Resch (Hrsg)Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz

Verlag des ÖGB, Wien 2012, 128 Seiten, € 29,90

MONIKADRS (WIEN)

Bei diesem Buch handelt es sich um einen weiteren Band aus der sehr erfolgreichen Reihe „Schriften zum Arbeitsrecht und Sozialrecht“, herausgegeben von Reinhard Resch. Die Beiträge basieren jeweils auf den gemeinsam vom Institut für Rechtswissenschaft der Universität Klagenfurt und der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Kärnten zweimal im Jahr abgehaltenen Praktikerseminaren. Der nun vorliegende Band beruht auf den Referaten im Rahmen des 27. Praktikerseminars, veranstaltet im Herbst 2011, und beschäftigt sich mit dem damals gerade erst in Kraft getretenen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDB-G), das den Zweck verfolgt, den bis dahin als unzureichend angesehenen Schutz in Bezug auf rechtswidrige Entlohnungspraktiken zu verbessern.

Der erste Beitrag von Walter Gagawczuk von der Bundesarbeitskammer gibt einleitend einen interessanten Einblick in die in der Praxis auftretenden „Erscheinungsformen von Lohndumping“ wie beispielsweise die nicht ordnungsgemäße Sozialversicherungsanmeldung, nicht bezahlte Überstunden, Lohnabzüge für „Verwaltungskosten“ (zB Kosten für Unterkunft), die Nichteinhaltung von Ruhetagen, Scheinentsendungen, Scheinselbständigkeit, Leiharbeit und Subvergabe von Aufträgen. Dabei stützt sich Gagawczuk primär auf zwei aktuelle Studien – eine europäische und eine österreichische: Auf die 2011 vom European Institut for Construction Labour Research von Jan Cremers von der Universität von Amsterdam verfasste Studie mit dem Titel „Auf der Suche nach billigen Arbeitskräften in Europa – Lebens- und Arbeitsbedingungen entsandter Arbeitnehmer“, in der Informationen aus zwölf europäischen Ländern (allerdings ohne Österreich) über die nationale Einhaltung der Entsenderegeln und die Erfahrungen mit der Überwachung, Vollstreckung und den Sanktionen zusammengetragen wurden. Die zirka zeitgleich von L&R Sozialforschung im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien erstellte österreichische Studie mit dem Titel „Lohn- und Sozialdumping durch grenzüberschreitende Überlassung und Entsendung von Arbeitskräften nach Österreich (Fokus: Bereich Bau)“ untersucht die quantitativen und qualitativen Dimensionen der grenzüberschreitenden Entsendungen und Überlassungen nach Österreich und die damit in Verbindung stehenden Probleme von Lohn- und Sozialdumping.

Der zweite Beitrag von Barbara Födermayr von der Universität Linz beschäftigt sich mit den bereits vor dem LSDB-G bestehenden „Privatrechtliche(n) Instrumentarien gegen Lohndumping“. Zunächst stellt sie kurz Überlegungen dazu an, wie hoch der Entgeltanspruch eines Arbeitnehmers generell ist („Mindestentgelt“, „angemessenes Entgelt“, „Lohnwucher“), um so die Grenzen von Lohndumping festlegen zu können. Der Hauptteil ihres Artikels ist der individuellen Klagsmöglichkeit nach dem ASGG, der Verbandsklage des BR bzw der überbetrieblichen Interessenvertretungen nach § 54 Abs 1 und 2 ASGG und dem Verfahren nach UWG („Unlauterer Wettbewerb durch Rechtsbruch“ und im Speziellen „Unlauterer Wettbewerb durch Verstoß gegen eine arbeitsrechtliche Entgeltvorschrift“ und die im UWG vorgesehene „Rechtsdurchsetzung“ im Wege der Unterlassungsklage und des Schadenersatzanspruches bei Verschulden des Rechtsbrechers) gewidmet. Abschließend werden noch die „Einwirkungspflichten“ der Kollektivvertragsparteien erwähnt.

Der dritte und letzte Beitrag von Klaus Firlei von der Universität Salzburg beschäftigt sich mit den „im LSDB-G vorgesehenen öffentlich-rechtlichen Instrumentarien gegen Lohndumping“. Er geht zunächst der Frage nach „Was ist unter ‚Grundlohn‘ zu verstehen?“, um sich dann folgenden Themen zuzuwenden: „Die Bezugnahme der Grundlohnermittlung gem §§ 7, 7a und 7b AVRAG auf Kollektivverträge“, „Die Verpflichtung zum Bereithalten von Lohnunterlagen gem § 7d AVRAG“, „Die Strafbestimmungen des LSDB-G“, „Die Regelungen über das Absehen von der Anzeige bzw Bestrafung (§ 7i Abs 4 AVRAG)“, die „Untersagung der Dienstleistungserbringung gem § 7j AVRAG“ und der „Erlag einer Sicherheitsleistung gem § 7k AVRAG“.

Dabei handelt es sich um den bei weitem ausführlichsten Beitrag dieses Buches. Firlei beschränkt sich in seinen Ausführungen nicht darauf, die wesentlichen Bestimmungen der Neuregelung bzw die bis dahin dazu erschienene Literatur zusammenzufassen, sondern nimmt auch selbst zu den einzelnen offenen Fragen Stellung, wobei er keinen Hehl daraus macht, dass er der Neuregelung sehr kritisch gegenübersteht („Die RV hat den Maßstab für das Entgeltdumping erheblich verschärft. Damit müssen gezwungenermaßen auch die österr AG für die Panikanfälle des Gesetzgebers in Zusammenhang mit der Arbeitsmarktöffnung 2011 [2013] bitterlich büßen“. „Der nunmehrigen Differenzierung ist mE vor allem ihre Inkonsistenz vorzuhalten: einerseits werden auch kleinste Lohnunterschreitungen [des Grundlohnes – Anm der Verf] striktest erfasst, andererseits bleiben erhebliche Dumpingeffekte [Unterschreitungen sonstiger Entgeltbestandteile – Anm der Verf] ohne Sanktion“. „Die aus den Materialien nur sehr mühsam zu gewinnenden übergreifenden Kriterien sind aber nicht dazu in der Lage, die große Zahl der offenen Fragen zu lösen.“).

Ein Punkt seines Beitrages sei exemplarisch hervorgehoben: In Kapitel 3 (74 ff) geht Firlei bei der Grundlohnermittlung ua auch auf die „allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge“ ein. Die EntsendeRL (in Österreich ua umgesetzt in den §§ 7 ff AVRAG) verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten AN (unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht) bestimmte Mindestarbeits- und Beschäftigungsbedingungen wie zB Mindestlohnsätze garantieren, die in jenem Mitgliedstaat zu beachten sind, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird. Dies gilt, wenn die Mindestarbeitsbedingungen in Gesetzen oder Verordnungen festgelegt sind, unter bestimmten Voraussetzungen aber zB auch für Mindestlohnsätze in allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen. Das sind Tarifverträge, die von allen in den jeweiligen geographischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden Unternehmeneinzuhalten459 sind. Gleichzeitig ist in der RL vorgesehen, dass in Ländern, in denen es kein System zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung gibt, die Mitgliedstaaten beschließen können, jene Tarifverträge zugrunde zu legen, die für alle in den jeweiligen geographischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden gleichartigen Unternehmen allgemein wirksam sind oder die von den auf nationaler Ebene repräsentativsten Organisationen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden und innerhalb des gesamten nationalen Hoheitsgebietes zur Anwendung kommen.

Firlei kritisiert in diesem Zusammenhang die in Österreich mehrheitlich vertretene Auffassung, dass darunter auch die auf AG-Seite von einer auf Pflichtmitgliedschaft beruhenden gesetzlichen Interessenvertretung abgeschlossenen Kollektivverträge zu verstehen sind (und zitiert dabei ua meinen 2007 ebenfalls in einem Sammelband dieser Schriftenreihe erschienenen Beitrag – Drs in

Resch
, Grenzüberschreitender Personaleinsatz [2007] 37, insb FN 80). SE kennt Österreich mit der Satzungserklärung so etwas wie eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Kollektivverträgen, weshalb auch Kollektivverträge der Wirtschaftskammer (WK) nicht als allgemeinverbindliche Tarifverträge angesehen werden können. Dabei ist mE aber zu bedenken, dass eine Satzungserklärung von Kollektivverträgen einer gesetzlichen Interessenvertretung aufgrund ihrer umfassenden Wirkung (= Folge der Pflichtmitgliedschaft der AG) regelmäßig nicht in Frage kommt. Es ist daher fraglich, ob schon deshalb die Beachtlichkeit der österreichischen Kollektivverträge ausscheidet (vgl Art 3 Abs 8 EntsendeRL).

Firlei ist aber insoweit Recht zu geben, dass dies (Beachtlichkeit der Kollektivverträge) nicht für alle von der WKÖ bzw zB von deren Fachverbänden abgeschlossenen Kollektivverträge gelten kann, sondern nur für jene Kollektivverträge, die von allen in den jeweiligen geographischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden Unternehmen einzuhalten sind, weshalb zB der 2012 gekündigte KollV, der nur für das Bordpersonal der Austrian Airlines und Lauda Air gegolten hat, nicht darunter zu subsumieren wäre. Dabei handelte es sich aber um einen für das österreichische System untypischen „unechten“ Firmen-KollV, an den wohl niemand bei seinen Ausführungen gedacht hat. Es ist daher immer der Geltungsbereich des jeweiligen KollV zu prüfen und festzustellen, ob dieser für alle Unternehmen des geographischen Bereichs und der betreffenden Tätigkeit bzw des Gewerbes gelten soll oder nicht. Auch die sonst von Firlei vorgebrachten Argumente, auf die im Rahmen einer Buchbesprechung nicht weiter eingegangen werden kann, überzeugen mE nicht.

Abschließend ist aber festzuhalten, dass der vorliegende Band eine gelungene Darstellung und Analyse der durch die Neuregelung geschaffenen Rechtslage bietet. Dieses Werk ist daher all jenen besonders zu empfehlen, die sich einen guten Überblick über die wichtigsten Aspekte des Lohn- und Sozialdumpings und der bestehenden Instrumentarien, um dagegen vorzugehen, verschaffen wollen.