Gleichbehandlungsrechtsnovelle 2013 – die wesentlichen Änderungen im Überblick

DORISWAKOLBINGER (LINZ)

Im Juli 2012 wurde ein Entwurf für eine Novelle zum Gleichbehandlungsrecht übermittelt. Im November 2012 konnte man den Medien ein Scheitern dieses Entwurfes entnehmen. Im Juni 2013 wurden nun doch Teile der ursprünglichen Novelle mit Inkrafttreten am 1.8.2013 beschlossen.* Als deren Ziele werden die Umsetzung der Selbständigen-GleichbehandlungsRL,* die Verbesserung und Klarstellung des Instrumentariums zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) und die Verkürzung der Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission (GBK) genannt.* Der folgende Beitrag stellt die bedeutendsten Eckpunkte dieser Novelle vor.

1
Geltungsbereich
1.1
Ausdehnung des Schutzes auf alle Phasen der Ausbildung

Nach dem unmittelbaren Wortlaut der alten Fassung des § 1 Abs 1 Z 2 GlBG sowie der anderen Bestimmungen über den Geltungsbereich erstreckte sich dieser nur auf den Zugang zur Bildung und Beratung, nicht jedoch auf deren Durchführung. Ein derartiges Verständnis widersprach dem Zweck der Norm – das Rechtsschutzdefizit war evident. Allerdings erfolgte nach der Spruchpraxis der GBK eine weite Auslegung – beurteilt wurde nicht nur der Zugang, sondern auch der Verlauf der Ausbildung. Mit der Novelle wird nun iS einer Übernahme der Spruchpraxis klargestellt, dass sich der Schutzbereich nicht nur auf den Zugang zur Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung einschließlich praktischer Berufserfahrung beschränkt, sondern auch auf alle Phasen der Ausbildung. * Nach den EB hingegen weiterhin nicht erfasst ist die inhaltliche Beurteilung von Prüfungen. In diesem Zusammenhang können nur die Umstände der Prüfung auf ihre diskriminierungsrechtliche Relevanz hin geprüft werden, beispielsweise die (sexuelle) Belästigung durch den/die PrüferIn.* Demgegenüber konstatiert Rebhahn bereits gegenüber der alten Fassung, dass in den Geltungsbereich auch alle Fragen einzubeziehen sind, die sich auf den Zugang zum Erfolg der Beratungs- oder Bildungsmaßnahme auswirken, somit auch Fragen der Beurteilung der TeilnehmerInnen einer Aus- oder Weiterbildung. * Eine diesbezügliche Erweiterung wäre daher, um den gesamten Bereich der Aus- und Weiterbildung zu erfassen, mE konsequenterweise angebracht.

1.2
Umsetzung Selbständigen-Gleichbehandlungsrichtlinie

Die Selbständigen-GleichbehandlungsRL, welche nun mit einem Jahr Verspätung umgesetzt wird, verbietet in Art 4 Abs 1 jede „unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im öffentlichen oder privaten Sektor, etwa in Verbindung mit der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens bzw. der Aufnahme oder mit der Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit“. Das Gleichbehandlungsrecht umfasste ausdrücklich nur den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit und entsprach daher nicht den weiteren Vorgaben der Selbständigen-GleichbehandlungsRL, die über den bloßen Zugang hinausgeht. Dies hat in der Praxis zu Unklarheiten über den Geltungsbereich geführt, so die EB.* Dementsprechend sieht die Neuregelung eine Ausdehnung des Diskriminierungsschutzes vom bloßen Zugang zur selbständigen Erwerbstätigkeit auf die Bedingungen für die455 Erweiterung einer selbständigen Erwerbstätigkeit vor.* Obwohl die RL nur die Geschlechterdiskriminierung im selbständigen Bereich erfasst, erfolgte die Erweiterung auch im II. Teil des GlBG für die geschützten Merkmale ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter und sexuelle Orientierung* sowie Behinderung im Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG).* Nach den EB ist damit bemerkenswerterweise entgegen dem deutlich erweiterten Gesetzeswortlaut keine materiellrechtliche Änderung der Rechtslage verbunden.*

2
Merkmal Familienstand

Die alte Regelung des I. und IV. Teils des GlBG pönalisierte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, „insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand“. Die neue Regelung der §§ 3, 4, 43 Abs 1 GlBG reduziert den Begriff „Ehe- oder Familienstand“ auf den Begriff „Familienstand“ und lehnt sich dadurch an die Definition des PStG 2013* an. Nach § 2 Abs 2 Z 4 PStG umfasst der Begriff „Familienstand“ den Umstand, ob eine Person ledig, verheiratet, in eingetragener Partnerschaft lebend, geschieden, verwitwet oder ein/e hinterbliebene/r eingetragene/r PartnerIn ist, die Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, die eingetragene Partnerschaft aufgelöst oder für nichtig erklärt wurde. Der Begriff der „Ehe“ ist vom Begriff „Familienstand“ erfasst, daher unterbleibt eine gesonderte Anführung dieses Merkmals. Durch die Bezugnahme auf die Definition im PStG ist nun erstmals klargestellt, dass „eingetragene Partnerschaften“ nach dem EPG* vom Diskriminierungsschutz des GlBG ebenfalls umfasst sind. Nicht vom Begriff des „Familienstands“ nach dem PStG erfasst ist jedoch der Umstand, ob jemand Kinder hat. Um dieses Merkmal auch weiterhin zu umfassen, wird dies ausdrücklich im Gesetz genannt.*

3
Erweiterung der Verpflichtung zur Angabe des Mindestentgelts

In Stellenausschreibungen müssen bisher Angaben zum kollektivvertraglichen, gesetzlichen oder durch andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegten Mindestentgelt sowie die Bereitschaft zur Überbezahlung – sofern eine solche besteht – enthalten sein. Bereiche, in denen keine lohngestaltenden Regelungen zur Anwendung kommen, wurden von der Verpflichtung zur Angabe des Mindestentgelts nicht erfasst. Die Novelle bringt nun eine Ausdehnung der Verpflichtung zur Angabe des Entgelts in Stelleninseraten für Arbeitsverträge in ebendiesen Wirtschaftsbereichen. Dabei ist jenes Entgelt anzugeben, das als Mindestgrundlage für die Arbeitsvertragsverhandlungen zur Vereinbarung des Entgelts dienen soll.* Auch für die erweiterte Verpflichtung gilt, dass Verhandlungen über die Höhe der tatsächlichen Entlohnung – soweit die Festsetzung nicht in diskriminierender Weise erfolgt – aufgrund sachlicher Kriterien wie zB einschlägiger Zusatzausbildung davon nicht beeinträchtigt sind. Die Angabe des Mindestentgelts stellt kein bindendes Angebot dar, kann somit im Einzelfall auch unterschritten werden, wenn der/die BewerberIn eine verlangte Voraussetzung nicht erfüllt, die Einstellung aber dennoch erfolgen soll.* Von der erweiterten Regelung nicht erfasst sind AN in Leitungspositionen gem § 10 Abs 2 Z 2 AKG.* Damit fallen GeschäftsführerInnen und Vorstandsmitglieder, wenn das Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben wird, in Unternehmen mit anderer Rechtsform leitende Angestellte, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zusteht, nicht darunter.

4
Sonstige Änderungen
4.1
Definition des Schadenersatzes

Ältere Richtlinien verpflichten die Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Schadenersatzregelungen zu treffen.* Die neuere Selbständigen-GleichbehandlungsRL sieht in Art 10 vor, dass der Schaden „tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt“ wird, wobei der Schadenersatz „abschreckend“ und dem erlittenen Verlust „angemessen“ sein muss, und weicht damit sprachlich von den älteren Definitionen ab. Diese Kriterien werden nun einheitlich in der neuen Definition des Schadenersatzes im GlBG, BEinstG, BGStG (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz) sprachlich leicht modifiziert, aber inhaltlich kongruent, übernommen. * Unabhängig davon, dass diese Kriterien im Hinblick auf die richtlinienkonforme Auslegung der Gesetze bei der Festlegung der Höhe des Schadenersatzes von den Gerichten bereits bisher berücksichtigt werden mussten, soll die Bedeutung dieser Kriterien durch die geänderte Formulierung unterstrichen werden. Insb mit dem Kriterium der Verhinderung von Diskriminierung soll der dem österreichischen Schadenersatzrecht immanente Präventionsgedanke zum Ausdruck kommen.*

4.2
Ausdehnung der Verjährungsfrist bei sexueller Belästigung

Erfahrungen in der Praxis und wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass viele „Frauen456 im Falle einer sexuellen Belästigung das widerfahrene Unrecht erst verarbeiten müssen, um sich dann zur Geltendmachung ihrer Ansprüche zu entschließen – so die Erläuterungen. Dafür scheint die Verjährungsfrist von einem Jahr zu kurz bemessen, sodass § 15 Abs 1 GlBG nunmehr eine Frist von drei Jahren vorsieht.* Die Ausdehnung der Frist ist klarerweise grundsätzlich positiv zu bewerten. Am Rande bemerkenswert ist jedoch die reduzierte Wortwahl „Frauen“ in den Erläuterungen, aus der mE ein sprachlich antiquiertes Opfer-Täter-Verständnis zum Ausdruck kommt. Gerade ein solches Geschlechterverständnis soll mit Bestimmungen wie dem GlBG aufgebrochen werden. Angesichts der im Anschluss noch zu nennenden Bestellung von künftig auch Männern zum Anwalt für Gleichbehandlung von Männern und Frauen wirkt diese Wortwahl besonders eigenwillig.

4.3
Bestellung von Männern zum Anwalt für Gleichbehandlung

Bislang war die Position der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern nur Frauen vorbehalten – nunmehr können auch Männer damit betraut werden. Diesem Umstand ist die künftig geschlechtergerechte Bezeichnung der Position als Anwalt/Anwältin ua in § 10 GlBG geschuldet.

5
Änderungen des GBK/GAW-Gesetzes
5.1
Verkleinerung der Senate der GBK

Die wesentlichen Eckpunkte der Neuregelung des BG über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-Gesetz) dienen der Verfahrensökonomie und dem Schutz der am Verfahren beteiligten Personen. So werden die Senate der GBK verkleinert. Statt bisher zwei VertreterInnen aus den in § 2 Abs 2–4 (Inkrafttreten am 1.1.2014) genannten entsendenden Organisationen (Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Wirtschaftskammer Österreich, Vereinigung der Österreichischen Industrie) wird nunmehr ein/e VertreterIn entsandt.* Durch diese Verkleinerung des Personenkreises soll auch die Aussagesituation für die Beteiligten verbessert und die Verfahrensdauer reduziert werden. So nehmen die Verfahren bisher teilweise 18 Monate und länger in Anspruch – bis 2019 soll die Dauer maximal ein Jahr betragen.*

5.2
Wegfall der Antragsrechte auf gesonderte Befragung

Bisher konnten in Verfahren vor der GBK Auskunftspersonen, Antragsteller/Antragstellerin sowie Antragsgegner/Antragsgegnerin auf eigenen Antrag abgesondert befragt werden. Durch die Neuregelung in § 14 Abs 4 fallen die Antragsrechte auf gesonderte Befragung weg. Die Befragung soll somit grundsätzlich in Anwesenheit von AntragstellerIn und AntragsgegnerIn durchgeführt werden. Dieser Grundsatz wird in Verfahren wegen vermuteter sexueller Belästigung durchbrochen. Die Befragung soll danach grundsätzlich gesondert erfolgen, wobei eine gemeinsame Befragung möglich ist, wenn dies von AntragstellerIn oder AntragsgegnerIn beantragt wird und die/der jeweils andere zustimmt. Erfolgt die Befragung gemeinsam, besteht ferner keine Möglichkeit einer Auskunftsperson, für sich selbst eine gesonderte Befragung zu beantragen. Werden zusätzlich zum Vorwurf der sexuellen Belästigung weitere Tatbestände geltend gemacht, kommen dennoch die Verfahrensregelungen zur sexuellen Belästigung zur Anwendung. Durch den Wegfall der gesonderten Befragung im Regelfall ist eine Beschleunigung der Verfahren zu erwarten.*

6
Weitere Änderungen im Behindertengleichstellungsrecht
6.1
Definition der Belästigung

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Definitionen des Tatbestandes der Belästigung in § 7d BEinstG und § 5 Abs 3–5 BGStG an die Terminologie des GlBG angeglichen und dadurch das Schutzniveau vereinheitlicht werden. Dies ist insb in Bezug auf Mehrfachdiskriminierungen erforderlich.* Tatsächlich ist diese Angleichung lediglich in Bezug auf das BEinstG erfolgt. Der Tatbestand des BGStG hinkt hingegen nach wie vor erheblich hinterher. So fehlen vier Fälle der Diskriminierung bei Belästigung: die Belästigung durch den/die DG selbst (§ 7 Abs 1 Z 1 GlBG, § 7d Abs 1 Z 1 BEinstG); Diskriminierung durch den/die DG, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen (jeweils Z 2); Belästigung durch Dritte im Zusammenhang mit dem Arbeits- bzw Dienstverhältnis (jeweils Z 3) und Belästigung durch Dritte außerhalb eines Arbeits- bzw Dienstverhältnisses (jeweils Z 4). Um diese sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zu beseitigen, sollte eine entsprechende Erweiterung des BGStG erfolgen.

6.2
Umsetzung der UN-Behindertenrechts-Konvention

Mit § 8 Abs 4 BGStG wird nun die bereits im Oktober 2008 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention* umgesetzt. Danach führt der/die BundesministerIn für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mindestens einmal pro Jahr einen Dialog mit Nichtregierungsorganisationen, deren Ziel es ist, Diskriminierung aufgrund von457 Behinderung zu bekämpfen und die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung zu fördern.

7
Änderungen des AVRAG

Die Bestimmungen des § 14a Abs 8 AVRAG,* wonach eine Maßnahme zum Zwecke der Sterbebegleitung von Kindern des/der eingetragenen Partners/Partnerin nur insoweit verlangt werden kann, als eine solche Maßnahme aus wichtigen wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen kein Elternteil übernehmen kann, erschwerten eine Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz für Kinder des/der eingetragenen Partners/Partnerin im Vergleich zu leiblichen Kindern des/der Ehegatten/Ehegattin oder Lebensgefährten/Lebensgefährtin, wo ein solcher Vorrang der Eltern nicht vorgesehen ist. Diese Differenzierung wird nun entsprechend dem Urteil des EGMR vom

19
2
2013
, 19010/07 (X et al gg Österreich) korrigiert und Abs 8 ersatzlos gestrichen.

8
Abschließende Anmerkungen

Insgesamt ist den neuen Bestimmungen ein antidiskriminierungsrechtlicher Nutzen beizumessen, allem voran der erstmaligen Berücksichtigung von eingetragenen Partnerschaften, der Ausdehnung der Verjährungsfrist bei sexueller Belästigung sowie der erweiterten Verpflichtung zur Angabe des Mindestentgelts. Darüber hinaus positiv zu bewerten ist der Versuch, durch die Verkleinerung der Senate der GBK und den Wegfall des Rechts auf gesonderte Befragung eine Beschleunigung der Verfahren vor der GBK herbeizuführen.

Die Gelegenheit für eine umfassende Vereinheitlichung des Schutzniveaus in Bezug auf alle durch das GlBG geschützten Merkmale (Levelling up) – im Entwurf vom Juli 2012 noch enthalten – blieb wieder einmal ungenutzt. So werden die geschützten Merkmale Alter, sexuelle Orientierung, Religion oder Weltanschauung weiterhin lediglich im Bereich der Arbeitswelt erfasst und bleiben damit hinter dem Schutz der Kriterien Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit zurück, welche auch in den Bereichen außerhalb der Arbeitswelt erfasst sind. Dies bestätigt auch die Annahme, wonach im Levelling up der Grund des Scheiterns der Novelle im ersten Anlauf zu suchen ist.*