Entgeltfortzahlung für Arbeiter bei persönlicher Betroffenheit von einer Katastrophe

CHRISTOPHKLEIN (WIEN)

Das große Hochwasser im Juni 2013 hat auch im Arbeitsrecht seine Spuren hinterlassen. Am 4.7.2013 beschloss der Nationalrat eine Novellierung von § 1154b Abs 6 ABGB, die in Form eines Initiativantrages von SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten eingebracht worden war.

Bei der Fortzahlung des Arbeitsentgelts während Dienstverhinderungen, die auf wichtigen persönlichen Gründen beruhen, differenziert der Gesetzgeber nach wie vor zwischen Angestellten und Arbeitern. Während für Angestellte die Generalklausel des § 8 Abs 3 Angestelltengesetz (AngG) zwingendes Gesetzesrecht darstellt, der Anspruch des Angestellten auf Entgeltfortzahlung bei kurzzeitiger Dienstverhinderung durch „wichtige, seine Person betreffende Gründe“ also weder durch KollV noch Einzelvertrag beschränkt werden kann (§ 40 AngG), lässt der für Arbeiter geltende § 1154b Abs 6 ABGB (idF BGBl I 2000/44) Abweichungen von der – ansonsten identischen – gesetzlichen Regelung durch KollV ausdrücklich zu.

Diese Kollektivvertragsdispositivität wird nun von der gegenständlichen Gesetzesnovelle eingeschränkt: Der KollV kann den Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeiters mit Wirkung ab 1.1.2014 dann nicht mehr beseitigen oder auf andere Weise zum Nachteil des Arbeiters abändern, wenn die Dienstverhinderung „auf Grund persönlicher Betroffenheit des Dienstnehmers oder der Dienstnehmerin durch eine Katastrophe“ (§ 1154b Abs 6 ABGB neu) besteht.

Übertragen auf den Anlassfall für diesen Gesetzgebungsakt, also eine Hochwasserkatastrophe, hat die Neuregelung in der Praxis etwa die folgenden Auswirkungen. Kann ein Arbeiter nicht zur Arbeit kommen, weil er sein Wohnhaus mit Sandsäcken vor dem nahenden Hochwasser abzusichern versucht

oder weil er sein Hab und Gut aus dem Erdgeschoß in höher gelegene Gebäudeteile verfrachtet, so steht ihm derzeit im Geltungsbereich vieler Arbeiter-Kollektivverträge nach der herrschenden Judikatur kein Entgelt für die Zeit des Arbeitsentfalls zu: Die Arbeiter-Kollektivverträge enthalten nämlich häufig Aufzählungen von Dienstverhinderungsfällen, in denen eine jeweils dazu genannte Zeitspanne als entgeltfortzahlungspflichtig definiert wird; da die Judikatur diese Listen (in denen Katastrophen kaum auftauchen) als taxativ auslegt, heißt das im Umkehrschluss, dass in nicht genannten Fällen kein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeiters besteht. Ab 2014 kann kraft der gesetzlichen Neuregelung die beschriebene Ausschlusswirkung der taxativ ausgelegten Listen von Dienstverhinderungsgründen nicht mehr zum Tragen kommen, weshalb in den beschriebenen Situationen Arbeiter dann genauso wie Angestellte einen zwingenden Anspruch auf die Fortzahlung ihres Entgelts haben. Gleiches gilt, wenn ein AN wegen eines überschwemmten oder vermurten Verkehrsweges den – ansonsten zugänglichen und produzierenden – Betrieb nicht erreichen kann, um ein anderes typisches Anwendungsbeispiel zu nennen.

Damit hat eine ansonsten verheerende, ja sogar Todesfälle verursachende Naturkatastrophe immerhin die Politik dazu bewogen, einen Bereich gesetzlicher Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten wenigstens teilweise aufzuheben, für den selbst bei bestem Willen keinerlei sachliche Rechtfertigung erkennbar ist. Oder fällt jemandem ein Grund außer „historisch gewachsen“ ein, warum der Sandsäcke schleppende Angestellte dies bei Bezahlung durch seinen AG tun soll, der Arbeiter hingegen nicht?