Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg)ABGB – Klang-Kommentar – §§ 1151-1164a

3. Auflage, Verlag Österreich, Wien 2012
304 Seiten, kartoniert , € 78,–

KONRADGRILLBERGER (SALZBURG)

An Kommentaren zum ABGB herrscht kein Mangel. Demzufolge gibt es auch eine ganze Reihe von Bearbeitungen der Bestimmungen über den Dienstvertrag. Erinnert sei nur an den ABGB-ON-Kommentar, der von Kleteèka und Schauer 2010 herausgegeben wurde und an den Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht, der 2011 in 2. Auflage erschienen ist. Beide Werke enthalten auch sehr gründliche Bearbeitungen der einschlägigen Vorschriften des ABGB insb von Rebhahn, Neumayr und Reissner. Bei jeder weiteren Darstellung von ähnlichem Umfang steht ein Autor vor der Frage, wodurch sich sein Werk von den Vorgängern unterscheiden soll. Das Gleiche mit anderen Worten und in etwas anderer Systematik zu bringen, kann weder den Autor noch die Benützer des Kommentares befriedigen. Der vorliegende Band des Klang-Kommentars stammt zur Gänze von Walter Schrammel. Es handelt sich dabei nicht um eine Kommentierung im herkömmlichen Sinn, also um eine möglichst vollständige Verarbeitung der Judikatur und allenfalls einer davon abweichenden Literatur. Es überwiegt vielmehr der Charakter eines Lehrbuches zum Arbeitsvertragsrecht, das außerdem von den Vorlieben des Autors zu bestimmten Themen und Meinungen geprägt ist. Das hebt diese Kommentierung von den vorhandenen Werken deutlich ab. Einige Beispiele sollen diese Einschätzung illustrieren.

Zu § 1151, also zum Begriff des Dienstvertrages, wird von Schrammel die „fremdwirtschaftliche Zweckbestimmung der Dienstleistung“ als wesentliches Kriterium proklamiert. Verträge über Dienstleistungen sollen nur dann in den Anwendungsbereich des 26. Hauptstückes fallen, wenn sie fremdwirtschaftlich zweckbestimmt sind (§ 1151 Rz 8). Das habe praktische Bedeutung vor allem bei Tätigkeiten aus religiösen, karitativen oder sozialen Motiven, aber auch bei Tätigkeiten, die der eigenen Ausbildung dienen. Für die Anwendung von Arbeitsrecht soll es somit nicht nur auf die persönliche Abhängigkeit ankommen. Diese These wird auf eine Weise dargestellt, die bei einer wenig informierten Leserschaft den Eindruck erwecken muss, als sei sie allgemein akzeptierte Auffassung. Gegenstimmen (Risak, ZAS 1997, 17 f; Radner, DRdA 2011, 129 ff) werden ignoriert. Abgesehen davon fällt auf, dass in diesem Zusammenhang die Materialien zur III. Teilnovelle gar keine Rolle spielen, obwohl sie an anderen Stellen durchaus als Argument verwendet werden. Dass sie bei der Fremdnützigkeit keine Rolle spielen, dürfte aber kein Zufall sein. Denn die Absicht des historischen Gesetzgebers passt nicht zur Ansicht von Schrammel. Man hat nämlich beim Dienstvertrag ganz bewusst auf das Element der Entgeltlichkeit verzichtet, weil man auch Lehrlingsverträge und Volontariate erfassen wollte. Schrammel (Rz 11) benutzt zur Unterstützung auch die Judikatur des EuGH zu Art 45 AEUV. Das überzeugt ebenfalls nicht. Denn die Freizügigkeit soll einen europäischen Arbeitsmarkt bewirken. Das nationale Arbeitsrecht verfolgt dagegen andere Zwecke.

Die Darstellung der persönlichen Abhängigkeit folgt im Wesentlichen der Judikatur. Freilich taucht bei der Erörterung von Vereinbarungen, die einem Dienstleistenden das Recht zur Ablehnung von Diensten einräumen, wieder der Hinweis auf das Eigeninteresse des Dienstleistenden auf (§ 1151 Rz 36). Das soll ein Argument dafür sein, dass ein vertraglich eingeräumtes Ablehnungsrecht selbst dann die DN-Eigenschaft ausschließt, wenn die betreffende Person immer wieder tätig wird, weil sie eben einen Verdienst erzielen muss. Der Zweck von zwingendem Arbeitsrecht und die Problematik von Schein- und Umgehungsgeschäften kommen auch in diesem Zusammenhang nicht vor.

In § 1152 Rz 45 wird die Frage angesprochen, ob im Anwendungsbereich eines KollV Unentgeltlichkeit der Dienstleistung vereinbart werden kann. Schrammel wendet sich gegen Rebhahn (Zeller Kommentar) und meint, Kollektivverträge würden durch die Festlegung von Mindestentgelten die einzelvertragliche Vereinbarung von Unentgeltlichkeit nicht ausschließen, ja sie könnten es gar nicht. Wie man in diesem Zusammenhang auf die Vorstellung einer (unzulässigen) Abschlussnorm kommen kann, bleibt jedenfalls dem Rezensenten unklar. Auch sonst sind die Argumente wenig überzeugend. Der nächste Schritt wäre jedenfalls naheliegend: Wenn schon Unentgeltlichkeit vereinbart werden kann, dann muss doch auch eine Entlohnung unter dem KollV zulässig sein. Ausführungen zur Sittenwidrigkeit von Entgeltvereinbarungen hat der Rezensent nicht gefunden. Die Behandlung der Arbeitspflicht bringt die schon im Lehrbuch von Tomandl/Schrammel vertretenen Standpunkte, insb die These von der dynamischen Natur der Arbeitspflicht. Dass der AN schon bei Vorliegen wichtiger Gründe, die nicht näher erläutert werden, zur Leistung anderer Dienste verpflichtet sei (§ 1153 Rz 17), ist355 jedenfalls eine recht weitreichende These. Sie lässt sich auch nicht durch die dort angeführten zwei OGH-Urteile belegen.

Sehr ausführlich wird § 1155 erläutert. In Rz 35 findet sich zur Frage, ob eine Anrechnung des anderwertigen Verdienstes etc auch dann stattfinden soll, wenn den AG ein Verschulden am Unterbleiben der Dienstleistung trifft, eine andere Ansicht als im Lehrbuch von Schrammel. Eine entsprechende Anmerkung hätte nicht geschadet. Auch vermisst man eine Stellungnahme zur Problematik des Teilstreiks, obwohl eine entsprechende E des OGH durchaus vorkommt (Rz 7). Auf die dazu publizierten Besprechungen (Jabornegg, DRdA 2007, 111; Tomandl, ZAS 2006, 187 ff) findet sich kein Hinweis.

Sehr eingehend ist die Bearbeitung der Bestimmungen über die „Endigung des Dienstvertrages“ (§§ 1158 ff) ausgefallen. Das gilt zB für die Behandlung der befristeten Arbeitsverträge. Hier findet man eine Reihe von Anregungen zu Detailfragen, insb zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Befristung (§ 1158 Rz 5 ff), zur Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit von befristeten Arbeitsverträgen (§ 1158 Rz 15, 15) oder zum Verbot von Kettenverträgen. Auch das einschlägige europarechtliche Diskriminierungsverbot wird gebührend berücksichtigt. Die Sonderbestimmungen für befristete Arbeitsverträge, etwa im TAG und im ORF-Gesetz, werden ebenfalls erläutert. Die Ausführungen zur Kündigung (§ 1158 Rz 66 ff) folgen größtenteils der Judikatur. Eine Ausnahme davon macht die zutreffende Kritik an der Anwendung des Fristengleichheitsgebotes auch auf Arbeiter, die der GewO 1859 unterliegen (§§ 1159–1159c Rz 17-22). Auch bei den Folgen einer zeitwidrigen Kündigung vertritt Schrammel eine Gegenposition zur Rsp.

Die Kommentierung der vorzeitigen Auflösung behandelt ebenfalls alle praktisch bedeutsamen Fragestellungen. Vermisst hat der Rezensent allerdings eine Aussage zur Bewertung einer Streikteilnahme. Das trifft im Übrigen auch für die Kommentierung des § 1155 zu. Dagegen wird relativ umfangreich die rechtliche, auch betriebsverfassungsrechtliche Problematik von Disziplinarstrafen erörtert. Bei der Kommentierung der §§ 1162a-1162d mag vielleicht die ausführliche Kritik an der hA zur Wirkung unbegründeter vorzeitiger Auflösungen überraschen (Rz 4–19). Dieselbe Position findet sich freilich auch im Lehrbuch von Schrammel/Tomandl. Was die Wirkung des unbegründeten Antritts betrifft, hätte sich der Rezensent einen Hinweis auf die abweichende Ansicht in

Floretta/Spielbüchler/Strasser
, Arbeitsrecht I4 (1998) 420 und 160, gewünscht. Das hätte vielleicht die eigenen Argumente des Autors etwas relativiert.

Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass es Schrammel gelungen ist, die von ihm behandelten Probleme und seine eigenen Vorstellungen dazu sehr anschaulich darzustellen. Man kann in diesem Band auch zu manchen Fragen neue Sichtweisen finden. Für eine allfällige künftige Auflage wäre freilich etwas weniger Schrammel und mehr Berücksichtigung anderer Standpunkte wünschenswert.