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Vordienstzeitenanrechnung und Altersdiskriminierung

WALTERJ.PFEIL (SALZBURG)
§§ 8 Abs 1, 12 Abs 1, 13 Abs 1, 113 Abs 10 GehG; Art 1, 2 und 6 RL 2000/78/EG; § 42 VwGG
VwGH 4.9.2012 2012/12/0007Wr Landesregierung 24.11.2011 MA 1 – 255/2011
  1. § 8 Abs 1 GehG (idF BGBl I 2010/82BGBl I 2010/82) bestimmt die Voraussetzungen der Vorrückung bzw die Einreihung in eine bestimmte Gehaltsstufe und regelt damit die Bedingungen für das Arbeitsentgelt iSv Art 3 Abs 1 lit a und c RL 2000/78/EG, sodass die zitierte Richtlinie Anwendung findet.

  2. Mit § 8 Abs 1 GehG (idF BGBl I 2010/82BGBl I 2010/82) wird die durch den EuGH im Urteil Hütter festgestellte Altersdiskriminierung ungeachtet der Möglichkeit eine Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages gem § 113 Abs 10 GehG zu beantragen, fortgeschrieben. Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung iSd Art 6 RL ist nicht erkennbar.

  3. Die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht ist von Amts wegen zu beachten, sodass im konkreten Beschwerdefall die Bestimmung des § 8 Abs 1 erster Satz GehG (idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010) unangewendet zu lassen ist.

Der Beschwerdeführer (Bf) steht seit 1.4.2001 als Landeslehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bundeshauptstadt Wien. Mit Bescheid vom 20.12.2001 wurde sein Vorrückungsstichtag mit 7.2.1988 festgesetzt. In seinem an den Stadtschulrat für Wien gerichteten Formularantrag vom 21.9.2010 beantragte der Bf die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages und seiner daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung gem § 113 Abs 10 Gehaltsgesetz 1956, BGBl Nr 54 idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 (im Folgenden: GehG), sowie die Nachzahlung von Bezügen aus diesem Anlass.

Mit Eingabe vom 24.5.2011 begehrte der Bf aufgrund Säumnis des Stadtschulrates für Wien den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde. Diese setzte mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.11.2011 den Vorrückungsstichtag des Bf für die Verwendungsgruppe L2a2 mit 22.12.1984 fest (Spruchabschnitt 1) und sprach aus, dass dem Beschwerdeführer ab 1.1.2004 ein Gehalt der Verwendungsgruppe L2a2, Gehaltsstufe 9 mit nächster Vorrückung am 1.1.2006 gebühre (Spruchabschnitt 2).

In der Sache führte die belangte Behörde insb aus:

„... Der Bf hat am 30. Juni 1980 sein neuntes Schuljahr absolviert. Infolge der Neuregelung der Vordienstzeitenanrechnung durch die Novelle BGBl I Nr 82/2010 sind ihm folgende nach dem 30. Juni 1980 und vor Vollendung des 18. Lebensjahres (= 2. Oktober 1983) liegende Zeiten zusätzlich als Vordienstzeiten anzurechnen:
  1. Seine Lehrzeit im Lehrberuf Kraftfahrzeugmechaniker vom 1. Juli 1980 bis 30. Juni 1983 im Ausmaß von drei Jahren gemäß § 12 Abs 1 Z 2 lit b sublit aa GehG zur Gänze,

  2. Der restliche Teil seiner Lehrzeit vom 1. Juli 1983 bis 1. Oktober 1983 im Ausmaß von drei Monaten und einem Tag als sonstige Zeit gemäß § 12 Abs 1 Z 2 lit b sublit bb GehG zur Hälfte, da gemäß § 12 Abs 1a erster Satz GehG das Ausmaß der gemäß Abs 1 Z 2 lit b sublit aa vor gesetzten Zeiten insgesamt drei Jahre nicht übersteigen darf.

Hinsichtlich der Anrechnung der nach Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Vordienstzeiten ergibt sich im Vergleich zu den mit Bescheid des Stadtschulrates vom 20. Dezember 2001 angerechneten Zeiten keine Änderung. ... Insgesamt war dem Bf somit ein Zeitraum von insgesamt drei Jahren und 16 Kalendertagen (wohl gemeint: 45 Kalendertagen) zusätzlich anzurechnen, wodurch sich mit Wirksamkeit 1. Jänner 2004 (= Tag des In-Kraft-Tretens der Novelle zum Gehaltsgesetz 1956, BGBl I Nr 82/2010) als neuer Vorrückungsstichtag der 22. Dezember 1984 (Vorrückungstermin: 1. Jänner 1985) ergibt.Bei der Ermittlung der besoldungsrechtlichen Stellung des Bf ab 1. Jänner 2004 ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 8 Abs 1 GehG der Zeitraum für die Vorrückung in die zweite in jeder Verwendungsgruppe in Betracht kommende Gehaltsstufe fünf Jahre, ansonsten zwei Jahre beträgt. Infolge dessen gebührt dem Bf ab 1. Jänner 2001 (wohl gemeint: 2004) ein Gehalt der Verwendungsgruppe L 2a2, Gehaltsstufe 9, mit nächster Vorrückung am 1. Jänner 2006. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass sich infolge der Verjährungsfrist (§ 13 Abs 1 iVm § 113 Abs 13 GehG) eine Bezugsnachzahlung frühestens ab 18. Juni 2006 ergeben kann. ...“

Gegen diesen Bescheid, insoweit in seinem Spruch festgestellt wird, dass ihm ab 1.1.2004 ein Gehalt der Verwendungsgruppe L2a2, Gehaltsstufe 9, mit nächster Vorrückung 1.1.2006, gebührt, wendete sich der Bf mit seiner Beschwerde und machte die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Spruchabschnittes geltend.

Der VwGH hat dazu erwogen:

[...] Der EuGH hat in seinem Urteil vom 18.6.2009, C-88/08, Hütter, festgestellt, dass die Art 1, 2 und 6 der RL 2000/78/EG dahingehend auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die, um die allgemeine Bildung nicht gegenüber der beruflichen Bildung zu benachteiligen und die Eingliederung jugendlicher Lehrlinge in den Arbeitsmarkt zu fördern, bei der Festlegung der Dienstaltersstufe von Vertragsbediensteten des öffentlichen Dienstes eines Mitgliedstaates die Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Dienstzeiten ausschließt. [...].

Mit dem am 30.8.2010 herausgegebenen BG, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert wurden (BGBl I 82/2010) sollten die bundesgesetzlichen Regelungen über die einstufungswirksame Anrechnung von Vordienstzeiten an die GleichbehandlungsRL, konkretisiert durch das Urteil des EuGH vom 18.6.2009, C-88/08, Hütter, angepasst werden. Dies geschah insb durch die Novellierung der §§ 8 und 12 GehG. [...]231

Die das Kernstück der mit BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 geschaffenen Neuregelung bildenden Bestimmungen werden von nachstehenden Intentionen des Bundesgesetzgebers getragen (vgl dazu die ErläutRV zur genannten Novelle, 781 BlgNR 24. GP 4 f):

„Die Anrechnung von Vordienstzeiten wird zeitlich nach unten begrenzt durch den 1. Juli desjenigen Jahres, in dem ein neunjährige Schulpflicht tatsächlich oder fiktiv vollendet wurde; dies gilt damit etwa auch für Personen mit tatsächlich kürzerer [Schulpflicht] (nur acht Schuljahre Schulpflicht 1966, längere tatsächliche Schulpflicht in einigen EU-Mitgliedstaaten). Dadurch werden in einer Durchschnittsbetrachtung bei Vorliegen entsprechender anrechenbarer Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr – insbesondere kommen Dienst- und Lehrzeiten bei einer Gebietskörperschaft in Betracht sowie Schulzeiten, wenn eine bestimmte Schulausbildung ein Ernennungserfordernis bildet – drei Jahre an zusätzlichen Vordienstzeiten angerechnet. Bei der Qualität der anzurechnenden Zeiten selbst erfolgt keine Änderung (§ 12 Abs 1 GehG, § 26 Abs 1 VBG).Zur Wahrung der bestehenden besoldungsrechtlichen Stellung werden sämtliche Gehaltstabellen um drei Jahre verlängert. Erreicht wird dies durch eine Verlängerung der Vorrückungsdauer von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe jeder Verwendungs- bzw Entlohnungsgruppe um drei Jahre. Im Biennalsystem beträgt der für die Vorrückung in die Gehaltsstufe 2 erforderliche Zeitraum in Zukunft damit fünf statt bisher zwei Jahre (§ 8 Abs 1 GehG, § 19 Abs 1 VBG).Die besoldungsrechtliche Stellung von Bediensteten mit entsprechenden zusätzlich anrechenbaren Zeiten vor dem 18. Lebensjahr ändert sich damit grundsätzlich nicht. Um eine Verschlechterung der besoldungsrechtlichen Stellung derjenigen Bediensteten auszuschließen, die nicht über entsprechende anrechenbare Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr verfügen, werden in Zukunft bis zu drei Jahre ‚sonstiger‘ Zeiten zur Gänze für die Vorrückung angerechnet. Die Zeit zwischen Abschluss der Schulpflicht und Vollendung des 18. Lebensjahres ist damit entweder als an sich anrechenbare Zeit oder als sonstige Zeit für die Vorrückung anzurechnen (§ 12 Abs 1 GehG, § 26 Abs 1 VBG), womit die Verlängerung der Gehaltstabellen um drei Jahre grundsätzlich ausgeglichen wird. Die bereits bestehende Halbanrechnung sonstiger Zeiten im Ausmaß von bis zu drei Jahren bleibt unberührt.Das Zusammentreffen von anrechenbaren Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr und von sonstigen Zeiten im Ausmaß von insgesamt mehr als drei Jahren würde zu einer sachlich kaum zu rechtfertigenden Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung führen (Bsp: Abschluss einer höheren Schule, dann Studium mit Überschreitung der Mindeststudiendauer um drei Jahre würde eine zusätzliche Anrechnung von sechs Jahren bewirken). Um dies auszuschließen, wird die Anrechnung von Schul- Lehr- und sonstigen Zeiten mit insgesamt viereinhalb Jahren beschränkt. Bei längerer Mindestdauer der Ausbildung (13. Schulstufe bei berufsbildenden höheren Schulen, mehr als drei Jahre Mindestlehrzeit bei bestimmten Lehrberufen) erhöht sich das Höchstausmaß entsprechend (§ 12 Abs 1a GehG, § 26 Abs 1a VBG).Die Neuregelung vermeidet durch die Loslösung von jeglicher Anknüpfung der Anrechnung von Vordienstzeiten an ein bestimmtes Lebensalter jegliche direkte Altersdiskriminierung. Die Anbindung an den Abschluss der Schulpflicht könnte zwar infolge ihrer mittelbaren Altersabhängigkeit als mittelbare Diskriminierung betrachtet werden, sie ist aber durch ihren engen Zusammenhang mit europarechtlichen und innerstaatlichen Jugendschutzbestimmungen wohl sachlich gerechtfertigt und auch angemessen und erforderlich im Sinne des Art 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie.Die neue Vollanrechnung von bis zu drei Jahren an ‚sonstigen‘ Zeiten (das sind an sich nicht anrechenbare Zeiten) soll gewährleisten, dass die Zurücklegung der auf fünf Jahre verlängerten Eingangsgehaltsstufe 1 auch jenen Bediensteten ermöglicht wird, die nach Abschluss der neunten Schulstufe keine einschlägigen Zeiten aufweisen (zB Beschäftigung in der Privatwirtschaft, Abschluss einer höheren Schule, ohne dass dies ein Ernennungserfordernis darstellt). Die Deckelung der Schul- Lehr- und voll anrechenbaren sonstigen Zeiten soll rein aus sonstigen Zeiten resultierende und damit unangemessene Vorrückungsgewinne verhindern [...].Eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages erfolgt zunächst nur auf Antrag. [...]Ob die Rechtslage, auf deren Bestand bei der Antragstellung offensichtlich vertraut wurde und die im Wesentlichen in der Nichtanwendung der Altersbeschränkung bei sämtlichen Anrechnungstatbeständen zu bestehen schien, jemals in dieser Form bestanden hat – das Ausschlag gebende Urteil des EuGH bezieht sich etwa auf Dienstzeiten von Vertragsbediensteten und in keiner Weise auf Schulzeiten von Beamtinnen und Beamten –, kann nunmehr dahingestellt bleiben, da die Rechtslage rückwirkend ab 1. Jänner 2004, dem Monatsersten nach dem mit 2. Dezember 2003 festgelegten Ende der Umsetzungsfrist (Art 18 der RL), richtlinienkonform neu gestaltet werden soll. Die vorliegenden Anträge beziehen sich damit auf eine jedenfalls nicht mehr bestehende Rechtslage.“

Die zitierten Bestimmungen des GehG sind bzw waren aus dem Grunde des § 106 Abs 1 Z 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl 302/1984 auch auf Landeslehrer anwendbar.

Die mit BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 geschaffene Rechtslage gilt uneingeschränkt für Beamte, deren Dienstverhältnis ab 31.8.2010 beginnt (im Folgenden: „Neubeamte“). Diejenigen Beamten, welche für die Anwendung der Neurechtslage auf eine Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages angewiesen sind (im Folgenden: „Altbeamte“) können demgegenüber unter den in § 113 Abs 10 GehG umschriebenen Voraussetzungen durch den dort geregelten Antrag die Anwendung der durch BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 geschaffenen Rechtslage auf sie bewirken. Für Beamte, bei denen keine begehrte Neufestsetzung erfolgt, gilt die am 31.12.2003 bestandene Rechtslage weiter.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt der Bf, die belangte Behörde habe trotz (unbekämpfter) Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages mit 22.12.1984 seine besoldungsrechtliche Stellung (ab 1.1.2004 Gehalt der Verwendungsgrup232pe L 2a 2, Gehaltsstufe 9, mit nächster Vorrückung am 1.1.2006) durch die Anwendung der unionsrechtswidrigen Bestimmungen des §§ 8 iVm 113 Abs 10 GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 unrichtig ermittelt.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Bf eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: § 8 Abs 1 GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 bestimmt im Beschwerdefall die Voraussetzungen der Vorrückung bzw die Einreihung des Bf in die entsprechende Gehaltsstufe seiner Verwendungsgruppe; die Bestimmung wirkt sich folglich auf das Gehalt des Bf aus; damit regelt die Norm die Bedingungen für das Arbeitsentgelt iSv Art 3 Abs 1 lit a und c RL, sodass die zitierte Richtlinie auf den Beschwerdefall Anwendung findet.

Durch die Rsp des EuGH ist geklärt, dass eine nationale Regelung, die Personen, die ihre Berufserfahrung, wenn auch nur teilweise, vor Vollendung des 18. Lebensjahres erworben haben, weniger günstig behandelt, als Personen, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres eine gleichartige Berufserfahrung vergleichbarer Länge erworben haben, eine (unmittelbare) Ungleichbehandlung von Personen aus Gründen des Alters, in dem sie ihre Berufserfahrung erworben haben, darstellt (vgl EuGH Urteil Hütter, Rn 38).

Ungeachtet der durch das BG BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 modifizierten Rechtslage besteht aber (nach wie vor) im Ergebnis eine gem Art 2 Abs 2 lit a RL unzulässige Ungleichbehandlung von Zeiten vor bzw nach der Vollendung des 18. Lebensjahres in Ansehung von „Altbeamten“. Zwar können diese gem § 113 Abs 10 GehG eine Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages beantragen (und damit die nach der Altrechtslage ausgeschlossene Berücksichtigung von Zeiten vor der Vollendung ihres 18. Lebensjahres erreichen); eine solche Option hat freilich ex lege zur Folge, dass diese Beamten dann auch dem Anwendungsbereich des § 8 Abs 1 GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 unterfallen, der eine Vorrückung von der ersten in die zweite Gehaltsstufe erst nach fünf Jahren – statt wie nach der Altrechtslage schon nach zwei Jahren – vorsieht.

Die damit neuerlich bewirkte Altersdiskriminierung liegt nun darin begründet, dass andere „Altbeamte“, welche entsprechende anrechnungstaugliche Zeiten, jedoch im Gegensatz zu dem gleichfalls zu den „Altbeamten“ zählenden Bf, erst nach dem 18. Lebensjahr erworben haben, auch unter Berücksichtigung der durch die Novelle BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 für den Bf geschaffenen Optionsmöglichkeit, im Ergebnis besoldungsrechtlich weiterhin günstiger behandelt werden:

Diesen Beamten wurden solche Zeiten nämlich (schon) nach der Altrechtslage für die Ermittlung ihres Vorrückungsstichtages angerechnet. Bei Betrachtung dieser „Vergleichsbeamten“ ist freilich zu beachten, dass nach der Altrechtslage die hier gegenständlichen Zeiten, bei denen es sich – wiewohl dabei Berufserfahrung gesammelt wurde – unstrittig um „sonstige Zeiten, die die Voraussetzungen des Abs 3 oder 3a GehG nicht erfüllen“, im Verständnis des § 12 Abs 1 Z 2 lit b GehG in der am 31.12.2003 in Kraft gestandenen Fassung handelte (auch bestehen demnach keine Hinweise darauf, dass die in Rede stehenden Zeiten die Voraussetzungen des § 12 Abs 3 GehG in seiner am 31.8.2002 in Kraft gestandenen Fassung, welcher gem § 113 Abs 9 GehG auf den Bf in Ermangelung einer Optionserklärung weiterhin anzuwenden gewesen wäre, erfüllten), lediglich bis zum Höchstausmaß von drei Jahren und auch insoweit nur zur Hälfte anrechenbar waren. Für den „Vergleichsbeamten“, der diese Zeiten nach seinem 18. Lebensjahr aufzuweisen gehabt hätte, wären sie also bis zu einem Ausmaß von eineinhalb Jahren vorrückungswirksam gewesen, für den Bf hingegen gar nicht. Der „Vergleichsbeamte“ hätte daher (bei gleichzeitiger Ernennung zum 1.4.2001) ohne Option am 1.1.2004 die Gehaltsstufe 9, jedoch mit nächster Vorrückung in die Gehaltsstufe 10 schon am 1.7.2004, erreicht. Demgegenüber ergab sich für den Bf, dass er – trotz Option – als Folge der damit eintretenden nachteiligen Auswirkungen der nur für Optanten gültigen Vorrückungsregel des § 8 Abs 1 erster Satz GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 seine besoldungsrechtliche Stellung zum 1.1.2004 (Gehaltsstufe 9 mit nächster Vorrückung erst am 1.1.2006) nicht verbessern konnte, was ausschließlich auf die Zurücklegung der hier in Rede stehenden Zeiten vor seinem 18. Lebensjahr zurückzuführen war.

Der Gehaltsnachteil für den Bf liegt somit ausschließlich darin begründet, dass er einen Teil seiner Berufserfahrung schon vor dem 18. Lebensjahr erworben hat; diese Ungleichbehandlung stellt eine durch die Rsp des EuGH klargestellte Altersdiskriminierung dar (vgl EuGH Urteil Hütter, Rn 38).

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass die hier in Rede stehenden Zeiten der vom Bf gesammelten Berufserfahrung nach den Vorrückungsregeln als „sonstige Zeiten“ gelten, die auch nicht dem § 12 Abs 3 oder 3a GehG unterfallen (weil es sich zwar auch um Zeiten im Verständnis des § 12 Abs 1 Z 7 lit a GehG handelt, der Bf aber zusätzlich zu den hier in Rede stehenden Zeiten schon mehr als 2 Jahre solcher Zeiten aufzuweisen hatte). Dennoch geht es hier um Zeiten der „Berufserfahrung“ im Verständnis der zitierten Rsp des EuGH. Im Übrigen begründete es aber auch eine unionsrechtlich verpönte Altersdiskriminierung, wenn man die (gänzliche oder teilweise) Anrechenbarkeit „sonstiger“ – auch für die Berufserfahrung gänzlich irrelevanter – Zeiten bis zu einem Höchstausmaß von drei Jahren davon abhängig unterschiedlich gestalten wollte, ob diese Zeiten vor oder nach der Vollendung des 18. Lebensjahres des Beamten gelegen sind. Auch dies würde dazu führen, dass ein (älterer) Beamter nur deshalb, weil er solche Zeiten nach der Vollendung seines 18. Lebensjahres aufzuweisen hat, trotz gleicher Ausbildung und beruflicher Erfahrung besoldungsrechtlich günstiger behandelt würde als ein (jüngerer) Beamter, der solche Zeiten nach der Vollendung des 18. Lebensjahres nicht aufzuweisen hat und deshalb auf die Anrechnung davor gelegener solcher Zeiten angewiesen wäre.

Mit § 8 Abs 1 GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 wird damit die durch den EuGH im Urteil Hütter festgestellte Altersdiskriminierung zu Lasten jener „Altbeamter“, die über (nunmehr) anrechenbare – vor dem 18. Lebensjahr erworbene – Zeiten verfügen, ungeachtet der ihnen offen stehenden Möglichkeit eine Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages gem § 113 Abs 10 GehG zu beantragen, fortgeschrieben.

Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung iSd Art 6 RL ist für den VwGH weder aus dem ange233fochtenen Bescheid oder der Gegenschrift noch auch aus den Gesetzesmaterialien erkennbar. Dem in der Gegenschrift zitierten Aufsatz Rebhahns, Altersdiskriminierung bei Nichtanrechnung der Lehrzeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres, DRdA 4/2011, 342 ff, sind keine Ausführungen zu entnehmen, die sich mit der hier interessierenden Frage, ob ungeachtet der Einführung der Optionsmöglichkeit gem § 113 Abs 10 GehG für „Altbeamte“ weiterhin eine Diskriminierung innerhalb dieser Gruppe vorliegt oder nicht, beschäftigen würden.

Mit § 8 Abs 1 GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 hat der Bundesgesetzgeber die Erfordernisse der RL unzulänglich umgesetzt. Das dort umschriebene Diskriminierungsverbot ist inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt; es ist daher nach der Judikatur des EuGH unmittelbar wirksam. Dies bedeutet, dass Art 2 und Art 6 der RL Vorrang vor der innerstaatlichen Bestimmung des § 8 Abs 1 GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 genießen, soweit sich diese Bestimmung in diskriminierender Weise auswirkt. Belastendes nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale gesetzliche Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Die Verdrängung erreicht dabei bloß jenes Ausmaß, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (vgl das hg Erk vom 17.4.2008, 2008/15/0064).

Unter diesem Gesichtspunkt bewirkt der Vorrang des Unionsrechts, dass § 8 Abs 1 erster Satz GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 vom Unionsrecht insoweit verdrängt wird, als er eine Diskriminierung des optierenden Bf gegenüber dem oben beschriebenen nicht optierenden „Vergleichsbeamten“ bewirkt, also (bloß) insoweit als er für den Bf als Optanten (nunmehr rückwirkend) eine Vorrückungsdauer für das Erreichen der zweiten Gehaltsstufe vorsieht, welche dreieinhalb Jahre übersteigt.

Hiedurch wird den Vorgaben des Unionsrechts zur Gänze entsprochen und bleibt die Anordnung des nationalen Gesetzgebers nicht in größerem Ausmaß als erforderlich unbeachtet.

Die belangte Behörde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit amtswegig die gesamte Rechtsordnung zu prüfen hat, was auch die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, im Besonderen mit Art 2 und Art 6 der RL umfasste (vgl zur Verpflichtung von Verwaltungsbehörden, das Unionsrecht von Amts wegen zu beachten, etwa das hg Erk vom 19.6.2000, 2000/16/0259), wäre gehalten gewesen, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, indem sie im erforderlichen Ausmaß jede ihm entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts – im konkreten Beschwerdefall die Bestimmung des § 8 Abs 1 erster Satz GehG idF BGBl I 82/2010BGBl I 82/2010 – unangewendet lässt (vgl das Urteil des EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rn 19).

Da die Voraussetzungen des § 42 Abs 1 letzter Fall iVm Abs 3a VwGG idF BGBl I 51/2012BGBl I 51/2012 hier vorliegen, hat der VwGH von der dort enthaltenen Ermächtigung, in der Sache zu entscheiden, Gebrauch gemacht. Dabei war der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Termin für die Vorrückung in die Gehaltsstufe 10 bereits mit 1.7.2004 festzulegen war.

Anmerkung
1
Problemstellung und Ausgangssituation

Das vorliegende Erk (mittlerweile auch in JBl 2013, 127 [Resch] veröffentlicht) hat einigen Staub aufgewirbelt. Das hat auch damit zu tun, dass der VwGH hier von der sonst kaum genutzten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, in der Sache selbst zu entscheiden. Hier interessiert allerdings nur die materiell-rechtliche Frage, könnte die Rechtsauffassung des Höchstgerichtes doch dazu führen, dass rund 300.000 Vorrückungsstichtage neu berechnet werden müssten, was nach der Schätzung des Bundeskanzleramtes einen Arbeitsaufwand von 1.000 Personenjahren (!) bedeuten würde (vgl die ErläutRV 2003 BlgNR 24. GP 13). Dieser Aspekt kann zunächst für die Beurteilung, ob die Regelungen, mit denen die vom EuGH in der Rs Hütter (Slg 2009, I-05325 = DRdA 2010, 89 [Ziehensack]) festgestellte Altersdiskriminierung saniert werden sollte, neuerlich diskriminierend sind, keine Rolle spielen. Auf der Ebene einer möglichen Rechtfertigung könnte er gleichwohl beachtlich sein, aber diese Ebene blendet die vorliegende E aus.

Ihre relativ komplexe Argumentation lässt sich im Lichte der zumindest ebenso komplexen Vorgeschichte auf drei Fragen reduzieren, die weit über den eigentlichen Kontext des Erk (Landeslehrer-Dienstrecht) hinaus von Bedeutung sind. Zum einen: Muss aus der Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit stets eine Besserstellung für die bisher Benachteiligten resultieren, oder kann der nationale Gesetzgeber diese Diskriminierung auch durch eine Nivellierung nach unten korrigieren? Zum anderen: Kann er dies allenfalls auch rückwirkend tun? Und schließlich: Kann der Gesetzgeber bei einer solchen Reparatur vielleicht auch differenzieren, insb um dem – bereits innerstaatlich gebotenen – Vertrauensschutz Rechnung zu tragen, ja muss er dies vielleicht sogar tun? Diese drei Fragen können im gegebenen Rahmen nicht abschließend erörtert werden. Die in der Folge dazu vorgetragenen Überlegungen finden sich ausführlicher in einem Gutachten im Auftrag des Bundeskanzleramtes, an dem der Autor mitwirken durfte.

Vorweg sei aber noch einmal die Vorgeschichte kurz zusammengefasst: Der EuGH hat die frühere Rechtslage im VBG, nach der Vordienstzeiten auf Grund eines Lehrverhältnisses unterschiedlich behandelt wurden, je nachdem, ob sie vor oder nach der Vollendung des 18. Lebensjahres durch den/die betreffende/n AN absolviert wurden, als Altersdiskriminierung, weil im Widerspruch zu den Art 1, 2 und 6 der RL 2000/78/EG stehend, qualifiziert. Dagegen wäre durchaus Einiges einzuwenden gewesen, insb was die Würdigung der geltend gemachten Rechtfertigungsgründe durch den EuGH betrifft (vgl nur Rebhahn, DRdA 2011, 344 f, in seiner Anm zur Erledigung der Rs Hütter durch den OGH). Der nationale Gesetzgeber hat aber ohnedies reagiert und durch BGBl I 2010/82BGBl I 2010/82 sowohl im VBG als auch im – für die234 vorliegende E maßgebenden – Beamten-Dienstrecht die Differenzierung zwischen Zeiten vor und nach dem 18. Lebensjahr insofern beseitigt, als alle Zeiten nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht im Höchstausmaß von drei Jahren voll anzurechnen sind (vgl nur § 26 Abs 1 VBG bzw § 12 Abs 1 GehG, jeweils insb Z 2 lit b sublit aa). Gleichzeitig wurde allerdings auch der für die Vorrückung in die zweite Gehaltsstufe erforderliche Zeitraum, also der erste der sogenannten „Biennalsprünge“, von zwei auf fünf Jahre verlängert (§ 19 Abs 1 VBG bzw § 8 Abs 1 GehG).

Dieser von Rebhahn (DRdA 2011, 346) plakativ „was die eine Hand gibt, nimmt die andere gleich wieder“ bezeichnete Ansatz hatte dezidiert den Zweck, die besoldungsrechtliche Stellung von Bediensteten mit entsprechenden zusätzlichen Zeiten vor dem 18. Lebensjahr unverändert zu lassen (so die auch vom VwGH zitierten ErläutRV 781 BlgNR 24. GP 4). Und sie wurde noch dazu nicht nur für neu Eintretende eingeführt, sondern rückwirkend mit 1.1.2004 in Kraft gesetzt (§ 100 Abs 56 VBG bzw § 175 Abs 66 GehG). Ähnliche Regelungen finden sich auch in anderen Bereichen, die analoge Vorrückungsstichtag- bzw Vordienstzeitenmodelle kennen (vgl insb §§ 53a iVm 56 Abs 14 Bundesbahngesetz idF BGBl I 2011/129BGBl I 2011/129).

Während nach der letztgenannten Bestimmung eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages in jedem Fall vorzunehmen war bzw ist, kommt im Bereich des VBG bzw des GehG die neue Rechtslage nur zum Tragen, wenn der/die betreffende Bedienstete einen entsprechenden Antrag stellt (§ 82 Abs 11 VBG bzw § 113 Abs 10 GehG). Dies wird mit der Notwendigkeit der Wahrung des Vertrauensschutzes gerechtfertigt, neben den gewiss auch der Aspekt der Verwaltungsökonomie tritt (vgl noch einmal die ErläutRV 781 BlgNR 24. GP 5): Der mit einer (im Bereich des VBG: nur quasi) amtswegigen Neufestsetzung verbundene Aufwand würde das allenfalls auf Grund von Neueinstufungen nachzuzahlende höhere Entgelt um ein Vielfaches übersteigen. Für den Bereich der ÖBB hegte der Gesetzgeber diese Bedenken offenbar nicht und hielt es für ausreichend, die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages für unwirksam zu erklären, wenn damit eine gehaltsmäßige Verschlechterung im Vergleich zum vorherigen Vorrückungsstichtag verbunden wäre (vgl § 53a Abs 2 Z 3 Bundesbahngesetz).

2
Beseitigung einer Diskriminierung durch Angleichung nach unten ...?

Die nunmehr im VBG bzw GehG vorgesehene Anrechnung praktisch aller Zeiten, die nach dem Ende der Schulpflicht liegen, ist nach offenkundiger Auffassung des Gesetzgebers nicht mehr altersdiskriminierend (vgl wieder die ErläutRV 781 BlgNR 24. GP 4). Dies stellte zuerst Wachter (Jahrbuch Altersdiskriminierung 2011, 54) in Frage und stützte seine Bedenken – freilich ohne nähere Begründung – auf die nicht ausreichende Tragfähigkeit einer Rechtfertigung auf Grund von sonstigen budgetären Folgen. Für Resch (Fehlerhafte Rechtsbereinigung nach Feststellung der Altersdiskriminierung, ZESAR 2012, 261 f) ist dagegen vor allem das Zusammenspiel des Anknüpfens an das Ende der Schulpflicht (und damit an ein bestimmtes Alter) mit der atypischen Differenzierung hinsichtlich der Länge der Zeitvorrückungssprünge (die außergewöhnlich lange erste Stufe würde ja wieder stets die Jüngeren treffen) problematisch. Auch Rebhahn (DRdA 2011, 346) hält zwar eine gleichmäßigere Verteilung für „eleganter“ (wohl mit Blick auf § 53a Bundesbahngesetz, dessen Abs 2 Z 1 den in den ersten drei Gehaltsstufen für eine Vorrückung erforderlichen Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert hat), verneint aber letztlich das Vorliegen einer Diskriminierung.

Dem ist zuzustimmen. Die gegenteilige Auffassung ist offenkundig von der Überlegung getragen, die auch den VwGH im vorliegenden Erk geleitet zu haben scheint, dass die Feststellung einer Altersdiskriminierung stets die Verbesserung der Position der jeweiligen Betroffenen zur Folge haben muss. Das kann freilich nur gelten, solange der Gesetzgeber nicht eine andere Rechtslage geschaffen hat. Insofern muss die – an sich richtige – Einschätzung Reschs, dass es für alle Bediensteten, die keinen Antrag auf Neufestsetzung gestellt haben, bei der durch Unionsrecht korrigierten alten Rechtslage unter Nichtgeltung der 18-Jahresgrenze bleiben müsse (ZESAR 2012, 260 und nun auch JBl 2013, 131), um den Passus ergänzt werden: Es sei denn, der Gesetzgeber hat etwas anderes geregelt.

Genau das hat er aber getan. Es ist daher nicht bloß eine – allenfalls rechtswidrige – Verwaltungspraxis, die vielleicht sogar durch (europarechtskonforme) Interpretation geändert werden könnte (so aber Resch, ZESAR 2012, 259 f). Vielmehr gilt für alle Bediensteten, die keinen (korrekten) Antrag auf Neufestsetzung stellen, die Rechtslage, wie sie zum 31.12.2003 bestanden hat (§ 113 Abs 11 GehG bzw § 82 Abs 11 VBG), wobei dieser Zeitpunkt offenbar mit Blick auf das Ende der Frist für die Umsetzung der RL 2000/78/EG gewählt ist (so auch Rebhahn, Korrektur einer Diskriminierung im Arbeitsleben für die Vergangenheit, wbl 2012, 488, Fn 46).

Darf der nationale Gesetzgeber nun aber eine vom EuGH festgestellte Diskriminierung dadurch reparieren, dass er gerade jene Schlechterstellung, die als diskriminierend erkannt wurde, gleichsam zur neuen Regel erhebt? Solange er dies diskriminierungsfrei macht, ja! Es ist keine unionsrechtliche Vorgabe ersichtlich, die eine derartige Korrektur nach unten verbietet. Auch aus der Rs Hütter folgt nicht, dass jegliche Zeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres für den Vorrückungsstichtag anerkannt werden müssen und so zu einer Entgelterhöhung führen. Der EuGH hat vielmehr wiederholt anerkannt, dass ein „neues Bezugssystem“ auch zu einer Angleichung nach unten führen kann (vgl nur die Nachweise bei Rebhahn, wbl 2012, 483). Dem können wohl auch keine Vertrauensschutzargumente entgegengehalten werden, bezieht sich dieser hier doch nur auf eine diskriminierungsfreie Entlohnung als solche (siehe dagegen unten 3.).

Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Korrektur für die Zukunft anerkennt auch Resch, wenngleich er im konkreten Fall von VBG bzw BDG die Diskriminierungsfreiheit in Abrede stellt (ZESAR 2012, 261 f). Während er das erste von ihm dafür vorgebrachte Argument, den Ausschluss der Anrechnung von Zeiten vor Ende der Schulpflicht, selbst deutlich relativiert,235 hält er die Konstruktion mit der atypischen Dauer der ersten Entlohnungsstufe und das daraus resultierende Abweichen vom bisherigen Ordnungssystem offenbar für bedenklicher. Dass dieses Modell kompliziert ist (und etwa eine Streichung der Anrechnung von Zeiten viel einfacher wäre, aber politisch kaum durchsetzbar ist), sei unbestritten. Dass Gehaltsvorrückungen aber immer in Biennalsprüngen erfolgen müssten, ist nicht erweislich. Und dass es bis zum ersten Sprung länger dauert als für die folgenden, kann als solches auch nicht altersdiskriminierend sein, weil ja alle gleichermaßen zuerst diesen längeren Zeitraum durchlaufen müssen. Schließlich sei auch festgehalten, dass eine Neuregelung, die (auch) nach Kostenneutralität strebt, nicht per se unsachlich ist.

3
... und dann auch rückwirkend?

Im vorliegenden Erk ging es freilich nicht um eine allfällige Diskriminierung von – in der Terminologie des VwGH – „Neubeamten“ im Verhältnis zu schon länger Beschäftigten, sondern um die Ungleichbehandlung zwischen „Altbeamten“. Diese besteht zusammengefasst darin, dass dem Bf zwar durch die mit BGBl I 2010/82BGBl I 2010/82 geschaffene Optionsmöglichkeit zusätzliche Zeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres angerechnet werden, dass es aber auf Grund des Zusammenspiels der Begrenzung dieser Zeiten mit der neuen Fünfjahresstufe dennoch zu einer Benachteiligung im Vergleich zu einem anderen „Altbeamten“ kommen kann, weil dieser „trotz gleicher Ausbildung und beruflicher Erfahrung besoldungsrechtlich günstiger behandelt“ wird, und zwar „nur deshalb, weil er solche Zeiten nach der Vollendung seines 18. Lebensjahres aufzuweisen hat“.

Dass dieser fiktive „Vergleichsbeamte“ reichlich konstruiert erscheint, kann für die Beurteilung der Diskriminierung keine Rolle spielen (vgl nur Art 2 Abs 2 RL 2000/78/EG, arg „als eine andere Person ... erfahren würde“ bzw „gegenüber anderen Personen ... benachteiligen können“). Sehr wohl beachtlich erscheint indes die Frage der Rechtfertigung dieser Differenzierung, die beim Alter ja sogar bei unmittelbarer Diskriminierung zulässig ist. Das setzt nach Art 6 der RL bekanntlich voraus, dass die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen sowie im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, wobei die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein müssen.

Dass der VwGH dieser Frage nur zwei lapidare Sätze widmet, mag auch dem diesbezüglich wohl dürftigen Vorbringen in der Gegenschrift geschuldet sein. Mittlerweile hat sich der Gesetzgeber selbst um eine Rechtfertigung bemüht und dafür den ungewöhnlichen Weg einer „authentischen Interpretation“ in Form der durch BGBl I 2012/120BGBl I 2012/120 eingefügten § 7a GehG bzw § 18b VBG gewählt, wobei er in den Materialien ausführlich die Unionsrechtskonformität der Reparatur durch BGBl I 2010/82BGBl I 2010/82 zu untermauern versucht. Dabei stehen zwei Argumente im Vordergrund. Zum einen, dass eine allfällige Ungleichbehandlung nur eine auslaufende sei und die Besserstellung – auch des fiktiven „Vergleichsbeamten“ im vorliegenden Erk – ausschließlich der Wahrung des Besitzstands bzw des Vertrauensschutzes diene, da eine Generalüberleitung in das neue Anrechnungssystem die Vorrückungslaufbahn für bestimmte Bedienstetengruppen verschlechtert hätte (ErläutRV 2003 BlgNR 24. GP 13). Zum anderen wird die dafür getroffene Lösung verteidigt, weil das Optionenmodell zum gleichen Ergebnis führen würde wie die generelle Neueinstufung aller Bediensteten (denen man – eben wegen des Vertrauensschutzes – nichts wegnehmen könne), aber mit wesentlich weniger Aufwand verbunden ist (vgl noch einmal die eingangs angeführten Zahlen).

Diese Argumentation kann sich mit Recht auch auf die Judikatur des EuGH stützen, der in der Rs Hennings ua vom 8.9.2011 (EuGHC-297/10, C-298/10 = DRdA 2012/26, 379 [Felten], insb in Rn 88 ff) in der Wahrung des Vertrauensschutzes eine Rechtfertigung für eine auf Grund von Übergangsregelungen auslaufende Ungleichbehandlung wegen des Alters gesehen hat (ebenso bereits Rebhahn, wbl 2012, 487 f). In seiner Anm zur vorliegenden E hat Resch eingewendet, dass die Rechtfertigung der eine Ungleichbehandlung bewirkenden Übergangsregelung dort vor allem auf deren Charakter als Sozialpartnerkompromiss zurückginge (JBl 2013, 132; diesen Aspekt betont – freilich bei einer Betrachtung im Lichte des Art 28 EGRC – auch Felten in seiner Anm zur Hennings-E, DRdA 2012, 384). Dieser besondere Stellenwert der Sozialpartner ist zu relativieren, unterstreicht doch auch der EuGH (in Rn 65 dieser E), dass diese eben (nur) dasselbe dürfen wie die Mitgliedstaaten auch. Überdies ist zu bedenken, dass die Beschlussfassung von Dienstrechtsnovellen welcher Art auch immer in Österreich nie ohne vorherige Einbindung, in der Regel sogar in Akkordierung mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes erfolgt.

Auch der zweite Einwand von Resch (aaO) gegen die Nutzbarmachung der Rs Hennings scheint nicht durchschlagend. Er problematisiert, dass dort die fragliche Übergangsregelung bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die RL 2000/78/EG entstanden sei, während die Reparatur nach der Hütter-E erst im Jahr 2010 erfolgt ist. Das ist richtig, wirft aber wieder die Frage auf, inwieweit es zulässig ist, dass – wie Resch zutreffend formuliert – der nationale Gesetzgeber etwas rückwirkend wieder wegnimmt, was der EuGH eben erst auch rückwirkend gegeben hat. Es gibt durchaus gute Gründe, eine solche rückwirkende Korrektur – gleichsam ein „overrulen“ des EuGH – durch den nationalen Gesetzgeber dann für zulässig zu halten, wenn dies nur diskriminierungsfrei erfolgt bzw die Ungleichbehandlung iSd Art 6 der RL gerechtfertigt werden kann. Bei dieser Beurteilung ist im Hinblick zur Altersdiskriminierung ein anderer Maßstab anzulegen (vgl bereits Rebhahn, wbl 2012, 488), wie jüngst etwa auch die eine Diskriminierung verneinende E zur (Nicht-)Anrechnung von Vordienstzeiten im Tyrolean Airways-KollV (EuGH 7.6.2012, C-132/11 = ZAS 2013/15, 90 [Stupar]) belegt.

Rückwirkende Eingriffe in eine – und sei es auch „nur“ durch eine EuGH-E veränderte – Rechtslage müssen allerdings auch nach den innerstaatlichen Regelungen zulässig sein. Als Prüfungsmaßstab kämen vorliegend das Grundrecht auf Eigentum (Art 5 StGG) und natürlich vor allem der insb aus Art 7 B-VG236 abzuleitende Vertrauensschutz in Betracht. Diese Fragen können im vorliegenden Zusammenhang nicht vertieft werden. Angemerkt sei nur, dass das schützenswerte Vertrauen des Bf nicht allzu groß sein konnte, kann ein solches doch frühestens mit der am 18.6.2009 ergangenen Hütter-E entstanden sein. Da die Reparaturnovelle bereits am 30.8.2010 im BGBl kundgemacht wurde, bleiben nur 14 Monate als „vertrauensbildender Zeitraum“, so dass insoweit rückwirkende Eingriffe des Gesetzgebers schon sehr massiv sein müssten, um verfassungsrechtliche Bedenken auszulösen. Davon kann jedoch keine Rede sein, da dem Bf – ebenso wie anderen Bediensteten bzw AN in vergleichbarer Situation (mittlerweile sind ja andere Verfahren mit analogen Rechtsfragen anhängig, wie auch Resch, JBl 2013, 132, betont) – nichts weggenommen, sondern höchstens eine erhoffte und zudem relativ geringfügige Verbesserung seiner besoldungsrechtlichen Situation vorenthalten wurde.

4
Fazit

In Summe ist dem VwGH daher zwar beizupflichten, dass auch nach (oder vielleicht sogar wegen) der Reparatur der Rechtslage im VBG, GehG etc als Folge der Hütter-E eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Berücksichtigung von Zeiten beruflicher Vorerfahrung, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden, bestehen kann. Diese resultiert vorliegend allerdings aus dem Vergleich zweier verschiedener Rechtsschichten – jene für einen „Altbeamten“, der im alten Recht verbleibt, und jene für einen anderen „Altbeamten“, der ins neue System wechseln will, weil er sich dadurch einen Vorteil verspricht. Diese Wechselmöglichkeit kann aber nicht anders gesehen werden als eine Übergangsregelung, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, sofern sie die Voraussetzungen des Art 6 RL 2000/78/EG erfüllt. Und die besseren Gründe sprechen – entgegen der (auf den ersten Blick zugegebenermaßen nicht unschlüssigen) Rechtsmeinung des VwGH – dafür, dass das hier der Fall ist.

Nach der hier vertretenen Auffassung ist auch die nunmehrige Regelung der Festsetzung des Vorrückungsstichtages für neu eintretende Beamte, Vertragsbedienstete etc frei von Altersdiskriminierung. Das sollte den Gesetzgeber allerdings nicht davon abhalten, eine umfassende Neugestaltung des Besoldungsrechts anzugehen. Das Grundproblem ist dort mit Rebhahn (DRdA 2011, 347) und Resch (JBl 2013, 132) nämlich in der – nicht nur aus budgetären Überlegungen – zu großen Betonung des Vordienstzeitenfaktors für die Besoldungshöhe zu sehen.