StöckelDas Amt des Betriebsrats nach Umstrukturierungen

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2011
252 Seiten, broschiert, € 78,–

WALTERSCHRAMMEL (WIEN)

Veränderungen der betrieblichen Organisation können erhebliche Auswirkungen auf die im Betrieb errichteten Belegschaftsorgane haben. Auch die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft können durch Organisationsänderungen beeinträchtigt werden. Verliert der Betrieb in Folge einer Umstrukturierung seine bisherige Identität, erlischt das Amt des BR; Betriebsvereinbarungen gehen ihrer normativen Wirkung verlustig, wenn das sachliche Substrat, für das sie abgeschlossen wurden, nicht mehr vorhanden ist. Diese Probleme stellen sich sowohl im österreichischen Recht als auch im Recht der Bundesrepublik Deutschland. Die Arbeit von Lena Stöckel behandelt die deutsche Rechtslage, die Ergebnisse sind aber auch für das österreichische Arbeitsrecht von Bedeutung.

Zentrales Thema des Werkes ist die Lehre von der betrieblichen Identität. Stöckel diskutiert, welche Möglichkeiten bestehen, die betriebliche Identität zu bestimmen. Die Lehre von der betrieblichen Identität besagt, dass Änderungen in der betrieblichen Organisation nur dann Auswirkungen auf die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung haben, wenn sie die betriebliche Identität berühren, wobei allerdings nicht völlig klar ist, wie intensiv dieses „Berühren“ sein muss, damit von einem Verlust der Betriebsidentität gesprochen werden kann. Stöckel analysiert in der Folge sehr eingehend die von Lehre und Rsp zur Umschreibung der Betriebsidentität herangezogenen Kriterien. Sie unterscheidet dabei zu Recht zwischen der „Wahrung der Betriebsidentität“ als Voraussetzung für das Vorliegen eines Betriebsüberganges und der Betriebsidentität als Voraussetzung für den Fortbestand der Belegschaftsorgane. Das Betriebsverfassungsrecht will eine Beteiligung der AN an denjenigen Entscheidungen des Betriebsleiters sicherstellen, die das tägliche Arbeiten gestalten. Das Betriebsübergangsrecht will demgegenüber die Arbeitsverhältnisse im Falle eines Inhaberwechsels aufrechterhalten. Stöckel leitet daraus ab, dass die betriebsverfassungsrechtliche Identität nur dann erhalten bleibt, wenn auch die Repräsentationseinheit nach einer Umstrukturierung bestehen bleibt. Wenn eine Veränderung des Betriebes dazu führt, dass die sinnvolle Repräsentation der Belegschaft durch die Verknüpfung der AN-Vertretung mit dieser Einheit nicht mehr gewährleistet ist, muss auch die Bindung des BR an diesen Betrieb wegfallen. Auf dieser Basis kann Stöckel die bloße Änderung des Betriebsinhabers, aber auch Änderungen des Betriebszweckes als nicht oder wenig relevant für die Wahrung der Betriebsidentität identifizieren. Auch räumliche Veränderungen haben eine untergeordnete Bedeutung für die Wahrung der Betriebsidentität, sofern dadurch nicht die Zusammensetzung der Belegschaft völlig verändert wird. Der (weitgehend unveränderte) Fortbestand der Belegschaft hat für die Identitätswahrung großes Gewicht. Gleiches gilt für den Fortbestand der innerbetrieblichen Entscheidungsebenen. In die höchste Stufe reiht Stöckel das Merkmal des einheitlichen Leitungsapparates in personellen und sozialen Angelegenheiten ein. Bleibt dieser erhalten, bleibt auch die Identität des BR bestehen.

Die Arbeit von Stöckel hat die Kriterien des Betriebsbegriffes in besonderer Weise sichtbar gemacht. Stöckel überzeugt, wenn sie für eine funktionsgerechte Umschreibung des Begriffes der betrieblichen Identität plädiert und eine schematisierende Gleichsetzung für das Betriebsübergangsrecht einerseits und das Betriebsverfassungsrecht andererseits ablehnt. Das Werk wird auch von Arbeitsrechtsinteressierten in Österreich mit Gewinn gelesen werden.