25Zusammentreffen von Solidarhaftung und Haftungsprivileg nach dem DHG
Zusammentreffen von Solidarhaftung und Haftungsprivileg nach dem DHG
Bei Zusammentreffen von zwei haftungsbegünstigten DN einerseits und einem nicht begünstigten Dritten andererseits ist die Ersatzpflicht des Privilegierten mit der Haftung bei alleiniger Schadensverursachung zu begrenzen. In diesem Umfang haftet der privilegierte DN mit dem Dritten solidarisch. Zwischen den privilegierten DN kommt es nicht zur Solidarhaftung. Demnach ist zunächst der gemäßigte Anteil für jeden einzelnen (fahrlässig handelnden) privilegierten Haftpflichtigen zu ermitteln und in diesem Umfang jeweils die Solidarhaftung mit dem Dritten auszusprechen. Der Dritte haftet darüber hinaus allein für den restlichen Schaden als seinen eigenen Haftungsanteil.
Auch bei grober Fahrlässigkeit ist eine Mäßigung der Ersatzpflicht möglich, um zu verhindern, dass die Existenzgrundlage von DN gefährdet oder gar vernichtet wird. Bei besonders hohen Schadensbeträgen hat eine überschlagsmäßige Kontrollrechnung unter Bedachtnahme auf die rücksichtswürdigen Umstände des Einzelfalls stattzufinden. In dieser Hinsicht ist auf die sozialen Verhältnisse des DN, vor allem auf seine Sorgepflichten, seine Einkommensverhältnisse und finanziellen Belastungen sowie seine Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen.
Der Drittbekl war Prokurist und Leiter einer Niederlassung einer GmbH. Der Erst- und der Zweitbekl waren als DN der Kl mit der Schrottübernahme auf einem Schrottplatz der Kl betraut. Die Kl kaufte von der genannten GmbH Eisenschrott in großen Mengen. Aufgabe des Erst- und des Zweitbekl war es, bei Anlieferung von Schrott mittels Lkw insb die Schrottmenge zu überprüfen. Nach der Ablieferung des Materials wurden die Lieferpapiere, die eine Stampiglie der Kontaminationskontrolle aufweisen mussten, vom Erst- bzw Zweitbekl abgezeichnet. Über Initiative des Drittbekl kamen Erst- und Zweitbekl mit diesem überein, dass die Lieferpapiere nicht schon bei der Anlieferung des Materials, sondern erst nachträglich vorgelegt und abgezeichnet werden. Auf diese Weise gelang es dem Drittbekl, in den Jahren 2000 bis 2002 1.282 (Schein-)Lieferungen über 29.458 t Schrott zu fingieren. Dadurch leistete die Kl Zahlungen iHv € 2.449.947,27 ohne Gegenleistung. Der Drittbekl handelte vorsätzlich, der Erst- und der Zweitbekl grob fahrlässig.
Der Erstbekl erzielt ein Einkommen von etwa € 2.370 netto 14 x jährlich; das Einkommen seiner Gattin beträgt etwa € 1.100 netto monatlich. Er ist für zwei Kinder [...] sorgepflichtig. Er ist Hälfteeigentümer einer Liegenschaft [...]. Die Schulden betragen etwa € 300.000 und werden monatlich mit € 1.300 zurückgezahlt. Die sonstigen Fixkosten der Familie betragen monatlich € 517 an Betriebskosten des Hauses sowie € 432 an Versicherungen einschließlich rund € 200 an Lebensversicherungen und wertpapiergebundenen Pensionsvorsorgeversicherungen. Hinzu kommen Kosten für Fahrzeuge der Familie von monatlich etwa € 620. Der Zweitbekl bezieht ein monatliches Nettogehalt von € 2.010 14 x jährlich; seine Gattin verdient rund € 800 netto 14 x jährlich. Auch er ist sorgepflichtig für zwei Kinder im Alter von 15 und 17 Jahren. Er hat Schulden von rund € 45.200 [...]. Er ist Hälfteeigentümer einer Liegenschaft [...]. Die monatlichen Fixkosten betragen rund € 1.890.
Die Kl begehrte von den Bekl Schadenersatz, und zwar € 587.644,98 in Form einer Solidarhaftung255 und darüber hinaus die Differenz auf den gesamten geltend gemachten Schaden (€ 2.350.579,92) vom Drittbekl [...]. Das Erstgericht verurteilte die Bekl zur ungeteilten Hand zu einem Schadenersatzbetrag von € 587.644,98 sowie den Drittbekl zusätzlich zu einem Schadenersatzbetrag von € 1.762.934,94. [...] Das Berufungsgericht [...] verurteilte die Bekl zur ungeteilten Hand zu einem Schadenersatzbetrag von € 60.000 sA sowie den Drittbekl darüber hinaus zu einem Schadenersatzbetrag von weiteren € 2.290.579,92 sA [...].
Die Revisionen sind [...] zulässig [...]. Die Revision der Kl erweist sich auch als teilweise berechtigt. Demgegenüber ist die Revision der Erst- und Zweitbekl nicht berechtigt.
1. [...]
2. [...]
3.1 Wirken mehrere Personen an der Schädigung des DG mit, so sind sie grundsätzlich Mit- bzw Beitragstäter iSd §§ 1301 f ABGB. Mehrere Täter, die gemeinschaftlich handeln, und deren gemeinschaftliches rechtswidriges Handeln (iSe Gesamtzuwiderhandlung) den Gesamtschaden herbeigeführt hat, haften grundsätzlich, nämlich wenn sich die Schadensanteile nicht bestimmen lassen, solidarisch nach § 1302 ABGB (vgl 5 Ob 39/11p; Kerschner, DHG2 § 2 Rz 66; Dirschmied, Dienstnehmerhaftpflichtgesetz 117).
3.2 Bei Beteiligung eines Dritten und eines DN stößt die Solidarhaftung aber auf gewisse Schwierigkeiten, weil es unbillig wäre, wenn der DG den haftungsbegünstigten (privilegierten) DN mit dem gesamten Haftungsbetrag in Anspruch nehmen könnte und der geschützte DN mit dem Regressrisiko belastet wäre. Es stellt sich daher die Frage, auf welche Weise sich das Haftungsprivileg (hier nach § 2 DHG) auf die grundsätzliche Solidarhaftung auswirkt. Zur Lösung dieses Haftungsproblems stehen im Wesentlichen drei Lösungsansätze zur Verfügung (siehe dazu Kletečka, ÖJZ 1993, 785). Nach der ersten Variante kann der Geschädigte den Dritten auf den Ersatz des gesamten Schadens klagen, ohne dass dieser beim Privilegierten Regress nehmen kann. Der zweite Ansatz wird als „relative Außenwirkung“ bezeichnet. Der Verletzte behält den ungekürzten Anspruch; dem Dritten soll aber eine Regressforderung gegen den Privilegierten zustehen. In den Verhältnissen „Geschädigter zu Dritter“ und „Dritter zu Privilegierter“ wird die Privilegierung nicht beachtet. Der Privilegierte, der an den Dritten Ersatz geleistet hat, kann Rückgriff gegen den Geschädigten nehmen (Regresszirkel). Nach einer Modifikation dieser Variante kommt dem Privilegierten die Begünstigung im Regressweg abhanden. Beim dritten Lösungsansatz, nämlich jenem der „absoluten Außenwirkung“, wird der Anspruch des Geschädigten gegen den Dritten um jenen Teil gekürzt, den der Privilegierte im Innenverhältnis zwischen den Schädigern zu tragen hat (ungekürzter DN-Anteil). Der Dritte haftet von vornherein nur für das, was er auch letztlich tragen soll.
3.3 Ausgehend von diesen Lösungsansätzen werden im Schrifttum folgende Auffassungen vertreten: Nach Dirschmied (aaO 119 f) soll die solidarische Haftung erhalten bleiben, aber nur im Umfang der nach dem DHG gemäßigten fiktiven Schadensanteile der einzelnen Mitschädiger. Unter Berücksichtigung der richterlichen Mäßigung seien die (fiktiven) Schadensanteile der einzelnen Schädiger festzustellen; der einzelne Schädiger könne dann solidarisch zum Ersatz dieser kumulierten Schadensanteile herangezogen werden. Diese Vorgangsweise sichere dem geschädigten DG jenen Ersatz, den er auch im Fall eines festgestellten Schadensanteils der einzelnen Schädiger erhalten würde.
Kletečka (ÖJZ 1993, 785) hält diese Lösung von Dirschmied für im Wesentlichen ausgewogen. Es sei richtig, wenn man vor der Mäßigung die im Innenverhältnis bestehenden Anteile der Schädiger bestimme. Zustimmung verdiene die Lösung auch deshalb, weil sie die Solidarschuld teilweise bestehen lasse (reduzierte Solidarhaftung). Dieser Weg sei aber nur dann unproblematisch, wenn der DG zunächst den betriebsfremden Schädiger in Anspruch nehme. Klage er zuvor seinen DN, so stünde dieser (bei Zahlungsunfähigkeit des Dritten) schlechter als bei alleiniger Schadensverursachung. Der Vorschlag von Dirschmied bedürfe daher einer Modifizierung. Danach müsse der Anspruch des DG gegen den Privilegierten auf das eingeschränkt werden, was der Privilegierte zu ersetzen gehabt hätte, wenn der Schaden von ihm allein herbeigeführt worden wäre. Bei Schädigung durch mehrere DN würden die dargestellten Grundsätze gleichermaßen gelten. Zuerst seien die sich im Innenverhältnis ergebenden Anteile (DN-Anteile) zu ermitteln. Zur Höhe der Schadenersatzforderung des Geschädigten komme man, wenn man die gemäßigten Anteile errechne und diese sodann addiere. In der Folge müsse noch die Schuld der Schädiger mit dem begrenzt werden, was sie bei alleiniger Schadensverursachung zu leisten gehabt hätten.
Kerschner (aaO Rz 66 f) kritisiert, dass diese Lösungen mit § 1302 ABGB nicht mehr übereinstimmten und den DG mit dem Liquiditätsrisiko des einzelnen DN belasteten. Bei Schädigung durch mehrere solidarisch haftende DN hält er eine (einheitliche) Mäßigung für möglich. Bei Schädigung durch einen DN und einen Dritten gelte Folgendes: Werde der DN vom DG herangezogen, so bestehe trotz Mäßigung nach DHG der Regress gegen den Dritten so, als ob nicht gemäßigt worden wäre. Das besondere Innenverhältnis zwischen dem DG und dem DN berühre das Regressverhältnis nicht. Werde der Dritte vom DG herangezogen, so unterliege dessen Regress beim DN auch nicht dem DHG. Dieses gestalte nicht das Innenverhältnis zwischen Drittem und dem DN. Müsse der DN dem Dritten mehr leisten, als er dem DG ersetzen müsste, so bestehe ein Eigenschaden des DN mit einem Risikohaftungsanspruch gegen den DG analog zu § 1014 ABGB. Erwägenswert bleibe aber, den DG grundsätzlich aufgrund der Fürsorgepflicht anzuhalten, gegen alle schädigenden DN nur im Ausmaß ihrer Regressquote vorzugehen und gegen den Dritten nur einen um die Regressquote der DN gekürzten Betrag geltend zu machen.
3.4 Der OGH hat dazu erwogen: Nach dem Schutzzweck des DHG erscheint es sachgerecht, den DN bei Beteiligung eines Dritten nicht, auch nicht solidarisch, mit dem gesamten Haftungsbetrag und damit mit dem Regressrisiko zu belasten. Ebenso wäre es unbillig, einen vorsätzlich schädigenden Dritten aufgrund der Beteiligung eines (hier grob fahrlässig handelnden) DN zu begünstigen. Unter Bedachtnah256me auf diese Zielsetzungen erscheint es geboten, die Solidarhaftung teilweise zu durchbrechen. Dabei tritt der erkennende Senat den Überlegungen von Kletecka bei, dass die Ersatzpflicht des Privilegierten mit der Haftung bei alleiniger Schadensverursachung zu begrenzen ist. In diesem Umfang haftet der DN mit dem Dritten solidarisch. Zwischen den (neben dem Dritten) mehreren beteiligten privilegierten DN kommt es hingegen nicht zur Solidarhaftung. Nach diesen Grundsätzen ist zunächst der gemäßigte DN-Anteil für jeden einzelnen (fahrlässig handelnden) privilegierten Haftpflichtigen zu ermitteln und in diesem Umfang jeweils die Solidarhaftung mit dem Dritten auszusprechen. Der Dritte haftet darüber hinaus allein für den restlichen Schaden als seinen eigenen Haftungsanteil.
4.1 Zur Ermittlung des für den Erstbekl und den Zweitbekl maßgebenden Ersatzbetrags muss im Weiteren geprüft werden, inwieweit eine Mäßigung ihrer Haftung gerechtfertigt ist. [...]
4.3 [...] In der Literatur wird aber teilweise bezweifelt, ob rein subjektive Kriterien, die mit der Arbeitsleistung in keinem Zusammenhang stehen, den gesetzlichen Kriterien gleichwertig sind. Dementsprechend stößt die allgemeine Berücksichtigung der Sorgepflichten des DN, seiner Einkommensverhältnisse und seiner Vermögensverhältnisse (ohne gleichzeitige Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des DG) auf Kritik (Kerschner, aaO Rz 54 f mwN; Windisch-Graetz, aaO Rz 35).
4.4 Das vorrangige Kriterium der groben Fahrlässigkeit spricht gegen die Erst- und Zweitbekl. [...]
4.5 Als Gesamtergebnis der Mäßigung kommt es letztlich aber nicht auf die Haftungs- oder Mäßigungsquote, sondern auf die Belastung des DN an (Kerschner, aaO Rz 43). In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass durch die Zahlungspflicht die Existenzgrundlage des DN nicht gefährdet werden darf. Dementsprechend wird in den Gesetzesmaterialien zur DHG-Novelle 1983 (RV 1280 BlgNR XV. GP) festgehalten, dass nunmehr auch im Fall grober Fahrlässigkeit eine Mäßigung der Ersatzpflicht möglich ist, um zu vermeiden, dass die Existenzgrundlagen von DN gefährdet oder gar vernichtet wird. Da eine übermäßige finanzielle Belastung des DN zu einer Existenzgefährdung führen kann (vgl auch Dirschmied, aaO 141), hat nach Abwägung der Mäßigungskriterien bei besonders hohen Schadensbeträgen eine Art Kontrollrechnung stattzufinden, die dem DN die Sicherung der Existenzgrundlage ermöglichen soll. In dieser Hinsicht ist auf die sozialen Verhältnisse des DN, vor allem auf seine Sorgepflichten, seine Einkommensverhältnisse und finanziellen Belastungen sowie seine Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen. Entgegen den Ausführungen in den Rechtsmitteln ist aber weder eine absolute oder relative Untergrenze der Haftung zu definieren noch die Berechnung nach einer festen Formel, etwa in Relation zum Existenzminimum, vorzunehmen. Vielmehr hat eine überschlagsmäßige Kontrolle unter Bedachtnahme auf die rücksichtswürdigen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.
4.6 Ausgehend von den persönlichen Verhältnissen des Erstbekl erscheint [...] ein Betrag von monatlich € 500 finanzierbar und ein Ersatzbetrag (im Innenverhältnis) von € 60.000 zumutbar. Dasselbe gilt für den Zweitbekl [...].
5.1 Zusammenfassend ergibt sich:
Sind an der Schädigung des DG neben einem Dritten auch (fahrlässig handelnde) haftungsbegünstigte DN beteiligt, so ist die Ersatzpflicht des Privilegierten mit seiner Haftung bei alleiniger Schadensverursachung begrenzt. Im Umfang seines gemäßigten DN-Anteils haftet der einzelne DN mit dem Dritten solidarisch. Der (hier vorsätzlich handelnde) Dritte haftet darüber hinaus für den restlichen Schaden allein. Bei besonders hohen Schadensbeträgen hat nach Abwägung der Mäßigungskriterien zur Vermeidung einer Existenzgefährdung des einzelnen haftungsbegünstigten DN eine überschlagsmäßige Kontrollrechnung stattzufinden, in deren Rahmen auf dessen soziale Verhältnisse Bedacht zu nehmen ist.
5.2 Diese Grundsätze führen zu einer Solidarverpflichtung sowohl des Erstbekl einerseits als auch des Zweitbekl andererseits jeweils mit dem Drittbekl in Höhe von je € 60.000. Davon ausgehend errechnet sich der weitere, alleinige Haftungsanteil des Drittbekl mit € 2.230.579,92. [...]
In der vorliegenden E setzte sich der OGH mit dem Problem der „gestörten Gesamtschuld“ auseinander: Haben mehrere Schädiger dem Geschädigten einen Schaden zugefügt, für den sie solidarisch einzustehen haben und ist einer von ihnen aufgrund Vereinbarung oder kraft Gesetzes haftungsprivilegiert, stellt sich die Frage, zu wessen Lasten sich die Privilegierung auswirkt. Dieses Problem des Zusammentreffens von Solidarhaftung und Haftungsprivileg stellt sich etwa bei § 2 DHG, § 333 ASVG, § 67 Abs 2 VersVG, § 3 EKHG oder im Fall der Deliktsunfähigkeit eines Schädigers. In allen Fällen muss in der Dreiecksbeziehung zwischen dem Geschädigten, dem haftungsprivilegierten Schädiger und dem nicht privilegierten Schädiger eine angemessene Lastenverteilung gefunden werden (zB Looschelders in
Fügen dem DG ein oder mehrere DN sowie ein nicht haftungsbegünstigter Dritter einen Schaden zu, stellt sich die Frage, mit welchem Betrag die Schädiger im Außenverhältnis haften. Danach ist zu prüfen,257 ob und in welcher Höhe zwischen den Schädigern ein Innenregress vorzunehmen ist. In der E des 8. Senats schädigten zwei DN und ein Dritter den DG iHv € 2.350.579,92. Der OGH bestimmte zunächst die Anteile im Außenverhältnis und mäßigte nach dem DHG bei beiden DN die Haftung auf € 60.000,– (es sei angemerkt, dass das Problem der „überschlagsmäßigen Kontrollrechnung“ in dieser Glosse aus Platzgründen nicht näher thematisiert werden kann). In diesem Umfang haften nach Ansicht des OGH die beiden DN jeweils mit dem Dritten solidarisch; zwischen den beiden DN entstehe hingegen keine Solidarschuld. Darüber hinaus hafte der Dritte mit dem Restbetrag von € 2.230.579,92. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der geschädigte DG entweder von DN 1 € 60.000,– und von DN 2 € 60.000,– und vom Dritten den Restbetrag iHv € 2.230.579,92 fordern kann (siehe Urteilsspruch) oder etwa vom Dritten den vollen Betrag iHv € 2.350.579,92. Der Dritte hat im Außenverhältnis für den vollen Betrag einzustehen, wobei er mit beiden DN jeweils iHv € 60.000,– solidarisch und für den Restbetrag alleine haftet. Der geschädigte DG erhält damit im Ergebnis den Schaden in voller Höhe ersetzt.
Die Regressansprüche der Schädiger im Innenverhältnis waren nicht Gegenstand des Verfahrens, weshalb sich der OGH dazu nicht äußern musste. Da der OGH aber jeweils zwischen jedem DN und dem Dritten eine Solidarschuld iHv € 60.000,– bejaht, müsste in diesem Umfang auch ein Innenregress bestehen, der sich nach der Schwere der Zurechnungsgründe richtet. Da der Prokurist den DG vorsätzlich schädigte, hätte er wohl keinen gleichteiligen Regress jeweils iHv € 30.000,– gegen die grob fahrlässig handelnden DN; möglicherweise würde der OGH dem vorsätzlich Schädigenden überhaupt keinen Regress gegen die (wenn auch grob) fahrlässig Schädigenden geben.
Der Lösung des OGH könnten zwei Argumente entgegengehalten werden, auf die näher einzugehen ist:
- 1
Der Dritte wird benachteiligt, weil er im Ergebnis mehr zu tragen hat, als wenn er den Schaden mit zwei nicht haftungsprivilegierten Schädigern verursacht hätte. Somit wirkt sich die Privilegierung nach dem DHG zu Lasten des Dritten und nicht zu Lasten des DG aus.
- 2
Es gibt keinen Grund, weshalb zwischen den beiden DN keine Solidarhaftung besteht.
Das erste Problem wird noch deutlicher, wenn man annimmt, dass beide DN nur eine entschuldbare Fehlleistung trifft und sie somit im Außenverhältnis gar nicht haften. Nach der Lösung des OGH trägt der Dritte den vollen Schaden: Er hätte (selbst wenn er nur leicht fahrlässig gehandelt hätte) keine Regressmöglichkeit gegen die beiden DN, weil die Solidarschuld und damit auch der Innenregress mit null begrenzt wären. Dies wird in der Literatur heftig kritisiert (zB Kletečka, ÖJZ 1993, 787 f; Kerschner, JBl 2013, 60). Gegen die Lösung des OGH spricht insb, dass die Solidarhaftung dem Geschädigten als Alternative zur anteiligen Haftung nur das Insolvenzrisiko der Schädiger nehmen soll; sie bezweckt aber nicht, ihn zu begünstigen, wenn einer der Schädiger aus Gründen, die den Geschädigten benachteiligen, nicht voll haftet. Für die Auffassung des 8. Senats könnte aber sprechen, dass damit – was vorerst nur die Haftung des Dritten im Außenverhältnis betrifft – die Grundsätze des Schadenersatzrechts aufrechterhalten werden, soweit sie das DHG nicht modifiziert: Im ersten Schritt sind die Haftungshöchstbeträge im Außenverhältnis zu ermitteln, wobei jeder Schädiger im Außenverhältnis nie für mehr haften kann, als wenn er alleiniger Schädiger wäre (Kletečka, ÖJZ 1993, 790; Perner in
Nach der Theorie des Regresszirkels haftet der Dritte in der Außenhaftung auch mit dem gesamten Betrag, doch wird ihm „voller Innenregress“ jeweils gegen DN 1 und DN 2 gewährt. Dies kann aber dazu führen, dass die DN im Innenverhältnis für einen höheren Betrag einzustehen haben als im Außenverhältnis. Kann der DN in der Folge den Betrag, der seinen Innenanteil übersteigt, vom DG gem § 1014 ABGB analog herausverlangen, weil ihm ein Eigenschaden entsteht (Kerschner, DHG2 § 2 Rz 65 ff), führt das zwar zum wünschenswerten Ergebnis, dass alle Schädiger im Ergebnis „genau ihren Anteil“ tragen und dass die mit dem Privileg verbundene Last den DG trifft, was dem Zweck des DHG entspricht. Die Nachteile dieser Lösung liegen aber darin, dass der DN das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des DG trägt sowie in der Prozessökonomie (zur Kritik des Regresszirkels vgl Kletečka, ÖJZ 1993, 788 f; Schoditsch, JBl 2004, 559). Zusätzlich ist der dispositive Charakter des § 1014 ABGB zu beachten; eine andere Rechtsgrundlage als § 1014 ABGB analog kommt nicht in Frage.
Auch die Theorie der absoluten Außenwirkung birgt sowohl Vor- als auch Nachteile in sich. Bei diesem Ansatz wird bereits im Außenverhältnis der Anteil des Dritten um den Verantwortungsanteil des DN gekürzt. Diese Lösung erscheint gegenüber der Lösung des Regresszirkels aus prozessökonomischen Gründen vorteilhaft. Darüber hinaus besteht bei dieser Lösung eine Konvergenz mit den Fällen, in denen der258 DN dem DG schadenersatzrechtlich als Gehilfe zugerechnet wird (Kletečka, ÖJZ 1993, 789). Fraglich ist aber, wo sich eine Rechtsgrundlage für eine solche Kürzung im Außenverhältnis beim nicht privilegierten Schädiger finden lässt. Eine solche sehen weder das ABGB noch das DHG vor.
Letztlich ist die E des OGH im konkreten Fall vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Dritte vorsätzlich gehandelt hat. Schneidet man ihm den Regress aufgrund seiner vorsätzlichen Schädigung (großteils) ab, führt dies unabhängig davon, welcher Theorie man sich anschließt, zum Ergebnis, dass der Dritte mit dem vollen Betrag zu haften hat, ohne sich bei den fahrlässig handelnden DN regressieren zu können. Weder verständlich noch begründbar ist hingegen, weshalb der OGH zwischen den beiden DN keine Solidarschuld entstehen lässt (vgl zu dieser Kritik eingehend Schoditsch, EvBl 2013, 115).
Fügen zwei DN und ein nicht privilegierter Dritter dem DG einen Schaden zu, entsteht mE – entgegen der Ansicht des OGH – eine Solidarschuld in der Höhe des geringsten Betrages, für den alle drei Schädiger einzustehen haben (in der vorliegenden E also € 60.000,–). Der Unterschied zur Auffassung des Höchstgerichts liegt darin, dass dann im Innenregress der Dritte nur mehr einen Anspruch iHv € 20.000,– gegen die beiden DN hätte (bei Regress zu gleichen Teilen, der hier trotz der vorsätzlichen Schädigung durch den Dritten zum Zweck der vereinfachten Berechnung angenommen werden soll), weil die Solidarschuld iHv € 60.000,– zwischen drei Schädigern aufzuteilen ist. Nach Ansicht des OGH hätte aber der Dritte wohl einen Innenregress iHv € 30.000,–, was sich zwar zugunsten des Dritten auswirkt, mE jedoch dogmatisch nicht zu begründen ist. Dies zeigt sich umso mehr, wenn der Schaden nur durch zwei DN zugefügt wird und es keinen weiteren nicht privilegierten Schädiger gibt. Zum besseren Verständnis soll dies am folgenden Beispiel veranschaulicht werden:
DN 1 und DN 2 fügen dem DG einen Schaden iHv € 1.000,– zu. Annahme: DN 1 hat grob fahrlässig gehandelt; der Anspruch gegen DN 1 ist um 1/5 zu mäßigen; DN 2 hat leicht fahrlässig gehandelt; der Anspruch gegen DN 2 ist um 4/5 zu mäßigen. Annahme (zum Zweck der vereinfachten Berechnung): Im Innenverhältnis haben beide Schädiger den Schaden zu gleichen Teilen zu tragen. In einem ersten Schritt sind die Haftungshöchstbeträge im Außenverhältnis zu ermitteln, wobei jeder Schädiger im Außenverhältnis nie auf mehr haften kann, als wenn er alleiniger Schädiger wäre (Kletečka, ÖJZ 1993, 790; Perner in
Der Innenregress zwischen DN 1 und DN 2 ist nunmehr mit der Höhe der Solidarschuld begrenzt, also mit € 200,–, denn eine Rückgriffsforderung im Innenverhältnis setzt das Bestehen einer Solidarschuld voraus. Je nachdem, welcher DN vom DG in Anspruch genommen wurde, kann er vom anderen DN € 100,– herausverlangen, sodass im Endergebnis der DG den Schaden iHv € 800,– ersetzt bekommt; DN 1 trägt € 700,– und DN 2 € 100,–. Mit dieser Lösung wird das Prinzip der Solidarhaftung soweit erhalten, als dies mit dem Zweck der Haftungsprivilegierung in Einklang zu bringen ist und kein DN haftet im Innenverhältnis für mehr als im Außenverhältnis.
In der folgenden Grafik soll das Fallbeispiel nochmals zusammengefasst werden:
Es gibt zwei mögliche Varianten, wie der DG zu seinem Schadenersatz kommt:
- 1
Entweder der DG nimmt DN 1 mit € 800,– in Anspruch und DN 1 verlangt von DN 2 € 100,– oder
- 2
der DG nimmt DN 2 mit € 200,– in Anspruch und verlangt von DN 1 den Restbetrag iHv € 600,– und DN 2 kann im Innenregress von DN 1 € 100,– herausverlangen.
Nach Ansicht des OGH würde hingegen offensichtlich keine Solidarschuld zwischen zwei DN entstehen; jedenfalls verneint er die Solidarschuld zwischen zwei DN, wenn ein dritter nicht privilegierter Schädiger hinzutritt. Verneinte er auch bei Schadenszufügung nur durch zwei DN das Entstehen einer Solidarschuld, führte das im vorliegenden Fall dazu, dass der DG entgegen der hier vertretenen Ansicht € 800,– von DN 1 und zusätzlich € 200,– von DN 2 verlangen könnte. Damit erhielte er den Schaden in voller Höhe ersetzt. Einen Innenregress zwischen den beiden Schädigern gäbe es dann wohl nicht, denn der Innenregress setzt eine Solidarschuld voraus. Weshalb aber zwischen zwei DN eine Anteils- und keine Solidarhaftung bestehen soll, ist nicht begreiflich. Der einzige Grund dafür wäre darin zu sehen, dass es bei haftungsbegünstigten DN bereits im Außenverhältnis aufgrund des DHG zu einer Art „Individualisierung“ kommt, weil die gemäßigten Anteile individuell für jeden DN zu bestimmen sind. ME schließt aber eine für jeden DN im Außenverhältnis vorzunehmende individuelle Mäßigung die Solidarhaftung nicht aus; vielmehr wird damit der Betrag ermittelt, den der DN ersetzen müsste, wenn er alleiniger Schädiger wäre. Genau in dieser Höhe hat ein Schädiger im Falle der Solidarhaftung nach außen zu haften. Das DHG bewirkt mE nicht automatisch eine Anteilshaftung.259
Zusammenfassend lassen sich bei Zusammentreffen von zwei oder mehreren DN auf Schädigerseite folgende Grundsätze aufstellen:
- 1
Jeder DN haftet im Außenverhältnis höchstens mit dem Betrag, den er zu tragen hätte, wenn er alleiniger Schädiger wäre.
- 2
Nach außen haften mehrere Schädiger bis zur Höhe des niedrigsten Betrags solidarisch (reduzierte Solidarschuld).
- 3
Der Geschädigte erhält nicht mehr als den höchsten Außenhaftungsbetrag ersetzt, weil er die Höhe der (reduzierten) Solidarschuld nicht mehrfach herausverlangen kann.
- 4
Der Innenregress zwischen mehreren DN ist mit der Höhe der Solidarhaftung begrenzt – „ohne Solidarschuld kein Innenregress“.
Überträgt man nun diese Grundsätze auf den Fall, dass zu den DN zusätzlich ein nicht privilegierter Schädiger hinzutritt, gilt im gewählten Beispiel Folgendes: Der DG erhält den höchsten Außenhaftungsbetrag, also € 1.000,–. Es besteht wiederum über den Betrag von € 200,– eine Solidarschuld, die zwischen den drei Schädigern im Innenverhältnis mit jeweils € 66,67 aufzuteilen ist. Da aber zwischen DN 1 und dem Dritten eine noch höhere Solidarschuld besteht, ist im Innenverhältnis zusätzlich eine sogenannte Gruppenbildung vorzunehmen (zur Gruppenbildung vgl Perner in
Der Unterschied zwischen der hier vertretenen und der Lösung des OGH ergibt sich daraus, dass nach meinem Dafürhalten auch zwischen den haftungsprivilegierten Schädigern eine Solidarschuld entsteht. Dies kann uU für den Dritten mit einem Nachteil verbunden sein, weil er im Innenverhältnis gegen die DN einen niedrigeren Regress hat als in der vom OGH vertretenen Lösung. Dennoch gibt es mE keinen Grund, die Solidarschuld zwischen zwei oder mehreren DN zu verneinen und von einer Anteilshaftung auszugehen.