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(Teil-)Auflösung eines Pensionskassenvertrags durch eine Leistungsberechtigte aus wichtigem Grund?

MICAHELREINER (BADEN BEI WIEN)
  1. Die Beiträge des AG zur Pensionskasse (PK) sind Gegenleistung für die vom AN erbrachte Arbeit.

  2. Die Zusage und Abwicklung einer betrieblichen Pensionszusage, die auf periodisch wiederkehrende, einander wechselseitig bedingende und auf unbestimmte Zeit zu erbringende Leistungen gerichtet ist, begründet ein Dauerschuldverhältnis. Eine Pensionskassenzusage ist ein mehrpersonales, aus jeweils differenziert zu betrachtenden Rechtsbeziehungen zusammengesetztes Dauerschuldverhältnis. Dauerschuldverhältnisse können aus wichtigem Grund vorzeitig aufgelöst werden können.

  3. Der Pensionskassenvertrag ist nach hM ein echter Vertrag zugunsten Dritter iSd § 881 ABGB, der den Leistungsberechtigten die unmittelbare Durchsetzung des Auszahlungsanspruchs gegenüber der PK eröffnet, sobald ein Leistungstatbestand verwirklicht ist.

  4. Vertragliche Gestaltungsrechte, wie Wandlung, Anfechtung, Widerruf oder Auflösung des Dauerschuldverhältnisses, bestehen im Pensionskassenmodell nur zwischen dem AG und der PK. Leistungsberechtigte haben daher kein Gestaltungsrecht hinsichtlich des Pensionskassenvertrags. Einwendungen der Parteien sind im Vertrag zugunsten Dritter nur aus ihren jeweiligen Rechtsbeziehungen möglich.

  5. Der AN hat keinen Anspruch auf Auszahlung der Beiträge an sich selbst, sondern kann vom AG bloß die Leistung der Beiträge an die PK fordern.

  6. Die Grundsätze für die Kündigung eines Pensionskassenvertrags sind Vermögenssicherung und Kollektivismus.

  7. Die Berechtigten sind nicht Eigentümer des ihnen zugeordneten Kapitals, sondern besitzen bloß ein dem Fruchtgenuss ähnliches Recht. Das Konto bei der PK (§ 18 PKG) dokumentiert kein persönliches Sondervermögen, sondern dient bloß der Berechnung der Deckungsrückstellung, des Unverfallbarkeitsbetrages und der Pensionsleistung.

Die Kl bezieht aufgrund eines zwischen ihrem früheren AG und der Bekl (= PK) abgeschlossenen Pensionskassenvertrags eine Rente aus einem beitragsorientierten Pensionskassensystem.

Mit ihrer Klage begehrt sie die Herausgabe eines Teilbetrags des auf ihrem von der Bekl geführten Pensionskonto vorhandenen Deckungskapitals mit der Begründung, sie sei zur Auflösung des Pensionskassenvertrags aus wichtigen Gründen berechtigt. Das vertraglich festgelegte Veranlagungsziel werde laufend verfehlt, sodass es zu einer ständigen Verringerung der Pensionsleistungen gekommen sei. Eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sei der Kl unter diesen Umständen nicht zumutbar.

Die Bekl verweigere die Herausgabe des Guthabens und beziehe sich dabei auf § 1 Abs 2 PKG, der die Abfindung einer Pensionsleistung nur unter sehr eingeschränkten, unstrittig auf die Kl nicht zutreffenden, Bedingungen erlaube. Diese Gesetzesbestimmung verstoße gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, weil sie die Möglichkeit, das im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erwirtschaftete Kapital nach eigenen Gutdünken anzulegen, unzulässig einschränke.

Das in der Klage enthaltene Tatsachenvorbringen über die in der Vergangenheit von der Bekl erreichten Veranlagungsergebnisse und die bisherigen Pensionseinbußen der Kl ist unbestritten geblieben.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Kl begehre eine Pensionsabfindung, die in § 1 Abs 2 PKG normierten Voraussetzungen dafür lägen aber nicht vor. Das Berufungsgericht bestätigte diese E und erklärte die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage für nicht zulässig. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, dass die geltende Gesetzeslage die begehrte Abfindung der Pensionskassenleistung nicht zulasse.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kl gegen die Bestimmung des § 1 Abs 2 PKG seien nicht zu teilen. Der VfGH habe bereits mit Beschluss vom 16.12.2009, G 245/09, einen auf die Aufhebung einer Wortfolge des § 1 Abs 2 PKG gerichteten Drittelantrag gem Art 140 Abs 1 zweiter Satz B-VG mit der Begründung zurückgewiesen, diese Aufhebung würde zu einer tiefgreifenden Veränderung des gesamten Gesetzesinhalts führen, andererseits könnte die behauptete Verfassungswidrigkeit damit insoweit nicht beseitigt werden, als sie im Antrag im Fehlen von gesetzlichen Regelungen über das Ausscheiden oder den Wechsel der PK durch den Anspruchsberechtigten erblickt würde.

Angesichts dieser bereits ergangenen E sehe sich das Berufungsgericht nicht veranlasst, der Anregung auf Einleitung eines neuerlichen Normenprüfungsverfahrens nachzukommen.

In ihrer von der Bekl nach Freistellung gem § 508a Abs 2 ZPO beantworteten Revision führt die Kl ins Treffen, das Berufungsgericht habe übersehen, dass sich ihre verfassungsrechtlichen Bedenken nur zum Teil mit jenen des im Urteil zitierten Gesetzesprüfungsantrags deckten. Die Kl beziehe sich keineswegs nur auf das Fehlen einer Regelung über eine ordentliche Kündigung des Pensionskassenvertrags durch die Leistungsberechtigten, sondern vor allem auf die Möglichkeit einer vorzeitigen Auflösung des Vertrags aus wichtigen Gründen. Diese Möglichkeit sei nach stRsp des OGH aber grundsätzlich jedem Dauerschuldverhältnis immanent und müsse daher schon bei verfassungskonformer Interpretation des geltenden Rechts auch auf Pensionskassenverträge angewendet werden.407

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die darin angesprochenen Rechtsfragen angesichts einer sehr großen Zahl von Anwartschafts- und Leistungsberechtigten von über den Anlassfall hinausgehender Bedeutung sind und einer Klarstellung bedürfen. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Zu den in der Revision neuerlich angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beschränkung der Möglichkeit einer Pensionsabfindung nach § 1 Abs 2 PKG kann auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revisionswerberin bringt keine neuen Argumente vor und führt auch nicht aus, gegen welche konkrete, vom VfGH noch nicht geprüfte Wortfolge des § 1 Abs 2 PKG sich ihre Bedenken richten. Da ein Normenprüfungsverfahren jedenfalls nur zur Aufhebung einer bestimmten Regelung wegen Verfassungswidrigkeit führen kann, aber nicht zur Ergänzung oder Änderung eines als unbefriedigend empfundenen Gesetzes, ist der Anregung der Revisionswerberin nicht näherzutreten.

2. Zu Recht macht die Revision aber geltend, dass das Berufungsgericht in seiner Entscheidungsbegründung auf einen Teil des Klagsvorbringens nicht eingegangen ist.

Die Frage, ob Leistungsberechtigte iSd § 5 Z 2 PKG aus wichtigem Grund einseitig die vorzeitige Beendigung des Pensionskassenvertrags erklären können und welche Folgen eine solche Auflösung nach sich ziehen würde, steht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem Regelungsgegenstand des § 1 Abs 2 PKG, der die bei aufrechtem Vertragsverhältnis zu erbringenden Leistungen determiniert.

Die hL und Rsp leitet aus §§ 1162, 1117 und 1118 ABGB den allgemeinen Grundsatz ab, dass alle Dauerschuldverhältnisse bei Vorliegen wichtiger Umstände, aus denen einem Teil die Vertragsfortsetzung unzumutbar wäre, vorzeitig aufgelöst werden können [...].

Die Zusage und Abwicklung einer betrieblichen Pensionszusage, die auf periodisch wiederkehrende, einander wechselseitig bedingende und auf unbestimmte Zeit zu erbringende Leistungen gerichtet ist, begründet iSd herrschenden Terminologie ein Dauerschuldverhältnis (ua Apathy/Riedler in Klang3 § 859 ABGB Rz 21; Rummel, aaO § 859 Rz 28). Mit der Übertragung von individuellen Pensionszusagen des AG an eine überbetriebliche PK entsteht ein mehrpersonales, aus jeweils differenziert zu betrachtenden Rechtsbeziehungen zusammengesetztes Dauerschuldverhältnis.

Der Pensionskassenvertrag als solcher wird nach § 15 Abs 1 PKG zwischen dem beitretenden AG und der PK abgeschlossen. Die AN gelangen im Regelfall, von dem nach den Klagsangaben auszugehen ist, als Normunterworfene einer BV oder eines KollV lediglich in den Kreis der Begünstigten (§ 3 Abs 1 BPGG). Beim Pensionskassenvertrag handelt es sich nach herrschender Auffassung um einen echten Vertrag zugunsten Dritter iSd § 881 ABGB, der den Leistungsberechtigten (§ 5 Z 2 lit a PKG) die unmittelbare Durchsetzung des Auszahlungsanspruchs gegenüber der PK eröffnet, sobald ein Leistungstatbestand verwirklicht ist [...].

Das Einlösungsverhältnis allein begründet aber keine Vertragsbeziehung zwischen der PK und dem Leistungsberechtigten (Kalss in

Kletecka/Schauer
, ABGB-ON 1.01 §§ 881, 882 Rz 12). Vertragliche Gestaltungsrechte, wie Wandlung, Anfechtung, Widerruf oder die von der Revision reklamierte Auflösung des Dauerschuldverhältnisses, bestehen auch beim echten Vertrag zu Gunsten Dritter nur zwischen den jeweiligen Vertragsparteien (Apathy/Riedler, aaO Rz 4; Rummel in
Rummel
3, § 882 Rz 2). Einwendungen zwischen den Beteiligten sind nur aus ihren jeweiligen Rechtsbeziehungen möglich.

Gem § 17 Abs 1 PKG können nur der AG oder die PK den Pensionskassenvertrag kündigen oder einvernehmlich auflösen, überdies nur für alle erfassten Anwartschafts- und – mangels anderweitiger Vereinbarung – Leistungsberechtigten gemeinsam. Die tragenden, aus Abs 1 hervorgehenden Grundsätze der Kündigung eines Pensionskassenvertrags sind jene der Vermögenssicherung und des Kollektivismus (9 ObA 147/11z; siehe auch Resch, Der Wechsel von einer Pensionskasse in eine betriebliche Kollektivversicherung bei aufrechtem Arbeitsvertrag, JBl 2010, 765, 768).

Die Konsequenz einer Auflösung des Pensionskassenvertrags durch Kündigung ist aber auch nicht, wie es die Kl anstrebt, die Rückzahlung des eingezahlten Kapitals an AG oder AN, sondern die Übertragung der Rückstellungen auf eine andere PK oder eine gleichgehaltene Einrichtung. Die Sicherstellung dieser Übertragung ist gesetzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Auflösungserklärung.

Die Leistungsberechtigten können ihrerseits alle Ansprüche aus dem Einlösungsverhältnis gegen die PK geltend machen, insb die vertraglich vereinbarte Zahlung verlangen (7 Ob 48/86; Kolmasch in

Schwimann
, ABGB-TaKomm § 882 Rz 3), es kommen ihnen als begünstigten Dritten jedoch keine Gestaltungsrechte in Bezug auf den Pensionskassenvertrag zu. Ein individuelles Auflösungsrecht verbietet sich zwangsläufig, weil jede Ausübung durch den Einzelnen in die Rechte aller anderen Mitglieder der Veranlangungs- und Risikogemeinschaft (§ 12 PKG) eingreifen würde.

Ob im Valutaverhältnis, also zwischen den Parteien des (ehemaligen) Arbeitsvertrags, nach Eintritt in das Erfüllungsstadium des Pensionskassenvertrags noch Gestaltungs- oder Auflösungsrechte ausgeübt werden könnten, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu untersuchen. Gegenüber der Bekl steht der Kl als Leistungsberechtigter jedenfalls kein Auflösungsrecht zu. Ob eine unzutreffende Einschätzung der künftigen Veranlagungsergebnisse dafür überhaupt einen gerechtfertigten Grund bieten könnte, muss dahingestellt bleiben (vgl 7 Ob 542/81 = RIS-Justiz RS0018368 [T7]; RS0027780 [T30]).

Die Revisionswerberin unterliegt im Übrigen einem grundsätzlichen Missverständnis des Wesens einer Betriebspensionszusage, wenn sie die eingezahlten AG-Beiträge als in ihrem Eigentum stehendes Kapital betrachtet, dessen Verwaltung ihr nicht aus der Hand genommen werden dürfe. Mangels gegenteiliger Vereinbarung verschafft die betriebliche Pensionszusage den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten nur das Recht auf Auszahlung laufender Rentenbeträge vom408 Leistungsanfall bis zum Lebensende, gegebenenfalls auf Hinterbliebenenleistungen. Das durch die laufenden Beiträge angesparte, versicherungsmathematisch errechnete Deckungskapital für die Renten fließt in die gesamte Veranlagungs- und Risikogemeinschaft ein, die einzelnen Leistungsberechtigten erwerben daran kein Eigentum, sondern nur ein dem Fruchtgenuss ähnliches, mit dem Ableben (bzw Wegfall etwaiger Hinterbliebenenansprüche) endendes Recht.

Diese Beschränkung steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Beiträge des AG zur PK im Anwartschaftsstadium ihrem Wesen nach eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit bilden. Der AN hat auch während des aufrechten Dienstverhältnisses keinen Anspruch auf Auszahlung der vereinbarten Pensionskassenbeiträge an sich selbst, sondern nur darauf, dass diese an die PK geleistet werden. Diese Beiträge verschaffen ihm dann als berechtigten Dritten die aus dem Pensionskassenvertrag und dessen Grundlagen sich ergebenden Pensionsansprüche. Nur die Einbringung dieser Beitragsleistung in die PK, nicht aber die Beitragssumme selbst, sind die im Verhältnis zwischen AG und AN vereinbarte Gegenleistung.

Das nach § 18 PKG für jeden AN zu führende Pensionskonto dokumentiert entgegen der Meinung der Revisionswerberin kein persönliches Sondervermögen, sondern dient nur der Berechnung der Deckungsrückstellung und der Pensions- und Unverfallbarkeitsbeträge.

Der Revision kommt daher im Ergebnis keine Berechtigung zu. [...]

Anmerkung*

Die E betrifft eine Grundfrage jeder (privaten) Altersvorsorge: Kann die Vorsorgende „ihr“ Kapital vor Erreichen des Versorgungsfalls heraus verlangen, etwa weil sie unheilbar krank ist, ein Haus bauen möchte oder mit dem (konkreten) Versorgungsträger unzufrieden ist? Daraus leuchten drei Fragen hervor: (1) Kann ein Vorsorgevertrag aus wichtigem Grund vorzeitig beendet werden (Auflösung des Vorsorgevertrags)? (2) Kann der Vorsorgevertrag auch mit der Wirkung beendet werden, dass das Kapital in Form einer Abfindung (statt Rente) heraus verlangt werden kann (Aufhebung des Vorsorgezwecks)? Nur Aspekt (3) ist spezifisch für die betriebliche Altersvorsorge: Hat der Vorsorgende zur Durchsetzung (dieser) seiner Interessen subjektive Rechte oder ist er (in hohem Maße) von der (mehr oder weniger gebundenen) Entscheidung anderer (insb PK, BR und AG) abhängig? Der E des OGH ist im Ergebnis de lege lata mE klar zuzustimmen. Allerdings trifft der OGH einige Aussagen, die einer kritischen Würdigung bedürfen und wohl noch für Diskussion sorgen werden. Aus Platzgründen möchte ich nur auf die vom OGH in den Raum gestellte Auflösung des Pensionskassenvertrags aus wichtigem Grund eingehen, und einige mE relevante Aspekte aufzeigen; eine umfassende (insb verfassungsrechtliche) Erörterung muss aus Platzgründen unterbleiben.

Leider hat der OGH nicht klar ausgesprochen, ob er eine Beendigung des Pensionskassenvertrags durch ao Kündigung anerkennt. Auch ist unklar, an welche Rechtsfolgen der OGH denkt – das ist umso bedauerlicher, als eine Diskussion allein über Tatbestände (gerade hier) wenig hilft (für die weitere Analyse soll hier grundsätzlich die sofortige Beendigung unterstellt werden). Für die Annahme einer ao Kündigung durch den OGH spricht, dass dieser seine Beurteilung vorzeitig beenden hätte können, wenn er eine ao Kündigung erst gar nicht anerkennt, weil sich dann die Frage gar nicht mehr gestellt hätte, ob auch die Berechtigte dieses Gestaltungsrecht ausüben kann. Auch der Hinweis auf einen (möglichen) wichtigen Grund (schlechte Performance) deutet an, dass der OGH eine ao Kündigung näher erwägt. Blickt man in § 17 PKG zögert man freilich, eine solche Aussage des OGH ohne weiteres anzunehmen, weil dort als Beendigungsarten nur die Kündigung und die einvernehmliche Auflösung angeführt sind. Auf der anderen Seite ist das ao Kündigungsrecht im Kern zwingend (Fenyves, Erbenhaftung [1982] 225 ff). In der individuell-privaten Altersvorsorge wird denn auch ao Kündigung zugelassen (Schwintowski in

Honsell
[Hrsg], VVG [2000] § 165 Rz 2.), allerdings unter völlig anderen Rahmenbedingungen. Dem PKG sehr ähnlich ist hingegen die Beendigungsregelung des Beitrittsvertrags zu einer Vorsorgekasse; hier lässt Resch eine ao Kündigung zu (in
Mayr/Resch
, BMSVG2 [2009] § 12 Rz 2, 4 und 16), Neubauer/Rath (in
Neubauer et al
, BMSVG [2008] § 12 Rz 10) hingegen nicht. Bei den Pensionskassen ist die Frage ebenfalls umstritten (dafür Binder, ZAS 1991, 106; dagegen Kietaibl/Reiner, ZAS 2012, 349). Allerdings liegen diesen Ansichten keine umfassenden Analysen zugrunde. Das Europarecht enthält (vgl PensionsfondsRL 2003/41) keine einschlägigen Vorgaben.

1
Wortlaut

PKG und BPG sprechen an allen einschlägigen Stellen stets nur von Kündigung und/oder einvernehmlicher Auflösung; bloß im ArbVG liest man vom „Austritt aus Pensionskassen“ (§ 97 Abs 1 Z 18a) – da diese Bestimmung aber gleichzeitig mit dem PKG und BPG erlassen wurde, ist nicht davon auszugehen, dass ihr Inhalt vom PKG/BPG abweicht, zumal die Regelung auch äußerst rudimentär im Vergleich insb zu § 17 PKG ist.

2
Systematik

Das Auflösungsrecht aus wichtigem Grund gilt im Kern für alle (Dauer-)Schuldverhältnisse. Daraus schließt Resch (zum Beitrittsvertrag nach BMSVG, der nach dem Wortlaut von § 12 Abs 1 ebenfalls nur gekündigt oder einvernehmlich beendet werden kann), dass deshalb dem Wortlaut eher geringe Bedeutung zukomme, weil die Möglichkeit zur ao Kündigung keiner Erwähnung bedürfe (in

Mayr/Resch
, § 12 Rz 4). Dies ist auf den ersten Blick zutreffend. Relativierend wirkt freilich, dass das PKG (und BPG), soweit es von der Beendigung des Pensionskassenvertrags handelt, ausschließlich die Kündigung und/oder die einver409nehmliche Beendigung erwähnt: §§ 3 Abs 1 Z 3, 6a Abs 1 Z 3 BPG; §§ 11b Abs 4, 12a Abs 4, 15 Abs 3 Z 15 und 15a, 36 Abs 1 Z 9 PKG (ebenso das Versicherungsaufsichtsgesetz [VAG] für die betriebliche Kollektivversicherung, § 6a Abs 1 Z 3 BPG, § 18h VAG und – eben – das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz [BMSVG] zum Beitrittsvertrag). Dies spricht eher dafür, den Wortlaut von § 17 PKG ernst zu nehmen.

Gegen die Relativierung des Wortlauts von § 17 PKG spricht aber vor allem Folgendes: Die jederzeitige Auflösungsmöglichkeit eines Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund hat genuin privatrechtlichen Ursprung. Demgegenüber ist die Beendigung des Pensionskassenvertrags stark aufsichtsrechtlich geprägt und wegen der damit zusammenhängenden Eingriffsbefugnisse der Finanzmarktaufsicht (FMA) (zB Vor-Ort-Prüfung, § 33a PKG) höheren Bestimmtheitserfordernissen unterworfen. Die besondere Bedeutung des § 17 PKG aus aufsichtsrechtlicher Sicht geht zum einen aus dem strengen Vorgaben des § 17 PKG selbst hervor, zeigt sich aber auch an den daran anknüpfenden Normen (§§ 36 Abs 1 Z 9, 15 Abs 1 Z 15 und 15a, 11b Abs 4 PKG). Daraus folgt, dass § 17 PKG in (vergleichsweise) hohem Maße aufsichtsrechtlich geprägt und inhaltlich determiniert ist, womit für privatrechtliche Argumentation wenig(er) Raum ist. Dies spricht zwar nicht zwingend gegen eine ao Kündigung, verlagert aber wohl die Begründungslast hin zu jenen, die eine solche Auflösungsmöglichkeit (entgegen dem Wortlaut von § 17 PKG) behaupten.

Systematisch ist weiters beachtlich, dass der Gesetzgeber detaillierte und zwingende Voraussetzungen für die Beendigung vorgibt (§ 17 PKG), und zwar auch für den Auflösungsvertrag. Da es sich hier um einen besonders intensiven Eingriff in die Privatautonomie handelt, müssen dahinter besondere Schutzinteressen stehen. Daraus folgt, dass diese Mindeststandards (!) für den Auflösungsvertrag mE bei einer einseitigen Beendigung erst recht greifen müssen.

Selbst bei der Beendigung des Pensionskassenvertrags aufgrund des Ausscheidens eines AG aus einem Konzern mit Konzernpensionskasse (§§ 3 iVm 17 Abs 4 PKG) ist der Gesetzgeber bemüht, einen geordneten Übergang ohne abruptem Ende des Pensionskassenvertrags zu gewährleisten. Dazu dient auch die Pflicht, die Vorgangsweise bei Ausscheiden im Pensionskassenvertrag zu regeln (§ 15 Abs 3 Z 7a PKG). Dies ist deshalb als Wertung besonders beachtlich, weil die PK ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des AG aus dem Konzern grundsätzlich gar nicht mehr berechtigt ist, die Zusage des AG zu verwalten.

Bei einem Vergleich zum BMSVG fällt auf, dass dieses ausdrückliche Regelungen zum „vertragslosen Zustand“ kennt, die eine Zuweisung des AG an eine Betriebliche Vorsorgekasse in einem eigenen Verfahren sicherstellen (§ 27a BMSVG). Gerade aufgrund dieses Verfahrens dürfte Resch die ao Kündigung des Beitrittsvertrags anerkennen (in

Mayr/Resch
, § 12 Rz 16). Da ein solches Verfahren für Pensionskassen nicht vorgesehen ist, sollte im Pensionskassenrecht der – durch die ao Kündigung gefährdeten – nahtlosen Kontinuität (noch) mehr Gewicht beigemessen werden als im BMSVG.

Ohne hier eine umfassende verfassungskonforme Interpretation vornehmen zu können, möchte ich doch einen Aspekt zur Rechtfertigung des Ausschlusses der ao Kündigung vortragen: Bei Verstößen der PK hat die FMA verschiedene Eingriffsbefugnisse und -pflichten zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes (zB § 33 Abs 6 PKG). Dies spricht zwar auf einfachgesetzlicher Ebene nicht gegen den Ausschluss der ao Kündigung (so aber Neubauer/Rath in

Neubauer et al
, § 12 Rz 10 für das BMSVG), weil das Aufsichtsrecht nicht bezweckt, dem AG die „Selbsthilfe“ abzuschneiden und ihm seine allgemeinen (von der FMA auch völlig verschiedenen!) Rechtsbehelfe zu nehmen. Sehr wohl streitet die Beaufsichtigung – die gerade in kritischen Fällen eingreifen soll – aber für die Rechtfertigung eines (etwaigen) Ausschlusses der ao Kündigung.

3
Historie

In den ersten Entwürfen zum PKG war noch gar keine Regelung zur Beendigung vorgesehen. Erst in der Stammfassung (BGBl 1990/281) fand sich mit § 17 PKG eine Regelung, die aber zunächst nur die Kündigung vorsah. Erst 2005 (BGBl I 2005/8) wurde die einvernehmliche Auflösung in § 17 PKG als weitere Beendigungsart aufgenommen. Zwar ist in den EB bloß von einer „Klarstellung“ die Rede (ErläutRV 707 BlgNR 22. GP), allerdings weist die sehr moderate Erweiterung des § 17 PKG auf einen dementsprechend moderaten Regelungswillen hin.

Einen wichtigen Hinweis zur abschließenden Regelung der Beendigungsarten liefert die Novelle BGBl 1996/755, die § 17 PKG um die Auflösung bei Ausscheiden eines AG aus einem Konzern mit Konzernpensionskasse erweiterte. In den EB (ErläutRV 707 BlgNR 22. GP) steht ua, dass eine Beendigung in diesem Fall bisher nur durch Kündigung möglich war – dies obwohl die PK die Zusage mit dem Ausscheiden nicht mehr verwalten darf und eine ao Kündigung deshalb naheliegend gewesen wäre. Daraus geht hervor, dass der Gesetzgeber den (ursprünglichen) Wortlaut ernst genommen hat und keine darüber hinausgehenden Beendigungsarten zulassen wollte.

Schließlich liefert auch die Novelle BGBl I 2012/54 einen Hinweis, in dem sie nun nicht bloß Bestimmungen zur Kündigung im Pensionskassenvertrag verlangt, sondern auch zur Vorgangsweise bei Ausscheiden des AG aus dem Konzern (§ 15 Abs 3 Z 15a PKG). In den EB wird ausgeführt, dass hier Probleme auftreten könnten, weshalb eine Regelung im Vorhinein angezeigt sei (ErläutRV 1749 BlgNR 24. GP). Da sich bei einer ao Kündigung sicher noch größere Probleme stellen, wäre eine Regelungspflicht für den Pensionskassenvertrag jedenfalls zu erwarten; eine solche Pflicht findet sich aber nicht, was ebenfalls gegen die Möglichkeit zur ao Kündigung spricht.

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Normzweck

Der Normzweck ist nicht bloß für die einfachgesetzliche Auslegung relevant, sondern bestimmt auch maßgeblich die verfassungsrechtliche Beurteilung des Ausschlusses der ao Kündigung. Ausweislich der 410Materialien zur Stammfassung (Begr zum IA 365/A, 17. GP) dienen § 17 Abs 1 und 2 der Sicherung der Ansprüche der Berechtigten. Der Schutz der Berechtigten kann jedoch nur begrenzt gegen die ao Kündigung streiten, weil diese ja uU gerade in deren Interesse liegt. Bedeutsam ist hingegen der Hinweis, dass die sechsmonatige Mindestfrist bei einvernehmlicher Beendigung auch im Interesse der (in der Veranlagungs- und Risikogemeinschaft [VRG]) verbleibenden Berechtigten liegt, weil die Bestandsänderung eine andere Veranlagungsstrategie bedingen kann (ErläutRV 707 BlgNR 22. GP). Dieser Zweck greift freilich auch bei der ao Kündigung, bei der die verbleibenden Berechtigten ja nicht deshalb weniger schutzwürdig sind, weil die PK dem AG uU einen wichtigen Grund zur ao Kündigung geliefert hat.

Aber auch objektive Überlegungen zum Normzweck sprechen für die volle Beachtung von § 17 PKG. So sollen die Mindestfristen der PK ausreichend Zeit zur Anpassung des EDV-Datenmanagements geben und eine wohlüberlegte Auflösung von Veranlagungen für die Übertragungsbeträge ermöglichen. Beide Normzwecke betreffen primär die verbleibenden Berechtigten und sind daher besonders zu beachten. Die starre Festlegung des Übertragungszeitpunktes auf den Bilanzstichtag dient der Verwaltungsvereinfachung und damit auch der Kostenersparnis. Schließlich verlangen und rechtfertigen ganz allgemein der Zweck (Vorsorge) und das (hohe) Ausmaß der zu übertragenden Kapitalien eine erhöhte Rechtssicherheit und Vorsicht, die durch eine ao Kündigung gefährdet werden könnte.

5
Schlussfolgerungen

Der E des OGH ist im Ergebnis zuzustimmen. Soweit der OGH aber eine ao Kündigung des Pensionskassenvertrags erörtert, zeigt eine etwas nähere (wenn auch nicht abschließende) Analyse, dass gute Gründe gegen eine (mechanische) Anwendung der Rechtsfigur der ao Kündigung auf den Pensionskassenvertrag sprechen. Allenfalls könnte man § 17 analog anwenden; dann wäre aber zu fragen: Welche der drei Beendigungsfälle des § 17 PKG soll analog angewendet werden? Da die ao Kündigung wertungsmäßig keinem der dort geregelten Fälle entspricht, ist es mE de lege lata überzeugender, die ao Kündigung des Pensionskassenvertrags überhaupt nicht zuzulassen. Möchte man trotzdem die ao Kündigung zulassen, wäre wohl am ehesten die Sechsmonatsfrist für die einvernehmliche Beendigung des Pensionskassenvertrags anzuwenden. Da § 17 PKG ausschließlich die Frage der Vermögensübertragung regelt, könnte man darüber hinaus erwägen und dahingehend differenzieren, dass zumindest die laufende Beitragszahlung sofort eingestellt werden kann (vgl § 4 Abs 3 BPG hinsichtlich AN-Beiträge), während die Übertragung analog zu § 17 PKG verläuft.