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Rechtswidrige Kündigung – keine Einbeziehung in den Pensionskassenvertrag, um fiktiven Insolvenzrisken vorzubeugen

FRIEDRICHHARRER (SALZBURG)
  1. Mit dem Verweis „unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes“ in § 29 Abs 1 AngG wird klargestellt, dass der Geschädigte gegen den Schädiger (bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen) über die „Kündigungsentschädigung“ hinausgehende Schadenersatzansprüche haben kann. Für diese gelten die allgemeinen Schadenersatzregeln des ABGB.

  2. Die Nichtbegründung einer zugesagten Sicherheit kann – ebenso wie der Verlust einer schon bestellten Sicherheit – einen (Vermögens-)Schaden bewirken. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist aber nur für jene Schäden zu haften, welche die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern wollte („Rechtswidrigkeitszusammenhang“). Bei Vertragsverletzungen ist darauf abzustellen, ob die vermeintlich verletzten Interessen im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen.

  3. Schutzzweck der Bewahrung des Arbeitsverhältnisses vor zeitwidrigen Kündigungen ist die Sicherung der Einhaltung der Verpflichtungen des AG gegenüber dem AN, nicht die bloße Hoffnung des AN auf allfällige künftige freiwillige Leistungen. Die auf den Titel des Schadenersatzes gestützte, aus der zeitwidrigen Kündigung abgeleitete Forderung auf Einbeziehung in einen späteren Pensionskassenvertrag, die – gegenüber einer bestehenden Direktzusage des AG – keine höhere Leistung, aber durch einen weiteren Mitschuldner eine zusätzliche Absicherung der Leistungsansprüche mit sich gebracht hätte, ist schon mangels Vorliegens des gebotenen Rechtswidrigkeitszusammenhangs unbegründet.

[...] Die Revision des Kl ist zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO); sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die erstgerichtliche Abweisung des Klagebegehrens wurde vom Berufungsgericht zu Recht bestätigt. Es bedarf jedoch einiger Klarstellungen aus schadenersatzrechtlicher Sicht, die ein Eingehen auf die gleichbehandlungsrechtlichen Überlegungen sowie die Problematik des vom Kl intendierten Eingreifens in die Rechte Dritter entbehrlich machen.

Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass das vormalige, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs (im Jahr 2020) befristete Arbeitsverhältnis des Kl von der Bekl mit zeitwidriger Kündigung – bereits 18 Jahre vorher – zum 30.6.2002 wirksam beendet wurde (vgl Pfeil in ZellKomm2 § 29 AngG Rz 8 und §§ 1162–1162d ABGB Rz 8, jeweils mwN ua). Aufgrund des rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozesses der Parteien steht fest, dass dem Kl bis Ende 2020 im Rahmen der ihm zustehenden Kündigungsentschädigung die vertragsgemäßen Entgeltansprüche (vorbehaltlich bestimmter Anrechnungen) zustehen. Weiters wurde im Vorprozess geklärt, dass die Bekl dem Kl aufgrund einer direkten Leistungszusage Versorgungsleistungen auf der Grundlage der Ruhegeldordnung vom 1.1.1995 zu erbringen haben werde.

Der Kl erfuhr einige Jahre nach der AG-Kündigung zum 30.6.2002, dass nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Pensionskassenvereinbarung der Bekl mit einer Pensionskasse in Kraft getreten war, an der nur Personen teilnahmeberechtigt waren, die in einem aufrechten unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Bekl standen. Dass der Kl nach dem Regelungswortlaut nicht zu diesem Personenkreis gehört, ist nicht weiter strittig. Dennoch meint er, aufgrund der zeitwidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Einbeziehung in den Pensionskassenvertrag, allenfalls Anspruch auf Einbeziehung in einen erst abzuschließenden, inhaltlich gleichen Pensionskassenvertrag, zu haben. Dem liegt die Vorstellung des Kl zugrunde, dass er am späteren Pensionskassenvertrag teilgenommen hätte, wenn sein Arbeitsverhältnis nicht von der Bekl vorher zeitwidrig beendet worden wäre.

Spekulationen, ob der Kl bei aufrechtem Arbeitsverhältnis am Pensionskassenvertrag teilgenommen hätte, obwohl er zufolge Befristung seines Arbeitsverhältnisses nicht zu dem vom Pensionskassenvertrag auf unbefristete Arbeitsverhältnisse abstellenden Teilnehmerkreis gehörte, müssen hier nicht angestellt werden. Der Kl verknüpft den grundsätzlich richtigen Ansatz, dass aus der Verletzung des Arbeitsvertrags durch den AG Schadenersatzansprüche des AN resultieren können, mit der in seinen Ausführungen gelegentlich anklingenden Überlegung, er wäre so zu behandeln, als wenn das Arbeitsverhältnis gar nicht beendet worden wäre. Dazu ist klarzustellen, dass das gegenständliche Arbeitsverhältnis durch die zeitwidrige Kündigung der Bekl beendet wurde, was vom Kl in seinen sonstigen Ausführungen zutreffend auch gar nicht in Frage gestellt wird. Für die Überlegung, es wäre trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglicherweise doch so zu tun, als stünde der Kl noch immer in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Bekl, besteht keine Grundlage.

Das Arbeitsverhältnis des Kl wurde zum 30.6.2002 wirksam beendet. Allfällige Erfüllungsansprüche aus der Zeit vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Es geht hier vielmehr darum, ob der Kl aus dem Titel des Schadenersatzes geltend machen kann, dass er „eine Gelegenheit versäumt“ hat, die sich erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ereignet hat. Für die Situation des Kl ist zunächst § 29 Abs 1 AngG einschlägig, der – soweit hier relevant – normiert, dass der AN, wenn er vom AG ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wird, seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum behält, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit hätte verstreichen müssen, unter Einrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch399 anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Diese Regelung wird auch auf die zeitwidrige AG-Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses angewendet (vgl Kuras in

Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 29 Rz 4; Spenling in KBB3 § 1162b ABGB Rz 1, jeweils mwN ua).

§ 29 Abs 1 AngG war unmittelbar maßgebend für den Vorprozess der Parteien, in dem es um die Entgeltansprüche des Kl bis zum Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Befristung des Arbeitsvertrags im Jahr 2020 und die direkte Leistungszusage der Bekl aus der Pensionsordnung vom 1.1.1995 ging. Im vorliegenden Verfahren geht es um über den Vorprozess hinausgehende Ansprüche des Kl, für die § 29 Abs 1 AngG nur den Verweis „unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes“ bereithält. Mit diesem Verweis wird klargestellt, dass der Geschädigte gegen den Schädiger (bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen) über die „Kündigungsentschädigung“ hinausgehende Schadenersatzansprüche haben kann (vgl Grillberger in

Löschnigg
, AngG8 § 29 Rz 32 mwN ua). Für diese gelten die allgemeinen Schadenersatzregeln des ABGB (vgl Pfeil in ZellKomm2 § 29 AngG Rz 30; Neumayr in
Kletecka/Schauer
, ABGB-ON 1.00 § 1162b Rz 10, jeweils mwN ua).

Bevor nun auf den auf den Titel des Schadenersatzes gestützten (und von der Vorstellung der „Naturalrestitution“ getragenen) Anspruch des Kl auf Einbeziehung in den Pensionskassenvertrag eingegangen wird, ist auch noch klarzustellen, dass dem Klagebegehren nicht die Behauptung zugrunde liegt, dass der Kl beim Vergleich zwischen direkter Leistungszusage und Pensionskasse leistungsmäßig schlechter aussteigen würde. Auch der Kl räumt ein, dass es bei Beharren auf der direkten Leistungszusage des AG zu keinem Mehr an Leistung durch die Pensionskasse komme. Dem Kl geht es nur um die Klärung, dass ihm die künftigen Versorgungsleistungen nicht nur von der Bekl, sondern auch von der Pensionskasse geschuldet werden. In der Schuldnermehrheit sieht der Kl im Vergleich mit der bloßen Haftung der Bekl eine Verminderung des Insolvenzrisikos. Dass bei der Bekl der Insolvenzfall drohe, macht der Kl nicht geltend.

Der Kl zielt mit seinen Überlegungen darauf ab, dass er durch die zeitwidrige Beendigung seines Arbeitsverhältnisses um die Gelegenheit gebracht wurde, im späteren Verlauf eines ohne zeitwidrige Kündigung noch aufrechten Arbeitsverhältnisses möglicherweise an einem Pensionskassenvertrag teilzunehmen, der ihm zwar nicht ein Mehr an Leistungen, aber durch einen weiteren Mitschuldner eine zusätzliche Absicherung seiner Leistungsansprüche beschert hätte. Die Nichtbegründung einer zugesagten Sicherheit kann nun tatsächlich – ebenso wie der Verlust einer schon bestellten Sicherheit – einen (Vermögens-)Schaden bewirken (vgl Kodek in ABGB-ON 1.00 § 1293 Rz 5; RIS-Justiz RS0022526 ua). Dieser Fall liegt aber hier nicht vor. Der Kl verfügte im Zeitpunkt des von ihm geltend gemachten schädigenden Ereignisses, der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses durch zeitwidrige Kündigung der Bekl zum 30.6.2002, weder über eine von der Bekl bestellte Sicherheit noch war ihm von der Bekl die Begründung einer Sicherheit zugesagt worden. Der Kl befand sich in Bezug auf die spätere Pensionskassenvereinbarung in keiner „geschützten Gelegenheit“. Was der Kl also seinem Klagebegehren zugrunde legt, ist der bloße Umstand, dass er nach der (wenn auch zeitwidrigen, so doch wirksamen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus nach der Beendigung freiwillig (dh ohne Bestehen einer diesbezüglichen Verpflichtung) erbrachten Leistungen seiner früheren AG keinen Nutzen für sich ziehen konnte.

Nicht alles, was subjektiv als „Nachteil“ empfunden wird, ist ersatzfähig. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene Schäden zu haften, welche die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern wollten („Rechtswidrigkeitszusammenhang“). Bei Vertragsverletzungen ist darauf abzustellen, ob die vermeintlich verletzten Interessen im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen (vgl Reischauer in

Rummel
, ABGB3 § 1295 Rz 6 ff; Karner in KBB3 § 1295 Rz 9, jeweils mwN ua). Dies ist hier nicht der Fall. Schutzzweck der Bewahrung des Arbeitsverhältnisses vor zeitwidrigen Kündigungen ist die Sicherung der Einhaltung der Verpflichtungen des AG gegenüber dem AN, nicht die bloße Hoffnung des AN auf allfällige künftige freiwillige Leistungen. Um nichts anderes handelt es sich aber nach der Lage des Falls beim Pensionskassenvertrag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Kl. Damit mangelt es dem vom Kl geltend gemachten Schadenersatzanspruch auf Einbeziehung in einen späteren Pensionskassenvertrag und den daraus abgeleiteten weiteren Ansprüchen (auf Rechnungslegung etc), auf die der Kl in der Revision nicht mehr weiter eingeht, an der Zurechenbarkeit gegenüber der Bekl. Die auf den Titel des Schadenersatzes gestützte, aus der zeitwidrigen Kündigung der Bekl abgeleitete Klageforderung ist schon mangels Vorliegens des gebotenen Rechtswidrigkeitszusammenhangs unbegründet, weshalb es des Eingehens auf die weiteren Einwände der Bekl und der Vorinstanzen gegen die Berechtigung der Klageforderung nicht bedarf. [...]

Anmerkung
1
Sachverhalt

Der im Jahr 1955 geborene Kl war bei der Bekl beschäftigt. Das Dienstverhältnis begann am 3.9.1979 und sollte am 31.12.2020 enden. Der DG kündigte das Dienstverhältnis zeitwidrig zum 30.6.2002 auf. In einem Vorprozess wurde ua festgestellt, dass die Bekl dem Kl bis zum 31.12.2020 an weiterer Kündigungsentschädigung seine vertragsgemäßen Ansprüche auf Entgelt unter Einrechnung dessen, was sich der Kl in Folge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben hat oder zu erwerben absichtlich versäumt habe, schulde. Weiter wurde in diesem Vorprozess festgestellt, dass der DG dem Kl Versorgungsleistungen aus der Ruhegeldordnung vom 1.1.1995 schulde.

Mit der Klage begehrt der Kl seine Einbeziehung in den Pensionskassenvertrag, den der DG mit Wirkung vom 1.9.2002 abgeschlossen hatte. Der DG habe mit der Pensionskasse eine Auslagerung seiner Leistungspflichten aus der Ruhegeldordnung vom 1.1.1995400 vereinbart, wobei die direkte Leistungszusage des DG aufrecht geblieben sei. Die Pensionskasse stehe dem Pensionsberechtigten nun als weiterer Schuldner gegenüber, wodurch sich das Insolvenzrisiko auf zwei Schuldner (den DG und die Pensionskasse) verteilt habe. Dass beim DG ein Insolvenzfall drohe, macht der DN allerdings nicht geltend.

2
Grundlagen

Der DG kann ein Dienstverhältnis, das für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen wurde, auch ohne entsprechende Vereinbarung und ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes „vorzeitig“ beenden (§ 1162b ABGB, § 29 AngG). Diese Möglichkeit beruht auf einer besonderen gesetzlichen Vorgabe, die den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts widerspricht. Nach den allgemeinen Regeln entfällt mit der Vereinbarung eines zeitlichen Rahmens die ordentliche Kündigung (dazu etwa Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis [1982] 184 ff). Die ordentliche Kündigung ist jenes Instrument, das für die Beendigung eines Vertragsverhältnisses zur Verfügung steht, das die Parteien auf unbestimmte Zeit eingegangen sind. Anschaulich hat der Gesetzgeber diese Zusammenhänge etwa im Recht der Personengesellschaften ausgestaltet. Pointiert formuliert kann man sagen: Ein befristetes Rechtsverhältnis kann, wenn und soweit ein wichtiger Grund nicht vorliegt, nicht – einseitig durch eine Partei – vorzeitig beendet werden (nach § 132 Abs 1 ABGB kann der Gesellschafter die Gesellschaft – unter Einhaltung einer Kündigungsfrist – aufkündigen, „wenn die Gesellschaft für unbestimmte Zeit eingegangen ist“; die Auflösung wegen eines wichtigen Grundes regelt § 133 UGB).

Diese Regeln gelten jedoch nicht für das Dienstverhältnis. Der DG kann das Dienstverhältnis durch Kündigung vor Zeitablauf wirksam beendigen (auch die ungerechtfertigte Entlassung löst den Arbeitsvertrag auf; OGH4 Ob 146/56Arb 3596; OGH4 Ob 47/64JBl 1964, 573, 574; OGH4 Ob 113/81Arb 10.061; Neumayr in

Kletecka/Schauer
, ABGB-ON 1.00 § 1162b Rz 3; Pfeil in
Neumayr/Reissner
[Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht2 [2011] § 29 AngG Rz 11). Allerdings behält der DN „seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt“ (diese Formulierung ist oft gerügt worden; vgl etwa Marhold, Die Wirkung ungerechtfertigter Entlassungen – Eine Kritik des sogenannten Schadenersatzprinzips, ZAS 1978, 5 ff und Jabornegg, Zur Rechtsnatur der Kündigungsentschädigung, in FS Koziol [2010] 175 ff; siehe ferner auch noch Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung [1982] 360 ff). Die Einkünfte, die der (ehemalige) DN „durch anderweitige Verwendung“ erworben hat, sind anzurechnen („Anrechnung dessen was er infolge des Unterbleiben der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat“. – Nach § 1162b Satz 2 ABGB findet eine Anrechnung nicht statt, wenn der Zeitraum drei Monate nicht übersteigt). Für die fortbestehenden Leistungspflichten des (ehemaligen) DG kommen mithin drei Varianten in Betracht: a) der DN verdient wie bisher oder besser; b) er verdient weniger; c) er ist nicht mehr in der Lage, Einkünfte zu erwirtschaften. – In der Variante a) entfallen weitere Leistungen des DG, in der Variante b) muss dieser die Differenz zahlen, in der Variante c) ist das Entgelt bis zum Ende der (ursprünglich festgelegten) Dauer des Dienstverhältnisses zu erbringen.

Nach den allgemeinen Regeln kann eine Partei ein befristetes Vertragsverhältnis nicht vor Zeitablauf durch Kündigung beenden (die Parteien wollen „dem von ihnen abgeschlossenen Dauerschuldverhältnis eine erhöhte Standfestigkeit geben“; Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis 188). Dem DG steht diese Möglichkeit offen (§ 1162b ABGB, § 29 AngG): Trotz der Befristung wird das Dienstverhältnis mit der Kündigung beendet. An die Stelle des fortbestehenden Vertragsverhältnisses tritt eine eigentümliche Konstruktion. Der DN behält „seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt“ für den verbleibenden Zeitraum. Der – durch einseitige Erklärung des DG – in Wegfall geratene Dienstvertrag liefert weiterhin die Grundlage für die Ermittlung und Ansprüche des DN.

Das Gesetz spricht von einem Schadenersatzanspruch des DN (die Qualifikation als Schadenersatzanspruch ergibt sich – mittelbar – aus dem Gesetzestext. Der DN behält „seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt“ unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes. Mithin liegt die Deutung nahe, dass die vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt Schadenersatz seien; uU könne der DN allerdings auch weiteren Schaden fordern). Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass sich dieser Anspruch des DN – unter mehreren Gesichtspunkten – von einem klassischen Schadenersatzanspruch unterscheidet. Ein gesetzestypischer Schadenersatzanspruch setzt im Allgemeinen voraus, dass der Schädiger rechtwidrig und schuldhaft gehandelt hat (§ 1295 Abs 1 ABGB). Nach einer zT im Schrifttum vertretenen Auffassung knüpfen auch die Ansprüche nach § 1162b ABGB an eine schuldhafte Vertragsverletzung an (vgl Krejci in

Rummel
, ABGB3 §§ 1162a, 1162b Rz 12: „Ein Schadenersatzanspruch des Dienstnehmers setzt eine schuldhafte Vertragsverletzung des Dienstgebers voraus.“ – Siehe demgegenüber Pfeil in ZellKomm2 § 29 AngG Rz 1: Der AN muss bei ungerechtfertigter Entlassung kein Verschulden des AG nachweisen). Die Rsp hat jedoch eine Prüfung des Verschuldenserfordernisses bislang abgelehnt (vgl OGH4 Ob 165/80Arb 9938 und OGH4 Ob 5/82Arb 10.093; siehe ferner noch Wagnest, Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Kündigungsentschädigung bzw Schadenersatz bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses, DRdA 2002, 254).

Auch betreffend den Inhalt des Anspruchs, den § 1162b ABGB normiert, zeigen sich Auffälligkeiten. Im Schadenersatzrecht steht die Ermittlung des Schadens im Vordergrund. Im Falle einer Körperverletzung ist, um ein Beispiel zu nennen, der „künftig entgehende Verdienst“ zu ermitteln (§ 1325 ABGB). Es muss also erhoben werden, ob ein Schaden und gegebenenfalls welcher Schaden (Höhe des Verdienstentgangs) als Folge des rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffes (Körperverletzung) entstanden ist.

§ 1162b ABGB stellt demgegenüber nicht die Frage nach Art und Umfang des Schadens. Die401 Bestimmung gibt den Inhalt des Anspruchs vielmehr vor: Der (ehemalige) DN behält „seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt“. Dem bekl DG bleibt es überlassen, vorzutragen, dass Einkünfte des ehemaligen DN berücksichtigt werden müssen (sogenannte Anrechnung; der DG hat ein begründetes Vorbringen betreffend Anrechnung zu erstatten OGH8 ObA 101/97nArb 11.624; OGH9 ObA 275/01hZAS 2003, 277; man spricht von dem Erfordernis „einredeweiser Geltendmachung“; vgl auch Pfeil in ZellKomm2 § 29 AngG Rz 40. Die Beweislast trifft den DG; OGH4 Ob 97/60JBl 1961, 238; OGH4 Ob 101/73Arb 9188). Im Vergleich zum klassischen Schadenersatzrecht kann man einen Rollentausch beobachten. Üblicherweise ist es Sache des Kl, den Schaden darzutun. Hier hingegen muss der Bekl ein Vorbringen erstatten, um eine Verminderung der Ersatzpflicht zu erwirken (nach § 1162b Satz 2 ABGB entfällt die Anrechnung, wenn und soweit der Zeitraum drei Monate nicht übersteigt. Dem DN, der sogleich eine neue Beschäftigung findet, stehen also die „vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt“ [§ 1162b ABGB] und die neuen Bezüge zu. Das lässt sich schadenersatzrechtlich nicht einordnen).

3
Kritik

In dem Urteil vom 22.8.2012 hat der OGH den Anspruch des Kl abgewiesen. Die Begründung rückt schadenersatzrechtliche Überlegungen in den Vordergrund. Nicht alles, was subjektiv als Nachteil empfunden werde, sei ersatzfähig. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens hafte der Täter nur für jene Schäden, welche die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern wollte. Bei Vertragsverletzung müsse man darauf abstellen, ob die vermeintlich verletzten Interessen im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen.

Die Regeln über Schaden und Schadenersatz führen indes in casu nicht weiter. Sowohl der tatbestandliche Aufbau als auch die Rechtsfolgenebene des § 1162b ABGB weisen Besonderheiten auf, die einer schadenersatzrechtlichen Qualifizierung entgegenstehen. § 1162b ABGB kann man schwerlich als „übertretene Verhaltensnorm“ deuten (es ist zweifelhaft, ob man die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses durch den DG als rechtswidrige Handlung qualifizieren kann. Wäre dies der Fall, so könnte der AN Abwehrmaßnahmen setzen, etwa eine vorbeugende Unterlassungsklage erheben. Derartige Schritte stehen aber offenbar nicht zur Diskussion). Die Frage, für welche Schäden der Schädiger zu haften hat, stellt sich bei (gesetzlichen oder vertraglichen) Geboten und Verboten. Bei § 1162b ABGB hat jedoch der Gesetzgeber die Antwort gleichsam vorweg genommen: Der DG hat die vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt zu erfüllen.

In der vorliegenden causa hatte sich der OGH nicht mit der Höhe des Entgelts, sondern mit dessen Sicherheit zu befassen. Wäre der Kl weiterhin DN geblieben, so hafteten für seine Ansprüche der DG und eine Pensionskasse. Das Insolvenzrisiko hätte sich nach dem Vorbringen des DN hiedurch vermindert. Diesen privilegierten Status wollte der Kl erreichen. Dem hielt der OGH entgegen, dass der DN nach § 1162b ABGB nicht die „bloße Hoffnung auf allfällige künftige freiwillige Leistungen“ einfordern könne.

Die nähere Prüfung muss sich an dem Zweck der Norm orientieren. Die Ansprüche, die § 1162b ABGB dem (ehemaligen) DG gewährt, substituieren den Wegfall des Vertrags. Entgegen den allgemeinen Regeln kann der DG wirksam das befristete Dienstverhältnis vor dem Zeitablauf einseitig beenden. Diese Beendigung muss der DN hinnehmen. Die Ansprüche nach § 1162b ABGB sollen den DN jedoch wertungsmäßig so stellen, als ob das Vertragsverhältnis fortbestanden hätte. Die fiktionale Formulierung des Gesetzes ist ungenau, aber in der Sache gleichwohl zutreffend (in diesem Sinn auch Pfeil in ZellKomm2 § 29 AngG Rz 11): Der DN behält seine „vertragsgemäßen Ansprüche“ – ungeachtet des Umstandes, dass ein Vertrag nicht mehr vorhanden ist.

Vertragsgemäße Gleichstellung bedeutet, dass von dem – fiktiven – Status des Kl als DN auszugehen ist. Besserstellungen sind auch dann zu berücksichtigen, wenn sie unerwartet, namentlich ohne Verpflichtung des DG erfolgen. Hat der DG nach Beendigung des Dienstverhältnisses die Löhne – zB aus altruistischen Motiven – erhöht, so sind diese erhöhten Bezüge die vertragsgemäßen Ansprüche iSd § 1162b ABGB. Die Frage, ob der (ehemalige) DN „allfällige künftige freiwillige Leistungen“ erhofft hat, ist irrelevant. Wenn indes der DG derartige Leistungen erbringt, so ist die Einbeziehung des (ehemaligen) DN deshalb unumgänglich, weil die Bestimmung die wertungsmäßige Gleichstellung bezweckt. Die Motive des DG spielen in diesem Kontext ebenso wenig eine Rolle wie die Wünsche und Hoffnungen des DN.

In casu sind die Ansprüche der DN durch einen weiteren haftenden Schuldner, eine Pensionskasse, gesichert worden. Dadurch haben sich die „vertragsgemäßen Ansprüche“ des ehemaligen DN geändert. Ein Problem der „Naturalrestitution“ (Wiederherstellung durch den Schädiger) stellt sich nicht. Das Pendant zur Naturalrestitution bildet die – in der Praxis übliche – Übernahme der Herstellungskosten oder des Herstellungsaufwandes durch den Schädiger (siehe dazu, mit vielen rechtsvergleichenden Hinweisen Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht [1993] 150 ff). – Diese Themen berührt der vorliegende Fall nicht. – Zur Bedeutung von Naturalleistungen als Entgeltleistungen (des DG) siehe sogleich. Auch besteht kein Anlass, diesen Anspruch des Kl unter den „weitergehenden Schadenersatz“ nach § 1162b ABGB, § 20 AngG zu subsumieren. Die Konkretisierung dieses weitergehenden Schadenersatzes bereitet Schwierigkeiten. Beispielhaft werden Schäden wegen der Verweigerung der Ausfolgung der Arbeitspapiere oder wegen besonderer Spesen für den Verlust der Dienstwohnung genannt (Pfeil in ZellKomm2 § 29 AngG Rz 31). Die zuerst genannte Konstellation hat praktische Bedeutung offenbar nicht erlangt, die zweite leuchtet aus systematischen und sachlichen Gründen nicht ein. Eine Dienstwohnung, die der DG dem DN zur Verfügung stellt, ist eine Naturalleistung und Bestandteil des Entgelts (Spielbüchler in

Floretta/Spielbüchler/Strasser
, Arbeitsrecht I4 [1998] 227; Preiss in ZellKomm2 § 1154 ABGB Rz 10; Naturalbezüge fallen auch in die Bemessungsgrundlage der Abfertigung; OGH9 ObA 26, 27/92RdW 1992, 250). Nach der Beendigung des Dienstverhältnisses kann der (ehemalige) DN diese Wohnung nicht mehr nutzen. Der Wert dieser Naturalleistung ist402 zu ermitteln. Die Bemessungsgrundlage betreffend die „vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt“ erhöht sich entsprechend. – Diese Grundsätze sind sinngemäß anzuwenden, wenn der DG – nach dem vorzeitigen Ausscheiden eines DN – den DN Dienstwohnungen zur Verfügung stellt. Auch in diesem Fall hat der (ehemalige) DN Anspruch auf das – in Folge einer Naturalleistung – erhöhte Entgelt.

Die Besicherung der Ansprüche durch einen weiteren Schuldner (Pensionskasse) ist eine qualitative Verbesserung. Auch die Ansprüche des (ehemaligen) DN nach § 1162b ABGB kann man besichern; in Betracht kommt beispielsweise eine Bankgarantie. Es bestehen indes Zweifel, ob dieses Begehren des Kl eine rechtliche Grundlage finden kann.

Der Kl fordert eine gleichsam abstrakte Sicherstellung. Eine Gefährdung der Ansprüche konnte nicht dargetan werden. Der Kl strebt vielmehr vorsorglich eine nicht näher begründete und offenbar nicht näher begründbare Absicherung gegen die Gefahr einer Insolvenz des DG an. Das ist allerdings ein Anliegen, das die Rechtsordnung – in dieser Allgemeinheit – nicht anerkennt. Das geradezu klassische Beispiel für eine – potentielle – Gefährdung der Gläubigerinteressen sind Umgründungen, etwa Verschmelzungen oder Spaltungen. Aus dem Blickwinkel der GläubigerInnen gesehen ergeben sich durch derartige Maßnahmen oft tiefgreifende Veränderungen auf der Seite des Schuldners. Mithin erscheint die Forderung, der Schuldner möge Sicherheit leisten, prima facie plausibel. Gleichwohl räumt die Rechtsordnung den betroffenen GläubigerInnen einen abstrakten, also nicht begründungsbedürftigen Anspruch auf Sicherstellung nicht ein. Sicherheit ist nur zu leisten, wenn die GläubigerInnen „glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung (Spaltung) die Erfüllung ihrer Forderungen gefährdet wird“ (§ 226 AktG, § 15 SpaltG).

Diese Wertungen dürfen auch im vorliegenden Zusammenhang nicht übergangen werden. Zwar ist das DG-Unternehmen nicht umgegründet worden; es hat einen Pensionskassenvertrag abgeschlossen. Eine Umgründung hätte jedoch für die GläubigerInnen, also auch für den Kl, erheblich weiter gehende Folgen haben können, als der Abschluss eines Pensionskassenvertrages. Dennoch hätte der Kl Sicherheit nicht fordern können. Daher wäre es ungereimt, dem Kl wegen Abschluss des Pensionskassenvertrages einen abstrakten Anspruch auf Sicherheitsleistung zu gewähren. Der OGH hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.