Lenz/Borchardt (Hrsg)EU-Verträge – Kommentar – EUV, AEUV, GRCh

6. Auflage, Linde Verlag, Wien 2012
3.404 Seiten, gebunden, € 228,–

ALICEWAGNER (WIEN)

Der Lenz/Borchardt-Kommentar ist mittlerweile in 6. Auflage erschienen und im Vergleich zur letzten Auflage gleich um 500 Seiten angewachsen. Dies ist ua auf die nun inkludierte Kommentierung der Grundrechte-Charta (GRCh, Kommentatoren Hans-Michael Wolfgang und Pascal Schonard359) zurückzuführen. Dies sowie auch die Ergänzung der Protokolle zu den Verträgen komplettieren unzweifelhaft das Gesamtwerk und sind daher ein wichtiger Schritt. In der Kommentierung enthalten sind naturgemäß auch die wichtigen sozialen Grundrechte der GRCh, insb jene unter dem Titel der Solidarität genannte Rechte, wie das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der AN, das Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen, das Recht auf Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst, das Recht auf soziale Sicherheit und soziale Unterstützung oder der Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI). Während manch andere KommentatorInnen dem Zugang zu den DAWI den Grundrechtscharakter absprechen, und lediglich von einer Staatszielbestimmung in der GRCh sprechen (vgl etwa Schwarze, EU-Kommentar3 [2012]), folgen die Kommentatoren in Lenz/Borchardt dieser Auslegung nicht. Sie halten lediglich fest, dass durch Art 36 GRCh „den Grundrechtsadressaten [...] ein weiter Spielraum eingeräumt wird“. Jedoch erkennen die Kommentatoren in der in Art 36 GrCh gewählten Formulierung („im Einklang mit den Verträgen“) zukünftiges Potential: Die Bestimmung „könnte in Zukunft bei der Deregulierung der öffentlichen Daseinsvorsorge eine Rolle spielen und bei Privatisierungen die staatliche Respektierungs- in eine Schutzpflicht umwandeln, um so zu verhindern, dass der Staat sich seiner Verpflichtungen durch Privatisierung entzieht. Demnach wäre der Staat weiterhin für die Einhaltung von Qualitätsstandards in diesem Bereich zuständig.“

Neben der Neu-Kommentierung der GRCh ist ein anderer Schwerpunkt der aktuellen Auflage den Maßnahmen der EU-Krisenpolitik, insb den Regelungen des Six-Packs und dem Abkommen zum Fiskalpakt, gewidmet. Diese Auflage ist geeignet, um sich einen ersten Überblick über das neue EU-Recht zu verschaffen, eine tiefergehende, kritische Kommentierung unterbleibt aber. Insgesamt schafft Lenz/Borchardt eine kompakte, übersichtliche Darstellung des Europäischen Primärrechts und ermöglicht es PraktikerInnen, sich rasch einen Überblick über die Materie zu verschaffen. Wenn auf nationale Entwicklungen Bezug genommen wird, beziehen sich die Erläuterungen allerdings vorrangig auf das deutsche Recht. Dass neben der Papierversion auch eine Online-Version zur Verfügung stehen wird, welche auch aktuelle Entwicklungen insb aus der Rsp von EuGH und EuG miteinbeziehen kann, spricht ebenfalls für die aktuelle Auflage des Kommentars.