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Zum Erstattungsanspruch für Arzneimittel und ärztliche Leistungen, die nicht im Erstattungskodex bzw im Gesamtvertrag genannt sind

ROBERTREBHAHN (WIEN)
§§ 31 Abs 3 Z 12, 31 Abs 3 Z 13, 133 Abs 2, 136 Abs 1 und 2, 350, 456 Abs 1 ASVG; § 6 Abs 1 Z 2 RöV; Krankenordnung der Wr GKK
  1. Die Verpflichtung einer chef- bzw kontrollärztlichen Bewilligung von Heilmitteln, die im Erstattungskodex des Hauptverbands (EKO) nicht angeführt sind, ist gesetzlich verankert. Der EKO und die vom Hauptverband (HV) verlautbarten Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen (RöV) bewirken allerdings keine Beschränkung des gesetzlichen Anspruchs des Versicherten auf Heilmittel. Für begründete Einzelfälle sehen § 31 Abs 3 Z 12 ASVG bzw § 6 Abs 1 Z 2 RöV die Erstattung ohnehin vor. Dem Versicherten steht somit das im konkreten Fall notwendige und wirtschaftlichste Heilmittel zu.

  2. Eine erforderliche, aber fehlende Genehmigung des chefärztlichen Dienstes kann den Anspruch des Versicherten auf Heilmittel nicht beschränken.

  3. Wird ein Vertragsarzt als Wahlarzt tätig, so hat er ein nicht im EKO angeführtes Heilmittel mit einem Privatrezept zu verordnen. Eine Kostenerstattung für Privatrezepte kommt nach § 33 der Krankenordnung 2007 der Wiener Gebietskrankenkasse (Wr GKK), falls das Privatrezept nicht von der GKK einem Kassenrezept gleichgestellt wurde, nur in Betracht, wenn ein Privatrezept oder eine saldierte Originalhonorarnote, aus der der Bezug dieses Präparats von einer Apotheke ersichtlich wäre, vorliegt. Eine saldierte Honorarnote des Arztes allein reicht nicht aus.

Der Kl leidet an einer senilen Makuladegeneration [...]. Im Donauspital wurde er mit dem Präparat „Lucentis“ behandelt. Nunmehr steht der Kl beim Facharzt für Augenheilkunde Dr. T in Behandlung. Dr. T ist Vertragsarzt der bekl Wr GKK. Er stellte dem Kl mit drei Honorarnoten vom 11.11.2008 45 €, vom 9.12.2008 45 € und vom 10.3.2009 55 € jeweils für eine Netzhaut-Kohärenztomographie (= OCT) in Rechnung. Diese Leistungen waren medizinisch unbedingt erforderlich. Es handelt sich dabei allerdings um keine Vertragsleistung der bekl Wr GKK bei niedergelassenen Fachärzten für Augenheilkunde.

Am 24.3.2009 behandelte Dr. T den Kl mit dem Präparat „Avastin“. Es handelt sich dabei um keine Vertragsleistung der Bekl bei Fachärzten für Augenheilkunde. Eine Verordnung liegt dazu nicht vor. Um eine Bewilligung wurde beim chef- und kontrollärztlichen Dienst der Bekl nicht angesucht. Dr. T bezog die Präparate direkt bei einer Apotheke. Die intravitreale Injektion mit „Avastin“ wurde dem Kl in das rechte Auge verabreicht. Nach Behandlung eines, maximal zweier weiterer Patienten mit „Avastin“ hat Dr. T den Rest der Ampulle verworfen. [...] Der Eingriff kann ambulant durchgeführt werden und bedarf keiner Aufnahme in eine Krankenanstalt. Es gibt keine in der Satzung der Bekl vergleichbare gesondert zu honorierende Einzelleistung, da dieser Eingriff mit keiner sonstigen Injektion vergleichbar ist.

Mit Bescheid der Wr GKK wurde der Antrag des Kl auf Kostenerstattung für Honorarnoten des Dr. T betreffend 1. das Präparat „Avastin“ über 335 €, 2. eine intravitreale Injektion über 185 €, 3. bis 5. drei Netzhaut-Kohärenztomographien abgelehnt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kl Klage auf Kostenerstattung. Die Bekl beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, Dr. T sei Vertragspartner, sodass Behandlungen im Rahmen der Sachleistungsgewährung direkt verrechnet würden. [...] Weiters wurde vorgebracht, „Avastin“ sei rezeptpflichtig; ein entsprechendes Rezept liege jedoch nicht vor. [...] Darüber hinaus sei § 6 Abs 1 Z 2 der RöV nicht eingehalten worden, da vor Beginn der Behandlung keine Bewilligung des chef- oder kontrollärztlichen Dienstes Partei erteilt worden sei. Darüber hinaus sei „Avastin“ für die beim Kl durchgeführten intravitrealen Injektionen nicht zugelassen. Da dieses Präparat somit als „off-label-use“ verabreicht worden sei, hätte für die Möglichkeit einer Kostenerstattung bereits zuvor vom Behandler gem § 350 Abs 3 ASVG um eine ärztliche Bewilligung angesucht werden müssen. [...] „Avastin“ sei auch nicht im Erstattungskodex des HV (= EKO) enthalten, sondern gehöre zu jenen Arzneimitteln, die im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung iSd § 133 Abs 2 ASVG geeignet seien, weil sie ausschließlich zur Behandlung in Krankenanstalten verwendbar seien. Die entsprechende Behandlung der Makuladegeneration könne von der Bekl in Wien flächendeckend [...] sowohl in Form der Anstaltspflege in den Vertragskrankenanstalten als auch in den Vertragsspitalsambulanzen erbracht werden, [...] zumal nur in den ständig frequentierten Spitalsambulanzen eine optimale Verwendung des Präparats gewährleistet sei. Eine Ausweitung dieser Behandlung auch auf den niedergelassenen Bereich sei derzeit nicht angezeigt bzw zweckmäßig. Die Leistung „intravitreale Injektion“ sei im Tarif der Fachärzte für Augenheilkunde nicht enthalten.

Der Kl hielt im Wesentlichen entgegen, „Avastin“ habe sich als wirksam erwiesen. Die Behandlung mit diesem Präparat sei gegenüber einer Behandlung mit dem Präparat „Lucentis“ jedenfalls kostengünstiger. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es traf über die wiedergegebenen Feststellungen hinaus folgende weitere Feststellungen: In den Spitalsambulanzen wird als übliche Behandlung sowohl jene mit „Avastin“ als jene mit „Lucentis“ angeboten. Es ist dies „State of the Art“. Bei der Makuladegeneration gibt es nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft keine andere geeignetere Behandlungsmethode. Die Behandlung des Kl mit einem dieser Präparate war medizinisch notwendig. Die Behandlung mit „Avastin“ war beim Kl erfolgreich. Es lag beim Kl kein akuter Notfall vor. Der Kl hätte aus medizinischer Sicht [...] auch331 in ein Krankenhaus zur Behandlung gehen können. [...] Bei „Avastin“ handelt es sich um ein Arzneimittel, das noch immer in klinischer Erprobung bei der Behandlung von Makulaerkrankungen steht. „Avastin“ ist seit etwa 2004 als Zusatz zur Chemotherapie bei Patienten mit Dickdarmkrebs zugelassen [...]. [...] Eine Behandlung des Kl hätte auch mit „Lucentis“ erfolgen können. Es handelt sich dabei um ein bereits zugelassenes Arzneimittel, das ebenfalls nicht im EKO enthalten ist. Die Kosten von „Lucentis“ sind etwa sechs Mal so hoch wie die Kosten für „Avastin“. [...]

In rechtlicher Hinsicht begründete das Erstgericht seine Entscheidung im Ergebnis damit, dass gem § 29 Abs 2 der Krankenordnung der Bekl Kosten nicht erstattet würden, wenn der Anspruchsberechtigte einen Vertragsarzt in Anspruch genommen habe. Bei den von Dr. T erbrachten Leistungen handle es sich um Leistungen des Gesamtvertrags [...].

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge und erkannte die Bekl schuldig, dem Kl eine Kostenerstattung in Höhe von 597,44 € zu leisten. Es vertrat in seiner ausführlichen rechtlichen Beurteilung – zusammengefasst – die Ansicht, die beim Kl vorgenommene medizinische Behandlung [...] stelle eine notwendige und zweckmäßige Krankenbehandlung iSd § 133 Abs 2 ASVG dar. Nach der Rsp dürfe die Zweckmäßigkeit nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden, sondern es müsse vielmehr das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die festgestellten Umstände des Einzelfalls und des Grundsatzes der freien Arztwahl gereiche diese für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit gebotene Interessenabwägung im vorliegenden Fall zum Nachteil der Bekl, da die Mehrkosten der in der Ordination des Dr. T vorgenommenen Behandlung nicht als unverhältnismäßig hoch angesehen werden könnten.

Soweit sich die Bekl darauf berufe, dass „Avastin“ außerhalb seiner Zulassung verwendet werde und im EKO nicht angeführt sei, werde auf die stRsp des OGH verwiesen, wonach auch der EKO den Anspruch des Versicherten auf die für eine ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung notwendigen Heilmittel nicht einschränken dürfe. Ebenso entspreche es der Rsp, dass die Verwendung von Heilmethoden, welche in den Honorarordnungen oder Richtlinien nicht enthalten seien, etwa weil es sich um wissenschaftlich noch nicht gesicherte Heilmethoden oder Heilmitteln handle, nicht bedeute, dass dem Versicherten ein Kostenersatz keinesfalls zustehe. [...] Auch der Umstand, dass Dr. T ein Vertragsarzt der Bekl sei, spreche nicht gegen die Berechtigung des Leistungsbegehrens des Kl. Ein Versicherter dürfe nämlich einen Vertragsarzt privat in Anspruch nehmen und habe Anspruch auf spätere Kostenerstattung, wenn es sich um gleichsam „neue“ Leistungen handle, die erst nach der Schaffung des Gesamtvertrags medizinischer Standard geworden seien und die der Vertragsarzt daher auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers nicht erbringen dürfe (sogenannter „kassenfreier Raum“). Bei der Behandlung des Kl mit „Avastin“ sowie den Netzhaut-Kohärenztomographien habe es sich um keine Vertragsleistungen der Bekl bei niedergelassenen Fachärzten für Augenheilkunde gehandelt. Dass diese Behandlungen nach dem Gesamtvertrag und der Honorarordnung anderen Ärzten oder Vertragseinrichtungen der Bekl vorbehalten seien, habe das Beweisverfahren nicht ergeben. Der Kl habe somit den Vertragsarzt Dr. T hinsichtlich dieser (außervertraglichen) Leistungen „privat“ in Anspruch genommen, weshalb er iSd stRsp zum sogenannten „kassenfreien Raum“ Anspruch auf nachträgliche Kostenerstattung habe.

Bei der Ermittlung der Höhe des Erstattungsanspruchs des Kl sei davon auszugehen, dass dem Kl 80 % der Kosten für die durchgeführte intravitreale Injektion und des Kassenpreises von „Avastin“ zustehe, wobei von letzterem die Rezeptgebühr abzuziehen sei.

Der Kl habe weiters Anspruch auf Erstattung von 80 % der Kosten der bei ihm durchgeführten Netzhaut-Kohärenztomographien, deren Höhe von der Bekl nicht beanstandet worden sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei [...]. Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Bekl wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iS einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die für eine Kostenerstattung für Heilmittel nach der Krankenordnung 2007 der Bekl erforderlichen Voraussetzungen nicht berücksichtigt hat. Sie ist teilweise auch berechtigt. [...]

1. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 133 Abs 1 ASVG die ärztliche Hilfe (§ 135), Heilmittel (§ 136) und Heilbehelfe (§ 137). Die Heilmittelverschreibung ist somit Teil der Krankenbehandlung. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe durch einen Vertragsarzt ist gem § 135 Abs 3 ASVG nur die Vorlage der Chipkarte. Hingegen dürfen gem § 350 Abs 1 ASVG Heilmittel (§ 136) usw auf Rechnung der Krankenversicherungsträger von Apothekern nur unter bestimmten Voraussetzungen abgegeben werden. So dürfen beispielsweise Arzneispezialitäten, die [...] nicht im EKO angeführt sind, auf Kosten der SV nur nach ärztlicher Bewilligung des ärztlichen (vormals chef- und kontrollärztlichen) Dienstes der Sozialversicherungsträger verschrieben werden. In begründeten Einzelfällen ist jedoch die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im EKO angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutischen Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem EKO durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes (vgl § 31 Abs 3 Z 12 ASVG). [...]

1.1 Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, die Verpflichtung einer chef- bzw kontrollärztlichen Bewilligung von Heilmitteln, die im EKO nicht angeführt sind, sei gesetzlich verankert, ist daher grundsätzlich zutreffend. Zutreffend verweist die Revisionswerberin auch darauf, dass gem § 31 Abs 5 Z 13 ASVG durch den HV RöV aufzustellen sind, die für die Vertragspartner (§§ 338 ff) verbindlich sind. [...] Nach § 6332 Abs 1 Z 2 RöV ist bei Verschreibung eines nicht im EKO angeführten Heilmittels eine Bewilligung möglich, wenn die Behandlung aus zwingenden therapeutischen Gründen notwendig ist und deshalb eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zur Krankenbehandlung überhaupt nicht zur Verfügung steht. Für die Heilmittelversorgung ist das „chefärztliche Vorbewilligungssystem“ ein wichtiges Instrument, um einerseits für die Aufnahme von Medikamenten in das Sachleistungssystem erfolgreich Preisverhandlungen führen und andererseits auch für Versicherte, die mit den üblichen Therapien nicht ausreichend behandelt werden können, im Einzelfall die Kosten für „unkonventionelle“ Vorgangsweisen übernehmen zu können (vgl Endel, „Chefärztliche Genehmigungspflicht“, SozSi 2004, 505 ff [507]).

1.2 Der EKO und die RöV bewirken allerdings keine Beschränkung des gesetzlichen Anspruchs des Versicherten auf Heilmittel. Das hat die Judikatur zum früheren Heilmittelverzeichnis mehrfach festgehalten (vgl RIS-Justiz RS0083806, RS0083801, RS0102471). Auch durch den EKO hat sich daran nichts geändert (vgl Schober in

Sonntag
, ASVG3 § 136 Rz 11 mwN ua; RIS-Justiz RS0083806 [T8]). Der Versicherte hat zwar keinen Anspruch auf Beistellung eines jeden von ihm gewünschten oder vom Arzt verschriebenen Heilmittels. Eine Bindung an den EKO besteht aber nicht. Was die Erstattungsfähigkeit von Heilmitteln betrifft, die (noch) nicht im EKO angeführt sind, lässt sich das aus den einschlägigen Regelungen selbst begründen. Denn für begründete Einzelfälle sehen die bereits zitierten Bestimmungen des § 31 Abs 1 Z 12 ASVG bzw § 6 Abs 1 Z 2 RöV die Erstattung ohnehin vor. Dem Versicherten steht somit das im konkreten Fall notwendige und wirtschaftlichste Heilmittel zu. In erster Linie sollen die Wirksamkeit des Mittels und das Wohl des Kranken ausschlaggebend sein (10 ObS 160/06m, SSV-NF 21/12 = ZAS 2008/5, 36 [Kietaibl] ua). Deshalb kann auch eine erforderliche, aber fehlende Genehmigung des chefärztlichen Dienstes den Anspruch des Versicherten auf Heilmittel nicht beschränken (vgl Grillberger in
Grillberger/Mosler
, Ärztliches Vertragspartnerrecht [2012] 234 mwN).

1.3 Der Umstand, dass im vorliegenden Fall keine ex-ante-Genehmigung des Präparats „Avastin“ durch den chef- bzw kontrollärztlichen Dienst der Bekl eingeholt wurde, führt somit [...] nicht zwingend zu dem Ergebnis, dass eine Kostenerstattung für dieses Präparat nicht mehr in Betracht kommt. Die Einrichtung der Chef-(Kontroll-)arztpflicht ist als Maßnahme zum Schutz der Versicherten und nicht als Ausschlussregelung für die Kostentragung von Heilmitteln und Heilbehelfen (auch Krankenbehandlung) zu verstehen. Der Sinn des chef-(kontroll-)ärztlichen Handelns ist die Gewährleistung einer zweckentsprechenden Krankenbehandlung. Für die Versicherten soll im Vorhinein die Kostentragung durch die Krankenversicherungsträger durch die Bewilligung seitens des Chef-(Kontroll-)arztes abgesichert werden bzw soll der Versicherte nicht mit dem Risiko belastet werden, erst im Nachhinein zu erfahren, ob die Kosten einer erfolgreichen Krankenbehandlung, eines Heilmittels oder eines Heilbehelfes als dem Heilzweck entsprechend anerkannt werden. Die Nichteinholung der chef-(kontroll-)ärztlichen Bewilligung hat für den Versicherten somit lediglich zur Folge, dass er erst nachträglich mit dem Krankenversicherungsträger abzuklären hat, ob zB eine bereits in Anspruch genommene Untersuchungsmethode oder ein schon konsumiertes Heilmittel anerkannt wird. Einen Verlust des Anspruchs bewirkt die unterlassene Einholung der Bewilligung des Chef-(Kontroll-)arztes jedoch nicht. Entscheidend für den Anspruch des Versicherten ist, ob die in Anspruch genommenen Heilmittel sowie Heilbehelfe oder sonstige Maßnahmen der Krankenbehandlung heilzweckentsprechend sind (vgl Thaler/Plank, Heilmittel und Komplementärmedizin in der Krankenversicherung [2005] 42, 80 und 187; Firlei, Heilmittelverschreibung [2006] 55 f mwN; Sprung/König, Die Rechtsnatur der chefärztlichen Genehmigung für eine Heilbehandlung, VersRdSch 1990, 264 ff; 10 ObS 21/10a, SSV-NF 24/19; VfSlg 13.571 ua). Das Vorliegen dieser Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch des Kl ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

2. Heilmittel können in jeder öffentlichen Apotheke und bei jedem eine Hausapotheke führenden Arzt bezogen werden. Sie dürfen für Rechnung der Krankenversicherungsträger nur abgegeben werden, wenn sie auf einem Kassenrezept von einem Vertragsarzt verschrieben oder – bei Wahlarztverschreibungen – vom Krankenversicherungsträger zur Bezahlung übernommen werden, wobei die Einhaltung der RöV geprüft wird. [...]

2.1 Nach § 456 Abs 1 ASVG haben die Träger der KV eine Krankenordnung aufzustellen [...]. Bestimmungen einer Krankenordnung, die im Rang einer Verordnung steht, haben Auswirkungen auf alle, die Rechte vom Umfang des Krankenbehandlungsanspruchs eines Versicherten ableiten wollen. Wenn ein Versicherter gegen Bestimmungen der für ihn geltenden Krankenordnung verstößt, kann dies zum Verlust seines Krankenbehandlungsanspruchs führen (vgl Souhrada in

Sonntag
, ASVG3 § 456 Rz 5 mwN; VfSlg 19.251).

2.2 Nach den insoweit zutreffenden Ausführungen der Revisionswerberin war der behandelnde Arzt Dr. T im gegenständlichen Fall als Wahlarzt tätig und er hatte das nicht im EKO angeführte Präparat „Avastin“ mit einem Privatrezept zu verordnen. Bezüglich der Kostenerstattung für Privatrezepte sieht § 33 der Krankenordnung 2007 der Bekl vor, dass die Kasse dem Anspruchsberechtigten die Kosten des bezahlten Heilmittels, welches mit Privatrezept verordnet, jedoch einem Kassenrezept nicht gleichgestellt wurde, nur dann erstattet, wenn die Verordnung nach den RöV zulässig ist und die saldierte Originalhonorarnote (Rezept) der Kasse übergeben wird. Für die Kostenerstattung ist es daher unabdingbare Voraussetzung, dass das Heilmittel ärztlich verordnet wurde und der Versicherte die Kosten dieses Heilmittels bereits bezahlt hat. Dies ist vom Versicherten auch entsprechend zu belegen. Die Notwendigkeit der Vorlage einer saldierten Originalhonorarnote entspricht dem Gebot der Verwaltungsökonomie (vgl 10 ObS 361/99g, SSV-NF 14/77 mwN).

2.3 Die Bekl hat bereits im Verfahren erster Instanz ausdrücklich eingewendet, dass die für eine Kostenerstattung unbedingt erforderliche ärztliche Verordnung333 (Privatrezept) betreffend „Avastin“ nicht vorliegt. Die Parteien haben daraufhin außer Streit gestellt, dass der Kl „im augenärztlichen Bereich“ keine Verordnungen, sondern lediglich die (von ihm in Kopie vorgelegten) Honorarnoten erhalten hat. Da somit weder eine Verordnung bzw ein Privatrezept betreffend das Präparat „Avastin“ noch eine saldierte Originalhonorarnote, aus der der Bezug dieses Präparats von einer Apotheke iSd § 136 Abs 2 ASVG ersichtlich wäre, vorliegt, kommt eine Kostenerstattung für dieses Präparat nach § 33 der Krankenordnung 2007 nicht in Betracht. [...]

4. Der Kostenerstattungsanspruch beträgt daher insgesamt 271,10 € (= 116 € für die Netzhaut Kohärenztomographien, 148 € für die intravitreale Injektion und 7,10 € für „Okacin Augentropfen“). Nur in diesem Umfang erweist sich das Klagebegehren als berechtigt. [...]

Anmerkung

Das Urteil betrifft zwei Leistungen eines Augenarztes: zum einen Netzhaut-Kohärenztomographien (= OCT), zum anderen die Behandlung mit einem Mittel gegen die Makula-Degeneration durch dessen Injektion ins Auge. Sachverhalt und Urteil betreffen mehrere zentrale Fragen des Anspruchs auf ärztliche Behandlung mit einem Heilmittel und auf Kostenerstattung. Vier betreffen den Umfang des Leistungsanspruchs spezifisch bei Arzneimitteln (Kostenerstattung ohne Verordnung; Anspruch über den EKO hinaus; off-label-use; extramurale Behandlung statt der von der KV für angemessen erachteten Behandlung in einer Krankenanstalt). Ferner geht es bei beiden Leistungen um Folgendes: Kostenerstattung für Leistungen, die nicht zu den Vertragsleistungen zählen; Kostenerstattungsanspruch bei Fehlen der chefärztlichen Genehmigung; Kostenerstattungsanspruch bei Behandlung durch einen Vertragsarzt als Wahlarzt. Der Sachverhalt belegt anschaulich, wie kompliziert die Frage nach einem Leistungsanspruch sein kann. Im Vordergrund der Urteilsbegründung steht die Erstattung für die Kosten des Arzneimittels. Im Folgenden können die vielfältigen Fragen nur angesprochen, nicht aber umfassend diskutiert werden.

1
Spezifische Fragen zur Kostenerstattung bei Arzneimitteln
1.1
Keine Erstattung für ein Arzneimittel ohne Verschreibung

Der OGH lässt die Kostenerstattung für das Arzneimittel an der fehlenden ärztlichen Verordnung scheitern. Dies ist in der Sache zutreffend. Der OGH leitet das Erfordernis einer Verordnung aus der Krankenordnung ab, und zwar aus der Bestimmung zur Kostenerstattung bei Behandlung durch einen Wahlarzt. Der Vertragsarzt wurde hier nach Auffassung des OGH als Wahlarzt tätig, was allerdings nicht näher begründet wird (dazu unten 2). Das Ergebnis dürfte wohl kein anderes sein, wenn man die Behandlung als die eines Vertragsarztes ansieht. Besorgt der Vertragsarzt etwa vorsorglich das Medikament für eine vom Gesamtvertrag erfasste Leistung, das er bei einem Hausbesuch injizieren will, so wird ebenfalls ein saldiertes Rezept Voraussetzung für die Kostenerstattung sein. Fraglich ist, ob die Kostenerstattung hier erst bzw nur am Fehlen der Verordnung scheitert.

1.2
Anspruch bei off-label-use

Das verwendete Mittel war für die vorgenommene Verwendung nicht arzneimittelrechtlich zugelassen. Diese Zulassung erfolgt für bestimmte Indikationen, für welche die Verwendung getestet wurde. Allerdings werden Arzneimittel nicht selten darüber hinaus verordnet, insb bei Kindern. Auch diese Verwendung (off-label-use) ist arzneimittelrechtlich in bestimmten Fällen zulässig (Kopetzki, „Off-label-use“ von Arzneimitteln, in FS B. Raschauer [2008] 73 ff), insb wenn das in Österreich nicht zugelassene Mittel bereits international nach den wissenschaftlichen Methoden der Medizin für den spezifischen off-label use anerkannt ist. Dies ist im vorliegenden Fall relevant. Die pharmakologisch nahe verwandten Mittel Avastin und Lucentis werden von Anbietern hergestellt, die wohl konzernmäßig verbunden sind. Das als Mittel bei Makuladegeneration zugelassene Mittel Lucentis ist wesentlich teurer als das als Zytostatikum zugelassene Mittel Avastin. Es gibt zahlreiche Studien, die wohl darauf hinauslaufen, dass Avastin zur Behandlung der Makuladegeneration im Wesentlichen ebenso geeignet ist.

In Bezug auf die Erstattungspflicht bei off-label-use werden von der Judikatur im Wesentlichen die Grundsätze zu Außenseitermethoden herangezogen (vgl Rebhahn in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 136 Rz 80 ff). Diese Einschränkungen sind mE nicht am Platz, wenn das nicht zugelassene Mittel bereits international nach den wissenschaftlichen Methoden der Medizin für den spezifischen off-label use anerkannt ist. Der OGH geht hier auf die Frage nicht speziell ein, weil er den Erstattungsanspruch ohnehin abgelehnt hat.

1.3
Mittel, das nach Auffassung der KV nur in Krankenanstalten angewendet werden soll

Das ASVG sieht in § 133 Abs 2 vor, dass der HV eine „Negativliste“ von Arzneimitteln erstellt, die im Allgemeinen nicht zur (extramuralen) Krankenbehandlung geeignet sind, darunter weil sie „überwiegend zur Behandlung in Krankenanstalten verwendbar sind“. Diese Liste, eine Verordnung, wiederholt dazu allerdings nur diese Umschreibung und ist daher für eine unmittelbare Anwendung nicht geeignet (Rebhahn in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 136 Rz 78). Die Frage, ob ein Mittel nur zur Behandlung in Krankenanstalten geeignet ist, ist gleichwohl bei der Bestimmung des Anspruches nach § 136 ASVG relevant. Ein Mittel, das nur zur Behandlung in einer Krankenanstalt geeignet ist, ist nämlich zur Verwendung in der extramuralen Behandlung nicht geeignet. Dabei ist nicht nur die stationäre Behandlung, sondern auch die Behandlung in einer Anstaltsambulanz einzubeziehen. Der Anspruch auf extramurale Leistung kann aus therapeutischen Gründen fehlen, etwa wenn die334 erforderliche Qualität der Behandlung extramural nicht gesichert ist, zB eine Frequenz erfordert, die im niedergelassenen Bereich typischerweise nicht erreicht wird. Ist die Behandlungsqualität aber gleich, dann besteht Anspruch nach § 136 ASVG. Die Beweislast dafür, dass die Behandlung in einer Krankenanstalt allein zweckmäßig ist, trägt der Krankenversicherungsträger. Der Krankenversicherungsträger hat hier wohl vorbringen wollen, dass die Behandlung durch Injektion in das Auge nur in der Krankenanstalt erfolgen soll, weil dafür spezifische Rahmenbedingungen (insb Sterilität) gegeben sein müssen. Allerdings musste der OGH dazu nicht näher Stellung nehmen, weil er den Anspruch aus einem anderen Grund abgelehnt hat und überdies das Vorbringen des Krankenversicherungsträgers, soweit referiert, nicht hinreichend konkret war.

1.4
Behandlung mit einem nicht im EKO aufgenommenen Medikament

Unterstellt man, dass das Mittel für eine extramurale Behandlung geeignet ist, so bleibt die Frage nach dem Leistungsanspruch über den EKO hinaus. Im Gesetz ist dazu § 31 Abs 3 Z 12 Satz 4 bis 6 ASVG einschlägig (vgl dazu Rebhahn in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 136 Rz 71 ff). „In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes.“ In früheren Urteilen war der OGH der Auffassung, dass die Spezialbestimmung die allgemeinen Kriterien des § 133 ASVG in Bezug auf Arzneimittel nicht verschärft habe (krit Rebhahn in
Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 136 Rz 72 ff). Das vorliegende Urteil zitiert § 31 Abs 3 Z 12 Satz 4 bis 6 ASVG, geht aber nicht darauf ein, ob dessen Voraussetzungen („zwingende therapeutische Gründe“) hier erfüllt waren. Daher bleibt unklar, ob nur die allgemeinen Kriterien oder die strengeren der Spezialbestimmung angewendet wurden. In der Sache waren wohl auch die strengeren Kriterien erfüllt, weil das Fortschreiten der Krankheit nur mit diesem Mittel oder mit Lucentis verlangsamt werden kann.

2
Kostenerstattung für Leistung außerhalb des Gesamtvertrages

Der Krankenversicherungsträger hat die Kostenerstattung für OCT und Injektionen in das Auge abgelehnt, weil diese nach seiner Auffassung nicht zu den Vertragsleistungen bei niedergelassenen Fachärzten für Augenheilkunde gehören (und auch keine Bewilligung vorliege). Die Urteile des OLG und des OGH (die Revision des Krankenversicherungsträgers richtete sich auch gegen diesen Zuspruch) haben die Erstattung in Höhe von 80 % des Honorars zugesprochen. Die Ausführungen dazu sind sehr kurz. Das OLG begnügt sich (nach dem Referat des OGH) mit der Aussage, es habe sich um eine notwendige und zweckmäßige Krankenbehandlung gehandelt, die durch den Gesamtvertrag nicht anderen Ärzten vorbehalten sei. Der OGH begnügt sich mit dem Zuspruch.

Die Auffassung des Krankenversicherungsträgers gründete offenkundig daran, dass der Gesamtvertrag für die besagten Leistungen keine gesonderte Honorarposition vorsah. Der Gesamtvertrag kann nach hA den Behandlungsanspruch der Versicherten nicht abschließend festlegen. Allerdings ist fraglich, welche Bedeutung dann der Tatsache zukommt, dass der Gesamtvertrag bestimmte Sonderleistungen, für die der Vertragsarzt ein gesondertes Honorar verlangt, für die Ärzte der betreffenden Fachrichtung nicht nennt. Ein negatives Kriterium ist nun, auch nach dem OLG, die Zuweisung der Leistung zu Ärzten einer anderen Fachrichtung (vgl OGH

30
3
1999
, 10 ObS 403/98g). Fraglich ist aber, ob auch ein positives Kriterium für die Pflicht der KV besteht, die Leistung gesondert zu bezahlen. Der bloße Wille des Vertragsarztes, zusätzlich etwas zu verlangen, kann dafür wohl nicht ausreichen. Auch die Tatsache, dass es sich bei der fraglichen Leistung um eine erforderliche Krankenbehandlung iSd ASVG handelt, allein kann wohl nicht ausreichen, wenn und weil der Vertragsarzt ein Pauschalhonorar für Untersuchung und (erste) Behandlung erhält. In der Literatur wurde vorgetragen, eine Honorierungspflicht über den Gesamtvertrag hinaus komme insb bei „neuen“ Leistungen in Betracht (so bereits Grillberger, ZAS 1994, 81 ff [84]). Auch der OGH hat früher darauf Bezug genommen (alle drei Urteile zu RIS-Justiz RS0089219 gehen in diese Richtung). Hier ist fraglich, ob OCT und intravitreale Injektionen 2008/2009 noch als „neues“ Behandlungsverfahren anzusehen waren; bei OCT liegt dies weniger nahe als bei der Injektion. Das vorliegende Urteil des OGH stellt auch nicht explizit auf die „Neuheit“ der Leistung ab (übernimmt aber vielleicht die diesbezügliche Auffassung des OLG). Jedenfalls wird kein anderes positives Kriterium genannt, das erlauben würde, zwischen den vom Pauschalhonorar abgegoltenen Leistungen und – über den Gesamtvertrag hinaus – gesondert zu honorierenden Leistungen zu unterscheiden. Denkbar wäre etwa darauf abzustellen, ob vergleichbare Leistungen typischerweise gesondert honoriert werden. Dies träfe hier wohl zu; so werden etwa Röntgenbilder eines Zahnes oder Ultraschalluntersuchungen ebenso gesondert honoriert wie Injektionen.

Gehören beide fraglichen Leistungen aber zu der von der KV geschuldeten Krankenbehandlung (und davon gehen OLG und OGH hier aus), so ist mE fraglich, warum deren Vornahme durch einen Vertragsarzt als Inanspruchnahme eines Wahlarztes angesehen wird. Die Berechtigung dieser Fragestellung zeigt sich wenn man unterstellt, der Arzt habe nicht ein Privathonorar verlangt, sondern Bezahlung als Sonderleistung durch den Krankenversicherungsträger. Nach den Kriterien, die der OGH für die Kostenerstattung anlegt, hätte die KV die beiden Leistungen gesondert honorieren müssen – und zwar als Teil der vertragsärztlichen Leistungserbringung. Die Höhe des Entgeltanspruches wäre dann nach vergleichbaren Leistungen des Gesamtvertrages zu bestimmen – und nicht nach den Vorstellungen des Arztes. Die Einordnung als Leistung335 eines Vertrags- oder eines Wahlarztes kann sich in der Folge wohl nicht allein deshalb ändern, weil der Arzt den Patienten zahlen lässt.

Die Einordnung als vertragsärztliche Leistung hätte allerdings zwei bedeutsame Folgen. Erstens müsste sich primär der Vertragsarzt – als Ausfluss seiner Pflichten aus dem Einzelvertrag – um die gesonderte Honorierung durch die KV kümmern. Zweitens müsste der Patient, wenn der Arzt dennoch ein Honorar verlangt, von der KV jedenfalls 100 % dessen als Kostenerstattung verlangen können, was die KV dem Vertragsarzt bei direkter Verrechnung zu bezahlen hätte. Sollte der Vertragsarzt mehr verlangen, so kann man überlegen, ob der Krankenversicherungsträger den vollen Betrag zu erstatten hat und die Differenz vom Vertragsarzt zurückverlangen kann. Die derzeitige, auch vom vorliegenden Urteil geteilte Auffassung verschiebt die Streitigkeit von der Ebene Vertragsarzt – KV zum Patienten hin, und weist den Versicherten damit die Folgen eines Versäumnisses der Parteien des Gesamtvertrages zu.

3
Kostenerstattung für Leistung ohne kontrollärztliche Bewilligung

Eine kontrollärztliche Bewilligung ist für Leistungen der ärztlichen Hilfe nur ausnahmsweise vorgesehen, nämlich wenn die RöK des HV oder die Krankenordnung sie vorsehen. Die Anlage zu § 4 RöK 2005 und jene zu § 55 der Krankenordnung der Wr GKK sehen die Bewilligung für dieselben Leistungen vor. Die OCT ist dort ebenso wenig genannt wie eine intravitreale Injektion. Fraglich ist allerdings, wie die Lage bei Leistungen ist, für die der Vertragsarzt ein gesondertes Honorar verlangt. Der OGH sieht den Zweck der Bewilligung auch hier (nur) darin, dem Versicherten Sicherheit über die Leistungspflicht der KV zu verschaffen. Dieser Zweck würde aber gerade bei Leistungen zutreffen, für die der Vertragsarzt über den Gesamtvertrag hinaus ein Honorar (allenfalls vom Patienten) verlangen will. Dies würde für die aus dem Einzelvertrag abgeleitete Pflicht des Vertragsarztes sprechen, vor der „Sonderleistung“ die Bewilligung einzuholen, außer die Maßnahme ist zu dringlich dafür. Ein Einholen der Bewilligung wäre hier jedenfalls bei der zweiten und dritten OCT, die vorhersehbar waren, möglich gewesen. Nach hA kann das Fehlen der Bewilligung zwar den Behandlungsanspruch nicht einschränken, Pflichten des Vertragsarztes gegenüber der KV sind davon aber unberührt.

Bei Arzneimitteln sieht hingegen schon das Gesetz das Erfordernis der Bewilligung in weitem Umfang vor, nämlich für alle Arzneimittel, die nach dem EKO nicht frei verschreibbar sind. Überdies ist die Gesetzeslage bei Arzneimitteln auch insoweit anders als bei ärztlicher Hilfe, als § 31 Abs 3 Z 12 Satz 4 bis 6 die Verschreibung von Arzneimitteln über den EKO hinaus gesondert regelt. Auch bei Arzneimitteln kann das Bewilligungserfordernis den Behandlungsanspruch nicht einschränken. Allerdings muss man jedenfalls hier weiter nach dem Zweck des Erfordernisses fragen. Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, besteht die Funktion des Bewilligungsvorbehaltes bei Arzneimitteln darin, die „positive“ Konkretisierung des Leistungsanspruches auch im Verhältnis KV – Versicherte nicht endgültig an den Vertragsarzt zu delegieren (vgl VfGHB 438/99VfSlg 2000/15.907). Bei den bewilligungspflichtigen Leistungen kann das Bestehen des Leistungsanspruches aus verschiedenen Gründen (therapeutischer Nutzen, Wirtschaftlichkeit) typischerweise nicht ebenso leicht vom Vertragsarzt allein beurteilt werden wie bei bewilligungsfreien Leistungen (vgl dazu Rebhahn in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 136 Rz 5 ff). ME träfe den Vertragsarzt zumindest die Pflicht, den Versicherten – soweit nicht sofortige Behandlung erforderlich ist – auf das Bewilligungserfordernis hinzuweisen und die Folgen einer Pflichtversäumnis zu tragen.

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Ausblick

Der OGH hat den Leistungsanspruch in Bezug auf die ärztlichen Leistungen und in der Sache auch in Bezug auf das Arzneimittel bejaht (der Mangel der ärztlichen Verordnung wird in anderen Fällen nicht vorliegen), obwohl die KV die einschlägige Behandlung im niedergelassenen Bereich nicht für sinnvoll erachtet. Aufgrund des derzeitigen (unsinnigen) Finanzierungssystems, das eine stationäre wie ambulante Behandlung in der Krankenanstalt aus Sicht der KV stets als „kostenlos“ erscheinen lässt, kann man nicht ausschließen, dass diese Auffassung auch durch Kostenüberlegungen motiviert ist (aus Sicht des gesamten Gesundheitssystems ist die Behandlung mit „Aventis“ – gleichgültig wo sie erfolgt – weitaus kostengünstiger als die von der GKK empfohlene Behandlung mit „Lucentis“ in einer Krankenanstalt). Die Auffassung könnte aber – jedenfalls in anderen Fällen – auch sachlich begründet sein. Das österreichische Recht sieht schon bisher eine Reihe von Steuerungsinstrumenten in Bezug auf die Krankenbehandlung vor, insb zu Arzneimitteln. Allerdings sind diese bislang rechtlich zuweilen wenig effektiv, wenn der Patient Kostenerstattung verlangt. Der OGH hat im vorliegenden Fall alle diese Steuerungsmittel (EKO, Gesamtvertrag, Bewilligungsvorbehalt; letztlich auch arzneimittelrechtliche Bewilligung) nicht eingreifen lassen. Das mag hier gerechtfertigt sein (wenn man von der Eignung für extramurale Anwendung ausgeht), die Begründungen lassen aber (zu) wenige Ansätze für eine stärkere Effektivität in anderen Fällen erkennen. Ein wichtiger rechtlicher Grund für die Skepsis gegenüber den Steuerungsinstrumenten ist derzeit die „sukzessive Kompetenz“ von Krankenversicherungsträgern zum Gericht; sie erlaubt es, jeden Ermessensspielraum des Krankenversicherungsträgers bei der Konkretisierung des Anspruches auf Krankenbehandlung abzulehnen. Die B-VG-Novelle zu den Verwaltungsgerichten würde es dem Gesetzgeber nun aber ermöglichen, dies (auf zwei Wegen) zu ändern.336