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Berufliche Rehabilitation aus der UV erweitert Verweisungsfeld in der PV, unabhängig davon, ob Rehabilitationsberuf jemals ausgeübt worden ist

MANUELASTADLER (LINZ)
§ 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz, §§ 198, 255, 300, 307b ASVG
  1. § 255 Abs 6 ASVG ist dahin zu verstehen, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, den Berufsschutz des erfolgreich Rehabilitierten auf jenen Beruf zu übertragen, zu dem ihn die Rehabilitation befähigt hat.

  2. Gleichgültig für die Frage der Verweisbarkeit ist, ob die Rehabilitation aus der UV oder aus der PV gewährt wurde.

  3. Auch wenn der Versicherte trotz erfolgreicher Absolvierung einer Umschulung (hier zum Sozialpädagogen) eine Tätigkeit in diesem Beruf niemals aufgenommen hat, obwohl ihm dies durchaus möglich gewesen wäre und auch ausreichend Arbeitsplätze in diesem Rehabilitationsberuf zur Verfügung gestanden wären und weiterhin zur Verfügung stehen, ist er auf den Rehabilitationsberuf verweisbar.

Der am 14.5.1967 geborene Kl hat eine Lehre als Stukkateur mit Lehrabschlussprüfung erfolgreich absolviert. In den letzten 15 Jahren vor Antragstellung (dem 8.10.2008) war er 87 Beitragsmonate als Stukkateur und weitere 14 Monate als Leasingfacharbeitskraft in diesem Beruf tätig. Aufgrund seiner medizinischen Einschränkungen ist er nicht mehr in der Lage, die Tätigkeit eines Stukkateurs (oder eines Monteurs im Trockeninnenausbau) zu verrichten.

Von April 2001 bis Februar 2003 absolvierte der Kl im Rahmen einer von der Unfallversicherungsanstalt gewährten beruflichen Rehabilitationsmaßnahme eine Umschulung zum Sozialpädagogen in Form eines vom Berufsförderungsinstitut angebotenen viersemestrigen Ausbildungskurses mit parallel geführter Praxisausbildung. Die Tätigkeit eines Sozialpädagogen kann der Kl trotz seiner medizinischen Einschränkungen noch ausüben.

[...] Bei den Einsatzgebieten eines Sozialpädagogen handelt es sich um einen in den letzten Jahren expandierenden Arbeitsmarkt. Die Anzahl der Arbeitsplätze hat im Zeitraum 2000 bis 2009 zugenommen. Unter Berücksichtigung des medizinischen Leistungskalküls des Kl und seiner beruflichen Qualifikation126 bestehen für ihn realistische Chancen nach etwa sechs Monaten einen Arbeitsplatz in diesem Berufsfeld zu erlangen. Auf Basis der 2003 abgeschlossenen Ausbildung könnte der Kl auch heute eine Arbeitsstelle erhalten, wenngleich nicht in allen Einsatzgebieten, in denen Sozialpädagogen tätig sind; er müsste zumeist betriebsinterne Einarbeitungs- und Einschulungen in der Dauer von einigen Wochen absolvieren. Der Umstand, dass der Kl seit dem Abschluss der Ausbildung nicht als Sozialpädagoge tätig war, vermindert seine Einsetzbarkeit nicht. Die Ausbildung ist auch heute in den Grundzügen unverändert geblieben.

Trotz Abschluss seiner Ausbildung zum Sozialpädagogen war der Kl niemals in diesem Beruf tätig. Nach Beendigung der Umschulung war er vorerst als Wacheorgan und dann (wiederum) als Stukkateur beschäftigt; zeitweise war er arbeitslos.

Mit Bescheid vom 3.3.2009 lehnte die Bekl den Antrag des Kl auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab.

Der Kl brachte vor, das im Zuge der Umschulung der AUVA zum Beruf eines Sozialpädagogen erworbene Zertifikat sei im praktischen Berufsleben kaum wertvoll. Seine bisherigen Bemühungen, einen Arbeitsplatz in diesem Beruf zu erlangen, seien nicht erfolgreich gewesen. Auch sei seit dem Abschluss der Ausbildung ein Zeitraum von nunmehr sieben Jahren verstrichen, weshalb die Umschulung die Verweisungstätigkeit nicht mehr erweitere. Hätte er vor Beginn der Ausbildung gewusst, dass es sich um eine solche handle, die nicht einmal mit einer Prüfung abschließe, sondern bei der nur auf ein bestimmtes Anwesenheitserfordernis abgestellt werde, hätte er die Ausbildung nicht durchgeführt.

Die Bekl beantragte Klageabweisung und nahm den Standpunkt ein, die Tätigkeit als Stukkateur wäre dem Kl weiterhin zumutbar.

Das Erstgericht wies (im ersten Rechtsgang) das Klagebegehren ab. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung (im ersten Rechtsgang) Folge und hob das Urteil des Erstgerichts auf. [...]

Nach Verfahrensergänzung wies das Erstgericht das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. [...]

Das Berufungsgericht bestätigte diese E [...].

[...]

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese E gerichtete Revision des Kl ist zulässig, weil zur entscheidungswesentlichen Frage der Verweisbarkeit nach § 255 Abs 6 ASVG keine Rsp des OGH besteht; die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte die Bekl, es möge der Revision des Kl keine Folge gegeben werden.

Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, die Umschulung sei schon deshalb nicht als Rehabilitationsmaßnahme zu berücksichtigen, weil sie nicht von der Pensionsversicherungsanstalt, sondern der Unfallversicherungsanstalt gewährt worden sei. Zudem sei ihm die Umschulungsmaßnahme zum Sozialpädagogen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner abgeschlossenen Lehrausbildung als Stukkateur sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit in diesem Beruf nicht zumutbar, weil sie keinen „neuen“ Berufsschutz begründe. Dass die Umschulung nicht auf den Erwerb von vergleichbar qualifizierten Kenntnissen und Fähigkeiten gerichtet sei, ergebe sich schon daraus, dass sie nur 570 Übungseinheiten in der Theorie und 480 Praxisstunden umfasse. Da ein Berufsschutz genießender Versicherter nur auf berufsschutzerhaltende Tätigkeiten verwiesen werden dürfe, müsse dies auch für die berufliche Rehabilitation gelten. Er habe bis heute keinen Arbeitsplatz als Sozialpädagoge finden können.

Dazu ist auszuführen:

Dass dem Kl in seinem ursprünglich erlernten Beruf als Stukkateur Berufsschutz zukommt und er infolge seiner medizinischen Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, diesen Beruf auszuüben, ist unstrittig. Zu beurteilen ist nur mehr, ob er auf die Tätigkeit eines Sozialpädagogen verwiesen werden kann.

1. Es entspricht der stRsp, dass der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ auch für Versicherte gilt, denen ein Berufsschutz zukommt (RIS-Justiz RS0113672). Den gesetzlichen Bestimmungen ist eine Einschränkung dahingehend, dass dem Versicherten im Rahmen der beruflichen Rehabilitation nur eine Berufsausübung im Rahmen des (bisherigen) Verweisungsfeldes ermöglicht werden soll, nicht zu entnehmen (10 ObS 49/00d, SSV-NF 14/44 ua). Nach § 198 Abs 1 ASVG soll der versicherte Versehrte durch die beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation in die Lage versetzt werden, seinen früheren oder, wenn dies nicht möglich ist, einen neuen Beruf auszuüben. Eine Einengung auf den bisherigen Beruf ist aus § 198 ASVG nicht zu entnehmen, vielmehr verpflichtet das Gesetz den Unfallversicherungsträger ganz allgemein zur beruflichen Rehabilitation, um den Wiedereinstieg in den bisherigen Beruf oder einen anderen Beruf zu ermöglichen. § 198 Abs 1 ASVG ist auch im Bereich der PV anzuwenden. Die Rehabilitation knüpft somit nicht notwendigerweise am bisherigen Beruf an (RIS-Justiz RS0113672; RS0113173 [T2]), sondern ermöglicht dem Versicherten auch die Ausbildung für eine neue berufliche Tätigkeit. Es kann demnach grundsätzlich auch zu einer Umschulung eines überwiegend in erlernten Berufen tätig gewesenen Versicherten auf einen anderen vergleichbar qualifizierten Beruf mit anderer Ausbildung und anderen zur Ausübung erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten kommen (10 ObS 49/00d, SSV-NF 14/44).

2. Macht ein Versicherter von der Möglichkeit der beruflichen Rehabilitation erfolgreich Gebrauch, ist der Berufsschutz nicht mehr nur auf seine ursprüngliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er nach wie vor nicht in der Lage ist, eingrenzt. Der Gesetzgeber hat die Verweisbarkeit ausgedehnt. Der Versicherte ist bei Prüfung der Voraussetzungen für die Invalidität jedenfalls auf Tätigkeiten verweisbar, für die er unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit durch Leistungen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 255 Abs 5 ASVG). Konsequenz dieser erweiterten Verweisbarkeit ist, dass Invalidität nicht mehr gegeben ist, wenn der Versicherte die Tätigkeit, auf die er rehabilitiert worden ist, ausüben kann (10 ObS 49/00d, SSV-NF 14/44 mwN).127

3. Wurde dem Versicherten durch Maßnahmen der Rehabilitation die Ausübung eines neuen Berufs ermöglicht, dann gilt er auch als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit in den Berufen, zu denen ihn die Rehabilitation befähigt hat, auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist (§ 255 Abs 6 ASVG).

4. § 255 Abs 6 ASVG ist dahin zu verstehen, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, den Berufsschutz des erfolgreich Rehabilitierten auf jenen Beruf zu übertragen, zu dem ihn die Rehabilitation befähigt hat (Teschner in Tomandl [Hrsg], SV-System 22. Erg-Lfg 382). Das in § 255 Abs 6 ASVG enthaltene Wörtchen „auch“ steht lediglich im Zusammenhang mit der – hier nicht gegebenen – Weitergewährung der Pension an einen im § 300 Abs 1 ASVG bezeichneten Pensionisten. Der Ausdruck „auch“ macht nur deutlich, dass für die Beurteilung, ob in diesem Fall die Voraussetzungen für die bereits vor Rehabilitation zuerkannte Pension noch gegeben sind, § 255 Abs 3 ASVG heranzuziehen ist (Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG § 255 110. Erg-Lfg Anm 14).

Solange die Voraussetzungen des § 255 Abs 6 ASVG nicht vorliegen, verhindert die erfolgreiche Rehabilitation den Pensionsanfall. Die erfolgreiche Rehabilitation wirkt insofern als Leistungsausschlussgrund (10 ObS 314/99w, SSV-NF 14/2; RIS-Justiz RS0113174).

5. Gleichgültig für die Frage der Verweisbarkeit ist, ob die Rehabilitation aus der UV oder aus der PV gewährt wurde (Teschner, SV-System 22. Erg-Lfg 382). Zwar kommen der UV und der PV unterschiedliche Aufgaben zu. Während es bei der UV primär um die Linderung bzw Beseitigung der Versehrtheit, also der durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursachten Behinderung geht, liegt bei der PV die Zielsetzung der Rehabilitationsleistung in der Wiedereingliederung in das Berufsleben und die Verhinderung und Beseitigung von Invalidität und Berufsunfähigkeit. Erbringt aber ein Träger Rehabilitationsmaßnahmen, erfüllt er damit zugleich die Verpflichtung des anderen Trägers. Es ist daher nicht von Bedeutung, ob die Rehabilitation aus der UV oder aus der PV gewährt wurde (vgl 10 ObS 26/03a, SSV-NF 18/30; 10 ObS 347/88 mwN, SSV-NF 3/142; Teschner in Tomandl [Hrsg], SV-System, 15.Erg-Lfg 376; Jabornegg/Resch, Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [73 f]). Infolge des allgemeinen Zwecks beruflicher Rehabilitation ist auch die im Rahmen der UV erfolgreich abgeschlossene Ausbildung des Kl für den Beruf des Sozialpädagogen beim Verweisungsfeld für Invalidität zu berücksichtigen.

6. Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit ausgezeichnet, dass der Kl trotz erfolgreicher Absolvierung der Umschulung zum Sozialpädagogen eine Tätigkeit in diesem Beruf niemals aufgenommen hat, obwohl ausreichend Arbeitsplätze in diesem Beruf zur Verfügung gestanden wären und weiterhin zur Verfügung stehen.

6.1. Nach der Ansicht von Jabornegg und Resch bleibt diese Situation für die Erweiterung des Verweisungsfelds ohne Auswirkungen. In ihrem Aufsatz Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [74] vertreten sie den Standpunkt, eine Bedachtnahme auf die umgeschulte Tätigkeit beim Verweisungsfeld setze grundsätzlich nur die erfolgreiche Ausbildung bzw Umschulung voraus, nicht aber dass der Versicherte auch tatsächlich in dem umgeschulten Beruf tätig war. Dies ergebe sich unmittelbar aus der Anordnung des § 255 Abs 4 ASVG (aF) bzw des § 273 Abs 2 ASVG (aF), wonach dann, wenn jemand durch Leistungen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sei, jedenfalls Tätigkeiten als zumutbar gelten, zu denen die Rehabilitation befähigt.

6.2. B. Karl (Rehabilitation in der Pensionsversicherung, DRdA 2008/103 [110]) vertritt die Ansicht, die Arbeitslosigkeit könne jedenfalls dann nicht zum Anfall der Pension führen, wenn der Versicherte die Möglichkeit gehabt hätte, nach der Rehabilitation eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Andernfalls hätte es der Versicherte in der Hand, den in der Wiedereingliederung in das Berufsleben bestehenden Erfolg der Rehabilitation zu vereiteln, indem er zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten ausschlägt. Eine durch die Rehabilitation bewirkte Wiedereingliederung in das Berufsleben liege somit immer dann vor, wenn der Betreffende im erweiterten Verweisungsfeld die Möglichkeit hat, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Diesen überzeugenden Argumenten ist zu folgen. Dass der Kl seinen Rehabilitationsberuf seit der erfolgreichen Beendigung der Ausbildung niemals ausgeübt hat, obwohl ihm dies nach den Feststellungen durchaus möglich gewesen wäre, hat demnach außer Betracht zu bleiben.

7. Dem Umstand, dass ein Pensionswerber nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme (tatsächlich) keinen konkreten Arbeitsplatz erlangt hat, kommt für die Frage des Pensionsanfalls iSd § 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz ASVG keine Bedeutung zu (10 ObS 314/99w, SSV-NF 14/2). Dies wurde vor allem damit begründet, dass im österreichischen Pensionsversicherungsrecht die abstrakte – und nicht die konkrete – Betrachtungsweise Tradition hat. Demnach bleibt das Vorbringen des Revisionswerbers, er habe nach Absolvierung der Umschulung zum Sozialpädagogen in diesem Beruf tatsächlich keinen Arbeitsplatz finden können, für die Beurteilung seiner Verweisungsmöglichkeiten ohne Einfluss.

8. Auch sein Einwand der Unzumutbarkeit der Umschulung ist nicht überzeugend:

8.1. Der Nichtanfall einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit kann grundsätzlich nur dann eintreten, wenn dem Versicherten die Rehabilitationsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar sind (§§ 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz und § 307b ASVG). Werden dem Versicherten Maßnahmen der Rehabilitation gewährt und sind ihm diese Maßnahmen zumutbar, so ist im Anstaltsverfahren zwar das Bestehen der geminderten Arbeitsfähigkeit festzustellen. Die Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit fällt aber erst dann an, wenn durch die Rehabilitationsmaßnahme die Wiedereingliederung des Versi-128cherten in das Berufsleben nicht bewirkt werden kann (§ 86 Abs 3 Z 2 ASVG). Erachtet ein Versicherter die ins Auge gefasste Rehabilitationsmaßnahme als nicht zumutbar, kann er einen derartigen vom Pensionsversicherungsträger erlassenen Bescheid durch Klage bei Gericht anfechten. Im gerichtlichen Verfahren ist dann – ausgehend von der geminderten Arbeitsfähigkeit – als Vorfrage des Geldleistungsanspruchs zu prüfen, ob die im Anstaltsverfahren angebotene bzw für ihn ins Auge gefasste Maßnahme der Rehabilitation zumutbar ist (10 ObS 53/02w, SSV-NF 16/24; 10 ObS 49/00d, SSV-NF 14/44; 32. ASVG-Novelle 181 BlgNR 14. GP 46).

8.2. Anderes gilt im vorliegenden Fall, in dem der Kl fünf Jahre nach erfolgreichem Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme die Klage auf Gewährung der Invaliditätspension erhebt. Wie sich aus § 255 Abs 6 ASVG ergibt, ist nach Gewährung von Maßnahmen der Rehabilitation, durch die das im § 300 Abs 3 ASVG angestrebte Ziel erreicht wurde, (nur) zu prüfen, ob der Versicherte als invalid gilt, weil seine Arbeitsfähigkeit in den Berufen, zu denen ihn die Rehabilitation befähigt hat, infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist. Solange diese Voraussetzung nicht vorliegt, wirkt – wie oben bereits ausgeführt – die erfolgreich abgeschlossene Rehabilitationsmaßnahme als Leistungsausschlussgrund. Nicht mehr Verfahrensgegenstand ist also die Frage, ob die mittlerweile Jahre zurückliegende, – damals mit Zustimmung des Versicherten und unter dessen Mitwirkung erfolgreich abgeschlossene – berufliche Rehabilitation diesem seinerzeit zumutbar war. Auf den im nunmehrigen Verfahren erhobenen Einwand des Kl, die Umschulung zum Sozialpädagogen wäre ihm (doch) nicht zumutbar gewesen, muss demnach nicht eingegangen werden.

Der Revision kann somit kein Erfolg beschieden sein. [...]

Anmerkung

Dieser E des OGH, der grundsätzlich zuzustimmen ist, kommt gleich in mehrerer Hinsicht Bedeutung zu, da verschiedene Aspekte der Thematik der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit und Rehabilitation beleuchtet werden und sich der OGH insb zur Verweisbarkeit nach § 255 Abs 6 ASVG erstmalig äußert.

1
Verweisbarkeit nach § 255 Abs 6 ASVG

Dieser Fall bot dem OGH die Gelegenheit, die Verweisbarkeit nach § 255 Abs 6 ASVG auszulegen. Bei erfolgreicher Rehabilitation wirkt diese so lange als Leistungsausschlussgrund für eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, bis der Berufsschutz im (in den) Rehabilitationsberuf(en) greift, was dann gegeben ist, wenn die Arbeitsfähigkeit des Versicherten im (in den) Rehabilitationsberuf(en) „auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten ... herabgesunken ist“ (§ 255 Abs 6 ASVG und vgl OGH10 ObS 124/11z Pkt 3. und 4.; siehe auch OGH10 ObS 314/99w SSV-NF 14/2; RIS-Justiz RS0113174).

2.
Maßgeblichkeit der Gewährung der Rehabilitation aus der UV oder aus der PV?

Auch wenn die Rehabilitationsmaßnahmen der UV die Linderung bzw Beseitigung der Versehrtheit beabsichtigen und die Rehabilitationsmaßnahmen der PV eine Wiedereingliederung in das Berufsleben sowie die Verhinderung und Beseitigung der Invalidität bzw Berufsunfähigkeit bezwecken, so sind – worauf der OGH in Pkt 5. auch verweist („allgemeinen Zwecks beruflicher Rehabilitation“) – der dahinter liegende Sinn und Zweck zu beachten. So wird daher mit der Rehabilitationsleistung aus der UV gleichzeitig vom Unfallversicherungsträger die Verpflichtung des Pensionsversicherungsträgers damit erfüllt. Bei der Beurteilung der Verweisbarkeit ist es daher irrelevant, ob der Rehabilitationsberuf aufgrund einer Maßnahme der Rehabilitation aus dem Sozialversicherungsbereich der UV oder der PV erlernt wurde (siehe dazu bereits OGH10 ObS 26/03a SSV-NF 18/30; OGH10 ObS 347/88 mwN SSV-NF 3/142; Teschner in Tomandl [Hrsg], SV-System, 15. ErgLfg 376; Jabornegg/Resch, Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [73 f]).

3
Verweisungszulässigkeit auf noch nie ausgeübten Rehabilitationsberuf?

Dieser Fall beinhaltet die Besonderheit, dass der Versicherte den Rehabilitationsberuf des Sozialpädagogen noch nie ausgeübt hat und seit dem Ende seiner Ausbildung bereits etwa sieben Jahre vergangen sind, aber dies dennoch den Feststellungen nach seine Einsetzbarkeit nicht vermindere. Hier folgt der OGH (Pkt 6.) der Ansicht in der Literatur von Jabornegg/Resch (Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [74]) und B. Karl (Rehabilitation in der Pensionsversicherung, DRdA 2008, 103 [110]), sodass die Nichtausübung des Rehabilitationsberufs trotz der Möglichkeit der Ausübung dieses Berufs bei der Beurteilung der Verweisungszulässigkeit außer Betracht zu bleiben hat. Erlangte der Rehabilitierte in seinem Rehabilitationsberuf (tatsächlich) noch keinen konkreten Arbeitsplatz, so ist dies wegen der abstrakten Betrachtungsweise in der PV „für die Frage des Pensionsanfalls iSd § 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz ASVG“ irrelevant (siehe OGH10 ObS 124/11z Pkt 7. und OGH10 ObS 314/99w SSV-NF 14/2) und es ist für diesen Fall der Arbeitslosigkeit die AlV zuständig.

Bei einer Sachverhaltskonstellation wie hier, nach der die Ausbildung des Sozialpädagogen in den Grundzügen unverändert geblieben ist, die Ausbildung vor etwa sieben Jahren abgeschlossen wurde und betriebsinterne Einarbeitung und Einschulung im Ausmaß von einigen Wochen ausreichend sind, um in diesem Beruf zu arbeiten, ist dem OGH zuzustimmen. Auch eine Person, die gerade erst die Ausbildung beendet hat, befindet sich in einer ähnlichen Situation und kann noch (fast) keine Praxis (außer129 die im Verlauf der Ausbildung erworbene) vorweisen. Jedoch können sich Schwierigkeiten ergeben, wenn die Ausbildung vor zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren abgeschlossen wurde und seitdem diese Tätigkeit noch nie ausgeübt worden ist: So ist zB zu bedenken, dass in der Ausbildung erworbenes Wissen bei Nichtausübung der Tätigkeit auch (rasch) wieder verloren gehen kann und bei manchen Tätigkeiten deren praktische Ausübung zur Erhaltung der Qualifikation erforderlich ist. In diesen Fällen wird die Nichtausübung des Rehabilitationsberufs wohl dazu führen, dass auf diesen nicht (mehr) verwiesen werden kann. Natürlich ist in manchen Fällen mit einem Auffrischungskurs, der als Rehabilitationsleistung gewährt werden kann, oder mit einer im Betrieb des neuen AG zu erfolgenden Einarbeitungsphase und Einschulung (wie in diesem Fall hier) Genüge getan. Somit ist in den jeweiligen Einzelfällen zu entscheiden, ob auf den Rehabilitationsberuf, dessen Abschluss der Umschulung darauf einige Zeit zurückliegt, verwiesen werden kann.

4
Zumutbarkeit von Rehabilitationsmaßnahmen (unter Berücksichtigung der Änderungen durch BGBl I 2013/3)

Der OGH hatte hier die Zumutbarkeit der Rehabilitationsmaßnahme der Umschulung auf die Tätigkeit eines Sozialpädagogen und die konkrete Ausbildungsart nicht zu prüfen, da diese nicht mehr Verfahrensgegenstand war (OGH10 ObS 124/11z Pkt 8.).

In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob die berufliche Rehabilitation dem Versicherten überhaupt zumutbar ist. Dabei ist zu beachten, dass die Invaliditätspension und Berufsunfähigkeitspension zukünftig nur mehr gewährt wird, wenn dauernde Invalidität bzw Berufsunfähigkeit vorliegt (siehe § 254 Abs 1 ASVG). Bei vorübergehender (mindestens sechsmonatiger) Invalidität bzw Berufsunfähigkeit und bescheidmäßiger Feststellung der PVA gem § 367 Abs 4 ASVG, dass berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind „bzw. für welches Berufsfeld die versicherte Person durch berufliche Maßnahmen der Rehabilitation qualifiziert werden kann“ (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 27; siehe § 367 Abs 4 Z 3 ASVG), ist vom AMS währenddessen als finanzielle Leistung ein sogenanntes Umschulungsgeld zu leisten (§ 39b AlVG) (siehe auch ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP). Die Kriterien für berufliche Maßnahmen der Rehabilitation im neuen § 303 ASVG entsprechen – bis auf das nun nicht mehr vorhandene Kriterium der persönlichen „Neigung“ des Versicherten – dem früheren § 253e ASVG (vgl ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 23).

Insb ist auch das Alter zu berücksichtigen (§ 303 Abs 4 ASVG), was einerseits in der Hinsicht relevant ist, ob eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation noch zumutbar ist und ob der Versicherte diese erfolgreich abschließen kann (siehe dazu auch B. Karl, Rehabilitation in der Pensionsversicherung, DRdA 2008, 103 [107] und Naderhirn, Anm zu OGH10 ObS 49/00d, Zum Grundsatz: Rehabilitation vor Pension, DRdA 2001/7, 53 [58]), aber auch andererseits, ob eine realistische Chance besteht, in dem Rehabilitationsberuf auch trotz des Alters einen Arbeitsplatz zu finden (vgl dazu Jabornegg/Resch, Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [73]; OGH10 ObS 124/11z). Als „nicht zweckmäßig“ wird nach den ErläutRV (2000 BlgNR 24. GP 24) die berufliche Rehabilitationsmaßnahme der Umschulung eines Antragstellers mit zB 61 Jahren und der bisherigen Tätigkeit als Tischler auf die Tätigkeit als zB Bürokaufmann auf Grund des Alters angesehen. Auch das maßgebliche Alter für den Tätigkeitsschutz gem § 255 Abs 4 ASVG von derzeit 58 Jahren bietet mE eine Richtlinie dafür, dass ab diesem Alter eine Rehabilitation als nicht mehr zumutbar gilt (siehe dazu bereits auch B. Karl, Rehabilitation in der Pensionsversicherung, DRdA 2008, 103 [107], die es als „nicht gerechtfertigt“ erachtet, „älteren Arbeitnehmern ... auf der einen Seite sogar einen Tätigkeitsschutz einzuräumen, auf der anderen Seite aber bei Pensionswerbern das Alter bei der Beurteilung der im konkreten Fall durchzuführenden beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen unberücksichtigt zu lassen“ und Födermayr, Geminderte Arbeitsfähigkeit [2009] 204, nach deren Ansicht „zu überlegen“ sei, „ob im Fall eines über 57-jährigen Versicherten, dem aufgrund des Gesetzes eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit nicht mehr zugemutet wird, eine Rehabilitationsmaßnahme nicht jedenfalls unzumutbar ist und somit § 361 Abs 1 S 1 ASVG insoweit teleologisch zu reduzieren wäre“). Ivansits/Weissensteiner (Die Härtefallregelung – Zugangserleichterung in die Invaliditätspension für Versicherte ab 50, DRdA 2011, 175 [178]) weisen darauf hin, dass im Spezialfall der Härtefallregelung gem §§ 255 Abs 3a und b ASVG, §§ 133 Abs 2a und b GSVG, §§ 124 Abs 1a und b BSVGzwar ein Pensionsanspruch eröffnet“ werde, „aber die berufliche Rehabilitation ... in diesen Fällen mangels Erfolgsaussichten und wohl auch wegen des fortgeschrittenen Alters des Pensionswerbers kaum zielführend eingesetzt werden“ wird können.

Maßgeblich ist dabei aus Sicht der Versichertengemeinschaft der finanzielle Aufwand für die berufliche Rehabilitationsmaßnahme und ob die Person dann noch lange genug in einem Arbeitsverhältnis bis zur Pensionierung stehen wird, sodass sich die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme durch die Leistungen der Sozialversicherungsbeiträge im Rehabilitationsberuf amortisieren (siehe dazu Frank, Berufliche und soziale Maßnahmen der Rehabilitation in der Pensionsversicherungsanstalt, SozSi 2005, 438 [447] und B. Karl, Rehabilitation in der Pensionsversicherung, DRdA 2008, 103 [107]). Ist damit nicht mehr zu rechnen, ist in diesen Fällen der bessere Weg, die Invaliditätspension bzw Berufsunfähigkeitspension zu gewähren, anstatt die versicherte Person zu einer doch kostspieligen Rehabilitationsmaßnahme zu verpflichten (siehe Naderhirn, Anm zu OGH10 ObS 49/00d, Zum Grundsatz: Rehabilitation vor Pension, DRdA 2001/7, 53 [58 f]) und außerdem auch B. Karl, Rehabilitation in der Pensionsversicherung, DRdA 2008, 103 [107 f]).

Ein weiteres Kriterium der Zumutbarkeit einer Rehabilitationsmaßnahme ist, dass eine realistische Chance besteht, „dass der konkrete Umgeschulte nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz findet130 (OGH 18.10.2005, 10 ObS 32/05m mit Verweis auf Jabornegg/Resch, Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [73] und Naderhirn, Zum Grundsatz: Rehabilitation vor Pension, DRdA 2001, 57 [59]), weshalb es sich beim Rehabilitationsberuf „nicht um einen ,aussterbenden Beruf‘“ handeln darf und auch „eine entsprechende Anzahl von freien oder besetzten Arbeitsstellen im Umschulungsberuf vorhanden“ sein muss (so Smejkal, Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“, DRdA 2006, 406 [407]). Gerade für ältere AN ist es aber sehr schwierig, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, egal ob in ihrem alten Beruf oder in ihrem neuen Rehabilitationsberuf; auch in diesem Fall bringt der Kl in seiner Revision vor, dass er „bis heute keinen Arbeitsplatz als Sozialpädagoge finden“ konnte. Trotz des Verbots der Altersdiskriminierung wollen oftmals AG wegen deren Alter keine älteren AN aufnehmen. Jedoch fällt das Risiko, dass der Versicherte in seinem Rehabilitationsberuf dennoch keinen konkreten Arbeitsplatz findet, in die Zuständigkeit der AlV und nicht der PV, die von der abstrakten Betrachtungsweise ausgeht (OGH10 ObS 124/11z Pkt 7.) und allein aus dem Grund, dass es für einen älteren AN schwierig ist, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, kann keine Invaliditätspension bzw Berufsunfähigkeitspension gewährt werden.

Ein Umdenken der Gesellschaft und mancher AG hinsichtlich der Einstellung von älteren AN wird in Zukunft unter Berücksichtigung der Pensionierungen und geringeren Geburtenraten wohl nötig sein. Immerhin bieten ältere AN auch den Vorteil von Berufserfahrung und langjähriger Praxis (so auch Födermayr, Geminderte Arbeitsfähigkeit 248).

5
Resümee

Für den Bereich der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit erfolgen mit dieser E des OGH Klarstellungen, dass berufliche Rehabilitationsmaßnahmen aus der UV auch das Verweisungsfeld in der PV erweitern, und dass dies auch unabhängig davon ist, ob der Rehabilitationsberuf jemals ausgeübt worden ist oder nicht, sofern dem Versicherten dies möglich gewesen wäre und außerdem „ausreichend Arbeitsplätze“ in diesem Rehabilitationsberuf „zur Verfügung gestanden wären“ und auch „weiterhin zur Verfügung stehen“. Bei erfolgreicher Rehabilitation wirkt diese so lange als Leistungsausschlussgrund für eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, bis der Berufsschutz im (in den) Rehabilitationsberuf(en) greift, was dann gegeben ist, wenn die Arbeitsfähigkeit des Versicherten im (in den) Rehabilitationsberuf(en) „auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten ... herabgesunken ist“ (§ 255 Abs 6 ASVG und vgl OGH10 ObS 124/11z Pkt 3. und 4.; siehe auch OGH10 ObS 314/99w SSV-NF 14/2; RIS-Justiz RS0113174). Das Risiko, dass der Versicherte in seinem Rehabilitationsberuf dennoch keinen konkreten Arbeitsplatz findet, fällt in die Zuständigkeit der AlV und nicht der PV, die von der abstrakten Betrachtungsweise ausgeht (OGH10 ObS 124/11z Pkt 7.) und allein aus dem Grund, dass es für einen älteren AN schwierig ist, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, kann keine Invaliditätspension bzw Berufsunfähigkeitspension gewährt werden.