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Arbeitsverhältnis statt vereinbartem freien Dienstverhältnis: Verfallsklausel gilt?

ERNSTEYPELTAUER (LINZ)
  1. Verfallsklauseln sind nur dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren. Die Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von drei Monaten ist nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung anzusehen.

  2. Die in einem freien Dienstvertrag für Ansprüche des AN vereinbarte Verfallsklausel gilt auch bei richtigerweise Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.

Die Kl war vom 1.10.2007 bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstvertrags am 31.12.2008 bei der Bekl teilzeitbeschäftigt. Die Parteien vereinbarten zunächst am 1.10.2007 einen Rahmenvertrag und in weiterer Folge am 6.5.2008 einen „freien Dienstvertrag“. Unstrittig ist hier jedoch, dass das Vertragsverhältnis der Streitteile ein echter Arbeitsvertrag war.

Nach dem Rahmenvertrag vom 1.10.2007 war ein Honorar für verfasste und gedruckte Textbeiträge von 1.500 € je Monat zuzüglich einer allfälligen Umsatzsteuer vereinbart. Im „freien Dienstvertrag“ vom 6.5.2008 wurde ein monatliches Bruttohonorar in der Höhe eines „Grundbetrags“ von 1.000 € vereinbart. Unter Pkt VII. enthält der „freie Dienstvertrag“ folgende Verfallsklausel:

„VII. Verfall von Ansprüchen:Ansprüche des Auftragnehmers verfallen, sofern sie nicht binnen drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden und binnen sechs Monaten ab Fälligkeit eingeklagt werden.“

Mit ihrer am 4.1.2011 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Kl die Zahlung folgender, der Höhe nach unstrittiger Bruttoansprüche samt Zinsen:

Entgeltdifferenz 20071.393,18 €
Entgeltdifferenz 20086.153,51 €
Urlaubsentgelt für zwei Wochen
Urlaub im August 2008
908,40 €
Sonderzahlungen 1.10.2007 – 31.12.2007899,56 €
Sonderzahlungen 20083.933,38 €
Urlaubsersatzleistung für 17 Arbeitstage2.252,08 €

Auf ihr Dienstverhältnis sei der KollV für die bei österreichischen Wochenzeitungen angestellten Redakteure, Redakteursaspiranten und Reporter (in weiterer Folge: KollV) anzuwenden. Die im schriftlichen „freien Dienstvertrag“ enthaltene Entgeltbestimmung verstoße gegen den KollV. Sie sei daher nichtig, weshalb auch die damit untrennbar verknüpfte vertraglich vereinbarte Verfallsbestimmung nichtig sei. Der KollV selbst kenne keine Verfallsbestimmung.

Die Bekl wandte gegen das Klagebegehren im Wesentlichen den Verfall der Ansprüche aufgrund der vertraglich vereinbarten Verfallsklausel ein. Der KollV enthalte keine dieser Verfallsklausel entgegenstehenden Bestimmungen. Die Ausmessung der in der Verfallsklausel vorgesehenen Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen sei keinesfalls unangemessen gering.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl gegen dieses Urteil keine Folge. Zwar habe sich die Frage des Zusammenhangs zwischen Verfallsklauseln und Entgeltbestimmung bislang in Entscheidungen zum AÜG gestellt. Die vom OGH dazu entwickelten Rechtssätze würden jedoch nicht nur in diesem Kontext gelten. Es liege vielmehr ein grundsätzliches Problem der Teilnichtigkeit vor. Ebenso wie ein kollektivvertraglicher Entgeltanspruch von den für diesen geltenden Verjährungs- und Verfallsbestimmungen des KollV nicht zu trennen sei, sei das Herausnehmen einer Verfallsbestimmung aus einem nicht wirksam vereinbarten freien Dienstvertrag infolge des sachlichen Zusammenhangs zwischen der darin vereinbarten Entgeltregelung und der Verfallsklausel unzulässig. Eine andere Betrachtungsweise würde der von der Rsp abgelehnten „Rosinentheorie“ widersprechen (richtig wohl: entsprechen). Konsequenz der Teilnichtigkeit des Vertrags sei, dass an die Stelle der Entgeltbestimmung und der damit sachlich zusammenhängenden Verfallsklausel die Bestimmungen des anwendbaren KollV treten. Der KollV enthalte im konkreten Fall keine Verfallsbestimmung, sodass § 1486 Z 5 ABGB gelte. Eine Verjährung der Ansprüche sei von der Bekl nicht geltend gemacht worden.

Die Revision sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. [...]

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

  1. 1

    Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass der zwischen ihnen vereinbarte „freie Dienstvertrag“ ungeachtet seiner Bezeichnung nach seiner tatsächlichen Handhabung (9 ObA 118/07d; RIS-Justiz RS0111914) als echter Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist. Dass der Kl daher die von ihr auf Basis des anzuwendenden KollV geltend gemachten arbeitsrechtlichen Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag grundsätzlich zustehen, ist – abgesehen von der noch zu erörternden Frage des Verfalls – ebenso wenig strittig.

  2. 2

    Verfallsklauseln sind nach stRsp nur dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (Krejci in

    Rummel
    3 § 879 Rz 181c; RIS-Justiz RS0016688; RS0034533). In der Rsp ist anerkannt, dass die Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von – wie hier – drei Monaten nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung anzusehen ist; dies gilt auch für einzelvertragliche Vereinbarungen (8 ObS 1/11x mwH; RIS-Justiz RS0016688). Zwingende gesetzliche oder kollektivvertragliche Bestimmungen stehen der hier zu beurteilenden Verfallsklausel nicht entgegen. Der KollV enthält für die im Verfahren geltend gemachten Ansprüche keine Verfallsregelung (die Bestimmung des § 33 KollV für Ansprüche auf Abgeltung geleisteter Überstunden und bestimmter Sonderleistungen kommt hier nicht zum Tragen). Auch dann, wenn die Parteien den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag von Anfang an richtig als echten Arbeitsvertrag behandelt hätten, wäre die Vereinbarung der konkreten Verfallsklausel daher hier zulässig gewesen.243

  3. 3

    Der von der Kl behauptete „untrennbare“ Zusammenhang zwischen der vertraglichen Entgeltabrede und der vertraglich vereinbarten Verfallsklausel, aus dem die Vorinstanzen die Unwirksamkeit der Verfallsklausel ableiten, ist nicht zu erkennen: Es kann keine Rede davon sein, dass die hier vereinbarte Verfallsklausel nur im Zusammenhang mit der konkret getroffenen Entgeltabrede denkbar ist; warum sie nicht auch im Zusammenhang mit einer den kollektivvertraglichen Ansätzen entsprechenden Entgeltvereinbarung bestehen können soll, ist nicht ersichtlich. Es fehlt auch jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien die Verfallsklausel nur im Hinblick auf die von ihnen getroffene Entgeltvereinbarung vereinbart haben bzw dass sie die Verfallsklausel nicht auch dann vereinbart hätten, wenn sie den Vertrag von Anfang an richtig als Arbeitsvertrag behandelt hätten.

    Zu Unrecht beruft sich die Kl für ihre Rechtsansicht auf die Rsp des OGH zu § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG (vgl RIS-Justiz RS0050706). Die genannte Bestimmung führt zu einer partiellen Anwendung von Bestimmungen des Beschäftiger-KollV durch den Überlasser während des Zeitraums der Überlassung. In diesem Zusammenhang wird es als unzulässig angesehen, dass sich der AN einzelne Detailregelungen aus dem KollV des Beschäftigerbetriebs und aus der Grundvereinbarung („Rosinentheorie“) herausnimmt. Daher ist in diesem Zusammenhang der Entgeltanspruch von den für diesen geltenden Verfallsbestimmungen des KollV nicht zu trennen. Das hat aber mit der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Konstellation überhaupt nichts zu tun.

  4. 4

    Ausgehend von der Wirksamkeit der Vereinbarung der konkreten Verfallsklausel im Arbeitsvertrag erweist sich der Verfallseinwand der Bekl jedoch als berechtigt. Die von der Kl geltend gemachten Ansprüche waren spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2008 fällig. Die Kl machte ihre Ansprüche erstmals im Jänner 2011 und daher nicht fristgerecht geltend. Der Revision der Bekl war daher Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen. [...]

Anmerkung

Am 30.4.2012, also sechs Tage später, hat der OGH zu 9 ObA 143/11m – offenbar gegen dieselbe Bekl – in einem Parallelfall unter Berufung und Zitierung der hier zu besprechenden E ebenfalls der Revision der Bekl Folge gegeben und die Klage der (anderen) AN abgewiesen. Von einer stRsp wird freilich zu der hier zu erörternden Frage der Geltung einer für ein freies Dienstverhältnis vereinbarten Verfallsklausel bei richtiger Qualifizierung als Arbeitsverhältnis (siehe 2.) nicht gesprochen werden können.

1
Zulässige Verfallsklausel bei zwingenden AN-Ansprüchen?

Wieder einmal wurde ein Sachverhalt zur E an den OGH herangetragen, in dem es um die Zulässigkeit einer Verfallsklausel für zwingende AN-Ansprüche gegangen ist. Die klagsweise geltend gemachten Entgeltdifferenzen und Sonderzahlungen müssen sich aus dem wegen Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses anwendbaren KollV ergeben haben. Die Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsersatzleistung sind im UrlG zwingend (§ 17 UrlG), dh ua nicht durch Einzelarbeitsvertrag zum Nachteil der AN abänderbar, geregelt. Fast erwartungsgemäß hat der OGH neuerlich eine solche Verfallsklausel, welche die dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB zum Nachteil der AN abgekürzt hat, als zulässig angesehen. Inzwischen scheint diese Rechtsansicht des OGH so verfestigt, dass er diesmal nicht einmal mehr eine Begründung angeführt hat. Dass „zwingende gesetzliche Bestimmungen der Verfallsklausel nicht entgegenstehen“ ist nicht Begründung, sondern – aus Sicht des OGH – offenbar in Stein gemeißelte Erkenntnis. Dies trotz immer zahlreicher werdender gegenteiliger Stimmen in der Literatur (zuletzt Rebhahn in ZellKomm2 § 1152 ABGB Rz 83; Jabornegg, Verjährung und Verfall von Arbeitnehmerrechten, in FS Reischauer [2010] 201 f, allerdings letztlich [206] Verfallsklauseln zur gerichtlichen Geltendmachung bis zu sechs Monaten [„als äußerste Grenze“] für zulässig ansehend und nur zur außergerichtlichen Geltendmachung als unzulässig; erst jüngst und damit nach der E, Vollmaier in

Fenyves/Kerschner/Vonkilch
, Klang3 § 1486 Rz 34 und § 1502 Rz 19 mwN.) Der Rezensent, der sich anmaßt, sich als einen der Hauptkritiker zu sehen (insb Wider den vereinbarten Verfall zwingender AN-Ansprüche bei aufrechtem Arbeitsverhältnis, DRdA 2001, 23 ff; Rechtsfragen der Verfallshemmung gemäß § 26 Abs 8 AZG, ecolex 2008, 453 ff), gibt dennoch die Hoffnung auf ein Einsehen der Höchstrichter nicht auf. Immerhin hat es bis zur Judikaturwende, dass Unterhalt auch für die Vergangenheit zusteht, auch jahrzehntelanger, personell zunehmender Kritik der Lehre bedurft, bis der Stehsatz „pro praeteritur non alitur“ gefallen war. Die Argumente sollen hier nicht wiederholt werden. Gerade dieser Fall zeigt jedoch die ganze Problematik dieser Rsp.

2
Verfallsklausel in freiem Dienstvertrag gilt auch für AN-Ansprüche?

Der gegenständliche Sachverhalt zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass zwischen den Parteien ein freies Dienstverhältnis vereinbart worden war, tatsächlich aber ein Arbeitsverhältnis vorlag. Demgemäß hat die AN die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Ansprüche (auf Differenz zum Kollektivvertragsentgelt, auf Sonderzahlungen, Urlaubsentgelt und Urlaubsersatzleitung) geltend gemacht. Dass bei einer richtigen Qualifizierung eines freien Dienstverhältnisses als Arbeitsverhältnis dem (dann) AN Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zustehen, die er im Rahmen des freien Dienstverhältnisses nicht bezahlt erhalten hat, kommt des Öfteren vor. Dazu hat allerdings der OGH (26.7.2012, 8 ObA 56/11k unter Hinweis auf Vorentscheidungen) iSd Lehre (siehe Resch, RdW 1997, 737; Kietaibl, Arbeitsvertragliche Rückabwicklung bei aufgedeckter Scheinselbstständigkeit, wbl 2006, 207 ff; Schauer, ZAS 2010, 327 f) judiziert, dass laufende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch das Entgelt, das vom AG über das kollektivvertragliche Gehalt hinaus bezahlt wurde, abgegolten sind. Dem ist zuzustimmen, insoweit der AG seine AN nicht überkollektivvertraglich entlohnt hat. Ansonsten wäre an diese (durchschnittliche) Überzahlung zur Ermittlung des abgegoltenen Entgelts anzuknüpfen.244

Hier hat aber die AN – im Rahmen des fälschlich angenommenen freien Dienstverhältnisses – offenbar eine unterkollektivvertragliche Entlohnung erhalten, ansonsten nicht Entgeltdifferenzen klagsgegenständlich gewesen wären. Damit hat sich die Entgeltproblematik in voller Schärfe gestellt.

Die Unterinstanzen hatten – zu Gunsten der AN – noch die Teilnichtigkeit auch auf die Verfallsklausel bezogen. Sie haben sohin die Entgeltabrede inklusive der Verfallsklausel als (nichtige) Einheit angesehen. Dem hielt der OGH entgegen, es bestehe kein solcher „untrennbarer“ Zusammenhang zwischen der Entgeltabrede und der Verfallsklausel. Dafür, dass die Parteien die Verfallsklausel nicht auch dann vereinbart hätten, wenn sie den Vertrag als Arbeitsvertrag behandelt hätten, fehle es an jeglichem Anhaltspunkt. (In 8 ObA 56/11k musste sich der OGH mit der Gültigkeit der Verfallsklausel nicht so wie hier beschäftigen, weil entgegen die kollektivvertragliche Regelung keine Lohnabrechnungen durch den AG erfolgt waren. Die Berufung des AG auf den Verfall hat daher gegen Treu und Glaube verstoßen.) Die Teilnichtigkeit erfasst all jene vertraglichen Bestimmungen, die sachlich als unmittelbar verbunden anzusehen sind bzw mit der verbotenen Klausel sachlich zusammenhängen und nur im Hinblick auf diese getroffen worden sind (siehe nur Rebhahn, aaO §§ 861–864a Rz 36 und § 879 ABGB Rz 78; Spielbüchler, Arbeitsrecht I4 [1998] 143 f; Krejci in

Rummel
, ABGB3 § 879 Rz 37). Ein solcher Zusammenhang zwischen Entgeltabrede und Verfallsklausel besteht unzweifelhaft, was zur Nichtigkeit der Verfallsklausel führt. Der Verfall wurde wegen der Entgeltabrede vereinbart. Kein Verfall ohne Entgelt, weil nur der Anspruch auf dieses verfallen kann.

Die offene Frage, die nach Normzweck und hypothetischem Parteiwillen (siehe Rebhahn, aaO §§ 861–864a Rz 36) zu entscheiden ist, ist demnach, was an die Stelle der nichtigen Verfallsklausel tritt. Die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 1486 Z 5 ABGB) oder dieselbe Regelung wieder? Rein nach dem hypothetischen Parteiwillen wäre iSd OGH von einem Ersatz der Verfallsklausel durch eben dieselbe Regelung auszugehen. Im Wissen um die Nichtigkeit der Entgeltabrede wegen Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses hätten die Parteien für die Ansprüche aus diesem wohl dieselbe Verfallsklausel vereinbart. Diesem Ergebnis könnte allerdings der Verbotszweck, gerade auch im Zusammenhang mit § 879 Abs 3 ABGB, entgegenstehen. Zwingende AN-Ansprüche können durch Vereinbarung nicht abbedungen werden. Die Erschwernis der Anspruchsdurchsetzung durch eine kurze Verfallsfrist kann im Ergebnis dasselbe wie dieses Abdingen bewirken, nämlich den Anspruchsverlust. Hier wird dies verstärkt durch das allfällige Nichtwissen der AN um ihre Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis. Bedenkt man zusätzlich, dass bei verbotenen Klauseln in vorformulierten Verträgen (§ 879 Abs 3 ABGB; siehe dazu unten) richtigerweise vom gänzlichen Klauselentfall auszugehen sein wird (siehe Rebhahn/Kietaibl in ZellKomm2 § 879 ABGB Rz 79), spricht der Verbotszweck jedenfalls bei Unkenntnis der AN vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses und bei einem von AG-Seite vorformulierten „freien Dienstvertrag“ eindeutig gegen eine Berücksichtigung dieses hypothetischen Parteienwillens. Eine anwendbare Verfallsbestimmung hätte es dann nicht gegeben.

Im gegenständlichen Fall fehlt es an Feststellungen darüber, ob die AN ursprünglich vom Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses ausgegangen ist oder allenfalls von Anfang an gewusst hat, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt. Sollte sie – was wohl eher anzunehmen sein wird – auf das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses vertraut haben, dann ist die Anwendung der Verfallsklausel auf ihre AN-Ansprüche selbst dann problematisch, wenn man mit dem OGH Verfallsklauseln für zwingende AN-Ansprüche als zulässig ansieht (siehe dazu 1.) und die Verfallsklausel nicht als (mit) nichtig betrachtet. Denn mangels Kenntnis vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses konnte die AN gar nichts von den ihr aus dem Arbeitsverhältnis zustehenden Ansprüchen wissen. Zwar kommt es zur Verjährung von AN-Ansprüchen gem § 1486 Z 5 ABGB und zum Verfall von solchen unabhängig von der Kenntnis der AN von ihren Ansprüchen. Jedenfalls dann, wenn – wozu es ebenfalls an Feststellungen fehlt – der AG gewusst haben sollte, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, wäre jedoch sein Verfallseinwand iSd sonstigen Judikatur des OGH zu Verfallsklauseln (siehe die Nachweise bei Maier/Thöny, Verfall und Verjährung im Arbeitsrecht [2011] 133 f; allgemein Vollmaier, aaO § 1501 Rz 14 mwN) rechtsmissbräuchlich bzw treuwidrig gewesen. Mit einer AN im Wissen um die richtige Qualifikation als Arbeitsverhältnis ein freies Dienstverhältnis abzuschließen und sich dann gegen die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis auf die Verfallsklausel zu berufen, kann nicht anders qualifiziert werden. Ein solcher AG nützt den von ihm selbst (durch Vorlage eines freien Dienstvertrages) herbeigeführten Irrtum der AN zu seinem (noch dazu unverhältnismäßigen, betrachtet man die Höhe der klagsweise geltend gemachten Ansprüche) Vorteil aus. In der Unterlassung eines entsprechenden Vorbringens durch die Vertretung der AN werden die zu dieser Thematik fehlenden Feststellungen begründet sein.

Sollte es sich um einen von AG-Seite vorformulierten „freien Dienstvertrag“ gehandelt haben, wäre die Verfallsklausel auch als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und damit schon deshalb als nichtig zu qualifizieren. Der Verfall legt keine der beiderseitigen Hauptpflichten, nämlich die Entgeltzahlungspflicht, fest. Es geht, wie der OGH zur Frage der Zulässigkeit des Verfalls zwingender AN-Ansprüche (dort) unzutreffend argumentiert, nur um die Geltendmachung und nicht um das Entgelt selbst. Gerade im Zusammenhang mit den sich bei richtiger rechtlicher Einordnung ergebenden AN-Ansprüchen ist die Verkürzung der zur Verfügung stehenden gesetzlichen dreijährigen Klagsfrist auf eine bloß dreimonatige Geltendmachungsfrist, verbunden mit einer sechsmonatigen Klagsfrist, ohne Zweifel gröblich benachteiligend. (Zur allgemeinen Anwendbarkeit des § 879 Abs 3 ABGB auf Arbeitsverträge siehe insb Rebhahn/Kietaibl, aaO § 879 ABGB Rz 60 ff.) Auch hier wird es an einem entsprechenden Vorbringen auf Seiten der AN gefehlt haben. Die Nichtigkeit gem § 879 Abs 3 ABGB ist nur über Einwendung wahrzunehmen (siehe nur Apathy/Riedler in

Schwimann
, ABGB IV3 § 879 Rz 34 mwN).245