Verfassungsrechtliche Gleichheit, arbeitsrechtliche Gleichbehandlung, unionsrechtliche Antidiskriminierung*

MAGDALENAPÖSCHL (WIEN)
Gleichheitsprobleme stellen sich gerade im Arbeitsleben in besonderer Schärfe; entsprechend vielfältig sind die Gleichheitsgebote, die hier zu beachten sind: Neben dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz besteht seit langem der judikativ entwickelte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, zu dem wiederum vor einigen Jahren die unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote getreten sind. Diese drei Gleichheitskonzepte stammen aus ganz unterschiedlichen Rechtsschichten und funktionieren zum Teil auch verschieden. Der vorliegende Beitrag untersucht, wie sich diese drei Konzepte zueinander verhalten, dh inwieweit sie sich überschneiden, ergänzen und wechselseitig verstärken, doch auch, wo sie an ihre Grenzen stoßen.
  1. Einleitung

  2. Drei Gleichheitskonzepte

    1. Verfassungsrechtlicher Gleichheitssatz

      1. Entwicklung

      2. Schutzzwecke

        1. Bindung der Vollziehung an das Gesetz

        2. Gleichheit durch das Gesetz

        3. Personaler Schutzzweck

        4. Minderheitenschutz

        5. Flankenschutz für Freiheitsrechte

      3. Rechtsfolgen einer Verletzung

    2. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

      1. Rechtsfolgen einer Verletzung

      2. Entwicklung

      3. Schutzzwecke

        1. Minderheitenschutz

        2. Personaler Schutzzweck

        3. Bindung an Prinzipien

        4. Gleichheit durch Prinzipien

        5. Willkürliche Vergabe freiwilliger Leistungen?

        6. Flankenschutz für Freiheitsrechte

      4. Schutzbereich

    3. Unionsrechtliche Diskriminierungsverbote

      1. Entwicklung

      2. Personaler Schutzzweck

      3. Schutzbereich

      4. Rechtsfolgen einer Verletzung

  3. Wechselwirkungen

    1. Die offene Flanke unionsrechtlicher Diskriminierungsverbote

    2. Schutzbereich

    3. Konkreter oder hypothetischer Vergleich?

    4. Vergleichsbasis

    5. Rechtsfolgen einer Verletzung

    6. Wer schützt die Dummen und die Hässlichen?

1
Einleitung

Die Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht hat offensichtlich ein Faible für Gleichheitsfragen.* Dass sie dieses Thema zur Gedächtnistagung für Karl Spielbüchler noch einmal verhandelt wissen wollte, kommt nicht467 von ungefähr, hat Spielbüchler doch als Verfassungsrichter die Gleichheitsjudikatur des VfGH über Jahrzehnte mitgeprägt, sich als Universitätslehrer zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geäußert,* und auch als 2005 das europäische Antidiskriminierungsrecht in Zell am See auf der Tagesordnung stand, nahm Spielbüchler dazu Stellung, allerdings kritisch: Wer in unserer Gesellschaft am meisten diskriminiert wird, sagt er in einem Interview, sind „die Dummen und die Schiachen [...]. Wer schützt die?“* – eine verstörende Frage, auf die noch zurückzukommen ist. Für den Moment macht sie deutlich, dass wir gegenwärtig in einer stark ausgeprägten Gleichheitskultur leben: Gleichheitsfragen begleiten uns ein Leben lang – als Geschwisterrivalität in der Familie, als Schülerkonkurrenz in der Klasse und später tagtäglich in der Arbeitswelt. Immer wieder finden wir uns in einen Kreis von Personen gestellt, der fast automatisch veranlasst zu vergleichen und genau zu beobachten, was anderen gegeben und uns womöglich vorenthalten wird. Werden wir anderen vorgezogen, verbittert uns das im Allgemeinen etwas weniger, denn der Gleichheitsblick fokussiert immer das Bessere – dort will er hin, um von da in noch günstigere Gefilde weiterzuziehen. So folgt auf eine erfüllte Gleichheitsforderung regelmäßig schon der nächste Gleichstellungswunsch; nicht selten löst das eine Aufwärtsspirale aus.

Das gilt nicht nur, besonders aber für das Arbeitsrecht. Mittlerweile treffen hier bereits drei verschiedene Gleichheitskonzepte aufeinander: Erstens der seit 1867 im StGG garantierte und im B-VG 1920 noch einmal normierte Gleichheitssatz, der den Staat in Gesetzgebung und Vollziehung bindet* und nach der neueren Judikatur vermittelt über die Generalklauseln des Zivilrechts auch für die Parteien der Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen gilt.* Neben ihm steht zweitens der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, den der OGH nach 1945 zunächst für das privatrechtliche Handeln des staatlichen AG entwickelt und wenig später umstandslos auf den privaten AG erstreckt hat.* Hinzu kommen drittens die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU, die 2004 in rund 35 Gesetzen mit bindender Wirkung für staatliche und private AG umgesetzt worden sind.* Diese Vielfalt an Gleichheitsgarantien wirft die Frage auf, wie sich diese Konzepte eigentlich zueinander verhalten: Wollen sie alle dasselbe oder ergänzen sie einander? Und wenn letzteres: Entwickeln sich diese Gleichheitslinien aufeinander zu, um irgendwo in den einen Gleichheitsstrom einzumünden oder werden sie sich gegenseitig zu immer noch mehr Gleichheit aufschaukeln? Widersprechen sie einander gar? Eine Antwort auf diese Fragen setzt Kenntnis darüber voraus, wie jedes der drei Gleichheitskonzepte für sich funktioniert.

2
Drei Gleichheitskonzepte
2.1
Verfassungsrechtlicher Gleichheitssatz
2.1.1
Entwicklung

Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz geht auf die politischen Gleichheitsforderungen im Revolutionsjahr 1848 zurück; sie haben Österreich bekanntlich einen ersten Grundrechtskatalog gebracht, dem aber nur ein kurzes Leben beschieden war:* Schon 1851 beseitigte der Kaiser diesen Grundrechtskatalog als überflüssig, ließ den Gleichheitssatz aber weiterhin bestehen.* Das mag zunächst verblüffen, zeigt aber nur die Ambivalenz dieser Garantie: Selbst ein neoabsolutistischer Staat kann es sich leisten, Gleichheit zu versprechen, „liebt“ doch, wie Toqueville es ausgedrückt hat, „[j]ede Zentralgewalt [...] die Gleichheit, und begünstigt sie, denn die Gleichheit erleichtert einer solchen Macht außerordentlich ihr Handeln, erweitert und sichert es“.* Nicht die gleichmäßige Beherrschung aller, sondern gleichmäßige Freiheit für alle hatte erst wieder das StGG 1867 im Sinn. Auch in diesem Grundrechtskatalog stand die Gleichheit an vorderster Stelle, * und sie gehört ebenso zu den wenigen Grundrechten, die 1920 in das B-VG aufgenommen wurden, abermals an prominentem Platz, im ersten Hauptstück in Art 7: Diese Positionierung sollte deutlich machen, dass mit der Garantie der Gleichheit aller Staatsbürger endgültig der Übergang zur Demokratie bewerkstelligt war.* Das unterstreicht noch zusätzlich der zweite Satz des Art 7 Abs 1 B-VG, der Vorrechte ua aufgrund der Geburt und des Standes ausdrücklich ausschließt.468

2.1.2
Schutzzwecke
2.1.2.1
Bindung der Vollziehung an das Gesetz

Historisch war stets unstrittig, dass die Garantie der Gleichheit „vor dem Gesetz“ sich an die Vollziehung wendet und sie verpflichtet, das Gesetz anzuwenden, und zwar ausnahmslos und ohne Ansehen der Person: Das ist der erste, im Kern rechtsstaatliche Schutzzweck des Gleichheitssatzes, der in einer alten, aber ausdrucksstarken Formel des VfGH deutlich zum Ausdruck kommt: Danach handelt die Vollziehung gleichheitswidrig, dh willkürlich, wenn sie sich „über das Gesetz hinwegsetzt anstatt ihm zu dienen“.*

Diese Bindung an das Gesetz hängt nicht davon ab, ob die Behörde das Gesetz auch anderen gegenüber anwendet. Folgerichtig hat schon der erste Anwendungsfall ein Recht darauf, einem für ihn günstigen Gesetz gemäß behandelt zu werden. Umgekehrt nützt es den Bürgern nichts, wenn die Behörde ein belastendes Gesetz in anderen Fällen außer Acht gelassen hat. Selbst wenn sie schon hundert Straftäter gesetzwidrig nicht bestraft hat, verschafft der Gleichheitssatz dem 101. Täter kein Recht, ebenso verschont zu werden. Denn ihn gleich zu behandeln, würde das Unrecht ja nur vertiefen, also das Gegenteil dessen bewirken, was der Gleichheitssatz will: eine gesetzesgebundene Vollziehung. Im Unrecht kann es also keine Gleichheit geben.*

Bei der Vollziehung genereller Normen entstehen freilich auch Entscheidungsspielräume, die die Behörde ausfüllen muss. Nach welchen Kriterien sie dabei vorgeht, muss sich noch nicht beim ersten Fall zeigen, doch wird nach einer Serie von aufeinander folgenden Fällen regelmäßig eine Entscheidungspraxis sichtbar. Weicht die Behörde von dieser Linie in einem einzelnen Fall plötzlich grundlos ab, möchte man meinen, dass dies den Gleichheitssatz verletzt. Doch schneidet der VfGH einen Vergleich auch in solchen Konstellationen ab und begnügt sich grundsätzlich damit, dass jeder Fall für sich willkürfrei erledigt wurde.*

2.1.2.2
Gleichheit durch das Gesetz

Während die Bindung der Vollziehung an den Gleichheitssatz nie zweifelhaft war, setzte sich in Lehre und Judikatur erst allmählich die Auffassung durch, dass sich der Gleichheitssatz auch an den Gesetzgeber richtet.* Nach nunmehr stRsp ist er verpflichtet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.* Soweit die Verfassung nicht vorgibt,* was wesentlich gleich und was wesentlich ungleich ist, liegt es am Gesetzgeber diese Wertung zu treffen. Der Gleichheitssatz verpflichtet ihn dann aber grundsätzlich dazu, dieser Wertung „treu“ zu bleiben, sie also konsequent zu verfolgen: Er muss alle Personen oder Sachverhalte, die im Lichte dieser Wertung gleich sind, auch gleich behandeln, während eine Differenzierung zwischen Personen oder Sachverhalten, die der Gesetzgeber selbst im einen Zusammenhang als ungleich bewertet, auch in einem anderen Zusammenhang geboten sein kann. Dabei ergibt sich regelmäßig bereits aus den Zielen einer Vorschrift oder eines Regelungskomplexes, welche Eigenschaften der betroffenen Personen oder Sachverhalte wesentlich und welche unwesentlich sind. Dementsprechend trifft der Gesetzgeber in verschiedenen Rechtsmaterien ganz unterschiedliche Systementscheidungen; er legt etwa fest, dass Sozialhilfe nach der Bedürftigkeit zu verteilen ist, dass Ertragssteuern nach der Leistungsfähigkeit einzuheben, Bildungsplätze nach der Eignung zu vergeben und Anerkennungen im öffentlichen Dienst nach den Verdiensten auszusprechen sind. Diese Systementscheidungen sind keine Dogmen, sondern selbstgewählte Orientierungslinien; deshalb darf der Gesetzgeber von ihnen auch punktuell abgehen, dh einzelne Fallgruppen abweichend behandeln, wenn und soweit es dafür wiederum sachliche Gründe gibt.* Durch diese Anforderungen sichert der Gleichheitssatz – das ist ein weiterer Effekt – ein gewisses Mindestmaß an Rationalität in der Gesetzgebung.

Bei all dem darf der Gesetzgeber von Durchschnittsbetrachtungen ausgehen, typisieren und in Kauf nehmen, dass durch Grenzziehungen vereinzelt Härtefälle entstehen.* Hingenommen werden darf bei der Normsetzung ferner, dass sich eine generelle Norm auf ihre Adressaten faktisch unterschiedlich auswirkt, diesen also mehr trifft als jenen: Das allgemeine Gesetz kann nicht auf die jedem Menschen je eigene Lebenslage Rücksicht nehmen. In einer Demokratie dürfen Gesetze schließlich geändert werden; daher ist es grundsätzlich auch unbedenklich, wenn wesentlich gleiche Fälle heute anders behandelt werden als morgen.*

2.1.2.3
Personaler Schutzzweck

Der Gleichheitssatz bringt dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zwar grundsätzlich Vertrauen entgegen, insb betrachtet er nicht jede Differenzierung schon an sich als suspekt. Misstrauisch wird der Gleichheitssatz aber bei bestimmten Sorten von Differenzierungen. Das gilt zuerst für Ungleichbehand469lungen aufgrund von Merkmalen, die „in der Person“ gelegen, dh für den Einzelnen nicht oder nicht zumutbar beeinflussbar sind.* Art 7 Abs 1 Satz 2 B-VG nennt hier beispielhaft Geburt, Geschlecht, Stand, Klasse und Bekenntnis. Das B-VG zum Schutz gegen rassische Diskriminierung* fügt ua Hautfarbe und ethnische Herkunft hinzu; diese Merkmale und einige mehr finden sich auch in den Diskriminierungsverboten der EMRK und GRC.* Benachteiligungen aufgrund derart personaler Kriterien beruhen regelmäßig auf Vorurteilen, setzen die Betroffenen herab und bringen sie zudem in eine ausweglose Situation, weil sie über diese Merkmale nicht disponieren können: Solche Diskriminierungen abzustellen und damit die Person in ihrem „So-Sein“ zu schützen, ist ein weiteres Kernanliegen des Gleichheitssatzes.

Zur Wahrung dieses Schutzzweckes verschärft sich die Kontrolldichte des Gleichheitssatzes mehrfach. Zunächst vermutet der Gleichheitssatz, dass Merkmale wie Hautfarbe, Geschlecht, Religion etc zwischen Menschen keinen wesentlichen Unterschied begründen, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Wer dennoch nach diesen Kriterien differenzieren will, braucht gute Gründe; er muss hieb- und stichfest nachweisen können, dass das suspekte Differenzierungskriterium bei vorurteilsfreier Betrachtung tatsächlich treffsicher auf Eigenschaften verweist, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Dieser Beweis darf – das ist die nächste Besonderheit – grundsätzlich nicht gestützt auf Durchschnittsbetrachtungen erbracht werden. An sie legt der VfGH bei verpönten Differenzierungsmerkmalen idR strenge Maßstäbe an, aus gutem Grund kann die Typisierung bei solchen Merkmalen doch leicht in ein Stereotyp übergehen; gerade vor solchen Stereotypisierungen soll der Gleichheitssatz aber schützen. Ein weiteres Spezifikum ist, dass der Gesetzgeber stets mitbedenken muss, welche Folgen ein Gesetz für Träger verpönter Merkmale hat: Diese Merkmale gehören also nicht zu jenen Besonderheiten, über die das allgemeine Gesetz hinweggehen darf. Vorschriften, die zwar nicht an ein verpöntes Differenzierungsmerkmal anknüpfen, die Träger eines solchen Merkmals aber dennoch faktisch signifikant härter treffen als andere, sind daher als mittelbare Diskriminierung verboten, wenn sie nicht durch triftige Gründe gerechtfertigt sind.

2.1.2.4
Minderheitenschutz

Unmittelbare und mittelbare Differenzierungen nach diesen persönlichen Merkmalen sind an sich suspekt, also nicht nur dann, wenn sie eine Minderheit schlechter stellen, sondern auch, wenn sie die Mehrheit benachteiligen. Das zeigt deutlich Art 7 Abs 1 Satz 2 B-VG, der Vorrechte ua aufgrund der Geburt ausschließt. Er meint damit jene Privilegien, die historisch dem Adel – also einer Minderheit – insb bei der politischen Mitbestimmung zukamen.

Mit dem Verbot solcher Vorrechte legt das B-VG zwar den Grundstein für die Demokratie, auch die Demokratie sichert aber nur die Gleichheit der Mehrheit, nicht die Gleichheit aller. Gruppen, die zu schwach sind, um im politischen Prozess gehört zu werden, sind daher selbst in einer Demokratie vor ungerechtfertigten Benachteiligungen nicht gefeit. Diese offene Flanke der Demokratie zu schließen, ist ein weiterer Schutzzweck des Gleichheitssatzes.* Dementsprechend ist bei Regelungen, die gesellschaftliche Minderheiten benachteiligen, eine erhöhte Kontrolldichte angezeigt. Umgekehrt darf in einer Demokratie (widerleglich) vermutet werden, dass Belastungen, die der Gesetzgeber der Mehrheit auferlegt, nicht auf unsachlichen Gründen beruhen. Eine vergleichbare Vermutung lässt sich auch für Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen formulieren: Das grundsätzliche Gleichgewicht der Parteien, die diese Regelwerke vereinbaren, indiziert, dass die jeweils getroffenen Differenzierungen im Großen und Ganzen sachlich sind;* auch hier laufen allerdings kleine Gruppen von AN Gefahr, übergangen und daher unsachlich benachteiligt zu werden.*

2.1.2.5
Flankenschutz für Freiheitsrechte

Die gleichheitsrechtliche Kontrolle verschärft sich schließlich bei Regelungen, die bestimmte Formen des Freiheitsgebrauches benachteiligen, ohne in ein Freiheitsrecht einzugreifen. Das wäre etwa der Fall, wenn ein Gesetz bei der Zuerkennung von Beihilfen gewisse Lebensformen diskriminiert, obwohl Art 8 EMRK die Achtung des Familien- und Privatlebens schlechthin verspricht und damit „klassische“ Familien und Partnerschaften, Patchwork-Familien, homosexuelle Lebensgemeinschaften und Ledige gleich achtet. Für die Benachteiligung einzelner Formen des Freiheitsgebrauches verlangt der Gleichheitssatz triftige Gründe und verschafft so auch den Freiheitsrechten flankierenden Schutz.*

Soweit der Staat verfassungsrechtlich nicht gebotene Leistungen gewährt, ohne Freiheiten zu berühren, ist sein Spielraum umgekehrt weit: Ob überhaupt und nach welchen Kriterien ein Gesetz solche Leistungen zuerkennt, prüft der VfGH zu Recht nach einem lockeren Maßstab,* und er billigt grundsätzlich auch, dass470 der Staat einmal gewährte Leistungen nur schrittweise ausbaut oder sie auch wieder ganz zurücknimmt.* Auch hier ist es dem Gesetzgeber freilich gleichheitsrechtlich untersagt, Personengruppen zu diskriminieren oder Minderheiten unsachlich auszugrenzen.

2.1.3
Rechtsfolgen einer Verletzung

Gleichheitswidrige Verwaltungsakte sind vor den Verwaltungsgerichten und dem VfGH bekämpfbar und werden von diesen Gerichten entweder aufgehoben (bei Bescheiden) oder für gleichheitswidrig erklärt (bei Maßnahmen); das verpflichtet die Behörden je nach Lage des Falles entweder, einen neuen, nun aber willkürfreien Rechtsakt zu erlassen oder von der Erlassung eines Rechtsaktes ganz Abstand zu nehmen.

Gleichheitswidrige generelle Normen wiederum lassen sich regelmäßig auf mehrere Wege korrigieren: Die bislang benachteiligte Gruppe kann besser behandelt, also auf die Stufe der begünstigten Gruppe gehoben werden. Das Niveau kann aber ebenso für alle heruntergepegelt werden. Schließlich kann der Normsetzer beide Gruppen einer dritten, gänzlich neuen Norm unterwerfen, finanzielle Zuwendungen etwa ganz anders verteilen als bisher. Diesen dritten Weg kann der VfGH, der bei der Normenkontrolle ja nur negativer Gesetzgeber ist, nie gehen. Vor die Wahl gestellt, bei der Bereinigung der Rechtslage das Niveau allgemein zu heben oder es für alle zu senken, tendiert der Gerichtshof dazu, die Minderheit der Mehrheit anzupassen,* aus gutem Grund: Er greift so in den Willen des Normsetzers am wenigsten ein. Für die bisher benachteiligte Minderheit ist diese Korrektur erfreulich, weil sie in die Vergünstigung der Mehrheit einbezogen wird; der Korrekturmodus des VfGH kann allerdings auch dazu führen, dass eine bisher bevorzugte Minderheit ihre Privilegien verliert. So bringen Gleichheitsrügen nicht notwendig eine Verbesserung für den Beschwerdeführer; sie können auch Rechtsverluste für andere zur Folge haben.

Gleichheitswidrige Vorschriften in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen „korrigiert“ schließlich der OGH, indem er nach § 879 ABGB ihre Nichtigkeit feststellt. Diese Feststellung wirkt allerdings nur für den Einzelfall, sodass es an den Parteien des KollV bzw der BV liegt, ob sie die beanstandete Vorschrift generell nach oben oder nach unten korrigieren wollen.

2.2
Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
2.2.1
Rechtsfolgen einer Verletzung

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz unterscheidet sich vom verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz in mehrfacher Hinsicht. Er richtet sich nicht an den Gesetzgeber und die Behörde, die das Gesetz vollzieht, sondern an den AG, der (abgesehen von seinem Direktionsrecht) weder generelle Normen erlässt noch sie vollzieht. Bisweilen setzt der AG aber ein normähnliches Verhalten, dann nämlich, wenn er seine AN generell unter bestimmten Voraussetzungen gleich behandelt, als folge er einer selbst begründeten Übung, die freilich – und das ist ein erster wesentlicher Faktor – anders als die generelle Norm nirgendwo förmlich kundgemacht und auch sonst nicht ohne weiteres erkennbar sein muss. Wird nun ein AN gleichheitswidrig schlechter behandelt als andere, so kann das Arbeitsgericht dies zweitens nur in eine Richtung korrigieren: Anders als der VfGH dies bei Gesetzen tut, kann das Arbeitsgericht weder die „Verteilungsregel“ des AG als solche aufheben noch den besser gestellten AN ihre Vorteile entziehen; das Gericht kann den AG nur verpflichten, dem benachteiligten AN „die mit den übrigen [AN] vereinbarten Vorteile gleichfalls [zu] gewähren, das gleiche Verhalten auch von seiner Seite [zu] dulden oder die an sich zulässige Maßnahme auch ihm gegenüber [zu] unterlassen.*Erfolgreiche Gleichheitsklagen führen daher drittens stets zu einer Verbesserung der Rechtslage des Kl, schränken damit aber auch die Privatautonomie des AG ein. Mit diesen Faktoren – dem nur normähnlichen Verhalten des AG, der beschränkten gerichtlichen Korrekturmöglichkeit und ihrer Konsequenz für den AG – hatte der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz von vornherein schwierigere Entwicklungsbedingungen als der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz.

2.2.2
Entwicklung

Seine Wurzeln hat der Gleichbehandlungsgrundsatz in einem bis heute unveröffentlichten Urteil aus dem Jahr 1948.* Der Kl dieses Verfahrens war bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft beschäftigt, die 1939 aufgelöst wurde und deren Vermögen eine nach dem Krieg geschaffene öffentlich-rechtliche Körperschaft übernahm. Von ihr forderte der Kl nun – als der Rechtsnachfolgerin seiner vormaligen DG – Ruhegehaltszahlungen. Dabei machte er ua geltend, dass die Bekl den begehrten Ruhegenuss bereits einem anderen AN in gleicher Lage gewährt hatte. Dieses Argument verfing beim OGH; er meinte, es würde „den guten Sitten widersprechen, wenn eine Korporation des öffentlichen Rechtes unter den Angestellten sachlich unbegründete Unterschiede machen, die Ansprüche des einen anerkennen und die durchaus gleichartigen und rechtlich gleich zu beurteilenden Ansprüche eines anderen Angestellten abweisen“ wollte. Diese Aussage wiederholte der OGH in der Folge mehrmals, wenn staatlichen AG klagsweise vorgeworfen wurde, bestimmte Leistungen freiwillig einem anderen AN gewährt zu haben, dem Kl aber nicht.* Auch als sieben Zollkalkulanten zugleich471 begehrten, von der Republik Österreich so entlohnt zu werden wie sechs andere Zollkalkulanten, dh wie die knappe Minderheit der Belegschaft, trat der OGH diesem Begehren nicht grundsätzlich entgegen.*

Als allerdings 20 Saisonarbeiter von einem privaten AG verlangten, nach einem Streik gleich wie eine andere Arbeiterin in der neuen Saison wiedereingestellt zu werden, reagierte der OGH sehr distanziert:* Dieser „sogenannte [...] Gleichbehandlungsgrundsatz [...]“ könne, wie der OGH nun meinte, nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Ein allgemeiner Rechtssatz, der eine solche Gleichbehandlung ausspricht, existiere nämlich gar nicht. Der OGH habe lediglich „in einigen Entscheidungen erwogen, ob es den guten Sitten widerspricht, wenn ein Dienstnehmer ohne ersichtlichen Grund anders behandelt wird als alle übrigen“. Dass dies für private DG nicht gelte, sagte der OGH nicht. Doch er betonte, dass von einer Sittenwidrigkeit grundsätzlich nur gesprochen werden könne, „wenn ein einzelner oder einzelne Dienstnehmer schlechter behandelt werden als die Mehrheit der übrigen, nicht aber umgekehrt, wenn die bessere Behandlung, die einem einzelnen widerfährt, nicht auf alle ausgedehnt wird“. An dieser Einschränkung hielt der OGH in den folgenden Jahrzehnten fest, und zwar nicht nur für den privaten,* sondern auch für den staatlichen AG.*

2.2.3
Schutzzwecke
2.2.3.1
Minderheitenschutz

Der Schutzzweck des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes war damit klar exponiert: Er soll die Minderheit der AN davor bewahren, der Mehrheit gegenüber grundlos zurückgesetzt zu werden – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das wirft zwei Fragen auf, erstens: Warum ist es dem staatlichen AG erlaubt, einzelne AN grundlos zu bevorzugen, wenn doch Art 7 B-VG dem Staat die Gewährung von Vorrechten untersagt? Zweitens: Warum ist es dem privaten AG überhaupt verwehrt, einzelne AN zu benachteiligen, wenn er doch sonst in geschäftlichen Beziehungen Privatautonomie genießt?

Die arbeitsrechtliche Lehre hat die zweite Frage begreiflicherweise mehr beschäftigt als die erste; sie hat für den Gleichbehandlungsgrundsatz verschiedenste Begründungen entwickelt, gegen die ihrerseits zahlreiche Einwände erhoben wurden.* In der Zwischenzeit hat der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar in § 18 BPG auch positiv-rechtlich Anerkennung gefunden,* sodass sich die Frage nach seiner Rechtsgrundlage weniger dringend stellt. Um seine Funktionsweise zu verstehen, lohnt sich dennoch ein Blick auf die prominentesten Erklärungsversuche. Unter ihnen scheint der Ansatz F. Bydlinskis zunächst die größte Resonanz gefunden zu haben.* Er leitet den Gleichbehandlungsgrundsatz aus der Fürsorgepflicht des AG ab, dem die AN täglich treu zu Diensten sind, wofür er ihnen (neben dem Lohn) eine respektvolle Behandlung schulde. Dieser Respekt gebiete ua, dass er einen AN nicht kränkt, indem er ihn grundlos hinter die restliche Belegschaft zurücksetzt.

So warm einem ums Herz wird bei diesem Idealbild des AG, der liebevoll auf seine treue Herde blickt und niemanden durch Ausgrenzungen kränkt, so wenig ist zu übersehen, dass dieses Ideal auch dem kühl kalkulierenden AG nützt, weil es Gleichbehandlungsforderungen deutlich begrenzt. Fürsorglich fundiert, soll der Gleichbehandlungsgrundsatz nämlich zunächst nicht für den arbeitsuchenden Bewerber gelten:* Da er dem AG noch keine Treue erwiesen hat, habe er auch keinen Anspruch auf respektvolle Behandlung. Mit derselben Begründung wurde ein Gleichbehandlungsanspruch für AN ausgeschlossen, die bei der Einstellung ein niedrigeres Entgelt als vergleichbare AN erhalten.* Einen Benachteiligungsschutz könnte man ferner bei Beförderungen472 verneinen, weil hier ein einzelner AN vorgezogen, also gerade nicht aus der Belegschaft ausgegrenzt wird.* Durch das Gleichbehandlungsgebot nicht beschränkt sein soll der AG schließlich bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die eine individuelle Maßnahme sei, sodass sich ein Vergleich mit anderen AN von vornherein verbiete.* Gleichstellungsforderungen sollen schließlich nur innerhalb eines Betriebes erhoben werden können, weil regelmäßig nur dies der Bereich ist, den der AN überblickt und in dem er Schlechterstellungen als kränkend empfinden kann.*

Der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes reduziert sich damit auf freiwillige Leis tungen des AG,* auf die Entgeltgestaltung, insb auf Fragen der Einstufung und des Ruhegeldes* und auf das Direktionsrecht des AG,* mithin vorwiegend auf Gegebenheiten im aufrechten Arbeitsverhältnis, das AN üblicherweise nicht durch Gleichheitsklagen belasten wollen. Selbst wenn sie klagen, schützt der auf den Minderheitenschutz beschränkte Gleichbehandlungsgrundsatz den AG immerhin vor Kostenlawinen: Denn im ungünstigsten Fall muss der AG einige wenige AN auf das Niveau der Mehrheit heben, nie aber wird er gezwungen sein, ein Privileg, das er einzelnen gewährt hat, auf die ganze Belegschaft auszudehnen. Einen ähnlichen Effekt erreicht, wie gezeigt, auch der VfGH, wenn er gleichheitswidrige Normen so korrigiert, dass er die Minderheit der Mehrheit anpasst: IdR löst das keine Kostenflut aus, weil entweder die benachteiligte Minderheit (mit überschaubarer Kostenfolge) in die allgemeine Begünstigung einbezogen wird oder weil die bevorzugte Minderheit ihre Privilegien verliert, was sogar Kosten sparen kann. Da Arbeitsgerichte nicht abstrakt über die „Verteilungsnorm“ des AG abzusprechen haben, sondern nur über den Ausgleichsanspruch eines benachteiligten AN, können sie Privilegien anderer AN nie beseitigen. Angesichts dieser prozessualen Schranken liegt es nahe, den Gleichbehandlungsgrundsatz von vornherein so zu fassen, dass er Privilegien nicht untersagt, zumal die einzige Korrekturalternative – die Ausdehnung des Privilegs auf alle – die Privatautonomie des AG massiv belasten würde.*

2.2.3.2
Personaler Schutzzweck

So praktisch und zum Teil auch plausibel diese Beschränkungen sein mögen, so sind sie doch anfechtbar. Dass der Gleichbehandlungsgrundsatz die Minderheit vor Zurücksetzungen bewahrt, ist für sich zwar überzeugend und erinnert auch an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, der die Minderheit besonders schützt, weil sie sich gegen Benachteiligungen schlechter wehren kann, was in Arbeitsverhältnissen wohl nicht anders ist.* Leitet man den Gleichbehandlungsgrundsatz aber aus dem Respekt ab, den der AG dem AN schuldet, müssten auch andere Kränkungen untersagt sein: Wenn ein AG etwa die 19 Arbeitnehmerinnen seines Betriebs aufgrund ihres Geschlechts niedriger entlohnt als die zwei männlichen AN, kränkt er sie ebenso, und diese Kränkung wird nicht dadurch besser, dass sie die Mehrheit der Belegschaft trifft.

Das hat Teile der Lehre veranlasst, den Gleichbehandlungsgrundsatz auch auf den Persönlichkeitsschutz der AN zu stützen und ihm daher über den Minderheitenschutz hinaus ein absolutes Verbot zu entnehmen, AN aufgrund personaler Merkmale wie Geschlecht, Hautfarbe, Religion etc unsachlich zu benachteiligen.* Ein AG, der die Mehrheit der Belegschaft diskriminiert, könnte dann zwar klagsweise gezwungen werden, dieser Mehrheit zu gewähren,473 was er der Minderheit zugestanden hat. Das ist aber wohl keine Überforderung des AG,* denn wer seine AN aufgrund von Merkmalen benachteiligt, die als Differenzierungsgründe verfassungs- und völkerrechtlich seit Jahrzehnten verpönt sind, geht erstens ein kalkuliertes Risiko ein.* Zweitens wiegt das Interesse der AN, solchen Diskriminierungen nicht ausgesetzt zu sein, doch deutlich schwerer als das Interesse des AG, seine AN in dieser Weise herabzusetzen.

2.2.3.3
Bindung an Prinzipien

Noch weiter gehen jene Autoren, nach denen der Gleichbehandlungsgrundsatz ganz allgemein verletzt ist, wenn der AG ein erkennbares und generalisierendes Prinzip verlässt.* Dieses Verständnis erinnert an den rechtsstaatlichen Schutzzweck des Gleichheitssatzes: Der AG soll ein einmal aufgestelltes Prinzip allen AN gegenüber einhalten, so wie die Behörde das Gesetz ausnahmslos anzuwenden hat, und zwar schon auf den ersten Fall. Folgerichtig betonen die Vertreter dieses Verständnisses auch, dass die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht von der Zahl der jeweils besser oder schlechter behandelten AN abhängen kann.* Zwar wird das generalisierende Prinzip oft erst am Verhalten erkennbar werden, das der AG der Mehrheit gegenüber setzt; dann bildet der AN, zu dessen Nachteil der AG vom Prinzip abweicht, automatisch die Minderheit.* Geht der AG umgekehrt zum Vorteil eines einzelnen vom Prinzip ab, ändert das am Prinzip selbst nichts und berechtigt daher – so wie es keine Gleichheit im Unrecht gibt – niemanden, dem prinzipienwidrig Begünstigten gleichgestellt zu werden. Anderes gilt erst, wenn diese Abweichung erkennbar ein neues Prinzip begründet, etwa weil der AG vom Prinzip bei der deutlichen Mehrheit der AN abgeht.* Insoweit führt die Lehre vom erkennbaren generalisierenden Prinzip – wenn auch mit anderer Begründung – zu denselben Ergebnissen wie die Lehre vom Minderheitenschutz.

Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen diese beiden Lehren nur, wenn das generalisierende Prinzip nicht erst aus dem Verhalten erkennbar wird, das der AG der Mehrheit gegenüber setzt, sondern auf andere Weise, etwa weil der AG vorab Einstufungsschemata oder Richtlinien bekanntgibt, nach denen er Leistungen gewähren wird: Dann muss nach der Prinzipienlehre schon der erste Anwendungsfall dem Prinzip gemäß behandelt werden; dass dieser erste Fall nicht auf eine Mehrheit verweisen kann, liegt in der Natur der Sache und schadet ihm – anders als nach der Lehre vom Minderheitenschutz – nicht. Den AG solcherart an seinen Prinzipien festzuhalten, ist wohl keine ungebührliche Beschränkung seiner Privatautonomie. Denn wer ankündigt, sich einem Prinzip entsprechend zu verhalten und dann trotzdem ohne sachlichen Grund davon abweicht, geht ein kalkulierbares Risiko ein. Nicht abschätzbar ist für ihn nur, ob er das Prinzip als solches auf Dauer aufrechterhalten kann; daher muss dem AG zugestanden werden, ein Prinzip aufzugeben oder zu modifizieren – der neue Kurs muss dann freilich wiederum für alle gelten.

Diesem Verständnis des Gleichbehandlungsgrundsatzes hat sich auch die jüngere Judikatur zugewandt, allerdings nicht mit einem scharfen Schnitt, sondern in vielen kleinen Schritten und mit fließenden Übergängen. Nach wie vor finden sich Entscheidungen des OGH, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz – der Linie vom Minderheitenschutz folgend – nur ein Verbot entnehmen, einem einzelnen eine Begünstigung vorzuenthalten, „die in einer im Verhältnis zur Gesamtzahl erheblichen Zahl von Fällen gewährt“ wurde, während die bloße Bevorzugung einer Minderheit unbedenklich sei.* Bisweilen merkt der OGH dann aber nebenher an, dass die in casu kritisierte Besserstellung der Minderheit ohnedies sachlich war.* Manchmal prüft er eine solche Besserstellung sogar ohne Reserve auf ihre sachliche Rechtfertigung, was nahelegt, dass auch die Bevorzugung einer Minderheit gleichheitswidrig sein kann.*

Häufiger ist in der jüngeren Judikatur aber die Aussage anzutreffen, für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei entscheidend, „ob der Behandlung der bessergestellten Arbeitnehmer ein erkennbares und generalisierbares Prinzip zugrundeliegt“.474* Weiche der AG von diesem Prinzip willkürlich zum Nachteil eines AN ab, verletze er den Gleichbehandlungsgrundsatz.* Bisweilen deutet der OGH zwar noch an, die Abweichung vom Prinzip müsse zudem eine Minderheit benachteiligen.* Es kommt aber auch vor, dass er den Gleichbehandlungsgrundsatz schon als verletzt ansieht, wenn der AG bei der Besserstellung einzelner DN Kriterien zugrunde legt, „die auf jenen Dienstnehmer, bei dem die erstrebte Besserstellung unterblieben ist, auch zutreffen. Entscheidend ist, ob der Behandlung der besser gestellten Arbeitnehmergruppe ein erkennbares generalisierendes Prinzip zugrunde liegt*– besteht ein solches Prinzip, scheint die grundlose Abweichung also jedenfalls unzulässig zu sein, mithin auch dann, wenn von diesem Prinzip bisher nur eine Minderheit profitiert hat. Folgerichtig meinte der OGH dann im konkreten Fall auch weiter: „Ein solches generalisierendes Prinzip konnte aber bei der Auszahlung an die festgestellte Minderheit von Arbeitnehmern [nicht] festgestellt werden“ – die Klage scheiterte also erst am fehlenden Prinzip, nicht schon daran, dass der AG „nur“ eine Minderheit bevorzugt hatte. Dazu passend bemerkt der OGH an anderer Stelle, er müsse nicht mehr zu jenen Autoren Stellung nehmen, die eine Orientierung an der relativen Zahl der benachteiligten AN kritisieren, „weil die Rechtsprechung nunmehr die Prüfung in den Vordergrund stellt, ob der Behandlung bessergestellter Arbeitnehmer ein erkennbares generalisierendes Prinzip [...] zu Grunde liegt, von dem der Arbeitgeber im Einzelfall willkürlich oder ohne sachlichen Grund abgewichen ist*– eine Stellungnahme zur Literatur erübrigt sich in der Tat, wenn der OGH den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr auf den Minoritätsschutz beschränkt. In diesem Sinn sagt der OGH in einem weiteren Urteil sogar explizit, dass „Differenzierungen zwischen Arbeitnehmern nicht nur dann verpönt sind, wenn einzelne Arbeitnehmer gegenüber der Mehrheit willkürlich schlechter behandelt werden; das Gleichbehandlungsgebot verlangt vielmehr Gleichbehandlung bei gleicher Sachlage.“ Dementsprechend vergleicht der OGH den Kl in der Folge mit einem einzigen anderen AN, dessen Besserstellung er freilich als sachlich qualifiziert.* Viele Entscheidungen gehen auch gar nicht mehr auf Zahlenverhältnisse ein, sondern umschreiben den Gleichbehandlungsgrundsatz schlicht als Verbot, von einem erkennbaren generalisierbaren Prinzip im Einzelfall willkürlich abzuweichen* bzw von den der Leistungsgewährung zugrunde gelegten Kriterien willkürlich abzugehen* oder noch allgemeiner als Verbot „jede[r] willkürliche[n] Differenzierung“;* vielfach verzichtet der OGH aber auch ganz darauf, den Gleichbehandlungsgrundsatz formelhaft zu umschreiben.* Die Erfolgsrate der Gleichheitsklagen hat sich durch diese neue Linie nicht erhöht, denn bisher hat der OGH oft entweder schon eine Abweichung vom Prinzip verneint* oder diese Abweichung als gerechtfertigt angesehen;* erfolgreiche Berufungen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sind nach wie vor selten.* Rückblickend fügt sich in diese neue Judikatur auch ein Urteil aus dem Jahr 1997, das die Literatur in Ratlosigkeit versetzt hat, weil es ansatzlos aussprach, dass unsachliche Bevorzugun475gen einer Minderheit den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen;* auch das war für den AG im konkreten Fall nicht nachteilig, im Gegenteil: Das Bevorzugungsverbot lieferte den Grund, die Klage eines AN abzuweisen, der eine solche unsachliche Bevorzugung gefordert hatte. Hier zeigt sich abermals, dass die Gleichheit – ganz iS Toquevilles – auch für die „Zentralgewalt“ nützlich sein kann, dann nämlich, wenn sie unbegründete Sonderinteressen abwehren will.*

Auch wenn der OGH weiterhin verschiedene Gleichheitsformeln verwendet, dürfte sich insgesamt doch eine Richtung abzeichnen: Die neuere Judikatur versteht den Gleichbehandlungsgrundsatz als Verbot, von einem erkennbaren und generalisierbaren Prinzip ohne sachlichen Grund zum Nachteil einzelner AN abzuweichen. Der Anspruch dieser AN, dem Prinzip gemäß behandelt zu werden, hängt nicht davon ab, ob es eine Mehrheit gibt, die bereits dem Prinzip entsprechend (besser) behandelt worden ist. Maßgeblich ist allein, ob der Bevorzugung der anderen AN erkennbar ein generalisierendes Prinzip zugrunde liegt: Dieses Prinzip ist dann auf alle anzuwenden, sofern es keinen sachlichen Grund für eine Abweichung gibt.

2.2.3.4
Gleichheit durch Prinzipien

Bei all dem gesteht der OGH dem AG zu, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren* bzw ein einmal aufgestelltes Prinzip aus unternehmerischen Überlegungen zu ändern* und zB Vergünstigungen ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder einzustellen, ähnlich wie der VfGH stets betont, dass es dem Gesetzgeber freisteht, die Rechtslage auch zum Nachteil der Bürger zu ändern:* Dass dadurch gleiche Fälle im zeitlichen Verlauf ungleich behandelt werden, halten beide Höchstgerichte für unbedenklich. Wie der VfGH bei der Gesetzgebung, akzeptiert der OGH ferner, dass der AG bei der Festlegung seiner Prinzipien von Durchschnittsbetrachtungen ausgeht und pauschaliert, um einen unnötigen Aufwand bei der Anwendung des Prinzips zu vermeiden.* Soweit der OGH schließlich betont, dass der AG frei ist, die Kriterien für eine (freiwillige) Besserstellung von AN zu bestimmen* bzw ein generalisierbares Prinzip im Rahmen von Gesetz und KollV aufzustellen,* erinnert das an den Gestaltungsspielraum, den der VfGH dem Gesetzgeber zugesteht,* und zwar besonders für Gesetze, die dem Bürger verfassungsrechtlich nicht gebotene Vorteile zuwenden.*

Die Freiheit, die der OGH dem AG bei der Festlegung von Prinzipien zubilligt, wirft freilich die Frage auf, ob es dem AG auch gestattet wäre, ein in sich unsachliches Prinzip aufzustellen. Im Lichte der neueren Judikatur ist das wohl zu verneinen. Denn wenn der OGH für die Abweichung vom Prinzip eine sachliche Rechtfertigung verlangt, kann es dem AG nicht zugleich erlaubt sein, das Prinzip so zu formulieren, dass es jene AN, die er aus unsachlichen Gründen ausgrenzen will, von vornherein nicht erfasst. Hier kommt zum Tragen, was seit jeher gegen den Versuch eingewendet wird, den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Normvollzug zu erklären:* Der „Normvollzug“ des AG lässt sich oft nicht eindeutig von der „Normsetzung“ unterscheiden, und die Zuordnung zu diesen beiden Kategorien muss in der Sache auch irrelevant sein.* Zu Recht hat daher der OGH ein festgestelltes Prinzip (mag er es auch nicht stets so benannt haben) gelegentlich schon inhaltlich geprüft und seine Sachlichkeit manchmal bejaht,* manchmal auch verneint,* und in476 manchen Fällen ist weder klar noch bedeutsam, ob der OGH die Behandlung des Kl nun als Abweichung oder als Ausnahme vom Prinzip betrachtet und prüft.*

Kontrolliert der OGH nicht nur die Anwendung eines Prinzips, sondern auch die Sachlichkeit des Prinzips selbst, nähert sich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz ein weiteres Stück an. Prozessual bleibt jedoch der bedeutende Unterschied, dass ein Arbeitsgericht Gleichheitswidrigkeiten nur korrigieren kann, indem es die Benachteiligten auf das Niveau der Bevorzugten hebt. Stellen die Benachteiligten die Mehrheit dar, kann das den AG teuer zu stehen kommen. Ein solcher Eingriff in seine Privatautonomie ist aber jedenfalls zu rechtfertigen, wenn er ein offenkundig gleichheitswidriges Prinzip aufstellt, AN also etwa aufgrund verpönter personaler Differenzierungsmerkmale diskriminiert. Jenseits derart manifester Gleichheitsverstöße kann die Judikatur der Privatautonomie des AG Rechnung tragen, indem sie Bevorzugungen einer Minderheit an milderen Maßstäben misst. Strenger zu prüfen wäre umgekehrt die Benachteiligung von Minderheiten, dies nicht nur, weil Ausgleichsansprüche hier für den AG leichter zu verkraften sind, sondern ebenso, weil Minderheiten auch im Betrieb stärker gefährdet sind, unsachlich benachteiligt zu werden.

2.2.3.5
Willkürliche Vergabe freiwilliger Leistungen?

Nun bleibt die Frage, ob der AG den Bindungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausweichen kann, indem er weder ein Prinzip verkündet noch faktisch einem solchen Prinzip folgt: Darf der AG sich also undurchschaubar, unvorhersehbar, sprunghaft verhalten und damit Zuwendungen zur Gnade machen, die – wesensgemäß – nicht eingeklagt werden kann, weil auf Gnade gerade kein Recht besteht?

Die Literatur scheint das überwiegend zu bejahen,* und auch der OGH hat schon ausgesprochen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz unanwendbar sei, wenn kein Prinzip erkennbar ist.* Dass sich „Prinzipienlosigkeit, pure Willkür [...] bezahlt [macht]“, wurde in der Literatur zwar als ein „arger Schönheitsfehler“ der Lehre vom generalisierenden Prinzip angesehen.* Die Lehre vom Minderheitenschutz ist gegen solche Konsequenzen allerdings auch nicht gefeit: Denn wenn ein AG so sprunghaft vorgeht, dass sich keine eindeutige Mehrheitsbehandlung einstellt, ist auch nach dieser Lehre kein Raum für einen Gleichbehandlungsanspruch. *Bei freiwilligen Leistungen kann dies mE auch nicht anders sein, zunächst schon aus prozessualen Gründen: Wenn der AG hier wirklich ein Prinzip festlegen (bzw zumindest die Mehrheit gleichförmig behandeln) müsste, wie sollte denn das Gericht das Fehlen eines solchen Prinzips korrigieren? Kriterien, nach denen über die begehrte Leistung abzusprechen ist, sind in einem solchen Fall ja gerade nicht ersichtlich. So blieben dem Gericht nur zwei Möglichkeiten: Entweder es oktroyiert dem AG ein beliebiges Verteilungsprinzip und spricht nach diesem über die begehrte Leistung ab oder es spricht dem Kl nach Art einer Meistbegünstigung stets die höchste Leistung zu, die der AG innerhalb der Belegschaft je gewährt hat. Beide Optionen beschneiden die Privatautonomie des AG unverhältnismäßig schwer und wären nebenbei auch kontraproduktiv: Denn ein AG, der bei „systemloser“ Freigiebigkeit mit solchen Konsequenzen rechnen müsste, würde vermutlich freiwillig überhaupt keine Leistungen mehr gewähren. Hinzu kommt, dass freiwillige Zuwendungen für sich genommen ja keineswegs an ein Arbeitsverhältnis gebunden sind; daher kann der AG grundsätzlich jederzeit aus seiner Rolle heraustreten und einen Mitarbeiter als Privatperson in einer Notlage unterstützen oder ihm auch grundlos etwas schenken, ohne dass man ihm das ernsthaft anlasten könnte. Gerade weil jeder AG auch Privatperson ist und die Grenze zwischen diesen beiden Rollen fließend sein kann, wird man akzeptieren müssen, dass er freiwillige Leistungen auch ohne erkennbares Prinzip mithin willkürlich vergeben darf.

2.2.3.6
Flankenschutz für Freiheitsrechte

Anders liegen die Dinge mE, wenn der AG durch sein Direktionsrecht in die Freiheit seiner AN eingreift bzw regelmäßig auftretende Lasten auf die Belegschaft verteilt, indem er zB Nebenbeschäftigungen verbietet, Dienstzeiten, Überstunden und Wochenenddienste anordnet, besonders schwere oder unangenehme Arbeiten zuteilt etc. All das kann der AG nur als AG tun.477 Handelt er dabei ohne erkennbares Prinzip, also nach Lust und Laune, hat das Gericht – anders als bei der willkürlichen Gewährung freiwilliger Leistungen – auch eine Korrekturmöglichkeit, die den AG nicht überfordert:* Es kann die Weigerung des AN, die Weisung zu befolgen, als rechtmäßig akzeptieren und aussprechen, dass der AN die ihm auferlegte Last nicht tragen muss, bis der AG diese Last nach sachlichen Kriterien auf die Belegschaft verteilt. Das ist dem AG zum einen zumutbar, zum anderen kann, wie bereits F. Bydlinski betont, nicht angenommen werden, dass AN, die dem AG bei der Begründung ihres Dienstverhältnisses ein Weisungsrecht einräumen, sich dabei „restlos der willkürlichen Entscheidung des Arbeitgebers unterworfen haben“:* Sie werden vielmehr erwarten, dass der AG die ihm übertragene Macht gleichmäßig ausübt.* Indem der Gleichbehandlungsgrundsatz diese Erwartung einklagbar macht, leistet er – ähnlich wie der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz – der Freiheit der Normunterworfenen flankierenden Schutz.

Alles in allem nähert sich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz damit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz in wesentlichen Eckpunkten an: Er verlangt vom AG bei der Ausübung seines Direktionsrechtes ein prinzipiengeleitetes Verhalten und bei der Gewährung freiwilliger Leistungen immerhin, dass ein einmal aufgestelltes Prinzip eingehalten und auch nicht unsachlich gefasst wird, was bei Diskriminierungen aufgrund verpönter Merkmale zu vermuten und bei Benachteiligungen von Minderheiten streng zu prüfen ist.

2.2.4
Schutzbereich

Im Lichte dieses Gleichheitsverständnisses ließe sich noch über eine Erweiterung des Schutzbereiches nachdenken. Die neuere Judikatur wendet den Gleichbehandlungsgrundsatz auch auf Beförderungen an, sofern der AG sie nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip vornimmt.* Eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen wird in Judikatur und Lehre aber nach wie vor überwiegend abgelehnt.* Ein durchschlagender Grund dafür ist mE nicht zu sehen, doch gibt es verschiedene Faktoren, die die Wirkmacht des Gleichbehandlungsgrundsatzes in diesen Bereichen deutlich herabsetzen:

Bei der Auswahl eines AN muss dem AG schon deshalb ein weiter Spielraum zugestanden werden, weil er mit der Einstellung eine folgenreiche Entscheidung für sein Unternehmen trifft und durch das Arbeitsverhältnis auch intensive Bindungen eingeht.* Sogar dem Art 3 StGG, der Staatsbürgern ausdrücklich gleiche Zugänglichkeit zu den öffentlichen Ämtern garantiert, entnimmt der VfGH nur ein Recht des Bürgers, sich um eine Stelle zu bewerben.* Soweit gesetzlich Besetzungsvorschläge vorgesehen sind, verlangt der VfGH zwar unter dem Titel des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 7 B-VG eine sorgfältige Begründung der Besetzungsentscheidung; müssen solche Besetzungsvorschläge aber nicht erstellt werden, sind Aufnahmeentscheidungen nicht bekämpfbar.* Man kann diese Judikatur zwar mit gutem Grund für zu mild halten;* solange sie besteht, können aber auch Einstellungsentscheidungen privater AG nur äußerste Grenzen gezogen werden. Sie sind wohl jedenfalls überschritten, wenn der AG dem personalen Schutzzweck des Gleichbehandlungsgrundsatzes zuwiderhandelt, Bewerber also nur aufgrund eines verpönten personalen Merkmales abweist.*

Anderes gilt für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Sie ist wegen ihrer gravierenden Auswirkungen für den AN gesetzlich bereits stark reguliert, und zwar in einer Weise, die unsachliche Benachteiligungen weitgehend ausschließt:* So sind diskriminierende Kündigungen nach § 879 ABGB nichtig.* § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG erklärt Kündigungen für anfechtbar, wenn sie wegen der Inanspruchnahme betriebsverfassungsrechtlicher Rechte erfolgt sind.* Nach § 105 Abs 3 Z 2 und Abs 3c ArbVG kann der AG verpflichtet werden, die Last einer betriebsbedingten Kündigung nach sozialen Kriterien auf die Belegschaft zu vertei478len, und zwar so, dass nur derjenige gekündigt werden darf, den der Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten schwer trifft.* Dazu kommen spezielle Kündigungsverbote zugunsten besonders schutzbedürftiger AN, Frauen im Mutterschutz etwa, Männer in Vaterkarenz oder Menschen mit Behinderung.* Jenseits dieser vielfältigen Bindungen bleiben dem AG zwar noch Entscheidungsspielräume, aber kaum Gelegenheiten für unsachliche Entscheidungen,* zumal die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oft mit den individuellen Gegebenheiten des konkreten Falles begründbar sein wird, sodass ein Vergleich mit anderen AN von vornherein nicht ergiebig ist.* Der AG muss sich aber auch keine Gleichheitsverletzung vorhalten lassen, wenn er bei gleicher Ausgangslage einem AN eine Verfehlung verzeiht, für die er einen anderen entlässt. Denn das hätte zur Konsequenz, dass der AG das ihm gesetzlich eingeräumte Entlassungsrecht verliert, sobald er es einmal nicht ausübt – ein unvertretbares Ergebnis. Hier ist also durchaus Raum für Gnade; freilich kann es dem AG, der in einem Fall auf eine Entlassung verzichtet hat, schwerer fallen zu beweisen, dass ihm in einem gleich gelagerten Fall die weitere Beschäftigung des Entlassenen unzumutbar war.*

2.3
Unionsrechtliche Diskriminierungsverbote
2.3.1
Entwicklung

Über den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, der nur den Staat und die Parteien des KollV und der BV bindet, und den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der nur für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse gilt, legen sich die unionsrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinien, die einfachgesetzlich umgesetzt wurden* und die Staat, Kollektivvertrags-, Betriebsvereinbarungsparteien und private AG gleichermaßen adressieren.

Die Entstehung dieser Diskriminierungsverbote ist ein schönes Anschauungsbeispiel für die eingangs geschilderte Tendenz von Gleichheitsforderungen, sich Schritt für Schritt auszuweiten: Am Beginn dieser Entwicklung* stand Art 119 EWGV, der Männern und Frauen gleiches Entgelt für gleiche Arbeit zusicherte, und zwar weniger aus Gerechtigkeitserwägungen, sondern um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten der EG zu vermeiden. In der Folge wurde dieses primärrechtliche Verbot durch mehrere Richtlinien zu einem umfassenden Verbot geschlechtsspezifischer Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf ausgebaut, das seinerseits im Vertrag von Amsterdam primärrechtlich in Art 141 EGV verstärkt wurde. Zugleich ermächtigte Art 13 EGV (Art 19 AEUV) den Rat (seit Art 19 AEUV gemeinsam mit dem Parlament), Diskriminierungen nicht nur aufgrund des Geschlechts, sondern auch aufgrund anderer Merkmale zu bekämpfen. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung erließ der Rat im Juni 2000 die sogenannte Antirassismus-RL,* die rassische Diskriminierungen nun nicht nur in Beschäftigung und Beruf untersagte, sondern auch in anderen Bereichen, darunter beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Dem folgte wenige Monate später die sogenannte Rahmen-RL,* die Diskriminierungen aufgrund der anderen in Art 13 EGV (Art 19 AUEV) genannten Merkmale untersagt, sich aber auf Beschäftigung und Beruf beschränkt. 2004 erweiterte der Rat das Verbot geschlechtsspezifischer Diskriminierungen über Beschäftigung und Beruf hinaus auf jene Bereiche, die auch die Antirassismus-RL erfasst, um dann 2006 mehrere geschlechtsbezogene Richtlinien in der sogenannten Gleichbehandlungs-RL zusammenzufassen. * Wenig überraschend wurde kurz darauf vorgeschlagen, den Diskriminierungsschutz auch für479 die übrigen Merkmale über Beschäftigung und Beruf hinaus auf sonstige Bereiche zu erweitern, um für alle Merkmale ein gleiches Schutzniveau zu schaffen („Levelling up“);* umgesetzt wurde dieser Vorschlag bis jetzt allerdings nicht.* Dafür wurde durch eine weitere RL auch der Diskriminierungsschutz für selbstständig Erwerbstätige ausgedehnt.*

Dem Grunde nach sind die Diskriminierungsverbote der genannten Richtlinien und ihrer Umsetzungsgesetze zwar nicht neu; im Detail sind sie aber doch anders ausgestaltet als der genuin nationalrechtliche Diskriminierungsschutz, teils reichen sie weiter, teils sind sie wiederum enger.

2.3.2
Personaler Schutzzweck

Anders als der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz und der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebieten die Antidiskriminierungs-Richtlinien und ihre Umsetzungsgesetze nicht generell die Gleichbehandlung von Gleichem. Anders als viele nationale und völkerrechtliche Diskriminierungsverbote* untersagen sie nicht einmal jede Benachteiligung aufgrund indisponibler persönlicher Merkmale, sondern bloß eine Benachteiligung aufgrund von sieben taxativ aufgezählten Merkmalen. Nur fünf dieser Merkmale sind wiederum für Diskriminierungsverbote typisch: Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung und sexuelle Orientierung – sie sind nicht oder nicht zumutbar veränderbar und geben oft Anlass für vorurteilsbeladene Eigenschaftszuschreibungen. Auf die zwei anderen Merkmale trifft das nur eingeschränkt zu: Alter und Behinderung sind zwar auch indisponibel, begründen zwischen Menschen aber reale und im Arbeitsleben relevante Unterschiede, die nicht nur auf Vorurteilen beruhen.

Dennoch erklären die unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote alle Benachteiligungen aufgrund dieser sieben Merkmale zunächst für suspekt, legen aber Voraussetzungen fest, unter denen solche Benachteiligungen ausnahmsweise erlaubt und dann folgerichtig nicht als Diskriminierung anzusehen sind.* Der Vergleichsradius, aus dem sich eine Benachteiligung ergeben kann, ist denkbar weit: Er betrifft das ganze Unternehmen, nicht nur den konkreten Betrieb.* Benachteiligt ist dabei nicht nur, wer schlechter behandelt wird als die Mehrheit der AN, ja es ist nicht einmal erforderlich, dass man eine einzige konkrete Person benennen kann, die besser behandelt wurde.* Vielmehr genügt, dass einem AN aufgrund eines verpönten Merkmals ein Recht vorenthalten oder ein Nachteil auferlegt wird. Das kann zB tragend werden, wenn ein AG ausschließlich Angehörige einer bestimmten Ethnie beschäftigt: Werden sie nur aufgrund ihrer Ethnie schlecht entlohnt, wird sich keine besser bezahlte Vergleichsperson finden lassen; dennoch werden diese AN iSd Richtlinien benachteiligt.

Unter welchen Voraussetzungen eine solche Benachteiligung gerechtfertigt werden kann, umschreiben die Richtlinien relativ genau und für jedes der sieben Merkmale unterschiedlich. Teils dienen diese Rechtfertigungsgründe den Interessen der AN, das gilt insb für positive Maßnahmen, die Benachteiligungen aufgrund der Ethnie, des Geschlechts oder der Behinderung ausgleichen sollen.* Teils schützen die Rechtfertigungsgründe die Interessen des AG, der zB nach einem verpönten Merkmal differenzieren darf, das eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung ist, sofern er dabei einen rechtmäßigen Zweck verfolgt und angemessene Anforderungen stellt.* Eine dritte Gruppe von Rechtfertigungsgründen dient überindividuellen, insb öffentlichen Interessen, etwa solchen des Arbeitsmarktes oder der öffentlichen Sicher480heit.* Dabei darf aufgrund von Ethnie, Geschlecht und sexueller Orientierung höchst selten, aufgrund von Religion und Weltanschauung gelegentlich und nach dem Alter recht häufig differenziert werden. Nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten sind dem AG Differenzierungen aufgrund der Behinderung; allerdings nur, um die Nachteile auszugleichen, die Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben haben:* Hier genügt nicht, dass der AG seine Vorurteile ablegt; er muss vielmehr verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen, um bestimmten Menschen den Zugang zu einer Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erst zu ermöglichen.

2.3.3
Schutzbereich

Dem personalen Schutzzweck entsprechend ist der persönliche Schutzbereich der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote weit gezogen: Sie schützen nicht nur AN, sondern unselbstständig Erwerbstätige schlechthin, mithin auch arbeitnehmerähnliche Personen und selbst Bewerber, also Personen, mit denen noch gar kein Arbeitsverhältnis besteht.*

Weit ist folgerichtig auch der sachliche Schutzbereich: Das Unionsrecht verbietet Diskriminierungen nicht nur bei Entgelt, sonstigen Leistungen und Arbeitsbedingungen, sondern auch bei der Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen und bei Beförderungen.*

2.3.4
Rechtsfolgen einer Verletzung

Diskriminierungsopfer können nach den Umsetzungsgesetzen in den meisten Fällen die Beseitigung der Diskriminierung verlangen, die für die Vergangenheit regelmäßig in einer Korrektur nach oben besteht.* Für die Zukunft kann es dem AG zwar freistehen, ein gänzlich neues Bezugssystem vorzusehen; oft scheitert das aber daran, dass die Rechtsposition der Begünstigten aus Gründen des Vertrauensschutzes oder aufgrund ihres Vertrages nicht mehr verschlechtert werden darf.* Die Korrektur der Diskriminierung kann für den AG daher durchaus kostspielig werden, und zwar umso mehr, je mehr Personen er in einem Bereich benachteiligt hat.* Das Unrecht des AG wird also nicht durch besonders weite Ausdehnung plötzlich zum Recht.

Wer das Arbeitsverhältnis nicht mehr aufrechterhalten will, kann alternativ auch nur den Ersatz des Vermögens- und ideellen Schadens geltend machen.* Von vornherein auf Schadenersatzansprüche beschränkt sind Personen, die beim Berufszugang oder beim Aufstieg innerhalb eines Arbeitsverhältnisses benachteiligt wurden: Sie können weder eine Einstellung noch eine bessere Position erzwingen, sondern sich nur schadlos halten.*

3
Wechselwirkungen

Eine Zwischenbilanz: Verfassungsrechtlicher Gleichheitssatz und arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz bewegen sich inhaltlich aufeinander zu. Konfrontiert mit den unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten könnten die beiden nationalen Gleichheitssätze nun in ihrem Kernbereich, dem Diskriminierungsschutz, mehr „Biss“ bekommen, und zwar gerade weil der unionsrechtliche Diskriminierungsschutz defizitär ist.

3.1
Die offene Flanke unionsrechtlicher Diskriminierungsverbote

Die offene Flanke der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote ist ja kaum zu übersehen: Anders als viele nationale und völkerrechtliche Diskriminierungsverbote* und auch anders als das Diskriminierungsverbot der Grundrechte-Charta (Art 21) nennen die Antidiskriminierungs-Richtlinien verpönte Differenzierungsmerkmale nicht demonstrativ, sondern taxativ. Es gibt aber eine Reihe weiterer Merkmale, nach denen zu differenzieren ähnlich bedenklich ist und die in Diskriminierungsverboten jenseits der Richtlinien auch regelmäßig genannt sind: soziale Herkunft, Zugehö481rigkeit zu einer nationalen Minderheit oder genetische Merkmale etwa.

Die nationalen Gleichheitssätze sind offen, dieses Defizit aufzufangen, der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz ohnedies, und der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zumindest dann, wenn man die Ansicht vertritt, dass er auf das ganze Arbeitsleben anwendbar ist, wenngleich bei der Einstellung reduziert auf den Diskriminierungsschutz* – nur um diesen geht es aber hier. Werden nun solche Diskriminierungen an den nationalen Gleichheitssätzen gemessen, drängt sich die Frage auf, was man dabei von den unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten übernehmen kann und soll.

3.2
Schutzbereich

Zunächst wurde bereits dafür plädiert, den Schutz des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes – dem unionsrechtlichen Vorbild folgend – auch auf arbeitnehmerähnliche Personen zu erweitern.* Nachdem der AN-Begriff an den Rändern unscharf ist und die wirtschaftliche Abhängigkeit arbeitnehmerähnlicher Personen beträchtlich sein kann, spricht in der Tat viel dafür, auch sie zu schützen, zumal der „klassische“ AN, der unter der Fürsorge des AG steht, als Phänomen ja eher ab- als zunimmt.* In diese Richtung geht auch der OGH, der den Gleichbehandlungsgrundsatz schon einmal auf einen freien DN angewendet hat, weil dieser organisatorisch so intensiv in die Strukturen des AG eingebunden war, dass er einem abhängig beschäftigten AN weitestgehend gleichzuhalten war.*

3.3
Konkreter oder hypothetischer Vergleich?

Fragen lässt sich zweitens, ob auch beim arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz eine hypothetische Vergleichsperson genügen oder ob man darauf bestehen soll, dass der Kl eine konkrete Person benennt, die besser behandelt wurde als er. Versteht man den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Gebot, ein erkennbares und generalisierendes Prinzip nicht grundlos zu verlassen, müsste für eine Verletzung eigentlich ausreichen, dass das Prinzip aus diskriminierenden Gründen einmal nicht angewendet wird oder dass das Prinzip selbst diskriminierend ist, egal ob es auch andere Fälle gibt, auf die das Prinzip bereits angewendet wurde. Insoweit nähert sich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wohl ohnedies den unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten an.

3.4
Vergleichsbasis

Drittens ließe sich fragen, ob der Vergleich besser auf Betriebsebene verbleiben soll oder – dem Unionsrecht folgend – auch mehrere Betriebe eines Unternehmers erfassen kann. Letzteres liegt schon deshalb nahe, weil der AN ja in einem Unternehmen beschäftigt ist und der Betriebsbegriff keine individualrechtliche, sondern kollektivrechtliche Bedeutung hat. Die gleichwohl bestehende Tendenz der Lehre, beim arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Betriebe nicht miteinander zu vergleichen,* erinnert an die Judikatur des VfGH, der einen Vergleich zwischen verschiedenen Ordnungssystemen ausschließt.* Gegen diese Judikatur lassen sich aber Einwände erheben,* die zum Teil auch für das Arbeitsrecht gelten. Der erste Einwand lautet, dass es kein objektives Kriterium gibt, um ein Ordnungssystem zu bestimmen; deshalb entscheidet die – oft eher aleatorische – Festlegung des Ordnungssystems, ob überhaupt eine Gleichheitsprüfung stattfindet. Das gilt noch mehr im Arbeitsleben, weil der Betriebsbegriff als räumliche und organisatorische Einheit im herkömmlichen Sinn zunehmend erodiert.* Der zweite Einwand lautet, dass ein – wie immer bestimmtes – Ordnungssystem einzig zu dem Zweck errichtet werden kann, um einer Gleichheitskontrolle zu entgehen. Das ist auch im Arbeitsleben denkbar, etwa wenn ein Unternehmen besonders schlecht behandelte AN gezielt in einen Betrieb verlagert. All das spricht dafür, betriebsübergreifende Vergleiche zuzulassen; freilich wird sich dann – wie bei den gesetzlichen Ordnungssystemen – in der Praxis häufig zeigen, dass die Betriebe ohnedies ausreichende Unterschiede aufweisen, um Ungleichbehandlungen sachlich zu begründen.*

3.5
Rechtsfolgen einer Verletzung

Auch wenn sich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im persönlichen Schutzbereich482 öffnet und die Vergleichsbasis verbreitert wird, kann er allerdings nicht exakt denselben Rechtsschutz gewähren wie die Umsetzungsgesetze zu den unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten: Das gilt etwa für diskriminierende Kündigungen, die nach dem GlBG binnen kurzer Fristen angefochten werden müssen, allerdings mit günstiger Beweislast für den Kl.* Demgegenüber erklärt § 879 ABGB diskriminierende Kündigungen für nichtig, was eine Anfechtung erübrigt; dafür liegt im Streitfall die Beweislast beim Kl. Gewiss kann man auch die Sachlichkeit dieser prozessualen Ungleichbehandlung in Zweifel ziehen.* Doch sollte dem Gesetzgeber zugutegehalten werden, dass er hier nicht nach einem verpönten Differenzierungsmerkmal unterscheidet; er sieht ja nicht für Männer und Frauen oder (zB) für AN je nach deren sozialer Herkunft divergierende Rechtsschutzwege vor, sondern hat nur für geschlechtsspezifische Diskriminierungen einerseits und Diskriminierungen aufgrund der sozialen Herkunft andererseits zwei verschiedene Rechtsschutzwege gewählt, die zudem beide ihre Vor- und Nachteile haben und in Summe wohl gleichwertig sind.* Nichts spricht dagegen, das zu vereinheitlichen; verfassungsrechtlich gezwungen ist der Gesetzgeber dazu aber mE nicht. Davon abgesehen könnte der VfGH dieses Problem wohl auch gar nicht lösen: Denn die Anfechtungsvorschriften des GlBG kann er schon aus unionsrechtlichen Gründen nicht aufheben und eine Aufhebung des § 879 ABGB – schon für sich eine abwegige Idee – würde die beanstandete Ungleichbehandlung nur vertiefen, weil diskriminierende Kündigungen, die nicht dem GlGB unterfallen, dann gar nicht mehr bekämpft werden könnten.

3.6
Wer schützt die Dummen und die Hässlichen?

An einem gewissen Punkt kommt also auch die Gleichheitswut an ihre Grenzen. Dass wir beim Diskriminierungsschutz schon ziemlich an den Rändern angelangt sind, zeigt auch die provokante Frage Spielbüchlers: Wer schützt eigentlich die Dummen und die Hässlichen? Gleichheitsforderungen dehnen sich aus, sie spüren immer weitere Ungleichheiten auf, erzeugen durch deren Beseitigung aber ihrerseits stets neue Differenzierungen, die abzustellen das Recht auch überfordern kann. Wollte der Staat nun etwa die Dummen und die Hässlichen in den Diskriminierungsschutz einbeziehen, käme er nicht umhin auszusprechen, dass jemand dumm und hässlich ist. Er müsste also zuerst selbst eine Diskriminierung produzieren, um sie dann zu beheben – ein absurdes Ergebnis. Es wäre Grund genug, einmal innezuhalten und zu fragen, ob die gewaltige Inszenierung der Antidiskriminierung, die sich immer tiefer in sich selbst zu verstricken droht, uns nicht viel zu sehr von den Unterschieden ablenkt, die zwischen armen und reichen Menschen bestehen und die sich in der heutigen Arbeitswelt zusehends verschärfen: War es nicht dereinst das wichtigste Anliegen des Arbeits- und Sozialrechts, gerade diese Unterschiede zu lindern? Vielleicht wollte Spielbüchler mit seiner Frage auch daran erinnern.483