36Insolvenz-Entgelt für Leistungen aus einem Sozialplan
Insolvenz-Entgelt für Leistungen aus einem Sozialplan
Eine in einem Sozialplan als erzwingbare BV festgelegte Leistung gewinnt nicht den Charakter einer gesetzlichen Leistung (zB einer gesicherten gesetzlichen Abfertigung), sie ist aber auch keine freiwillige Leistung. Dienen die im Sozialplan vorgesehenen Leistungen der Verhinderung, Beseitigung bzw Milderung der Folgen der intendierten Betriebsänderung und sollten aufgrund der sozial orientierten Auszahlungskriterien in Verfolgung des Fürsorgeprinzips die sozialen Nachteile der durch den Arbeitsplatzverlust besonders betroffenen AN entschärft werden, können diese Leistungen nach dem IESG gesichert sein.
Der Abschluss eines Sozialplans stellt ein Rechtsgeschäft dar, das bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einer Gläubigeranfechtung ausgesetzt sein kann. Grundsätzlich haben alle verwirklichten Anfechtungstatbestände nach der IO (KO) den Verlust des gesicherten Anspruchs nach § 1 Abs 2 IESG zur Folge.
Ob ein Anfechtungstatbestand vorliegt, ist nicht von Amts wegen zu prüfen. Die Behauptungs- und Beweislast für den Anfechtungstatbestand trifft allgemein den Insolvenzverwalter und im IESG-Verfahren die sich darauf stützende Bekl.
Werden in einem Sozialplan angesichts der sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit des AG den ausscheidenden AN ungebührliche Leistungen deshalb zugebilligt, weil damit ein Dritter belastet werden soll, so ist er zudem mit Nichtigkeit bedroht.
Die Kl war vom 2.1.2006 bis 1.4.2007 bei der späteren Schuldnerin als Arbeiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch DG-Kündigung.
Ab dem Jahr 2003 geriet die spätere Schuldnerin in finanzielle Schwierigkeiten. Ende des Jahres 2005 kam es zu einem Eigentümerwechsel. Der neue Eigentümer bemühte sich um die Sanierung des Unternehmens. Zu diesem Zweck wurde ein Sanierungs- und Finanzierungskonzept aufgestellt, aufgrund dessen für 2007 ein ausgeglichenes Ergebnis sowie für die Jahre 2008 und 2009 ein Gewinn prognostiziert war. Nach diesem Konzept sollte ein Unternehmensbereich geschlossen werden. Zudem sollte es zu einer Personalreduktion von 40 AN kommen. Laut Prüfbericht der Wirtschaftsprüfer für das Jahr 2006 stellte sich das Vorhaben aufgrund der geplanten Maßnahmen als machbar dar. Seitens der Bank waren zwei Tranchen in Höhe von 500.000 € vorgesehen. Die erste Tranche wurde im Juli 2007 ausgezahlt. Die zweite Tranche, die für Ende 2007 geplant war, floss aufgrund eines Eigentümer- und Vorstandswechsels bei der Bank allerdings nicht mehr. In der Folge kam es zu Zahlungsstockungen. Mit Beschluss vom 3.1.2008 wurde über das Vermögen der Gesellschaft schließlich das Konkursverfahren eröffnet.
Der BR wurde nach dem Eigentümerwechsel im Jahr 2005 gegründet. Über Initiative des BR wurde am 16.4.2007 betreffend die 40 ausgeschiedenen AN ein Sozialplan abgeschlossen. Dieser sah einen zur Verfügung stehenden Pauschalbetrag in Höhe von 20.000 € vor, der unter den betroffenen AN nach sozialen Kriterien aufgeteilt werden sollte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der BV über den Sozialplan hatte es der BR nicht für möglich gehalten, dass eine Insolvenz eintreten werde. Für ihn kam die Ankündigung des Konkurses überraschend.
Die Kl begehrte Insolvenz-Entgelt für ihren Anspruch aus dem Sozialplan. Mit Bescheid vom 1.4.2008 lehnte die Bekl diesen Antrag ab.
Im vorliegenden Verfahren begehrte die Kl die Zahlung von (eingeschränkt) 367,05 € sA. Der Sozialplan habe dazu gedient, den ausgeschiedenen AN entstehende Nachteile auszugleichen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans sei eine allfällige Benachteiligung anderer Gläubiger nicht erkennbar gewesen. Zwischen dem Abschluss der BV und der Konkurseröffnung seien achteinhalb Monate gelegen. Selbst im November 2007 habe noch die reelle Chance auf die Sanierung des Unternehmens bestanden. Die auf einer gültigen BV beruhende Klagsforderung stelle einen Entgeltanspruch dar und sei daher nach dem IESG gesichert.
Die Bekl entgegnete, dass der Sozialplan eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger darstelle. Außerdem dienten die vorgesehenen Leistungen ähnlich wie eine freiwillige Abfertigung oder eine außerordentliche Abstandszahlung nicht dem Gesetzeszweck des IESG, der in der Existenzsicherung bestehe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (im zweiten Rechtsgang neuerlich) statt. [...]
Das Berufungsgericht bestätigte diese E. [...] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob Ansprüche auf Auszahlungen im Rahmen von Sozialplänen gesicherte Ansprüche iSd § 1 Abs 2 IESG sein können, höchstgerichtliche Rsp fehle.
Gegen diese E richtet sich die Revision der Bekl, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Kl, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zur Sicherungsfähigkeit von Ansprüchen, die in einem Sozialplan vorgesehen sind, eine Klarstellung durch das Höchstgericht geboten erscheint. Die Revision der Bekl ist aber nicht berechtigt.
1.1 Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass einer freiwilligen Abfertigung in Bezug auf die Sicherungsfähigkeit nach dem IESG eine Sonderstellung zukommt. Der Grund dafür besteht in einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Gem § 1 Abs 4a IESG ist nur eine gesetzliche Abfertigung in dem in dieser Bestimmung genannten Ausmaß gesichert (8 ObS 113/98w). Folgerichtig sind auch Ansprüche auf eine zusätzliche Abfertigung, die den AN in einem Sozialplan zuerkannt werden, nicht gesichert (vgl346 9 ObS 6/90 = RIS-Justiz RS0051207; 8 ObS 7/08z). Daraus kann aber gerade nicht der allgemeine Schluss gezogen werden, dass für Ansprüche aus einem Sozialplan generell kein Insolvenz-Entgelt zustehe.
1.2 Eine in einem Sozialplan als (hier erzwingbare) BV festgelegte Leistung gewinnt freilich nicht den Charakter einer gesetzlichen Leistung (zB einer gesicherten gesetzlichen Abfertigung), sie kann aber auch keineswegs als freiwillig angesehen werden (vgl 8 ObS 293/01y). Damit schlägt die Überlegung fehl, dass jede in einem Sozialplan vorgesehene Leistung von vornherein ungesichert sei, weil es sich dabei um eine „freiwillige Leistung“ handle. Es erweisen sich daher die Überlegungen des Berufungsgerichts als zutreffend, wonach aufgrund der gesetzlichen Sonderregelung für gesetzliche Abfertigungsansprüche zu klären ist, ob der in einem Sozialplan vorgesehene Anspruch inhaltlich einen abfertigungsgleichen Anspruch darstellt.
1.3 Diese Frage ist im Anlassfall mit dem Berufungsgericht zu verneinen. Die im Sozialplan vorgesehenen Maßnahmen dienten zur Verhinderung, Beseitigung bzw Milderung der Folgen der intendierten Betriebsänderung. Mit dem zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Pauschalbetrag sollten aufgrund der sozial orientierten Auszahlungskriterien in Verfolgung des Fürsorgeprinzips die sozialen Nachteile der durch den Arbeitsplatzverlust besonders betroffenen AN entschärft werden. Der Sozialplan diente dazu, die Personalreduktion sowie die Schließung eines Unternehmensbereichs durchzusetzen, um die beabsichtigte Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen (8 ObS 3/95). Da somit der Fürsorgecharakter im Vordergrund stand, sind die im Sozialplan festgelegten Ansprüche nicht als mit einer freiwilligen Abfertigung vergleichbare Abgangsentschädigung anzusehen. Sie unterscheiden sich von den den Beschränkungen des § 1 Abs 4 lit a IESG unterliegenden Abfertigungen nicht nur in der Funktion, sondern auch in den Berechnungskriterien und kommen auch in der absoluten Höhe nicht an diese heran.
1.4 Die Konsequenz, dass Ansprüche aus einem Sozialplan als freiwillige Leistungen generell nicht gesichert seien, wird auch von Liebeg (IESG3 § 1 Rz 479 und 482) nicht vertreten. Vielmehr weist er (nur) da rauf hin, dass eine BV (Sozialplan) ein Vertrag sei, auf den – neben den besonderen Vorschriften des ArbVG über den Abschluss und den zulässigen Inhalt – die Bestimmungen des ABGB und der KO (IO) anzuwenden seien. Werde sie in statu cridae abgeschlossen, liege ein gegen die Interessen der übrigen Gläubiger verstoßendes nachteiliges Rechtsgeschäft vor, das nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO (IO) anfechtbar sei. Sozialpläne, die den AN lediglich deshalb ungebührliche Leistungen zubilligen würden, weil diese ohnehin der Fonds zahle und damit lediglich der Chance wegen abgeschlossen würden, einen Dritten zu belasten, seien nichtig iSd § 879 ABGB.
2.1 Es entspricht der Rsp, dass durch einen Sozialplan neu geschaffene AN-Ansprüche keine insolvenzrechtliche Sonderstellung genießen, weder bei der Geltendmachung gegenüber dem Insolvenz-Entgelt-Fonds noch bei der Geltendmachung im Insolvenzverfahren. Dies bedeutet aber nur, dass der Abschluss eines Sozialplans ein Rechtsgeschäft darstellt, das bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einer Gläubigeranfechtung ausgesetzt sein kann. Kommen also die Betriebspartner angesichts einer sich bereits abzeichnenden Insolvenz des Betriebsinhabers noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens überein, zu Gunsten der AN einen großzügigen Sozialplan zu vereinbaren, um ihnen im erwarteten Insolvenzverfahren eine möglichst gute Position zu verschaffen, so kann der Insolvenzverwalter in diesem Vorgehen eine gezielte Benachteiligung der Interessen aller Gläubiger sehen und den Sozialplan nach allgemeinen Grundsätzen anfechten. Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Vertragspartner des Schuldners die Zahlungsunfähigkeit bzw die Benachteiligungsabsicht bekannt war oder bekannt sein musste, ist auf die Kenntnis bzw das Kennenmüssen der Mitglieder des BR abzustellen (9 ObS 6/90 = RIS-Justiz RS0051207; Reissner in ZellKomm2 §§ 75–78a Rz 5; vgl auch RIS-Justiz RS0050972).
2.2 Bei Beurteilung des von der Bekl geltend gemachten Anfechtungstatbestands der Benachteiligungsabsicht nach § 28 Z 2 KO (IO) sind die Vorinstanzen von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Ob dem Anfechtungsgegner eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners hätte auffallen müssen, hängt im Allgemeinen von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0101976). Eine Benachteiligungsabsicht musste dann bekannt gewesen sein, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung beruhte (RIS-Justiz RS0050580 [T4]).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Vorinstanzen zutreffend verneint. Nach dem Wissensstand (der Mitglieder) des BR sollte das Unternehmen saniert und diesem vom neuen Eigentümer Geld zugeführt werden. Das Sanierungs- und Finanzierungskonzept sollte aufgrund der starken Marktposition des Unternehmens im Jahr 2007 zu einem ausgeglichenen Ergebnis führen, wobei die Wirtschaftsprüfer im Jahr 2006 davon ausgingen, dass dieses Vorhaben machbar ist. Für die Jahre 2008 und 2009 war sogar ein Gewinn prognostiziert. Ende 2007 sollte die zweite Tranche der geplanten „Finanzspritze“ der Bank von 500.000 € erfolgen, die aufgrund eines Eigentümer- und Vorstandswechsels bei der Bank jedoch nicht mehr ausbezahlt wurde. Erst im November 2007 bestanden die Zahlungsstockungen. Der Konkurs kam für den BR überraschend. Zum maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans hatte der BR eine Insolvenz nicht für möglich gehalten. Die Bekl kann dem BR nicht berechtigt vorwerfen, er habe fahrlässig die Augen verschlossen. Sie übersieht zudem, dass der BR erst nach dem Eigentümerwechsel Ende des Jahres 2005 gegründet wurde.
3.1 Auch dann, wenn eine anfechtbare Rechtshandlung nicht vorliegt, werden Sozialpläne in der Rsp mitunter als nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB beurteilt, wenn sie angesichts der sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit des AG den ausscheidenden AN ungebührliche Zusatzleistungen lediglich deshalb zubilligen, weil diese ohnedies der Fonds bezahlt (8 ObS 14/06a; 8 ObS 14/07b).347
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der in Form einer erzwingbaren BV abgeschlossene Sozialplan gerade jenes Instrument darstellt, das der Gesetzgeber den Betriebspartnern zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen von Betriebsänderungen iSd § 109 Abs 1 ArbVG, die den AN wesentliche Nachteile bringen, bewusst in die Hand gegeben hat. Es ist daher im Einzelfall genau zu prüfen, ob die Betriebspartner missbräuchlich agiert haben (vgl Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz 172 und 197; Reissner in ZellKomm2 §§ 75–78a IO Rz 5).
3.2 Davon, dass die Betriebspartner im Anlassfall missbräuchlich agiert und den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen AN ungebührliche Leistungen lediglich deshalb zugebilligt hätten, weil ein Dritter (der Fonds) damit belastet werden sollte, kann keine Rede sein. Nach den Feststellungen bestand die Intention des Sozialplans im Gesundschrumpfen des Unternehmens, um dessen Weiterbestand zu garantieren. Die Personalreduktion und die Schließung eines Unternehmensbereichs waren Bestandteil des erfolgversprechenden Sanierungskonzepts.
4.1 Entgegen der Ansicht der Bekl lässt sich auch aus dem Zweck des IESG kein Anspruchsausschluss bzw keine Anspruchsbegrenzung für die von der Kl geltend gemachten Ansprüche ableiten. Der Zweck des IESG besteht in einer sozialversicherungsrechtlichen Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von AN im Fall der Insolvenz des AG. Versichertes Risiko ist im Kernbereich die von den AN typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlusts ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (8 ObS 42/95; 8 ObS 133/99p).
4.2 Mit den sozial orientierten Kriterien für die Auszahlung des zur Verfügung stehenden Pauschalbetrags (Alleinverdiener bzw Alleinerzieher, Anzahl der Kinder) sollte im Anlassfall den besonderen Härtefällen unter den ausgeschiedenen Mitarbeitern Rechnung getragen werden. Es handelte sich somit durchaus um Ansprüche, auf die die begünstigten AN typischerweise angewiesen waren.
5. Richtig ist, dass im Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen nach dem IESG die Verjährung und der Verfall von Ansprüchen auch ohne darauf abzielende Einwendungen wahrzunehmen sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass gem § 1 Abs 2 IESG nur jene Ansprüche gesichert sind, die aufrecht, nicht verjährt und nicht ausgeschlossen sind. Dabei handelt es sich nach stRsp um von Amts wegen zu prüfende Anspruchsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0076711; 8 ObS 9/03m; 8 ObS 14/07b).
Anderes gilt hingegen für die Wahrnehmung eines Anfechtungstatbestands. Gem § 1 Abs 3 Z 1 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt nicht für Ansprüche, die durch eine iSd AO bzw der IO (KO) anfechtbare Rechtshandlung erworben wurden. Damit haben grundsätzlich alle (verwirklichten) Anfechtungstatbestände nach der IO (KO) den Verlust des gesicherten Anspruchs nach § 1 Abs 2 IESG zur Folge. Wurde darüber, ob ein Anspruch aufgrund einer anfechtbaren Rechtshandlung erworben wurde, mangels Klage oder Einwendung durch den Insolvenzverwalter noch nicht rechtskräftig entschieden, so ist diese Frage im Verfahren nach dem IESG selbständig zu prüfen (9 ObS 6/90). Die Behauptungs- und Beweislast für den Anfechtungstatbestand trifft allgemein den Insolvenzverwalter und im IESG-Verfahren die sich darauf stützende Bekl.
Daraus folgt, dass entgegen den Ausführungen der Bekl der erstmals in der Revision angesprochene Anfechtungstatbestand des § 29 Z 1 IO nicht mehr in das Verfahren eingeführt werden kann.
6.1 Zusammenfassend ergibt sich:
Eine in einem Sozialplan als (hier erzwingbare) BV festgelegte Leistung gewinnt nicht den Charakter einer gesetzlichen Leistung, sie ist aber auch keine freiwillige Leistung. Der Abschluss eines Sozialplans stellt ein Rechtsgeschäft dar, das bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einer Gläubigeranfechtung ausgesetzt sein kann. Grundsätzlich haben alle verwirklichten Anfechtungstatbestände nach der KO (IO) den Verlust des gesicherten Anspruchs nach § 1 Abs 2 IESG zur Folge. Werden in einem Sozialplan angesichts der sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit des AG den ausscheidenden AN ungebührliche Leistungen deshalb zugebilligt, weil damit ein Dritter belastet werden soll, so ist er zudem mit Nichtigkeit bedroht.
6.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang. Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprüche aus dem Sozialplan nicht gegenüber dem früheren AG zugestanden wären, haben sich nicht ergeben; Derartiges wurde auch nicht behauptet. Der Revision der Bekl war daher der Erfolg zu versagen. [...]
Der vorliegenden E ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zuzustimmen. Das Höchstgericht hat in einer der wenigen Entscheidungen zur Insolvenzsicherung von AN-Ansprüchen im Rahmen eines Sozialplanes iSd § 109 ArbVG klargestellt, dass solche per se nicht von der Sicherung nach dem IESG ausgeschlossen sind. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, welche Art(en) von Leistungen in welchem Ausmaß und zu welchem Zeitpunkt von den Betriebspartnern den AN zugesichert werden. MaW: Sind dies Leistungen, die im Hinblick auf die notwendige Sanierung/Betriebsänderung erforderlich waren und zu einem Zeitpunkt vereinbart wurden, als eine Insolvenz noch nicht vorhersehbar war, oder wurden diese nur deshalb den AN zugesichert, weil letzten Endes ein Dritter, nämlich der Insolvenz-Entgelt-Fonds, zur Kasse gebeten wird?
Durch einen Sozialplan neu geschaffene AN-Ansprüche genießen keine insolvenz(entgelt)rechtliche Sonderstellung (OGH9 ObS 6, 7/90ZAS 1991/15, 169 [Klicka] = ARD 4239/20/91 = RdW 1991, 151 = infas348 1990 A 119 = DRdA 1990, 470 = ecolex 1990, 632 = EvBl 1991/4 = wbl 1990, 305). Folglich kommt auch eine Sicherung nach dem IESG nur dann in Betracht, wenn diese iSd taxativen Aufzählung in § 1 Abs 2 IESG als gesicherte Ansprüche zu qualifizieren sind.
Im gegenständlichen Sozialplan wurde ein Pauschalbetrag von € 20.000,– für 40 bereits ausgeschiedene Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Das Gericht hatte daher zu beurteilen, ob es sich bei diesem Anspruch um eine freiwillige Abfertigung bzw Abgangsentschädigung handelt, für die kein Insolvenz-Entgelt gebührt (vgl OGH9 ObS 6, 7/90ZAS 1991/15, 169 [Klicka] = ARD 4239/20/91 = RdW 1991, 151 = infas 1990 A 119 = DRdA 1990, 470 = ecolex 1990, 632 = EvBl 1991/4 = wbl 1990, 305; OGH8 ObS 2/10tArb 12.895 = wbl 2010/241, 641 = ZIK 2010/297, 195 = ARD 6069/6/2010 = SSV-NF 24/32), oder ob er als ein iSd IESG gesicherter Entgeltanspruch zu qualifizieren sei. Der OGH hatte in Zustimmung der E der Vorinstanzen letzteres bestätigt.
Hintergrund des von der Kl geltend gemachten Anspruchs war – wie die Vorinstanzen feststellten – die Abfederung der sozialen Nachteile aus der notwendigerweise durchgeführten Personalstandsreduktion. Die „Zuteilung“ der Zahlungen an die einzelnen Mitarbeiter erfolgte nach sozialen Kriterien in Verfolgung des Fürsorgeprinzips, wie etwa nach Anzahl der Kinder, Alleinverdiener-/-erzieher-Eigenschaft.
Damit war der an die einzelnen Mitarbeiter zugesicherte Anspruch weder in seiner Funktion noch in den Berechnungsgrundlagen und in der absoluten Höhe mit einer Abfertigung/Abgangsentschädigung vergleichbar und damit grundsätzlich vom Schutzbereich des IESG umfasst.
Das IESG selbst sieht dezidiert aus unterschiedlichen Motiven den Ausschluss der Insolvenzentgeltsicherung vor (§ 1 Abs 3). Im gegenständlichen Verfahren wurde der Ausschlussgrund des § 1 Abs 3 Z 1 IESG von der Bekl eingewendet. Neben diesen im IESG normierten Ausschlussgründen werden von Rsp und Lehre auch andere Ausschlussgründe, insb aus dem Zivilrecht (§ 879 ABGB) und dem Zweck des IESG, herangezogen.
Gem § 1 Abs 3 Z 1 IESG gebührt kein Insolvenz-Entgelt für gesicherte Ansprüche, wenn diese durch eine iSd AnfO bzw der IO anfechtbare Rechtshandlung erworben wurden. Damit sollten missbräuchliche Vereinbarungen zu Gunsten von AN im Hinblick auf die bevorstehende Insolvenz und die Ausfallshaftung des Insolvenz-Entgelt-Fonds verhindert werden (vgl Thunhart, Missbrauchsfälle im IESG, DRdA 2000, 480).
Die IO sieht vier Anfechtungstatbestände vor: die Absichtsanfechtung (§ 28), die Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit (§ 29), die Begünstigungsanfechtung (§ 30) und die Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nach § 31 (weiterführend siehe Mohr, Insolvenzordnung11 [2012] §§ 28 ff IO).
Für den Ausschluss der Insolvenzsicherung ist nicht erforderlich, dass tatsächlich eine Anfechtung iSd G erfolgt ist. Es genügt vielmehr die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung, die das Gericht selbstständig prüfen kann (vgl OGH9 ObS 19/89ZAS 1991/14,165 [Rechberger] = SZ 62/182 = ecolex 1990, 105 = RdW 1990, 124; Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4 [1999] 169; siehe zu den verfahrensrechtlichen Besonderheiten unten 3.).
Im konkreten Verfahren wurde das Vorliegen des Anfechtungstatbestandes der Absichtsanfechtung nach § 28 Z 2 IO eingewendet. Demnach sind alle Rechtshandlungen anfechtbar, durch welche Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden und die er in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, wenn dem anderen Teil die Benachteiligungsabsicht bekannt sein musste. Als anfechtbare Rechtshandlung wurde nach der Rsp auch der Abschluss eines Sozialplanes anerkannt (OGH9 ObS 6, 7/90ZAS 1991/15, 169 [Klicka] = ARD 4239/20/91 = RdW 1991, 151 = infas 1990 A 119 = DRdA 1990, 470 = ecolex 1990, 632 = EvBl 1991/4 = wbl 1990, 305; Krejci, Über Regelungszweck, Abschlußvoraussetzungen und Konstruktionsprobleme des Sozialplanes, in FS Floretta [1983] 561). Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung ist, dass diese befriedigungstauglich ist und der Schuldner in Benachteiligungsabsicht diese Rechtshandlung gesetzt hat. Befriedigungstauglichkeit liegt vor, wenn die Anfechtung den Gläubigern zumindest eine teilweise Befriedigung ihrer Forderungen ermöglicht (Rebernig in
Das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen des Sozialplanes wurde in concreto zu Recht verneint. Der Sozialplan wurde zu einem Zeitpunkt abgeschlossen (April 2007), als noch die externen Wirtschaftsprüfer eine erfolgreiche Sanierung für möglich gehalten haben. Erst als Ende 2007 die zweite Tranche der geplanten Finanzspritze aufgrund eines Eigentümerwechsels bei der Bank nicht mehr ausgezahlt wurde, kam es zu Zahlungsstockungen und schließlich achteinhalb Monate nach dem Abschluss des Sozialplanes zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Neben den im IESG ausdrücklich normierten Ausschlussgründen kann sich ein Sicherungsausschluss349 auch aus den allgemeinen zivilrechtlichen Schranken (§ 879 Abs 1 ABGB) oder aus dem Zweck des IESG ergeben.
Wird iS einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung (eines Sozialplanes) das Ziel verfolgt, letztendlich nicht den AG, sondern den Insolvenz-Entgelt-Fonds zu belasten, so ist ein daraus resultierender Anspruch nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig (OGH9 Ob 902/88Arb 10.759 = SZ 61/249 = EvBl 1989/67 = RdW 1989, 138; siehe dazu auch Mitter, OGH: Sozialplan bei drohender Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens,
ff; vgl auch VwGH82/11/0387RdW 1986, 120). Im Einzelfall ist damit zu prüfen, ob die Betriebspartner missbräuchlich agiert haben, was im konkreten Anlassfall zu Recht verneint wurde.Unter Hinweis auf die Existenzsicherungsfunktion des IESG wurde auch der Einwand der Bekl, dass daraus ein Sicherungsausschluss abzuleiten sei, vom Höchstgericht abgewiesen.
Ein allfälliger Anspruchsausschluss aufgrund Verjährung oder Verfall ist von Amts wegen – auch ohne entsprechende Einwendung – wahrzunehmen (OGH RIS-Justiz RS0076711).
Anders verhält es sich im Falle des Vorliegens eines Anfechtungstatbestandes nach der IO. Wurde darüber, ob ein Anspruch aufgrund einer anfechtbaren Rechtshandlung erworben wurde, mangels Klage oder Einwendung durch den Insolvenzverwalter noch nicht rechtskräftig entschieden, so ist diese Frage im Verfahren nach dem IESG von der jeweiligen Geschäftsstelle der IEF-Service GmbH bzw in der Folge vom zuständigen ASG selbstständig zu prüfen (OGH9 ObS 6, 7/90ZAS 1991/15, 169 [Klicka] = ARD 4239/20/91 = RdW 1991, 151 = infas 1990 A 119 = DRdA 1990, 470 = ecolex 1990, 632 = EvBl 1991/4 = wbl 1990, 305; OGH9 ObS 19/89ZAS 1991/14, 165 [Rechberger] = SZ 62/182 = ecolex 1990, 105 = RdW 1990, 124; vgl Liebeg, IESG3 [2007] § 7 IESG Rz 8 f). Die Behauptungs- und Beweislast trifft im Verfahren nach dem IESG die IEF-Service GmbH als Bekl.
Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch das Gericht auszusetzen, wenn die Frage der Anfechtung schon Gegenstand eines anhängigen Verfahrens ist oder ein solches Anfechtungsverfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird (§ 38 AVG).
Wurde bereits über die Anfechtbarkeit der konkreten Rechtshandlung rechtswirksam entschieden, so ist gem § 7 Abs 1 IESG die Geschäftsstelle bzw das ASG an die hierüber ergangene gerichtliche E gebunden (OGH9 ObS 19/89ZAS 1991/14, 165 [Rechberger] = SZ 62/182 = ecolex 1990, 105 = RdW 1990, 124).
In Sozialrechtsstreitigkeiten, zu denen auch das Verfahren nach dem IESG zählt (§ 65 Abs 1 Z 7 ASGG), gilt das Neuerungsverbot des § 482 ZPO. Damit können nachträglich – nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz – keine neuen Anfechtungstatbestände durch die bekl IEF-Service GmbH mehr „nachgeschossen“ werden (vgl Neumayr in ZellKomm2 § 90 ASGG Rz 1). Die Einwendung der Verwirklichung des Tatbestandes der Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit nach § 29 Z 1 IO durch die Bekl im Revisionsverfahren war daher zurückzuweisen.