FerstlDie tarifvertraglich gestützte Entgeltumwandlung im Betriebsübergang

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2011, 355 Seiten, € 79,80

ANDREASTINHOFER (WIEN)

Das Werk behandelt die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs für ein in Österreich wenig verbreitetes Modell zur Finanzierung der betrieblichen Altersvorsorge: der Bezugsumwandlung (auch als „Gehaltsumwandlung“ oder „deferred compensation“ bekannt). Im Zuge einer tiefgreifenden Reform der Alterssicherung im Jahr 2001 räumte der deutsche Gesetzgeber den AN einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung ein (§ 1a BetrAVG). Seither kann der/die AN vom/von der AG verlangen, dass ein bestimmter Teil der künftigen Entgeltansprüche für die betriebliche Altersversorgung verwendet wird (höchstens 4 % der sogenannten „Beitragsbemessungsgrenze“ in der Rentenversicherung).

In Österreich gilt dieses Finanzierungsmodell für die betriebliche Altersvorsorge wegen der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung generell als wenig attraktiv. Der durch die Gehaltsumwandlung verfolgte Zweck der „Umschichtung von Aktiveinkommen zugunsten betrieblicher Altersvorsorge“ (Neumann, ecolex 2005, 593) wird durch die Belastung mit Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt der „Umwandlung“ konterkariert (siehe §§ 25 Abs 1 Z 1 lit a iVm 26 Z 7 lit a EStG; LStR 2002 Rz 759 ff; Marschner in

Drs
, Betriebspensionsrecht [2008] 320 ff). Eine Ausnahme gilt freilich für Umwandlungsmodelle auf der Grundlage eines KollV (siehe zB § 19A IT-KV) oder anderer sogenannter „lohngestaltender Vorschriften“ iSd § 68 Abs 5 Z 1–6 EStG (siehe hierzu Löschnigg/Rainer, RdW 2006/229).

Seit dem VwGH-Erk vom 16.6.2004 (2001/08/0028) gehen ferner die österreichischen Sozialversicherungsträger davon aus, dass die Bezugsumwandlung – unabhängig vom konkreten Modell – die Beitragsgrundlage nicht reduziert. Es sind daher auch jene Entgeltbestandteile beitragspflichtig, auf die der AN zugunsten der betrieblichen Altersvorsorge verzichtet. Die in der Literatur (Neumann, aaO) angeregte Änderung des § 49 Abs 3 Z 18 lit a ASVG hat der Gesetzgeber bislang nicht vorgenommen.

Im Unterschied zu Österreich (siehe aber Löschnigg/Rainer, aaO; Egermann, ecolex 2005, 592; Köck, ecolex 1992, 489) werden in Deutschland vor allem die arbeitsrechtlichen Probleme der Gehaltsumwandlung diskutiert. In seiner Dissertation widmet sich Matthias Ferstl zunächst dem Begriff und der dogmatischen Einordnung der Entgeltumwandlung (Kapitel D.). Methodisch korrekt geht er dabei vom Gesetz (BetrAVG) aus und entnimmt ihm sechs für die Entgeltumwandlung wesentliche Kriterien: aufrechtes Arbeitsverhältnis, Entgeltanspruch, Vereinbarung, Erhöhung der Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung und (idealtypisch) Wertgleichheit zum umgewandelten Entgeltbestandteil.

Als dogmatischen Ansatz stellt Ferstl den hierzu in Deutschland vertretenen unterschiedlichen Auffassungen das „antizipierte“ Verfügungsgeschäft gegenüber, wonach der monatlich jeweils neu entstehende Entgeltanspruch eine logische Sekunde nach seinem Entstehen (teilweise) in eine wertgleiche Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung abgeändert wird.

Nach einer kursorischen Darstellung wesentlicher Grundsätze des deutschen Tarifvertragsrechts (Kapitel E.) untersucht Ferstl die Regelungskompetenz der Sozialpartner bei der Entgeltumwandlung (Kapitel F.). Er kommt zum Schluss, dass die Tarifvertragsparteien an das gesetzliche Prinzip der „Wertgleichheit“ von umgewandeltem Entgelt und Anwartschaft gebunden sind. Auch ob es überhaupt zur Gehaltsumwandlung kommt, ist im Hinblick auf das übertarifliche Entgelt jedenfalls auf einzelvertraglicher Ebene zu entscheiden. Die Tarifparteien können also die Umwandlung des übertariflichen Entgelts nicht blockieren. Welches Entgelt in welcher Höhe für welche Dauer für die Finanzierung der Altersvorsorge verwendet werden soll, ist hingegen durch die Sozialpartner regelbar. In der Praxis wird also ein konkretes Bezugsumwandlungsmodell meist durch Tarifvertrag und einzelvertragliche Bestimmungen geregelt, die gemeinsam ein sinnvolles Ganzes ergeben.

Bei einem Betriebsübergang kann folgendes Problem auftreten: Während der/die ErwerberIn als neue/r AG in den Arbeitsvertrag mit allen Rechten und Pflichten eintritt, fallen die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen weg. Nach § 613a Satz 2 BGB werden die Rechtsnormen eines Tarifvertrags zwar ebenfalls zum Inhalt des Arbeitsvertrags (sogenannte „Transformation“). Dies gilt allerdings grundsätzlich dann nicht, wenn der/die neue AG selbst einem anderen Tarifvertrag mit demselben Regelungsgegenstand unterliegt (§ 613a Satz 3 BGB). In diesem Fall würden daher die tarifvertraglichen Regelungen über die Entgeltumwandlung des Erwerbers jene des/der VeräußererIn ersetzen. Sind diese Regelungen mit der auf einzelvertraglicher Ebene getroffenen Vereinbarung über die Entgeltumwandlung nicht kompatibel, so wäre das Umwandlungsmodell nicht mehr durchführbar.

Angesichts dieser Problemstellung wendet sich der Autor der Frage zu, ob die Regelung des § 613a Abs 1 Satz 3 BGB über die Ablöse des Tarifvertrags im Zusammenhang mit einem Umwandlungsmodell modifiziert werden muss (Kapitel I.). Aus dem vom BAG entwickelten Prüfungsschema für den Eingriff in eine klassische arbeitgeberfinanzierte Pensionsanwartschaft entwickelt Ferstl ein Prüfschema für den Schutz der umwandlungsfinanzierten Anwartschaft. So hat etwa der/die ErwerberIn die im Zeitpunkt des Betriebsüber291gangs bereits „erdiente“ Anwartschaft auch dann aufrechtzuerhalten, wenn er selbst einem anderen tarifvertraglichen System der Entgeltumwandlung unterliegt.

Auch die in der früheren tariflichen Entgeltumwandlungsregelung vorgesehene Umwandlung künftiger Entgeltbeträge ist nach Ansicht Ferstls geschützt. Ein Eingriff des/der neuen AG ist nur aus triftigen Gründen zulässig. Wegen der Akzessorietät der Entgeltumwandlung schlagen jedoch Änderungen des Entgeltanspruchs jedenfalls durch. Einen bestimmten Schutz genießen auch die in der Umwandlungsregelung vorgesehenen Steigerungen der umzuwandelnden Beträge. Hier sollen allerdings bereits „sachlich-proportionale“ Gründe für einen Eingriff ausreichen.

Zur Vereinheitlichung der Umwandlungsregelungen schlägt Ferstl ein „kombiniert tarif-betriebsverfassungsrechtliches Modell“ vor (Kapitel K.): Erstens soll der veräußerte Betrieb durch Vereinbarung der Tarifparteien aus dem Geltungsbereich des Veräußerertarifvertrags „herausgenommen“ werden. Bei gleichzeitigem Ausschluss der Nachwirkung führt dies dazu, dass das Arbeitsverhältnis ohne die tarifliche Umwandlungsregelung des/der VeräußererIn auf den/die ErwerberIn übergeht. Zweitens vereinbart der/die ErwerberIn (oder der zuständige AG-Verband) mit der zuständigen AN-Vertretung einen Tarifvertrag, der die unterschiedlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung einander angleicht bzw ersetzt. In diesem Tarifvertrag wird zusätzlich eine sogenannte „Öffnungsklausel“ eingefügt. Dadurch wird drittens den Betriebsparteien ermöglicht, den neuen Erwerbertarifvertrag zu übernehmen, damit dieser auch für nicht tarifgebundene AN Geltung erlangt.

Mit diesem Werk hat Ferstl ein anspruchsvolles Thema in einer tiefgründigen Weise abgehandelt. Ein besonderes Verdienst des Autors sind die eigenständigen und ausführlich begründeten Lösungsvorschläge für komplexe Rechtsprobleme am Schnittpunkt zwischen betriebspensions-, kollektivarbeits- und betriebsübergangsrechtlichen Regelungen. Hervorzuheben sind auch die klare Gliederung des Werks, die Veranschaulichung der Probleme anhand eines Beispielfalls und die kurz gefassten Zwischenergebnisse, die dem/der LeserIn die Lektüre erleichtern. Der inhaltlichen Qualität des Werkes leider nicht gerecht wird die Bindung des Buches: Bereits nach kurzem Gebrauch lösen sich einzelne Seiten.