Lösungsversuchen eine untergeordnete Rolle) wird in Rsp* und Lehre* bejaht.
Aus dieser zitierten Rsp und auch aus den literarischen Stellungnahmen geht eindeutig hervor,
dass es sich sowohl bei der Eventualkündigung wie auch bei der Eventualentlassung um zulässige Rechtshandlungen des/der DG handelt. Vgl etwa den Rechtsatz III des OGH9 ObA 119/05y in ArbSlg 12.561, welcher lautet: „
Gegen eine Eventualkündigung, die nur für den Fall ausgesprochen wird, dass das Dienstverhältnis überhaupt noch aufrecht ist, bestehen nicht die geringsten Bedenken.
“dass durch eine Eventualkündigung gerade nicht auf eine davor bereits ausgesprochene Kündigung verzichtet oder diese zurückgenommen wird oder ähnliches. Siehe dazu etwa auch die grundsätzlichen Ausführungen von Rauch, aaO 333.
Ein/e sorgfältige/r AG und auch dessen/deren Rechtsvertretung handeln daher idR zweckmäßig, wenn sie zur rechtlichen Absicherung trotz Festhaltens an einer vorangehend ausgesprochenen Kündigung eine weitere Kündigung aussprechen, da die DN-Seite mangelnde Zustellung der Kündigung oder sonstige Formfehler oder inhaltliche Fehler behauptet. Im Einzelfall kann jedoch Unzulässigkeit einer derartigen Vorgangsweise vorliegen, wenn der/die AG einzig schikanöse Zwecke verfolgt, etwa den/die AN mit einer so großen Anzahl an Eventualkündigungen eindeckt, dass dies zu einer erheblichen und uU nicht mehr vorfinanzierbaren Kostenlast auf AN-Seite führt – so nicht Rechtsschutzdeckung auf AN-Seite vorliegt. Mit der Eventualkündigung sind ja auf AN-Seite zusätzliche Belastungen und Mühen verbunden, nämlich die Notwendigkeit der gerichtlichen Bekämpfung der weiteren Beendigungshandlungen, also der ausgesprochenen Eventualkündigungen.
Die sogenannte Eventualklausel, nämlich der Hinweis, dass es sich um eine bloße Kündigung aus Vorsicht handelt, wird dabei explizit im Kündigungsschreiben angeführt, um dadurch deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass es nicht um einen Verzicht auf vorangegangene, bereits erfolgte Auflösungen des Dienstverhältnisses geht.
Sie lautet etwa: „Die vorliegende Kündigung erfolgt aus Vorsicht und unbeschadet der Rechtsauffassung des AG, dass Ihr Dienstverhältnis bereits auf Grund vorangegangener Kündigung/Entlassung vom ... per ... geendet hat, da Sie im Verfahren vor dem LG ... in Arbeits- und Sozialrechtssachen zur GZ ... den Fortbestand des Dienstverhältnisses trotz der genannten Kündigung/Entlassung behaupten.
“
Festzuhalten ist freilich, dass auch eine Eventualkündigung den Tatbestand der verpönten Kündigung173 nach § 105 Abs 3 ArbVG erfüllen kann. Hierfür bedarf es jedoch des Hinzutretens der vom Gesetz geforderten Voraussetzungen. Einzig aus der Tatsache des Ausspruchs der Eventualkündigung durch den/die AG kann eine verpönte Kündigung nicht geschlossen werden. Dem/Der AG darf die Realisierung des Instituts der Eventualkündigung – auch nicht im Wege der Behaftung mit dem Mangel der Anfechtbarkeit nach § 105 ArbVG – nicht verwehrt werden.*
Sofern der/die AG sein/ihr Interesse offen legt, ist kein Grund ersichtlich, die Anziehung der Eventualkündigung zu verweigern. Eventualkündigungen sind daher nicht generell dem Risiko der Anfechtung als verpönte Kündigungen bloß wegen ihres Charakters als Eventualkündigungen ausgesetzt. Das Instrument der Eventualkündigung soll eben dem Zweck dienen, das Risiko beider Teile des Arbeitsvertrages im Zuge von dessen bestrittener Beendigung in den Griff zu bekommen. Auf Seiten des/der AG wird das Prozessrisiko vermindert, wenn durchaus Aussicht besteht, dass zumindest die Eventualkündigung das Dienstverhältnis zur Auflösung gebracht hat. Für den/die DN bewirkt die Eventualkündigung, dass er/sie im Regelfall davon ausgehen muss, dass jedenfalls die Eventualkündigung das Dienstverhältnis beendete; er/sie kann sodann einen Schlussstrich unter das sich nicht bewährte Arbeitsverhältnis ziehen und eine neue Arbeitsstelle antreten. Entsprechend ist sodann auf AN-Seite auch eine Umstellung des Urteilsbegehrens (von Feststellung auf Fortbestand des Dienstverhältnisses auf Leistung des Arbeitslohns, allenfalls zuzüglich Abfertigung, Kündigungsentschädigung, Ausfolgung des Dienstzeugnisses, Urlaubsersatzleistung) folgerichtig.
Der Mehrwert einer Eventualkündigung gegenüber der ursprünglichen Kündigung und/oder Entlassung kann im Einzelfall auch über die Sanierung von Formmängeln hinausgehen. Zusätzlich zu den bisher geltend gemachten Beendigungsgründen können in der Eventualkündigung auch noch weitere Umstände herangezogen werden. Bezüglich dieser gilt zwar auch die Verfristungsproblematik,* doch spielt dies etwa beim Kündigungsgrund der mangelnden geistigen oder körperlichen Dienstfähigkeit keine so bedeutende Rolle. Dem/Der DG wird nämlich bei der Entdeckung des Wegfalls der ursprünglich gegebenen Dienstfähigkeit ein längerer Zeitraum zuzubilligen sein, zumal es sich um einen Dauerzustand handeln mag, als bei der Geltendmachung zu bestimmten Zeitpunkten gesetzter einmaliger und herausragender Dienstpflichtverletzungen als Entlassungs- oder Kündigungsgrund.
Die Anfechtungsnotwendigkeit der Eventualkündigung mit eigener Klage oder im Wege der Ausdehnung im laufendem Verfahren (gerichtet auf Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses trotz der ersten Kündigung und – nunmehr ausgedehnt: auch trotz der zweiten Kündigung) darf vom/von der DN bzw dessen/deren VertreterIn nicht aus den Augen gelassen werden.* Die Eventualkündigung kann hier zu zahlreichen nötigen Bearbeitungsschritten führen, wie der Einholung der weiteren Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung bzw der Gewährung des weiteren Rechtsschutzes durch den ÖGB und in weiterer Folge der Abfertigung der weiteren (Festellungs-)Klage bzw Ausdehnung des Klagebegehrens im ersten Verfahren. Die neuerliche Klagsführung bzw Ausdehnung des Klagebegehrens müssen rasch vorangetrieben werden, um nicht eine Verfristung der Bemängelungsmöglichkeit einer allfälligen Verletzung des PVG zu riskieren. In Arbeitsgerichtsverfahren kann es durch die ausgesprochene Eventualkündigung zur Notwendigkeit des Durchführens mehrerer Verfahren kommen, nämlich bei Bekämpfung der ersten sowie der weiteren Kündigungen durch den DN. Hier wird sich eine Verfahrensunterbrechung gem § 190 ZPO überwiegend als zweckmäßig erweisen, wenngleich eine Verpflichtung hierzu idR fehlen mag (vgl die prozessuale Analyse Lovreks, aaO 265 ff mwN).
Die Wirksamkeit einer derartigen Eventualkündigung könnte jedoch dann zweifelhaft erscheinen, wenn zwischen den behaupteten Kündigungsgründen und der mangelfreien Kündigung ein nicht unwesentlicher Zeitraum vergangen ist. Dies mag nämlich dem Unverzüglichkeitsgrundsatz, den die Rsp auf die Geltendmachung des Kündigungsrechts des/der DG zur Anwendung bringt, widersprechen.
Für den Fall, dass zur Absicherung der bleibenden Beendigung des Dienstverhältnisses zu einem/einer (ehemaligen) Vertragsbediensteten eine (Eventual-)Kündigung ausgesprochen wird, ist daher üblicherweise Raschheit geboten. Zum einen geht es darum, dass andernfalls dem Einwand der Verjährung bzw Verfristung des Kündigungsrechtes des/der AG Berechtigung zukommen könnte. Das Kündigungsrecht ist nämlich vom/von der AG unverzüglich auszuüben, nachdem er/sie Klarheit und Gewissheit über die Kündigungsgründe erlangt hat. Zum anderen geht es auch darum, dass die Nachweismöglichkeiten idR noch eher bestehen, wenn die Sachverhalte sich erst vor kurzem zugetragen haben. Beweismittel wie etwa ZeugInnen können sich nämlich durch längeren Nicht-Gebrauch (Vernehmung erst zu einem viel späteren Zeitpunkt als jenem der abzufragenden Tatsachenwahrnehmungen) abnützen.
Sofern eine Struktur- bzw Bedarfskündigung als Eventualkündigung zur Absicherung der Beendigung174 des Dienstverhältnisses zumal bei laufendem „Kündigungsanfechtungsverfahren“ geplant ist, kann es auch deshalb der Eile und Vorsicht bedürfen, da nach § 32 Abs 4 VBG eine derartige Kündigung bei über 50-jährigen Vertragsbediensteten mit bereits zehn Jahren Dienstzeit ausscheidet und das Erreichen des 50. Lebensjahres und/oder zehnjährigen Dienstjubiläums während des laufenden Arbeitsgerichtsverfahrens erreicht werden mag.
Zur Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses eines Beamten hat der VwGH* judiziert, dass eine Verletzung des PVG im Fall der fristgerechten Anfechtung zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führt, dies aber materiell-verwirklichte Kündigungsgründe nicht konsumiert. Eine neuerliche Kündigung aus denselben Kündigungsgründen, jedoch diesmal unter Einhaltung der Vorschriften des PVG, kann stattfinden. Diese Erwägungen sollten auch für die Rechtslage bei Vertragsbediensteten gelten.
Der Eventualkündigung bzw -entlassung kommt nicht nur die Funktion zu, die Sanierung womöglich formungültiger vorangegangener Beendigungen zu bewirken bzw die Prüfungsbasis für angezogene Kündigungs- bzw Entlassungstatbestände zu erweitern, sondern kann auch auf Vergleichsverhandlungen günstige Auswirkungen haben. Ein dadurch notwendigerweise bewirktes späteres Beendigungsdatum führt unter Umständen in den Überlegungen beider Streitteile zur Sichtweise, dass sich alternativ zur weiteren Streitaustragung auch eine vergleichsweise Lösung anbieten könnte, welche eine Vertragsabwicklung nach Maßgabe eines späteren Beendigungsdatums vorsieht.