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Schichtarbeit, Zeitausgleich und Arbeit auf Abruf

RENÉSCHINDLER (WIEN)
  1. Enthalten weder der KollV noch die BV Regeln betreffend den Abbau erwirtschafteter Zeitguthaben (an Normalarbeitszeit), ist dafür eine Vereinbarung zwischen AG und AN nötig. Redliche Vertragsparteien haben sich um einen raschen und regelmäßigen Verbrauch zu bemühen.

  2. Der Nichtabruf der Arbeitsleistung für einen im Schichtplan bereits bekanntgegebenen Zeitraum („Ablöserschichten“) ist keine Änderung der Lage der Normalarbeitszeit.

  3. Wurde die Normalarbeitszeit gänzlich bezahlt, kann es keinen Anspruch auf Entgelt für weitere Normal-Arbeitsstunden geben.

Der Kl ist [...] bei der Bekl als Zugbegleiter für 40 Stunden pro Woche beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis finden der KollV zur Regelung der Arbeitszeit für Mitarbeiter der ÖBB (idF: KollV), die zwischen der Bekl und ihrem Zentralbetriebsrat (ZBR) am 12.10.2007 abgeschlossene BV über die Verteilung der Plan- und Ablöserschichten (Dummy-Schichten) innerhalb der Schichtenfolge sowie die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) Anwendung.

Der Kl war für den 10., 11., 12. und 22.2.2010 für Dummy-Schichten eingeteilt. Bei diesen handelt es sich um Ablöserschichten, mit denen die Mehr- und Minderleistungen der Mitarbeiter ausgeglichen werden sollen. Die genannte BV beinhaltet dementsprechend als ausdrückliches Ziel, Planpersonal und Ablösepersonal in Schichtenfolgen zusammenzuführen, um eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit und damit eine Gleichbehandlung aller Mitarbeiter sicherzustellen.

Eine Dummy-Schicht unterscheidet sich von einer Normalschicht dadurch, dass bei der Normalschicht eine konkrete Diensteinteilung mit einer für den AN ersichtlichen konkreten Dienstverwendung vorliegt, während bei einer Dummy-Schicht der AN zwar Dienstbeginn und -ende kennt, nicht aber, welche Arbeiten er zu verrichten haben wird. Für das Fahrpersonal werden Dummy-Schichten mit 6:40 Stunden im Durchrechnungszeitraum hinterlegt.

Die Planung der Dummy-Schichten erfolgt für einen Zeitraum von acht Wochen. 14 Tage vor Beginn des achtwöchigen Durchrechnungszeitraums erhalten die AN einen Plan über ihre Verwendung. Wird der AN während einer Dummy-Schicht zu einer Arbeitsleistung herangezogen und dauert diese länger als 6:40 Stunden, dann wird die Mehrleistung entsprechend abgegolten. Ohne die Dummy-Schichten käme ein AN in einem Durchrechnungszeitraum von acht306 Wochen nicht auf die erforderlichen 40 Stunden pro Woche. Zeitguthaben oder Zeitschulden an Normalarbeitszeit können im Ausmaß von 24 Stunden einmalig in den nächsten Durchrechnungszeitraum übertragen werden.

AN, die zu einer Dummy-Schicht eingeteilt sind, müssen sich bis 72 Stunden vor dieser Schicht erkundigen, welche Arbeit sie auszuführen haben. Wenn es für den zur Dummy-Schicht eingeteilten AN keine Arbeit gibt, weil niemand abzulösen ist, wird die Schicht „ausgelegt“, dh sie entfällt. Der AN wird für die ausgelegte Dummy-Schicht nicht bezahlt. Eine Dummy-Schicht kann bis 72 Stunden vor Schichtbeginn ausgelegt werden. Wenn ein AN an einem Tag, an dem er zu einer Dummy-Schicht eingeteilt ist, freihaben möchte, muss er Urlaub nehmen. Eine Arbeitsleistung, zu der der AN in kürzerer als der dreitägigen Frist einberufen wird, wird als Überstundenleistung angesehen.

Der Kl begehrt von der Bekl die Bezahlung von 454,64 € brutto für die von ihr ohne seine Zustimmung ausgelegten Dummy-Schichten am 10., 11., 12. und 22.2.2010. Bei einer Dummy-Schicht handle es sich um Arbeitszeit iSd § 19c AZG, weil sonst die Normalarbeitszeit verkürzt wäre. Für den Entfall der Normalarbeitszeit stehe ihm gem § 1155 ABGB ein Entgelt zu, weil er an diesen Tagen arbeitsbereit gewesen sei. Nach § 4 Z 3 und 4 KollV iVm § 19c AZG sei eine einseitige Änderung der Lage der Normalarbeitszeit überdies nur ausnahmsweise zulässig, wofür die Voraussetzungen nicht vorlägen.

Die [...] Bekl bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass es sich bei einer Dummy-Schicht um keine Normalarbeitszeit iSd § 19c AZG handle, weil unter Normalarbeitszeiten nur jene Zeiten zu verstehen seien, in denen ein AN tatsächlich beschäftigt werde. Auf den Kl sei weder § 4 Z 4 KollV anwendbar, weil er kein Springer oder Ablöser sei, noch § 4 Z 3 KollV, weil dieser nur Regelungen für das planmäßig eingesetzte Personal zum Inhalt habe. Es sei ausschließlich die BV über die Verteilung der Plan- und Ablöseschichten maßgebend. [...] Konkret sei dem Kl ein Zeitguthaben im Ausmaß von 24 Stunden in den Durchrechnungszeitraum 1.1.2010 bis 28.2.2010 übertragen worden. Gem § 3 Z 2 KollV gelte dieses Zeitguthaben als Normalarbeitszeit des nachfolgenden Durchrechnungszeitraums. Das Zeitguthaben sei der Anordnung der BV folgend dergestalt ausgeglichen worden, als am Ende des Durchrechnungszeitraums ein Zeitguthaben des Kl im Ausmaß von 0,4 Stunden bestanden habe. [...]

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, dass der Kl am 12.2.2010 frei haben wollte, was vom Disponenten der Bekl im Dispoplan mit „mf“ („möchte frei“) vermerkt wurde. Der Kl hatte am 12.2.2010 aber nicht frei, vielmehr wurde ihm erst 72 Stunden vor der Schicht, als er sich vorschriftsgemäß erkundigte, ob seine Arbeitsleistung benötigt werde, mitgeteilt, dass die Schicht ausgelegt werde. Der Kl protestierte gegen die Auslegung von Dummy-Schichten einmal schriftlich und mehrmals mündlich.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass es sich bei den Dummy-Schichten um Normalarbeitszeit iSd § 19c AZG handle, weil ein AN ohne sie im Durchrechnungszeitraum nicht auf die erforderlichen 40 Stunden pro Woche käme und sich ein AN an einem Tag, an dem er zu einer Dummy-Schicht eingeteilt sei, auch Urlaub nehmen müsse, wenn er frei haben wolle. Bei der Entscheidung über die Auslegung von Dummy-Schichten komme es auch darauf an, ob Zeitguthaben oder Zeitschulden an Normalarbeitszeit (im Ausmaß von maximal 24 Stunden) in den nächsten Durchrechnungszeitraum übertragen worden seien. Da weder die BV noch der KollV als Normen der kollektiven Rechtsgestaltung iSd § 19c Abs 2 AZG eine konkrete Festsetzung der Normalarbeitszeit vorsähen, bedürften Änderungen der Lage der Arbeitszeit und umso mehr der gänzliche Entfall einer Dummy-Schicht einer Vereinbarung gem § 19c AZG, die aufgrund des Protests des Kl gegen die Auslegung der Dummy-Schichten vom 10., 11., 12. und 22.2.2010 nicht vorliege. Ein einseitiges Auslegen der Dummy-Schichten durch die Bekl hätte dem Kl mindestens zwei Wochen vor der Schicht mitgeteilt werden müssen (§ 19c AZG, § 4 Z 3 KollV). Da dies nicht erfolgt sei, gebühre dem Kl für die gegen seinen Willen ausgelegten Dummy-Schichten das geforderte Entgelt. Eine Ergänzung des Einzelarbeitsvertrags zu Lasten des AN werde von der Rsp nicht anerkannt. Hier würde eine betriebliche Übung jedenfalls eine Schlechterstellung des Kl bewirken, weil die Bekl als AG die Normalarbeitszeit einseitig entgeltfrei entfallen lassen könnte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl keine Folge. Durch die Zuweisung einer Schichtenfolge, somit einer konkreten Arbeitsleistung aus der BV, und durch deren Annahme komme eine entsprechende Vereinbarung zustande. Strittig sei lediglich, ob die Bekl zur einseitigen Auslegung der Dummy-Schichten berechtigt sei. Diese seien als Normalarbeitszeit zu qualifizieren. § 4 Z 3 und 4 KollV hätten nur einvernehmliche Änderungen der Normalarbeitszeit zum Gegenstand. Eine allfällige kollektivvertragliche Ermächtigung des AG für einseitige Änderungen der Normalarbeitszeit würde gegen § 19c Abs 2 AZG verstoßen. Eine einseitige Änderung der Lage der Arbeitszeit und umso mehr die Anordnung des gänzlichen Entfalls einer ganzen Schicht durch den AG komme nur nach Maßgabe des § 19c Abs 2 AZG in Betracht. Es müsse daher schon in der Grundvereinbarung über die Lage der Arbeitszeit ein Änderungsvorbehalt enthalten sein. Ob dies auch schlüssig durch eine belastende betriebliche Übung erfolgen könne, könne mangels entsprechender Anhaltspunkte im Sachverhalt dahingestellt bleiben. Es sei kein Gestaltungsvorbehalt vereinbart worden. Das Erfordernis eines „ordnungsgemäßen Protests“ eines AN als Voraussetzung für die Entgeltzahlungspflicht des AG gem § 1155 ABGB sei gesetzlich nicht vorgesehen. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. [...]

2. Der Kl begehrt Entgelt für von der Bekl einseitig „ausgelegte“ Ablöserschichten und beruft sich dabei ausdrücklich darauf, dass sie als Normalarbeitszeit anzusehen seien, deren Entfall vom AG nicht einseitig307 angeordnet werden könne. Er will die entsprechenden Zeiten weder als Überstunden noch als Bereitschaftszeit entgolten wissen. Es ist daher zu prüfen, ob eine Konstellation vorliegt, in der der Kl für vereinbarte Normalarbeitszeit nicht entlohnt wurde.

3. Für das Ausmaß und die Lage der Normalarbeitszeit sehen die §§ 3 und 4 des KollV zur Regelung der Arbeitszeit für Mitarbeiter der ÖBB Folgendes vor:

„§ 3 Normalarbeitszeit1. Die tägliche Normalarbeitszeit darf acht Stunden, die wöchentliche Normalarbeitszeit vierzig Stunden nicht überschreiten, sofern im Folgenden nicht anderes bestimmt wird.Für Mitarbeiter, die planmäßig auch an Sonn- und Feiertagen zu einer Dienstleistung herangezogen werden, ist die Normalarbeitszeit für jeden Feiertag an Werktagen im Durchrechnungszeitraum um 6 Stunden und 40 Minuten zu reduzieren.2. Die wöchentliche Normalarbeitzeit kann in einzelnen Wochen
  • bei einem Durchrechnungszeitraum von bis zu acht Wochen auf höchstens 50 Stunden,

  • bei einem längeren Durchrechnungszeitraum auf höchstens 48 Stunden ausgedehnt werden, wenn sie innerhalb dieses Zeitraumes im Durchschnitt 40 Stunden nicht überschreiten.

Die Durchrechnung der Normalarbeitszeit ist über einen Zeitraum von höchstens 13 Wochen zulässig.Für Saisonbetriebe ...Zeitguthaben oder Zeitschulden an Normalarbeitszeit können im Ausmaß von 24 Stunden einmalig in den nächsten Durchrechnungszeitraum übertragen werden.Darüber hinausgehende Zeitguthaben werden zu Überstunden, darüber hinausgehende Zeitschulden verfallen am Ende des Durchrechnungszeitraumes.Übertragene Zeitguthaben oder Zeitschulden, die im folgenden Durchrechnungszeitraum nicht ausgeglichen werden, werden zu Überstunden oder verfallen.Besteht im Zeitpunkt der Beendigung eines Durchrechnungszeitraumes ein Guthaben an Normalarbeitszeit, so gebühren für jene Zeiten, die nicht in einen anderen Durchrechnungszeitraum übertragen werden können, folgende Zuschläge: ...3.–8.§ 4 Lage der Normalarbeitszeit1. Im Zusammenwirken mit den Bestimmungen des ArbVG ist die für einen Betrieb oder für bestimmte Betriebsteile geltende Lage der Normalarbeitszeit sowie die Festsetzung von Beginn und Ende der täglichen Normalarbeitszeit zu vereinbaren.Die der vereinbarten Arbeitszeit zugrundeliegende Fahrleistung ist im Dienstplan informativ aufzuzeigen.2. Die Diensteinteilung-[en] – die für den jeweiligen Durchrechnungszeitraum (bis zu dreizehn Wochen) zu erstellen sind – sind spätestens 14 Tage vor Planbeginn zu vereinbaren und bekannt zu geben.3. Änderungen bei der Lage der Normalarbeitszeit sind dem planmäßig eingesetzten Personal mindestens zwei Wochen im Vorhinein mitzuteilen; andernfalls gilt für die Bewertung von Abwesenheiten (Urlaub, Krankenstand etc) und für die Ermittlung von Überstunden die ursprünglich vereinbarte Lage der Normalarbeitszeit (fiktive Normalarbeitszeit).4. Für das nicht dienstplanmäßig eingesetzte Personal (zB Ablöser, Springer) ist die Lage der Normalarbeitszeit auf Basis einer fiktiven Diensteinteilung mit entsprechenden Ruhetagen festzusetzen. Änderungen bei der Lage der Normalarbeitszeit – dh die konkrete Diensteinteilung –, die die fiktive Diensteinteilung verändert – haben mindestens drei Tage im Vorhinein zu erfolgen, eine Veränderung der wöchentlichen Ruhezeit hat mindestens zwei Wochen im Vorhinein zu erfolgen. Andernfalls gilt für die Bewertung von Abwesenheiten (Urlaub, Krankenstand etc) und für die Ermittlung von Überstunden die ursprünglich vereinbarte Lage der Normalarbeitszeit. ...5. Wird die tägliche Arbeitszeit innerhalb der 14- bzw 3-tägigen Ankündigungsfrist in ihrer Lage verändert, so gebührt für den Zeitraum, der sich nicht mit der ursprünglichen Lage deckt, der jeweilige Überstundenzuschlag. ...“

Schließlich enthält die zwischen der ÖBB-Personenverkehr AG und deren ZBR abgeschlossene „Betriebsvereinbarung über die Verteilung Plan- und Ablöserschichten (Dummy-Schichten) innerhalb der Schichtenfolge“ folgende Regelung:

„§ 3 Verteilung der Plan- und Ablöserschichten (Dummy-Schichten)...Für die Ablöserschichten (Dummy-Schichten) ist hinsichtlich der Ankündigungsfrist der § 4 Z 4 des ÖBB AZ-KV anzuwenden. Eine Verständigung über die Änderung der Lage der Arbeitszeit gilt als rechtzeitig, wenn diese 72 Stunden vor dem Zeitpunkt erfolgt, ab dem die ursprünglich eingeplante Dienstschicht begonnen hätte.“

4. Allen weiteren Erwägungen ist voranzustellen, dass hier nicht die Zulässigkeit eines vom AG angeordneten Entfalls der Ablöserschichten an sich, sondern für die konkreten Umstände im Fall des Kl zu prüfen ist. Diese liegen darin, dass der Kl im vor dem 1.1.2010 liegenden Durchrechnungszeitraum ein Zeitguthaben von 24 Stunden erworben hatte, das gem § 3 Z 2 KollV in den revisionsgegenständlichen Durchrechnungszeitraum 1.1.2010 bis 28.2.2010 übertragen wurde und das die Bekl durch das Nichtabrufen von Arbeit in vorweg festgelegten Zeiträumen (Ablöserschichten) abzubauen suchte.

5. Über die Art und Weise, wie ein von einem AN erwirtschaftetes Zeitguthaben abzubauen ist, enthalten weder der KollV noch die BV Regelungen, sodass es hierfür einer Vereinbarung zwischen AG und AN bedarf. Redlichen Vertragspartnern ist dabei grundsätzlich ein Bemühen um einen revolvierenden Verbrauch von Zeitguthaben zu unterstellen, weil einer Kumulierung von die Normalarbeitszeit überschreitenden Zeitguthaben bei objektiver Betrachtung prinzipiell kein gerechtfertigtes Interesse gegenübersteht (aus AN-Sicht: fehlende Erholungsmöglichkeit; aus AG-Sicht: Mehrkosten; aus volkswirtschaftlicher Sicht: fehlende Arbeitsplätze).

6. Die Zuweisung der Schichtenfolge mit Plan- und Ablöserschichten an den Kl und ihre Akzeptanz durch ihn wird von den Streitteilen nicht in Frage gestellt. Beiden Streitteilen musste dabei bewusst sein, dass es die Einteilung eines AN zu den Ablöserschichten im308 Falle eines vorhandenen Zeitguthabens ermöglicht, die Arbeitsleistung des AN in diesen Zeitfenstern grundsätzlich nicht abzurufen, damit es zu einem Abbau des Zeitguthabens und zu einer „gleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit“ (§ 1 BV) kommt, sofern der AG die Arbeit des AN nicht bis 72 Stunden vor Beginn der Ablöserschicht bei Bedarf doch benötigt und abruft. Auch aus der Sicht des AN kann die Arbeitseinteilung im Schichtplan daher nur so verstanden werden, dass er an den Tagen einer Planschicht zu arbeiten hat, an den Tagen einer Ablöserschicht jedoch nur unter der Voraussetzung zum Dienst kommen muss, dass ihn der AG bis zu 72 Stunden vor Beginn einer solchen Schicht zur Arbeitsleistung auffordert.

Wird die Leistung eines AN für eine Ablöserschicht nicht angefordert, so führt dies dennoch nicht dazu, dass der AN Normalarbeitszeit verliert; vielmehr liegt die Leistung der Normalarbeitszeit dann in der „Gegenverrechnung“ mit dem Zeitguthaben. Wird seine Leistung angefordert, so leistet der AN damit Arbeit im Rahmen der Normalarbeitszeit, baut dadurch aber sein Zeitguthaben nicht ab; dieses ist ihm vielmehr am Ende des Durchrechnungszeitraums in Form von Überstunden (§ 3 Z 2 KollV) abzugelten.

7. Daraus ergibt sich zweierlei:

7.1. Wenn die Vorinstanzen ausführten, dass der Kl ohne Berücksichtigung der Ablöserschichten nicht die 40-Stunden-Woche erreicht, so ist dies insofern richtig, als ihm Zeiten dieser Schichten auf die Normalarbeitszeit anzurechnen sind. Im Falle der Nichtleistung von Arbeit in diesen Zeiträumen erreicht ein AN durch die Anrechnung des Zeitguthabens (das Vorbringen der Bekl, der Kl habe ein solches im Ausmaß von 24 Stunden im vorhergehenden Durchschnittszeitraum erworben, blieb unbestritten) die Normalarbeitszeit und damit auch einen entsprechenden Entgeltanspruch für die Normalarbeitszeit. Dass der Kl nicht auf Basis einer 40-Stunden-Woche, bezogen auf den Durchrechnungszeitraum 1.1.2010 bis 28.2.2010, entlohnt worden wäre, behauptet er nicht, sodass hier nur der Schluss gezogen werden kann, dass er die Normalarbeitszeit sowohl im vorigen als auch im revisionsgegenständlichen Durchrechnungszeitraum zur Gänze entgolten erhielt (Leistung im vorigen Durchrechnungszeitraum: Normalarbeitszeit plus 24 Stunden; im revisionsgegenständlichen Durchrechnungszeitraum: Normalarbeitszeit minus 24 Stunden; in jedem Durchrechnungszeitraum: Entlohnung der Normalarbeitszeit). Sein Begehren ist offenkundig darauf gerichtet, zusätzlich zum Entgelt für eine 40-Stunden-Woche, wieder bezogen auf den Durchrechnungszeitraum, für weitere vier Tage Normalarbeitszeit entlohnt zu werden. Das liegt jedoch nicht in ihrem möglichen Rahmen. MaW: Es besteht kein Anspruch auf Leistung von Entgelt für Normalarbeitszeit, wenn sie die Grenzen der Normalarbeitszeit übersteigt. Anderes als Normalarbeitszeit hat der Kl nicht geltend gemacht.

7.2. Durch den Nichtabruf der Leistung des Kl für die Tage der Ablöserschichten hat die Bekl nicht die Lage seiner Normalarbeitszeit verändert. Die Normalarbeitszeit bleibt vielmehr unabhängig davon, ob die Arbeit des Kl für diese Zeiten abgerufen wird, in ihrer Lage gleich: bei Nicht-Abruf durch Gegenverrechnung mit dem Zeitguthaben; bei Abruf durch Leistung in einem bereits mit dem Schichtplan bekannt gegebenen Zeitraum (dann freilich bei weiterhin aufrechtem Zeitguthaben). Auf die Erwägungen zu den Möglichkeiten der einseitigen Änderungen der Lage der Normalarbeitszeit iSd § 19c Abs 2 und 3 AZG muss daher nicht eingegangen werden.

8. Insgesamt ist es dem Kl damit nicht gelungen, einen Sachverhalt darzulegen, aus dem er gegen die Bekl noch offene Entgeltansprüche für Normalarbeitszeit ableiten könnte. Einer weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit sich die Bekl für ihr Vorgehen auf eine betriebliche Übung berufen kann, bedarf es daneben nicht mehr.

9. Zur Abgrenzung ist schließlich festzuhalten: Ein zu Gunsten des AG vertraglich vereinbarter Änderungsvorbehalt zum Ausmaß der Arbeitszeit, der als unzulässig erachtet wird, weil der AG damit das Entgelt einseitig reduzieren würde (vgl OGH8 ObA 116/04y; Felten, aaO § 19c Rz 7; Mosler in ZellKomm II2 AZG § 19c Rz 3) und der AN dadurch nicht mehr mit dem Entgelt für eine in ihrem Umfang einmal festgelegte Arbeitszeit rechnen könnte, liegt hier nicht vor: Die Normalarbeitszeit des Kl wurde stets abgegolten. Angesichts des abzubauenden Zeitguthabens lagen auch keine Umstände vor, aufgrund derer er mit einem darüber hinausgehenden Entgelt rechnen durfte.

10. Nach all dem ist der Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.

Anmerkung
1
Auch obiter dicta sind wertvoll – wenn sie zu Ende geführt werden!

Man kann dem OGH wohl nicht widersprechen, wenn er ausführt, dass die Bezahlung weiterer Stunden an Normalarbeitszeit nicht gefordert werden kann, wenn ohnedies die gesamte Normalarbeitszeit (im Wege eines Monatsgehaltes) bezahlt wurde. Ein Zahlungsanspruch auf Basis des § 1155 ABGB kann nur bestehen, wenn Entgelt ausgefallen ist. Hat der Kl die allfällige Qualifizierung der strittigen Zeiten als Überstunden oder (Ruf-)Bereitschaft ausdrücklich abgelehnt (das wird, allerdings nur im Zuge der Rechtsausführungen erwähnt), war die Sache in der Tat schon auf dieser Grundlage entscheidungsreif.

Allerdings lässt es das Höchstgericht damit nicht bewenden. Obwohl es betont, dass es keine generellen Aussagen treffen wolle, sondern nur über die konkreten Umstände im Fall des Kl entscheiden, enthält das Urteil durchaus spannende Überlegungen zu Fragen der ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit bzw des Verbrauchs von Zeitausgleich. Nur: Sie werden nicht zu Ende geführt. Der OGH betont noch richtig den Unterschied zwischen der Änderung der Lage der Normalarbeitszeit und dem Entfall von Normalarbeitszeit, aber die entscheidende Frage, ob nun die Vorgehensweise der Bekl tatsächlich zu einem Zeitausgleich, also zum Verbrauch des bestandenen Zeitguthabens geführt hat, lässt er offen: Freilich muss er diese Frage nicht beantworten – siehe den ersten Absatz. Aber wenn schon obiter dicta, dann wollen wir wenigstens unverbindlich daraus etwas lernen und uns damit auseinandersetzen können.309

OGH-Astrologie ist keine juridische Disziplin. Ich erspare mir daher im Folgenden Mutmaßungen zur Auffassung des Höchstgerichts und schlage statt dessen, nach einem Blick auf den einschlägigen KollV, eigene Lösungsansätze vor.

2
Anordnungsrechte und Vereinbarungsnotwendigkeiten im KollV Arbeitszeit ÖBB

Der OGH hat verdienstvollerweise die fraglichen §§ 3 und 4 des KollV Arbeitszeit ÖBB im Wortlaut wiedergegeben. Der KollV erlaubt im Kern eine Arbeitszeitdurchrechnung über maximal 13 Wochen, die einmalige Übertragung von bis zu 24 Stunden in den nächsten Durchrechnungszeitraum und legt konsequenterweise fest, dass über diese Grenzen hinaus bestehende Zeitguthaben zu Überstunden werden, Zeitschulden aber verfallen. Da weder er noch die BV einen Schichtturnus, also eine gleichbleibende, sich wiederholende Abfolge von Schichten vorsieht, war eine wöchentlich unterschiedliche Normalarbeitszeit nur auf Grundlage einer solchen Kollektivvertragsermächtigung zu flexibler Arbeitszeit iSd § 4 Abs 6 AZG möglich (Klein in

Klein/Heilegger/Schwarz
, AZG3 [2011] 199 f).

Der KollV unterscheidet zwischen „planmäßig eingesetztem“ Personal und „nicht dienstplanmäßig eingesetztem Personal“. Das ist eine wenig sinnvolle Terminologie, gilt doch in allen Fällen gem § 4a AZG das zwingende Erfordernis, einen Schichtplan aufzustellen – „planmäßig“ iSd AZG müssen bei Schichtarbeit alle Arbeitsleistungen geregelt werden. Man kann aber erkennen, dass der KollV eigentlich einerseits die für die Aufrechterhaltung des Fahrplans routinemäßig notwendigen Dienst meint und andererseits eine Personalreserve für die vielfältigen Wechselfälle des Alltagslebens berücksichtigt: Fahrpläne müssen auch eingehalten werden, wenn zB ein/e AN erkrankt. Auch für die dann nötige Arbeit als „Ablöser“, „Springer“ udgl ist vorgesorgt: Entsprechende Schichten können von vornherein geplant und auch noch kurzfristig – bis zu drei Tage vor Dienstbeginn – verschoben werden. Richtig hält der OGH aber fest, dass der Entfall ganzer Schichten nirgends erwähnt wird und der KollV dafür keine Basis liefert.

Auf dieser Grundlage ist zunächst festzuhalten, dass die Festsetzung der Schichten keiner Zustimmung der einzelnen AN bedarf. Vielmehr ist diese gem § 4 Z 1 und 2 KollV Arbeitszeit ÖBB (entsprechend § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG) jeweils mit der zuständigen Betriebsratskörperschaft zu vereinbaren und spätestens 14 Tage vor Beginn des jeweiligen Durchrechnungszeitraums bekannt zu geben. Entgegen Pkt 6 der Rechtserwägungen des Urteils kommt es auf eine „Akzeptanz“ durch den Kl insoweit nicht an und ist diesem eine „Nicht-Akzeptanz“ auch nicht anzuraten: Im Zusammenwirken von KollV und BV wird die Normalarbeitszeit rechtsverbindlich festgelegt, sie „nicht zu akzeptieren“ wäre Arbeitsverweigerung. Auch eine kurzfristige zeitliche Verschiebung der „Dummy“-Schichten (bis zu 72 Stunden vor Schichtbeginn) hatte der Kl schlicht zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten. In einem solchen Regime ist es der ÖBB an sich gut möglich dafür zu sorgen, dass die durchschnittliche Normalarbeitszeit tatsächlich erreicht wird: War – wie beim Kl – bei Beginn des Durchrechnungszeitraums ein Zeitguthaben vorhanden, so mussten lediglich entsprechend weniger Schichten („planmäßige“ oder „Dummy“-Schichten) vorgesehen werden – damit war dessen Abbau jedenfalls gesichert.

Anderes gilt aber, wenn eine einmal im Schichtplan vorgesehene, sei es „dienstplanmäßige“ oder auch Dummy-Schicht nach Vereinbarung des konkreten Dienstplanes entfallen soll: Für einen solchen Vorgang bietet, wie bereits festgehalten, weder KollV noch BV eine Rechtsgrundlage. Im Gegenteil: Während beide Rechtsquellen detaillierte Regelungen zur Verschiebung der Arbeitszeit enthalten, die dem AG einen erheblichen Spielraum gewähren, ermächtigen sie ihn in keiner Weise zu jenem grundsätzlicheren Eingriff, den dieser offenbar gewohnheitsmäßig vorgenommen hat: dem „Absagen“ bzw „Auslegen“ von Schichten. Im Gegensatz zu einer durch KollV und BV gedeckten, einseitigen Änderung der Lage der Normalarbeitszeit, kann der Entfall im Schichtplan festgesetzter Schichten daher nur auf zweierlei Weise zustande kommen: Entweder verzichtet der AG einseitig auf die Arbeitsleistung, dann muss er sich den Entgeltfolgen des § 1155 ABGB stellen; oder aber die fragliche Schicht entfällt infolge des Verbrauchs von Zeitausgleich (oder Urlaub etc). Richtig hält der OGH fest (Pkt 5 der rechtlichen Beurteilung), dass Zeitausgleich einer Vereinbarung zwischen AG und AN bedarf, wenn der KollV nicht anderes vorsieht. Hier, und nur hier, bedarf es des Einvernehmens zwischen AN und AG und zwar im Einzelfall. Eine solche Vereinbarung hat unstrittig nicht vorgelegen, vielmehr hat der Kl mehrmals gegen die „Auslegung“ von Dummy-Schichten protestiert. Sehr charakteristisch ist dafür der Vorgang rund um den 12.2.2010: Der Kl wollte diesen ausdrücklich frei haben, also Zeitausgleich verbrauchen – aber das wurde verwehrt. Erst nachdem der Kl offenbar seine privaten Interessen anders organisiert hatte, wurde ihm dann 72 Stunden vor Schichtbeginn mitgeteilt, dass die Schicht entfällt.

Halten wir also fest: Der KollV Arbeitszeit ÖBB regelt die Arbeitszeitgestaltung (zwar nicht von den gewählten Begrifflichkeiten her aber) inhaltlich durchaus durchdacht: Die Anzahl zu leistender Schichten wird in jedem Durchrechnungszeitraum im Wege der Erstellung des Dienstplans mit dem zuständigen Organ der Arbeitnehmerschaft festgelegt und ist unumstößlich. Die konkrete zeitliche Lage der Schichten ist aber veränderbar, der AG kann sie bei gegebenem Bedarf einseitig und sehr kurzfristig (im Regelfall bis zu 14 Tagen, bei den Dummy-Schichten sogar bis zu drei Tagen vor Schichtbeginn) verschieben. Im Rahmen dieser kollektiven Vereinbarungen kann auch ein Abbau bestehender Zeitguthaben durch Festlegung einer entsprechend geringeren Zahl von (planmäßigen oder Dummy-)Schichten vorgesehen werden. Darüber hinaus könnte entsprechend den allgemeinen Regeln Zeitausgleich vereinbart und auf diesem Wege nochmals ein Abbau von Zeitguthaben erreicht werden: Dazu bedarf es nicht der Zustimmung des BR, wohl aber der Zustimmung des/der betroffenen AN.

3
Schichtarbeit und Arbeit auf Abruf

„Dummy“-Schichten sind laut Sachverhalt wie folgt charakterisiert:310

  • sie sind im Schichtplan fix vorgesehen und Teil der Normalarbeitszeit;

  • demgemäß besteht Arbeitspflicht;

  • will ein/e AN eine solche Schicht nicht leisten, muss er/sie Urlaub (Zeitausgleich etc) vereinbaren.

Der OGH verwendet in der rechtlichen Beurteilung lieber den Begriff „Ablöserschichten“, eine in § 3 der einschlägigen BV alternativ für „Dummy-Schichten“ vorgesehene Bezeichnung, die begrifflich auf das Ablösen von verhinderten ArbeitskollegInnen, also die faktisch nötige Arbeitsleistung hindeutet. In Pkt 6 der Rechtserwägungen nimmt er aber eine nicht unwesentliche Veränderung des Charakters solcher Schichten vor: Nun müssen AN angeblich nur dann zum Dienst kommen, wenn sie „der Arbeitgeber bis 72 Stunden vor Beginn einer solchen Schicht zur Arbeitsleistung auffordert“. Dafür ist weder im festgestellten Sachverhalt noch in KollV oder BV irgendeine Basis zu finden – laut Sachverhalt (3. und 5. Absatz des Urteils) ist 72 Stunden vor Schichtbeginn vielmehr nachzufragen, welche Arbeit zu verrichten ist.

Aber was würde gelten, läge die vom OGH angenommene Gestaltung vor? Das wäre die Vereinbarung einer Rufbereitschaft außerhalb der Normalarbeitszeit für die Dauer der „Ablöserschichten“, denn nur dann könnte die ÖBB in diesen Zeiträumen zuverlässig und verpflichtend die Arbeitsleistung beanspruchen, ohne dies aber tun zu müssen. Allerdings wird eine Rufbereitschaft ohne jede Gegenleistung zu Recht gleichfalls als „Arbeit auf Abruf“ qualifiziert (Löschnigg, Arbeitsrecht11, Rz 6/578 mwH), ein in Österreich bekanntlich unzulässiges System (OGH8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33, 417 [zust B. Schwarz]; Mosler in ZellKomm2, § 19c AZG Rz 4), das weder KollV noch BV vorsehen können.

Anders ist es bei Rufbereitschaft innerhalb der Normalarbeitszeit. Gem § 4a Abs 1 AZG ist bei Schichtarbeit zwingend ein „Schichtplan“ zu erstellen, der eine fixierte Arbeitseinteilung zum Inhalt haben muss und auf der Normalarbeitszeit zu beruhen hat (Pfeil in ZellKomm2 §§ 3–4c AZG Rz 38 mwH). Ein Schichtplan muss (gerade) auch bei ungleichmäßiger Verteilung der Normalarbeitszeit bestehen und bei durchlaufender Schichtarbeit dem Arbeitsinspektorat vorgelegt werden (§ 11 Abs 8 AZG). Sieht dieser vor, dass ein Teil der Normalarbeitszeit (nur) als Rufbereitschaft zu leisten ist, dann wird bereits damit und auch ohne Abruf der Tätigkeit die Arbeitspflicht erfüllt. Will der AG Arbeitsleistungen zu bestimmten Zeiträumen verbindlich abrufen können, im Falle des Nicht-Abrufs aber nicht voll bezahlen müssen, dann hat er nur die Möglichkeit, Rufbereitschaft zu vereinbaren (und zu bezahlen) aber nichts anderes. Nicht möglich ist es, einerseits eine Schicht mit dem Charakteristikum der Dummy- oder Ablöser-Schicht einzuteilen, also als fixe Normalarbeitszeit festzulegen, für deren Nicht-Leistung der/die AN gegebenenfalls Urlaub zu nehmen hat, aber mit dem Vorbehalt zu verbinden, dass diese Festlegung für den AG nur gilt, wenn sie durch einen tatsächlichen „Abruf der Arbeit“ nochmals effektuiert wird.

Zurecht hält jedoch der OGH fest (Pkt 9 der rechtlichen Beurteilung), dass eine – konkret im KollV nicht vorhandene, wohl aber denkbare – Regelung, wonach der AG einseitig den Verbrauch erworbener Zeitguthaben anordnen kann, keine „Arbeit auf Abruf“ wäre. Es lag im Anlassfall noch keine nicht-finanzielle Abgeltung von Überstundenarbeit vor (Zeitausgleich für Überstunden), sondern Zeitausgleich im Rahmen einer „anderen Verteilung der Normalarbeitszeit“ auch iSd Abgrenzung zwischen § 19 Abs 1 AZG und dessen Abs 2 (der Übertragungs- und damit Durchrechnungszeitraum des KollV Arbeitszeit ÖBB war nicht überschritten). Wie dieser Zeitausgleich erfolgt und ob dabei in gewissem Ausmaß der AG bzw der/die AN einseitige Festlegungen treffen darf, können KollV und BV festlegen: § 19f Abs 1 AZG ist durch KollV oder BV abdingbar (im Anlassfall war diese Norm zudem wegen des unter 26-wöchigen Durchrechnungszeitraumes nicht anwendbar). Nur: Der KollV Arbeitszeit ÖBB enthält derlei Regeln nicht!

4
Verzicht auf die Arbeitsleistung und dessen Entgeltfolgen

Der Kl hat die einseitige Anordnung des Entfalls der fraglichen Schichten als Fall des § 1155 ABGB angesehen und auf dieser Basis Entgelt verlangt. Richtig hält ihm der OGH entgegen, dass ein Entgeltausfall nicht eingetreten ist, weil er ohnedies für alle fraglichen Monate das ungekürzte Monatsgehalt erhalten hat.

Hier ist allerdings ein dogmatisch wichtiger Zwischenschritt übersprungen worden: Wertet man richtigerweise das „Auslegen“ von Dummy-Schichten als einseitige Anordnung von Zeitausgleich, so erweist sich diese Anordnung als rechtswidrig. Zeitausgleich hätte – mangels abweichender Regelung in KollV oder BV – vereinbart werden müssen und konnte nicht einseitig angeordnet werden. Demgemäß ist es aber zu einem Zeitausgleich an den fraglichen Tagen nicht gekommen. Dies hat zunächst und vor allem zur Folge, dass das Zeitguthaben des Kl im unveränderten Ausmaß von 24 Stunden fortbestanden hat. Dieses weiterhin bestehende Zeitguthaben ist mit Ablauf des „zweiten“ Durchrechnungszeitraums gem § 3 Z 2 KollV Arbeitszeit ÖBB zu Überstunden geworden, weil es in dem auf sein Entstehen folgenden Durchrechnungszeitraum nicht ausgeglichen wurde. Anspruch auf dieses Überstundenentgelt hätte der Kl gehabt. Einer Berufung auf § 1155 ABGB bedurfte es insoweit nicht.

§ 1155 ABGB kommt erst danach ins Spiel: Da der Kl während der fraglichen Dummy-Schichten nicht Zeitausgleich verbraucht hat, aber auch nicht Arbeit geleistet hat, hätte er grundsätzlich keinen Anspruch auf Entgelt für diese Zeiten. Das Unterbleiben der Dienstleistung hat jedoch der AG durch seine rechtswidrige Weisung verursacht. Daher stand dem Kl zufolge § 1155 ABGB doch Entgelt zu, da er unstrittig arbeitsbereit war. Diesen Anspruch hat die Bekl erfüllt. Sie war sich vermutlich nicht bewusst, dass sie insoweit auf Basis des § 1155 ABGB bezahlt hat; aber darauf kommt es nicht an.

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Zusammenfassung

4a AZG verpflichtet bei Schichtarbeit zur Erstellung eines Schichtplans, der Anzahl und Lage der zu311 leistenden Schichten auf Basis der Normalarbeitszeit im Vorhinein festlegen muss. Der Schichtplan hat die Verteilung der gesamten Normalarbeitszeit vorzunehmen. Weder durch Arbeitsvertrag noch durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung kann diese Pflicht beseitigt werden. Es ist auch nicht möglich, deren Kerninhalt (vorhersehbare und kontrollierbare Arbeitszeitverteilung) dadurch zu unterlaufen, dass „bedingte“ Schichten vorgesehen werden, die nur dann als Teil des Schichtplanes gelten, wenn sie der AG tatsächlich abruft. Derlei wäre Rufbereitschaft und sonst nichts.

Und es bleibt dabei: Zeitausgleich bedarf der Vereinbarung zwischen AG und AN. Bei ungleich verteilter Normalarbeitszeit in kurzen Durchrechnungszeiträumen besteht eine beidseits erhöhte Pflicht, wechselseitigen Angeboten zum Abbau bestehender Zeitguthaben nachzukommen – einseitige Anordnungen aber sind unwirksam. Der KollV oder die BV könnten bei Zeitausgleich für Guthaben an Normalarbeitszeit anderes vorsehen; aber der KollV Arbeitszeit ÖBB und die einschlägige BV tun das nicht.