Die Auswahl der Krankenanstalt

MIRIAMMITSCHKA (WIEN)FELIXSCHÖRGHOFER (WIEN)
Das Krankenanstaltenrecht sieht verschiedene Kategorien und damit Standards für Krankenanstalten vor. Sowohl unter PatientInnen wie in den Medien wird nicht selten gefragt, ob alle Spitäler dieselbe Qualität in Diagnose und Behandlung aufweisen, und zwar nicht nur in Bezug auf Krankenanstalten verschiedener Kategorien, sondern auch auf Krankenanstalten derselben Kategorie.* Bislang gibt es allerdings keine einsehbaren Vergleichsdaten zur Qualität österreichischer Krankenanstalten; diese sollen erst 2014 verfügbar sein.* Der vorliegende Beitrag untersucht, in welcher Krankenanstalt (KA) der sozialversicherungsrechtliche Anspruch auf Anstaltspflege zu erbringen ist. Diese Frage hat bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren.
  1. Einleitung

  2. Auswahl durch den Versicherungsträger: Einweisung in die nächstgelegene geeignete KA?

    1. Regelung in den autonomen Rechtsquellen?

      1. Krankenordnungen

      2. Satzung

    2. Auslegung der §§ 144 f ASVG

  3. Auswahl durch den Versicherungsträger: „Eignung“ der KA

    1. Vorschriften des KAKuG

    2. § 133 Abs 2 ASVG

  4. Auswahl durch den Versicherungsträger: „Nächstgelegenheit“ der KA

    1. Anknüpfungspunkt für die „Nächstgelegenheit“

    2. Einschränkung auf den Sprengel des Versicherungsträgers?

  5. Auswahl durch den Versicherten?

    1. Voraussetzungen der „Wahl“

    2. Bindungswirkung der Wünsche der Versicherten

  6. Zusammenfassung

1
Einleitung

Unstrittig ist, dass der Anspruch auf Anstaltspflege nach dem ASVG zu jenem auf Krankenbehandlung subsidiär ist:* Anspruch auf stationäre Pflege besteht erst, „wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht mehr ausreicht, um eine Krankheit durch ärztliche Untersuchung festzustellen und sodann durch Behandlung zu bessern oder zu heilen.484* Diese Subsidiarität entscheidet aber nur, wann ein Anspruch auf Anstaltspflege besteht, noch nicht, in welcher KA behandelt werden soll. Intensiv diskutiert wurde hingegen wiederum die (grundsätzlich verneinte) Frage, ob auch die PatientInnen einer öffentlichen KA das Recht haben, einen bestimmten Arzt zu wählen.* Somit fehlt eine Untersuchung der Frage, die zwischen dem grundsätzlichen Anspruch auf Anstaltspflege und der Auswahl des Arztes in der KA liegt: Die Auswahl der KA, in der behandelt werden soll.

Die Anstaltspflege betrifft im B-VG mehrere Kompetenztatbestände, angesprochen sind Gesundheitswesen (Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG), Heil- und Pflegeanstalten (Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG) und Sozialversicherungswesen (Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG).* Das „Krankenanstaltenwesen“ ist somit eine Querschnittsmaterie.* Diese Kompetenzaufteilung hat dazu geführt, dass der Inhalt des Anspruchs auf Anstaltspflege nicht so klar geregelt ist wie jener auf Krankenbehandlung.* Die Frage nach der Auswahl der KA bezieht sich jedoch ausschließlich auf den Anspruch der Sozialversicherten gegenüber der SV auf Zurverfügungstellung und Kostentragung von Krankenanstaltenleistungen. In welchem Umfang die Kosten der Anstaltspflege von der SV gedeckt werden, ist grundsätzlich allein Frage des Sozialversicherungswesens (Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG) und wird daher ausschließlich vom Bundesgesetzgeber geregelt.* Die Frage nach der Auswahl der KA ist daher auch primär eine des Sozialversicherungswesens; das Krankenanstaltenrecht regelt allerdings die Rahmenbedingungen dazu.

Zu untersuchen ist daher das ASVG. Das ASVG regelt den Anspruch auf Behandlung in verschiedenen Arten von Krankenanstalten, nämlich in landesgesundheitsfondsfinanzierten Krankenanstalten (§§ 144 f ASVG), Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF-KA) (§ 149 ASVG) und „Wahl-Krankenanstalten“ (§ 150 ASVG). Die vorliegende Analyse beschränkt sich auf die Anstaltspflege in landesgesundheitsfondsfinanzierten Krankenanstalten.

Im Folgenden wird zuerst dargestellt, nach welchen Kriterien der Versicherungsträger die KA für die Versicherten auswählen muss, wobei die Einweisung in der Praxis allerdings meist – nicht nur in dringenden Fällen – ohne Befassung des Versicherungsträgers durch den Arzt erfolgt.* Dementsprechend enthält die Muster-Krankenordnung eine unverbindliche Bestimmung, wonach die Versicherungsträger gegenüber den Krankenanstalten auf ein vorgelagertes Verfahren verzichten können.* Diese Bestimmung wurde in den einzelnen Krankenordnungen der Versicherungsträger umgesetzt.* Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Regelung dem Wortlaut des § 145 ASVG widerspricht.* Fraglich ist auch, ob sie vom Inhalt der Ermächtigungsnorm für Krankenordnung in § 456 ASVG gedeckt ist. Der Anspruch der Versicherten kann dadurch jedenfalls nicht eingeschränkt werden. Der einweisende Arzt muss dieselben Kriterien berücksichtigen wie der Versicherungsträger. Für Letztere mag das eine Motivation sein, die Einweisungspraxis durch ÄrztInnen genauer zu kontrollieren.

Bei der Analyse der §§ 144 f ASVG zeigt sich, dass auch auf eine Mitwirkung der Versicherten bei der Auswahl hingewiesen wird (§ 145 Abs 1 ASVG).* Neben der Einweisung durch den Versicherungsträger wird deshalb auch das Recht des Versicherten, eine KA auszusuchen, kurz untersucht. Soweit das bei diesem Thema möglich ist, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf das Verhältnis von Versichertem und Sozialversicherungsträger und nicht auf die übrigen Beziehungen zwischen Versichertem, Sozialversicherungsträger, Krankenanstalten und Ländern.*

2
Auswahl durch den Versicherungsträger: Einweisung in die nächstgelegene geeignete KA?

Auf der Homepage des Hauptverbands (HV) findet sich die Information, Versicherte hätten „Anspruch auf Aufnahme in die allgemeine Gebührenklasse des nächstgelegenen geeigneten öffentlichen Krankenhauses“ (Hervorhebung im Original).* Auch in der Lehre wird darauf hingewiesen, der Versicherte sei „grundsätzlich in die nächstgelegene landesgesundheitsfondsfinanzierte Krankenanstalt einzuweisen, die über alle für die notwendige Behandlung erforderlichen Einrichtungen verfügt.485* Im Folgenden wird dies überprüft, untersucht wird also die Auswahl zwischen mehreren landesgesundheitsfondsfinanzierten Krankenanstalten. Das Abstellen auf die „nächstgelegene geeignete“ KA findet sich nicht ausdrücklich in den §§ 144 f ASVG. Bevor dieses Schweigen des Gesetzgebers genauer untersucht wird (unten 2.2.), ist die Suche nach dem Maßstab der Auswahl einer Krankenanstalt in den autonomen Rechtsquellen der Sozialversicherungsträger und des HV fortzusetzen (sogleich 2.1.).

2.1
Regelung in den autonomen Rechtsquellen?
2.1.1
Krankenordnungen

Der Muster-Krankenordnung entsprechend, begrenzen die Krankenordnung der Gebietskrankenkassen* die Wahl der Krankenanstalten zur Sachleistungsinanspruchnahme grundsätzlich auf „alle Krankenanstalten, mit denen die Kasse einen Vertrag abgeschlossen hat“.* Der Mehraufwand bei Wahl einer „weiter entfernten geeigneten Krankenanstalt“ – und nicht „nächstgelegenen“ – ist allerdings durch die Versicherten selbst zu tragen.* Eine Besonderheit stellt die Krankenordnung der WGKK dar, die bestimmt, dass alle öffentlichen Krankenanstalten in Wien als „nächstgelegen“ gelten.* Die Krankenordnungen scheinen daher von dem bereits erwähnten Anspruch auf Einweisung in die „nächstgelegenen geeigneten“ Krankenanstalten auszugehen. Die Krankenordnungen können aber nicht Grundlage dieser Konkretisierung des Anspruchs auf Anstaltspflege sein. Krankenordnungen sind Verordnungen,* die ausdrückliche Verordnungsermächtigung dazu findet sich in § 456 ASVG. Deren Inhalt bezieht sich aber bloß auf die in § 456 Abs 1 ASVG* genannten oder diesen ähnlichen Angelegenheiten.* Die genauere Regelung des Anspruchs auf Anstaltspflege durch Konkretisierung auf die „nächstgelegene geeignete Krankenanstalt“ fällt nicht in diese Verordnungsermächtigung.* Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Konkretisierung der Auswahl einer KA durch Krankenordnung keine gesetzliche Deckung in § 456 ASVG findet. Bei gesetzeskonformer Auslegung bestimmt daher die Krankenordnung nicht, dass in die nächstgelegene geeignete KA eingewiesen werde muss, sie scheint aber von dieser Regelung auszugehen.

2.1.2
Satzung

Die Satzung hat gem § 453 Abs 1 Z 1 ASVG insb Bestimmungen (ua) über Rechte und Pflichten der Versicherten zu enthalten. Bei der Auswahl der KA handelt es sich um eine Bestimmung zur Reichweite des „Rechts“ der Versicherten auf Anstaltspflege. Die Satzung könnte zu dieser Frage somit Bestimmungen enthalten. § 453 Abs 1 ASVG verlangt aber zusätzlich, dass eine Regelung der Satzung gesetzlich vorgesehen ist.* Neben der Bindung an die Muster-Satzung des HV* ist daher für die Satzung auch eine konkrete Ermächtigungsnorm notwendig. § 144 Abs 5 ASVG erlaubt der Satzung (nur) die Regelung der Übernahme der Kosten des PatientInnentransports in Krankenanstalten. In der Muster-Satzung stößt man dazu auf die schon aus den Krankenordnungen bekannte Formulierung: Die Transportkosten sind nur für Beförderungen im Inland in die „nächstgelegene geeignete Krankenanstalt“* vom Krankenversicherungsträger zu übernehmen. Eine Einschränkung des Anspruchs des Versicherten auf Anstaltspflege (auf die nächstgelegene KA) darf daraus aber nicht abgeleitet werden. Dafür würde der Satzung die gesetzliche Ermächtigung fehlen. Auch die Satzung hilft daher nicht bei der Beantwortung der Frage, in welcher Krankenanstalt die Anstaltspflege geleistet werden muss.486

2.2
Auslegung der §§ 144 f ASVG

Ohne zulässige Konkretisierung des Anspruchs auf Anstaltspflege in den Krankenordnungen und Satzungen muss eine Lösung durch Auslegung des ASVG erreicht werden. Im Rahmen der systematischen Interpretation ist dabei eine Berücksichtigung des Kranken- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG) naheliegend. Es besteht unzweifelhaft ein Zusammenhang zwischen dem sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Anstaltspflege und dem Sicherstellungsauftrag der Länder (§ 18 KAKuG). Die meisten Fälle von Anstaltspflege iSd KAKuG werden im Rahmen des österreichischen Sozialversicherungssystems erfolgen. Allerdings kennt auch das KAKuG keine konkrete Regelung zur Auswahl einer KA durch den Sozialversicherungsträger.*

Der omnipräsente Hinweis auf die nächstgelegene, geeignete KA lässt sich allerdings einer früheren Fassung des ASVG entnehmen. § 150 ASVG regelt den Anspruch auf Pflegekostenzuschuss. Dieser steht dem Versicherten zu, wenn er in einer KA gepflegt wird, die weder fondsfinanziert ist noch mit dem Krankenversicherungsträger in einem Vertragsverhältnis steht.* Das Ausmaß des Zuschusses wird in § 150 Abs 2 ASVG geregelt. In der geltenden Fassung wird dazu auf die Kosten verwiesen, die fondsfinanzierte Krankenanstalten dem Fonds in Rechnung stellen dürfen.* Dieser Verweis wurde allerdings erst durch die Novelle 2007 geschaffen.* In der Stammfassung des ASVG* bis zum 2. SRÄG im Jahr 1996* wurden die Pflegekosten „höchstens in dem Ausmaß der Kosten ersetzt, die dem Versicherungsträger in der nach Art und Umfang der Einrichtung und Leistungen in Betracht kommenden nächstgelegenen öffentlichen Krankenanstalt erwachsen wären.* Das Abstellen auf die „nach Art und Umfang der Einrichtungen und Leistungen in Betracht kommenden“ Krankenanstalten lässt sich zwanglos in den Anspruch auf Behandlung in einer „geeigneten“ KA umformulieren. Aus der früheren Fassung des § 150 Abs 2 ASVG konnten Schlüsse auf die Auswahl der KA gezogen werden. Der Gesetzgeber wollte offensichtlich auf die Kosten abstellen, die bei der grundsätzlich geschuldeten Sachleistung entstanden wären. Die grundsätzlich geschuldete Sachleistung dürfte jedenfalls damals die Behandlung in der nächstgelegenen geeigneten KA gewesen sein.

Fraglich ist, ob der Gesetzgeber mit der Änderung des § 150 Abs 2 ASVG durch das 2. SRÄG auch eine Änderung des Anspruchs auf Anstaltspflege erreichen wollte. Die Änderungen im ASVG erfolgten im Rahmen des Umstiegs auf das System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung.* Es ist nicht ersichtlich, dass damit eine Einschränkung oder Ausweitung des geschuldeten Anspruchs auf Anstaltspflege erfolgen sollte.* Es ist daher davon auszugehen, dass der Anspruch auf Anstaltspflege im ASVG weiterhin grundsätzlich auf die nächstgelegene geeignete KA gerichtet ist.

Im Ergebnis bestätigt sich daher die häufig aufzufindende Formulierung, im ASVG bestehe ein Anspruch auf Anstaltspflege in der nächstgelegenen, geeigneten KA. Das ergibt sich aus dem Weiterwirken einer dahingehend ausdrücklichen älteren Fassung des § 150 Abs 2 ASVG. Nun müssen die zwei Elemente „Eignung“ und „Nächstgelegenheit“ genau analysiert werden.

3
Auswahl durch den Versicherungsträger: „Eignung“ der KA

Bei der Suche nach einer „geeigneten“ KA geht es um die Frage, welche Qualität der Anstaltspflege im Rahmen des ASVG gebührt. Regelungen zum Behandlungsniveau sind in den §§ 144 ff ASVG nicht enthalten. Bevor jedoch auf weitere Bestimmungen des ASVG eingegangen wird, ist zu überlegen, ob sich aus anderen Rechtsquellen eine Konkretisierung des Behandlungsniveaus ergibt. In Betracht kommen in erster Linie Regelungen des KAKuG.

3.1
Vorschriften des KAKuG

Augenfällig ist hier die Einteilung des § 2a Abs 1 KAKuG in „Standard“– „Schwerpunkt“– und „Zentralkrankenanstalten“, nur letztere sind „mit grundsätzlich allen dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden spezialisierten Einrichtungen“ ausgestattet. Dabei handelt es sich um eine Gliederung von Krankenanstalten nach Leistungsumfang und quantitativer Versorgungsstufe.* Welche Abteilungen in den jeweiligen Krankenanstaltenarten zur Verfügung gestellt werden müssen, ist in § 8 Abs 1 KAKuG geregelt. Das KAKuG geht daher davon aus, dass bestimmte Leistungen in manchen Krankenanstalten gar nicht erbracht werden (müssen).

Das setzt zunächst eine Auswahl der Krankenanstalten nach deren Leistungsspektrum voraus. „Geeignet“ kann eine KA nur sein, wenn die benötigte medi487zinische Leistung in dieser KA angeboten wird. Die Behandlung eines Versicherten kann so von einer KA abgelehnt werden, wenn diese aufgrund der Unterschiede im Leistungsumfang die benötigte fachspezifische Behandlung nicht erbringen kann und deshalb eben keine „geeignete“ KA ist.*

Die Frage der Eignung betrifft jedoch nicht nur das Angebot der notwendigen Leistungen, sondern, wie bereits am Beginn des Beitrags angeführt, auch die Qualität der Durchführung dieser Leistungen. Diesbezüglich lassen sich dem KAKuG ebenfalls Anhaltspunkte entnehmen. Die Qualität der angebotenen Behandlungen, welche die Bundesländer den Krankenanstalten verpflichtend vorzuschreiben haben, hat gem § 8 Abs 2 KAKuG den „Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen [...] Wissenschaft“ zu entsprechen. Darunter wird nicht bloß die nationale, sondern auch die internationale medizinische Fachwissenschaft verstanden.* Diese Vorschrift gilt für alle PatientInnen und beeinflusst so den Anspruch der Versicherten gegenüber dem Sozialversicherungsträger. Die „geeignete“ Krankenanstalt nach ASVG hat folglich eine diesem Qualitätsmaßstab entsprechende Behandlung zu erbringen. Ist es der KA nicht möglich, das geforderte Behandlungsniveau zu erreichen, so ist sie keine „geeignete“ KA.

Unklar ist demgegenüber, ob das KAKuG von der Möglichkeit einer Wahl zwischen zwei Krankenanstalten ausgeht, wenn beide die benötigte, dem medizinisch geforderten Standard entsprechende Leistung grundsätzlich anbieten, allerdings mit unterschiedlicher Qualität, etwa unterschiedlichen Operationsrisiken. Das KAKuG bezweckt die flächendeckende Organisation von Krankenanstalten, diese Organisation setzt Planbarkeit voraus. Ein Abstellen auf die Qualität der einzelnen medizinischen Leistungen in verschiedenen Krankenanstalten würde diese Planbarkeit beeinträchtigen. Andererseits anerkennt das KAKuG die Wichtigkeit der Qualität bei der Anstaltspflege. Im Hinblick auf die Qualitätssicherung verlangt § 5b KAKuG Verpflichtungen zu Maßnahmen der Qualitätssicherung, die eine vergleichende Prüfung zwischen Krankenanstalten möglich machen muss.* Soweit zu sehen, fehlt aber eine unmittelbare Sanktion, wenn die Qualitätssicherung nicht erfolgreich ist. Der ÖSG (Österreichischer Strukturplan Gesundheit) enthält ebenfalls sogenannte Strukturqualitätskriterien; bei maßgeblichen Verstößen kann die Bundesgesundheitsagentur Zahlungen an die Länder zurückhalten.* Ein Verstoß trifft daher nicht unmittelbar die Krankenanstalten. Allerdings gibt es auch Sanktionen bei Qualitätsmängeln, welche die Krankenanstalten treffen.* Dabei wird wohl nur auf schwere Mängel abgestellt, unterschiedliche Operationsstatistiken werden nicht berücksichtigt. Im Ergebnis kann aus diesen Bestimmungen nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber von einer einheitlichen Leistungsqualität in den Krankenanstalten ausgeht, die eine „Eignungsprüfung“ zwischen mehreren in Frage kommenden Krankenanstalten unnötig machen würde. Die Regeln zur Qualitätssicherung in Krankenanstalten stehen daher der Annahme einer Verpflichtung der Versicherungsträger zur Qualitätskontrolle von Krankenanstalten bei der Einweisung nicht entgegen. Ob diese Verpflichtung besteht, muss durch Auslegung des ASVG geklärt werden.

3.2

Auf der Suche nach einem Qualitätsmaßstab der KV im ASVG stößt man schnell auf die gesetzlichen Wertungen des § 133 Abs 2 ASVG, nach dem die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig zu sein hat, das Maß des Notwendigen jedoch nicht überschreiten darf. Allerdings ist der Maßstab des § 133 Abs 2 ASVG nicht unmittelbar auf die Anstaltspflege anwendbar. Zwar ist auch die Anstaltspflege nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Teil der „Krankenbehandlung“. Das ASVG versteht in seiner Systematik hingegen Krankenbehandlung und Anstaltspflege als separate, sich nicht überschneidende Begriffe. Das zeigen sowohl die Formulierung des § 117 Z 2 ASVG als auch die Regelung der Krankenbehandlung und der Anstaltspflege in unterschiedlichen und gleichrangigen Unterabschnitten.* Die Schranken, die der Gesetzgeber für die Reichweite der Krankenbehandlung in § 133 Abs 2 ASVG aufstellt, sind daher nicht direkt auf den Anspruch auf Anstaltspflege anzuwenden.

Allerdings findet sich in der Rsp des OGH die Anwendung des Maßstabes des § 133 Abs 2 ASVG über die Krankenbehandlung hinaus* als generelles Prüfschema der Krankenversicherungsleistungen bei Krankheit. Der OGH scheint diesen Maßstab schon 1992 bei einem Urteil zum Anspruch auf eine Herzoperation im Ausland auf die Anstaltspflege anzuwenden.* In einer anderen E wendet der OGH das Gebot der „wirtschaftlichen Behandlungsweise“ des § 133 Abs 2 ASVG auf die Abwägung zwischen Anstaltspflege und488 medizinischer Hauskrankenpflege an.* In einer jüngeren E zur Frage, ob ein Anspruch auf eine Operation in Deutschland besteht, wendet der OGH den Maßstab des § 133 Abs 2 ASVG ebenfalls ohne Begründung und damit ohne Zögern auf den Anspruch auf Anstaltspflege an.* Der OGH stützt sich bei seiner E auf nationales Recht.* Die Rsp scheint daher im Schweigen des Gesetzes zur genaueren Ausgestaltung des Anspruchs auf Anstaltspflege eine planwidrige Lücke zu sehen, die durch analoge Anwendung des § 133 Abs 2 ASVG geschlossen werden soll. Es ist nicht ersichtlich, dass diese analoge Anwendung des § 133 Abs 2 ASVG nur im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Operationen im Ausland gelten soll, sie müsste in weiterer Folge auch zur Bestimmung der „geeigneten“ KA bei inländischen Sachverhalten zur Anwendung kommen.

Was genau ergibt sich aber aus der analogen Anwendung des § 133 Abs 2 ASVG für die Auswahl der KA? Zum einen bedeutet die analoge Anwendung des § 133 Abs 2 ASVG auch die Übernahme des Abstellens auf den gesellschaftlichen Konsens über die Inanspruchnahme von Leistungen der KV.* In Bezug auf die Qualität der Anstaltspflege leitet der OGH (bei grenzüberschreitenden Sachverhalten) aus § 133 Abs 2 ASVG einen detaillierten Vergleich unterschiedlicher Operationsrisiken ab. Er stellt darauf ab, ob ein „signifikant unterschiedliches Operationsrisiko“ und eine „signifikant höhere Mortalitätsrate“ vorliegen. Der OGH wiegt auch unterschiedliche Operationsrisiken gegeneinander auf. Eine unterschiedliche Mortalitätsrate von 0,5 % bezeichnet er nur als „geringfügige“ Erhöhung.*

Folgt man dem, so muss der Versicherungsträger bei der Einweisung eines Versicherten in eine KA überprüfen, welche Operationsrisiken in den unterschiedlichen, in Frage kommenden Krankenanstalten bestehen. Diese strenge Prüfung bei der Auswahl der KA steht allerdings scheinbar im Widerspruch zu der bereits erwähnten hA,* welche die Möglichkeit einer Auswahl eines Arztes in der KA verneint. Zu den Qualitätsunterschieden ist nämlich zu bedenken, dass diese nicht allein durch die KA, sondern auch die jeweils dort tätigen ÄrztInnen zustande kommen. Wenn man wie die hA die Auswahlmöglichkeit eines Arztes in der KA verneint, sichert die Auswahl einer KA daher nicht zwingend eine bessere Behandlungsqualität. Allerdings ist davon auszugehen, dass komplizierte Operationen, bei denen besondere Qualitätsunterschiede zwischen Krankenanstalten zu erwarten sind, ohnehin nur von wenigen SpezialistInnen durchgeführt werden. Überdies ist anzunehmen, dass die Qualitätsunterschiede weitgehend auch durch andere Faktoren beeinflusst werden (Hygiene, Pflegepersonal, Organisation etc).

Es ist ferner davon auszugehen, dass ÄrztInnen je nach Spezialisierung (zB Standard-Krankenanstalt, Fachabteilungen in Schwerpunkt-Krankenanstalt) unterschiedliche, „gruppenspezifische Sorgfaltsstandards“ treffen.* Sollte daraus eine unterschiedliche Behandlungsqualität zwischen verschiedenen Krankenanstaltentypen resultieren, so ist der Sozialversicherungsträger uE verpflichtet, diese bei der Einweisung zu berücksichtigen.

Nimmt man die Rsp des OGH (zur Behandlungsmöglichkeit im Ausland) ernst, muss der Versicherungsträger bei der Auswahl der KA also nicht nur das Leistungsspektrum, sondern auch im Inland in gewissem Umfang die unterschiedliche Behandlungsqualität bei den konkreten Leistungen berücksichtigen.

4
Auswahl durch den Versicherungsträger: „Nächstgelegenheit“ der KA
4.1
Anknüpfungspunkt für die „Nächstgelegenheit“

Auf den ersten Blick erscheint die Beantwortung der Frage, welche KA „nächstgelegen“ ist, unproblematisch. Zumindest im Zusammenhang mit erster Hilfe wird die nächstgelegene KA, jene (geeignete) sein, die vom momentanen Aufenthaltsort des Verletzten durch die geringste Wegstrecke entfernt ist. Nur dadurch ist eine schnelle Behandlung in Akutfällen gewährleistet. Bei der Einweisung und daher Auswahl einer KA in jenen Fällen, in denen keine erste Hilfe benötigt wird, kommt der Frage der Entfernung der KA vom Ort des erstmaligen Auftretens des regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes wohl nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Der Versicherte benötigt in diesem Fall ja keine Akut-Behandlung. Andere mögliche Anknüpfungspunkte für die Einweisung sind in diesen Fällen der Wohnsitz oder Beschäftigungsort des Versicherten sowie der Sitz des Versicherungsträgers selbst, von dem aus die Einweisung erfolgt. Letzteres bietet keinen sinnvollen Lösungsansatz, weil sonst für alle Versicherten eines Versicherungsträgers immer dieselbe KA die nächstgelegene wäre. Das Sozialrecht knüpft allgemein für die Zuständigkeit der österreichischen SV am Beschäftigungstatbestand (im Inland) an (§§ 1 und 3 ASVG), auch die örtliche Zuständigkeit der Gebietskrankenkassen richtet sich grundsätzlich nach dem Beschäftigungsort (§ 30 Abs 1 ASVG). Im Rahmen einer systematischen Interpretation könnte man daher auch bei der Auswahl der KA für die „Nächstgelegenheit“ auf die Entfernung vom Beschäftigungsort abstellen. Allerdings verwendet das ASVG nicht nur den Beschäftigungsort als Bezugspunkt. Besteht keine feste Arbeitsstätte, gilt nämlich der Wohnsitz des Versicherten als Beschäftigungsort und bestimmt, welcher Versicherungsträger örtlich zuständig ist.*489

Gem § 144 Abs 5 ASVG sind neben den Kosten der Anstaltspflege auch die notwendigen Transportkosten zu übernehmen, wenn der „körperliche Zustand des Erkrankten oder die Entfernung seines Wohnsitzes die Beförderung erfordert“. Die zentrale Bestimmung zur Anstaltspflege geht also vom Wohnsitz als Ausgangspunkt des Transportes in die KA aus. Folglich ist bei der Frage, welche KA die „nächstgelegene“ und daher die mit der geringsten Entfernung ist, vom Wohnsitz auszugehen, von dem der Transport beginnt. Gem § 44 Muster- Satzung übernimmt der Versicherungsträger nur die Transportkosten in die „nächstgelegene geeignete“ KA, angeknüpft wird daher im Regelfall an den Wohnsitz des Versicherten.* Auch für die Versicherten ist diese Anknüpfung sinnvoll, weil der Besuchsweg der Angehörigen dadurch kürzer ist. Der Wohnort ist zumeist auch ein sicherer Fixpunkt des Versicherten. Ferner berücksichtigen die Bedarfsprüfungen des KAKuG ua für die Errichtung und den Betrieb von Krankenanstalten (vgl §§ 3 ff KAKuG) auch die „örtlichen Verhältnisse“ und dabei vor allem die „Bevölkerungsstruktur“ und „Besiedlungsdichte“. Das KAKuG* geht daher von einer Nachfrage im Regelfall aus der Wohnbevölkerung eines Gebietes aus.

Zusammenfassend ist der Wohnsitz des erkrankten Versicherten für die Auswahl der „nächstgelegenen“ KA maßgeblich und damit für die Einweisung durch den Versicherungsträger.

4.2
Einschränkung auf den Sprengel des Versicherungsträgers?

Wie bereits erwähnt, ist die Zuordnung der Versicherten zu einem Versicherungsträger vom Beschäftigungsort abhängig. Bei der Beurteilung der „Nächstgelegenheit“ muss aber, wie eben dargelegt, an den Wohnort angeknüpft werden. Wohnt der Versicherte in einem anderen Bundesland als jenem, in dem er beschäftigt ist, so wird die nächstgelegene geeignete KA daher häufig im Wohn-Bundesland liegen. Ferner kann auch dann, wenn Beschäftigungs- und Wohnort in demselben Bundesland liegen, doch die nächstgelegene geeignete KA – nach der hier vertretenen Meinung gemessen vom Wohnort – in einem anderen Bundesland und damit außerhalb des Sprengels des Versicherungsträgers liegen.

In beiden Konstellationen stellt sich die Frage, ob die Einweisung durch den Versicherungsträger auf den Sprengel des Versicherungsträgers beschränkt ist. Aus § 144 Abs 1 ASVG leitet die hL ab, dass Einweisungen in eine Fonds-KA erfolgen, die im Sprengel des Versicherungsträgers liegt.* Als „Sprengel“ bezeichnet das ASVG den örtlichen Zuständigkeitsbereich eines Versicherungsträgers, der grundsätzlich dem jeweiligen Landesgebiet entspricht.* Diese Ansicht würde aber wahrscheinlich zu unterschiedlichen Leistungsspektren in verschiedenen Bundesländern führen.* Das alleine schon deshalb, weil nach KAKuG (§ 18 Abs 2) nicht in allen Sprengeln eine Zentral-KA zu errichten ist. Nur diese müssen aber alle medizinischen Einrichtungen aufweisen (§ 2a Abs 1 lit c KAKuG).

Erfolgt die Einweisung durch den Versicherungsträger konsequent nach dem hier aufgestellten Maßstab der Nächstgelegenheit und Eignung, müssen demgegenüber auch Einweisungen in Krankenanstalten eines anderen Bundeslandes möglich sein. Für diese Lösung spricht, dass diese Option im ASVG vorgesehen ist. § 129 ASVG regelt die Leistungsinanspruchnahme eines Anspruchsberechtigten außerhalb des Sprengels des zuständigen Krankenversicherungsträgers, verweist jedoch für die Anstaltspflege auf die Bestimmungen zu Bewilligung und Kostenübernahme des jeweils zuständigen Krankenversicherungsträgers.* Müsste dieser Versicherungsträger die Anstaltspflege in einem anderen Bundesland nie bewilligen, so wäre die Regelung in § 129 ASVG allerdings sinnlos. Für die Möglichkeit der Anstaltspflege in einem anderen Bundesland spricht auch § 18 Abs 1 KAKuG. Darin wird vorgesehen, dass die Länder ihren Sicherstellungsauftrag auch dadurch erfüllen können, dass BewohnerInnen von Grenzregionen in die KA des benachbarten Landes eingewiesen werden.

Auch die Finanzierung der Krankenanstalten spricht nicht gegen eine Einweisung(spflicht) in landesgesundheitsfondsfinanzierte Krankenanstalten in einem anderen Bundesland. Die Aufnahme und Behandlung von Versicherten ist von den Krankenanstalten direkt mit dem zuständigen Landesgesundheitsfonds abzurechnen.* Diese neun Landesgesundheitsfonds erhalten ihre Mittel durch Pauschalbeiträge von Bund, Ländern, Gemeinden und Versicherungsträgern.* Die Leistungen der einzelnen Versicherungsträger fließen dabei nicht direkt in die jeweiligen Landesgesundheitsfonds, sondern werden an den beim HV eingerichteten Ausgleichsfonds gezahlt. Dieser Ausgleichfonds verteilt an die neun Landesgesundheitsfonds nach dem in Gesetz und Gliedstaatsvertrag* vorgeschriebenen Schlüs490sel.* Diese Pauschalbeiträge der Versicherungsträger sind somit die Gegenleistung der Versicherungsträger für erbrachte Leistungen der Fonds-KA an sozialversicherte Personen. Es besteht kein darüber hinausgehender direkter finanzieller Anspruch der KA gegen die Versicherungsträger. Auch die Inanspruchnahme durch inländische GastpatientInnen ist bereits durch diese Beiträge des Landesgesundheitsfonds abgegolten. Darüber hinausgehende Entschädigungen stehen gem Art 29 Gliedstaatsvertrag nicht zu.* Diese Regelung setzt voraus, dass die Einweisung auch über die Landesgrenzen hinaus möglich ist. Die Aufnahme inländischer GastpatientInnen ist somit verpflichtend. Nicht zuletzt scheint auch der OGH (zumindest implizit) von der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anstaltspflege in einem anderen Bundesland auszugehen. In der E 10 ObS 20/12g des OGH* ist die Bekl die NÖGKK, der OGH scheint dennoch vom Anspruch auf Behandlung in zwei Wiener Krankenanstalten auszugehen. Die Einweisung in eine KA außerhalb des „Sprengels“ scheint außerdem in der Praxis üblich zu sein.* Aus alldem folgt, dass die Einweisung durch den Versicherungsträger gem §§ 144 f ASVG nicht allein auf den jeweiligen „Sprengel“ beschränkt ist, sondern bloß in „eine“ und zwar die nächstgelegene und geeignete Fonds-KA erfolgen muss. Dabei können durchaus auch Bundesländergrenzen überschritten werden.

5
Auswahl durch den Versicherten?

§ 145 Abs 1 ASVG ordnet an, dass bei der Einweisung „Wünsche des Erkrankten [...] zu berücksichtigen sind“. Allerdings nur insoweit, „als die Art der Krankheit es zuläßt und dadurch kein Mehraufwand für den Versicherungsträger eintritt.“ Diese Formulierung wurde seit der Stammfassung des ASVG nicht geändert, und sie wurde bisher auch nicht genauer untersucht. In den §§ 149 Abs 1 und 150 ASVG wird ebenfalls auf eine Mitwirkung des Versicherten abgestellt, diese Bestimmungen betreffen aber nicht die Auswahl einer landesgesundheitsfondsfinanzierten KA und bleiben daher hier außer Betracht.* Bei der Auslegung des § 145 Abs 1 ASVG stellen sich zwei Fragen: Wann liegen die Voraussetzungen für eine „Wahl“ der KA durch den Patienten vor; und wie streng bindet die „Wahl“ des Versicherten den Versicherungsträger bei der Einweisung.

5.1
Voraussetzungen der „Wahl“

Wünsche der PatientInnen sind nur zu berücksichtigen, wenn dadurch dem Versicherungsträger kein Mehraufwand entsteht. Unter „Mehraufwand“ ist hier nicht etwa organisatorischer Aufwand zu verstehen, sondern nur ein finanzieller Mehraufwand.* Wegen der Ausgestaltung des Finanzierungssystems ist es für die Kosten des Versicherungsträgers heute allerdings grundsätzlich egal, in welcher landesgesundheitsfondsfinanzierten KA die Behandlung erfolgt.* Es wird daher in der Lehre darauf hingewiesen, dass es zu einer finanziellen Mehrbelastung nur durch höhere Transportkosten kommen kann.* Allerdings treffen auch diese höheren Kosten nicht den Versicherungsträger. Nach der Muster-Satzung werden nämlich nur die Reisekosten „zur und von der nächstgelegenen geeigneten Vertragskrankenanstalt“ bezahlt.* Auch bei den Transportkosten werden nur die Kosten für die Beförderung „in die nächstgelegene geeignete Krankenanstalt bzw aus dieser Krankenanstalt in die Wohnung“ übernommen.* Wenn der Versicherte bereit ist, die übersteigenden Kosten zu einer weiter entfernten KA selber zu tragen, entsteht dem Versicherungsträger daher durch die Auswahl einer anderen (weiter entfernten) KA gar keine höhere finanzielle Belastung. Die „Einschränkung“ auf nicht kostenintensive Wünsche des Patienten steht der Auswahl einer KA durch den Patienten heute im Ergebnis daher nicht im Weg. Der Gesetzgeber dürfte bei der Änderung des Finanzierungssystems übersehen haben, dass diese die Voraussetzung „kein Mehraufwand“ obsolet gemacht hat.

Zu überlegen ist nun, wann die „Art der Krankheit“ einen Wunsch des Patienten nicht zulässt. Nach Stöger soll geprüft werden, ob die gewünschte KA die „erforderliche Ausstattung für die notwendige Behandlung“ hat.* Die KA muss also die notwendige Leistung anbieten können. Weiter muss der Schutz der PatientInnen vor eigener Fehlentscheidung uE nicht reichen.* Im Rahmen der ärztlichen Hilfe im niedergelassenen Bereich steht es ebenso jedem frei, einen Arzt nach Sympathie auszuwählen, selbst wenn dieser möglicherweise vergleichsweise schlechtere Leistungen erbringt.

Die dargestellten Voraussetzungen für die Wünsche des Patienten werden in vielen Fällen erfüllt sein. Wichtig ist daher die zweite Frage, nämlich ob der Versicherungsträger an die Auswahl durch den Versicherten gebunden ist.

5.2
Bindungswirkung der Wünsche der Versicherten

Klar ist, dass der Versicherungsträger einen Wunsch des Patienten dann ignorieren kann, wenn491 kein Behandlungsplatz in der gewünschten KA verfügbar ist. Die in diesem Fall bestehende Ausnahme von der Aufnahmepflicht der Fonds-KA* sollte bereits bei der Einweisung berücksichtigt werden. In allen anderen Fällen spricht das Wort „berücksichtigen“ eher nicht für eine Bindung des Versicherungsträgers, sondern für eine Interessenabwägung.* In § 149 Abs 1 ASVG wird demgegenüber etwa auf die „Zustimmung“ des Versicherten abgestellt. Bei der Auslegung des Wortes „berücksichtigen“ muss überlegt werden, ob ein echtes Wahlrecht der Versicherten überhaupt notwendig ist. Das wird wiederum davon abhängen, ob ihre Interessen bereits bei der Auswahl der KA durch den Versicherungsträger berücksichtigt werden. Nach der hier vertretenen Lösung muss der Versicherungsträger bei der Auswahl die typischen Interessen der Versicherten bereits berücksichtigen. Das ist zum einen die Qualität der Leistung, die uE vom Versicherungsträger bei dem Kriterium der „Eignung“ streng zu prüfen ist. Zum anderen wird für den Patienten typischerweise die leichte Erreichbarkeit (auch für BesucherInnen) wichtig sein. Auch diesem Bedürfnis wird in den meisten Fällen durch die Prüfung der „Nächstgelegenheit“ vom Wohnort des Versicherten aus Rechnung getragen. Vor diesem Hintergrund scheint es gerechtfertigt, wenn der Versicherungsträger abweichenden Wünschen der Versicherten nur dann Folge leisten muss, wenn im Einzelfall zusätzliche Interessen der Versicherten berührt werden. Solche Interessen sind zwar für die Auswahl der KA schwer zu finden (evtl persönliche Nahebeziehung zu einer bestimmten KA), die Versicherten haben aber häufig Terminwünsche für die Anstaltspflege, aus beruflichen oder privaten Gründen. UE wird die Wahlmöglichkeit des § 145 Abs 1 ASVG besonders in diesen Fällen, also bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Anstaltspflege, eine Rolle spielen.

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Zusammenfassung

Der Versicherungsträger muss Versicherte nach dem ASVG in die nächstgelegene geeignete landesgesundheitsfondsfinanzierte KA einweisen. Das ergibt sich aus der ursprünglichen Fassung des § 150 Abs 2 ASVG. Aus dem KAKuG lässt sich ableiten, dass die „Eignung“ einer KA erstens nach dem angebotenen Leistungsspektrum der KA und zweitens nach dem internationalen Qualitätsmaßstab zu beurteilen ist. Eine strenge Eignungsprüfung bei der Auswahl der KA müsste zusätzlich die Qualitätsunterschiede, etwa aufgrund unterschiedlicher Operationsrisiken und -statistiken der einzelnen Krankenanstalten, berücksichtigen. Diese strenge Beurteilung bei der Auswahl einer KA lässt sich mit der analogen Anwendung des Maßstabes des § 133 Abs 2 ASVG begründen. Die „Nächstgelegenheit“ einer KA ist nach dem Wohnort des Versicherten zu bestimmen. Dafür spricht, dass das ASVG bei Transportkosten auf den Wohnort abstellt und das KAKuG bei der Bedarfsprüfung von Krankenanstalten auf die „Wohnbevölkerung“ abstellt. Die Auswahl einer KA durch eine GKK ist nicht auf deren Sprengel bzw durch die Bundesländergrenzen beschränkt. Das ergibt sich aus dem KAKuG und ist mit dem Finanzierungssystem der Anstaltspflege vereinbar, auch die Rsp des OGH deutet in diese Richtung.

Mögliche Wünsche der Versicherten hat der Versicherungsträger bei der Auswahl zu berücksichtigen, sofern sie nachvollziehbare Interessen betreffen. Da die Behandlungsqualität schon eine zwingende Grenze für die Auswahl durch den Versicherungsträger darstellt, werden die Interessen des Versicherten hauptsächlich den Zeitpunkt der Anstaltspflege betreffen.

Aufgrund der Komplexität der Thematik stellt dieser Aufsatz bloß einen ersten Befund dar. Es werden dadurch auch Folgeprobleme aufgeworfen. Die Einhaltung des strengen Maßstabs – insb Vergleich der Operationsrisiken – könnte oftmals faktisch am Fehlen der notwendigen Daten scheitern.* Sinnvoll wäre der offene Zugang zu Operationsstatistiken und -risiken in einzelnen Krankenanstalten.* Ob das ASVG dann einen Zugang der Versicherten zu diesen Informationen verlangt, muss hier offen bleiben.* Die Entwicklung scheint auch im Gesundheitssektor, vor allem im Anstaltsbereich, zu mehr Transparenz bei der Qualität der Leistungen zu gehen.* Durch das Abstellen auf die Qualität der Leistungen steigt jedenfalls der wirtschaftliche Druck auf die Krankenanstalten. Das könnte den Wunsch mancher nach mehr Wettbewerb und damit „Markt“ auf der Angebotsseite des Sozialsystems* erfüllen.492