Verbot der Geschenkannahme im öffentlichen Sektor

ANDREASGERHARTL (WIEN)

Das Verbot der Geschenkannahme stellt einen Teilaspekt des – umfangreichen – Themenkomplexes „Compliance“ („Antikorruption“, „Sauberkeit der Verwaltung“, „Unbestechlichkeit des öffentlichen Sektors“) dar. Die Formulierung der einschlägigen Normen wirft aber etliche „Grauzonen“ auf und stellt die Praxis daher häufig vor Auslegungsschwierigkeiten.

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Einleitung

Allgemeine arbeitsrechtliche Zulässigkeitsschranken für die Annahme von Geschenken durch AN ergeben sich aus der Treuepflicht (Interessenwahrungspflicht).* Im öffentlichen Bereich bestehen aber oftmals speziellere (und auch strengere) Vorgaben, so insb in (dem für Vertragsbedienstete [VB] gem § 6 Abs 1 VBG ebenfalls anwendbaren) § 59 BDG.* Auch die Kollektivverträge ausgegliederter Betriebe enthalten bisweilen § 59 BDG vergleichbare bzw nachgebildete Bestimmungen.* Im Folgenden wird die gegenständliche Problematik daher anhand der einschlägigen Regelungen gem § 59 Abs 1 und 2 BDG und unter Fokussierung auf die Annahme von Zuwendungen durch den/die AN dargestellt.* Dabei fließen im Zweifelsfall auch Literatur und Rsp zu den korrespondierenden strafrechtlichen Normen mit in die Interpretation ein.

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Vom Verbot erfasste Zuwendungen

Unter dem Begriff „Zuwendung“ (Geschenk, Vorteil) ist jede nützliche Leistung materieller (zB Geld, Wertgegenstände, Einladungen, Dienstleistungen, Reisegutscheine, Übernahme der Kosten für Betriebsfeiern, ein individueller Rabatt) oder immaterieller Art (zB gesellschaftliche und berufliche Vorteile, sexuelle Zuwendungen) zu verstehen, auch wenn diese letztlich nicht dem Beschenken selbst (sondern zB einem Verwandten des/der beschenkten AN) zufließt bzw zukommen soll. Dabei ist es egal, ob die Zuwendung vor oder nach Erbringung einer bestimmten Arbeitsleis tung (Amtshandlung) erfolgt und auf welche Weise sie dem/der AN zukommt.*

Unerheblich ist, ob der Vorteil einem/einer bestimmten AN oder einer Gruppe von AN (zB „für die gesamte Abteilung“) zugewendet wird, da das Verbot der Geschenkannahme andernfalls durch bloße „Umetikettierung des Adressatenkreises“ problemlos umgangen werden könnte. Auch die Art der Verwertung des Vorteils durch den Empfänger (zB für karitative Zwecke) spielt keine Rolle; daher wird eine Zuwendung auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Empfänger den Erbringer der Leistung anweist, diese jemand anderem zukommen zu lassen (beispielsweise Angabe der Kontonummer einer gemeinnützigen Einrichtung, an die gespendet werden soll).* Dass das Motiv des Zuwenders lediglich darin besteht, seine Dankbarkeit für die erbrachte Arbeitsleistung bzw seine Wertschätzung für den Beschenkten zum Ausdruck zu bringen, sich also erkenntlich zu zeigen, schließt das Verbot der Annahme nicht aus; der Versuch, den Zuwendungsempfänger (etwa iS von Lobbying*) zu beeinflussen, ist daher nicht erforderlich.

Kein Abgrenzungsproblem stellt sich mE in Bezug auf Zuwendungen, die als vom Dritten (idR in Form von Geldleistungen) erbrachte Entgeltbestandteile (zB Provisionen, Trinkgelder) zu qualifizieren sind (und deren Annahme daher zulässig ist),* da derartige Leistungen in den hier thematisierten Branchen (öffentlicher Dienst oder Sektor) nicht üblich sind.*

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Amtliche Stellung
3.1
Grundsätzliches

§ 59 Abs 1 BDG verbietet Zuwendungen im Hinblick auf die amtliche Stellung des/der AN. Eine verbotene Geschenkannahme setzt daher das Vorliegen einer Beziehung zwischen der Zuwendung und der dienstlichen Stellung des Empfängers voraus. Zuwendungen aus rein privatem Anlass (zB Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke unter Freunden) sind daher nicht vom Verbot erfasst.* Ist der dienstliche Zusammen544hang zu bejahen, sind mE aber auch (zweckgebundene) Zuwendungen (Sponsoring) im Hinblick auf eine von dem/der AN ausgeübten (vor allem selbständigen, etwa kulturellen) Nebenbeschäftigung erfasst.*

3.2
Außenverhältnis

Im Außenverhältnis (also gegenüber Parteien, Kunden, Klienten, Geschäftspartnern etc) bejaht der VwGH einen dienstlichen Zusammenhang jedenfalls dann, wenn zwischen Zuwendungsgeber und -empfänger keine persönliche Beziehung bzw kein außerdienstlicher Kontakt besteht (Freund, Bekannter, Nachbar etc), der das Geschenk rechtfertigen könnte.* Dem ist mE unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass gegenüber dem Dritten ein dienstlicher Kontakt existiert, sich also zumindest im Anbahnungsstadium befindet oder im engen zeitlichen Konnex nach der Zuwendung angebahnt wird.* Andernfalls, also in dem (wohl seltenen) Fall, dass es sowohl an einer persönlichen als auch an einer dienstlichen Beziehung fehlt (der/die AN also beispielsweise ein Geschenk von einer ihm/ihr unbekannten Person erhält), besteht mE eine Nachfrageobliegenheit des AN über den Grund der Zuwendung.

Besteht zwischen Schenker und Beschenktem sowohl ein dienstlicher als auch ein privater Kontakt, muss daher danach gefragt werden, ob eine Zuwendung als „rein privat“ oder – zumindest auch – dienstlich indiziert einzustufen ist. Für die Abgrenzung wird im Zweifel auch auf die bisherigen Usancen abgestellt werden können: Bestand zwischen den Beteiligten etwa bisher lediglich eine private Beziehung, so spricht es wohl für das Vorliegen eines dienstlichen Zusammenhangs, wenn der Wert der Zuwendung nach Auftreten eines dienstlichen Kontaktes den Rahmen bisheriger Geschenke deutlich übersteigt.

3.3
Innenverhältnis

Fraglich ist, ob die Verbotsnorm des § 59 Abs 1 BDG auch im Verhältnis zwischen Arbeitskollegen bzw Vorgesetzten und MitarbeiterInnen gilt. Im Hinblick auf die mit dieser Bestimmung verfolgte Zielsetzung, nämlich die Aufrechterhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit auf eine korrekte Geschäftsführung, ist dies wohl grundsätzlich zu verneinen. Aber auch bei Ablehnung dieser Prämisse könnte der Anwendungsbereich wohl nur Zuwendungen, die einen unmittelbaren dienstlichen Konnex aufweisen (zB ein/e AN beschenkt einen Arbeitskollegen, damit dieser sich nicht für eine bestimmte Funktion bewirbt, erfassen.* Aus dem Innenverhältnis stammende Geschenke im Rahmen von Geburtstagen, Betriebsjubiläen, Pensionierungen etc oder Zuwendungen aus Anlass einer Notlage (zB der/die AN hat durch Hochwasser finanzielle Verluste erlitten) sind daher mE keinesfalls unter § 59 Abs 1 BDG zu subsumieren.

Lediglich in einem schmalen Segment bleibt mE Raum für die Anwendbarkeit des § 59 Abs 1 BDG im Innenverhältnis, nämlich dann, wenn die Zuwendung auf einer konkreten dienstlichen Tätigkeit (zB Beschenkung des Leiters/der Leiterin der Personalabteilung, um schneller befördert zu werden) basiert. In diesem Fall kann es mE für die Beurteilung der Zulässigkeit der Annahme eines Geschenkes auch keinen Unterschied machen, ob die Zuwendung von der betroffenen Person selbst oder etwa von einem Arbeitskollegen kommt.

3.4
Anonyme Geschenke

Anonyme Geschenke lassen keine Zuordnung zu einer bestimmten Person (als Zuwender) zu und sind daher mE (aus diesem Grund) „potenziell verdächtig“. Andererseits ist eine Ablehnung (Rückgabe an den Zuwender) gar nicht möglich. ME kommt ein Verstoß gegen § 59 Abs 1 BDG in einem derartigen Fall daher nur in Betracht, wenn dem/der AN (vor allem aufgrund des beträchtlichen wirtschaftlichen Wertes des Geschenkes) offensichtlich bewusst sein muss, dass es sich um eine „problematische“ Zuwendung handelt.* Ist diese Voraussetzung erfüllt, besteht mE eine Meldepflicht an den AG iVm einem Verbot der Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils aus dem Geschenk (zB durch Spenden für mildtätige Zwecke).*

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Ausnahmen
4.1
Grundsätzliches

Zulässig ist gem § 59 Abs 2 BDG die Annahme von orts- oder landesüblichen Aufmerksamkeiten von bloß geringem Wert.*) Nach dem Gesetzeswortlaut müssen beide Komponenten (Üblichkeit und geringer Wert) erfüllt sein;* bei Überschreitung der Geringfügigkeit wird mE aber ohnehin bereits die Üblichkeit zu verneinen sein, sodass sich die separate Prüfung der Geringfügigkeit erübrigt. Bei der Beurteilung der Üblichkeit ist wohl auf die Praxis des redlichen Geschäftsverkehrs abzustellen, sodass etwa „Gastgeschenke“ in Form eines Geldkoffers, „Lesezeichen“ in Form von Geldscheinen udgl schon aus diesem Grund (also unabhängig vom Überschreiten von Wertgrenzen) nicht unter § 59 Abs 2 BDG fallen.545

4.2
Dynamische Betrachtung

Als orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten von bloß geringem Wert gelten nach den Materialien zu § 59 Abs 2 BDG jedenfalls Sachzuwendungen ohne nennenswerten wirtschaftlichen Wert wie Reklameartikel einfacher Art mit Firmenaufdruck, beispielsweise Kalender, Schreibblocks, Kugelschreiber und andere Gegenstände von überwiegendem Erinnerungswert.* Die Üblichkeit derartiger Zuwendungen wird daher auch ohne Vorliegen eines besonderen Anlasses zu bejahen sein.

Die Üblichkeit von diese Bagetellgrenze übersteigenden Zuwendungen wird hingegen idR durch den zugrunde liegenden Anlass mitbestimmt.* So werden etwa mE Geschenke aus festlichem Anlass (Geburtstag, Weihnachten etc) oder der Beendigung der Geschäftsbeziehungen, deren Wert 15 bis 20 € nicht übersteigt (zB ein „normales“ Buch, eine Tafel Schokolade, ein Kuchen, eine Schachtel Pralinen, ein Strauß Blumen oder eine Flasche Wein durchschnittlicher Qualität), als üblich angesehen werden können.* Diese Geringfügigkeitsgrenze ist mE aber anlassabhängig dynamisch zu betrachten. So wird beispielsweise bei einer im dienstlichen Interesse gebotenen Teilnahme des/der AN an Veranstaltungen auch die Zurverfügungstellung eines reichhaltigen Buffets oder eines mehrgängigen Menüs als üblich gelten können.* Bei Überschreitung eines „Richtwertes“ von 100 € ist das Vorliegen von Geringfügigkeit aber wohl idR zu verneinen.*

Obwohl sich die Ausnahmebestimmung des § 59 Abs 2 BDG – wie die angeführten Beispiele zeigen – in erster Linie auf Sachzuwendungen bezieht, sind mE auch Geldgeschenke, zB Münzen für die Kaffeekasse, nicht generell aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen. Dafür spricht schon der Umstand, dass eine eindeutige Trennung zwischen Geld- und Sachzuwendung oft gar nicht möglich ist (zB mehrere Personen beteiligen sich an einer Sammlung, aus deren Erlös ein Sachgeschenk gekauft wird).

4.3
Anfüttern

Werden die maßgeblichen Wertgrenzen durch Zuwendungen, deren einzelner Wert jeweils unterhalb des Grenzwertes liegt, insgesamt überschritten (sogenanntes „Anfüttern“), stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die einzelnen Zuwendungen zusammenzurechnen sind. Eine Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenzen ist dabei iS eines beweglichen Systems um eher anzunehmen, je näher der Wert der einzelnen Zuwendungen am „kritischen Punkt“ liegt. Voraussetzung für die Zusammenrechnung ist mE jedenfalls, dass die einzelnen Zuwendungen in einer ausreichenden zeitlichen Verdichtung zueinander stehen, sodass etwa Geburtstagsgeschenke mehrerer Jahre nicht zu addieren sind. Weiters erfordert eine Zusammenrechnung wohl grundsätzlich die Identität von Zuwender und Beschenktem.* Dabei reicht es mE aber aus, wenn der Beschenkte zu einer Gruppe von AN (beispielsweise eine bestimmte Abteilung) gehört, an die die Zuwendung erfolgt.

Erzielt der/die AN jedoch aus regelmäßigen (isoliert betrachtet jeweils bloß geringfügigen) Zuwendungen ein Nebeneinkommen (sodass seine/ihre Vorgangsweise gewerbsmäßig ist), ist die Zusammenrechnung (und somit das Vorliegen des Tatbestandes der Anfütterung) unabhängig davon zu bejahen, vom wem bzw wie vielen Personen die einzelnen Zuwendungen herrühren.*

5
Fazit

Die Reichweite des Verbotes der Geschenkannahme bewirkt in der Praxis häufig Rechtsunsicherheit.* Dies ist im Hinblick auf die damit (potenziell) verbundenen, manchmal bis zur expliziten Entlassungsdrohung reichenden arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen* mE auch nicht verwunderlich. Überdies macht sich ein Amtsträger, der für die Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen Vorteil fordert oder einen ungebührlichen Vorteil annimmt bzw versprechen lässt, gem § 305 Abs 1 StGB strafbar. Keine idS ungebührlichen Vorteile stellen gem Abs 4 Z 1 und 3 leg cit (ua) im Rahmen von Veranstaltungen, an deren Teilnahme ein amtlich oder sachlich gerechtfertigtes Interesse besteht, gewährte Vorteile sowie (ausgenommen gewerbsmäßige Tatbegehung) orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten geringen Wertes dar.* An der Ähnlichkeit zwischen diesen Formulierungen und § 59 Abs 1 und 2 BDG zeigt sich die enge Verzahnung zwischen der arbeits- und strafrechtlichen Komponente des Themas. Gerade im Hinblick auf diese weitreichenden Konsequenzen wäre mE aber eine Klarstellung der Bedeutung unbestimmter Gesetzesbegriffe („im Hinblick auf die amtliche Stellung“, „orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten geringen Werts“) angebracht und sinnvoll.546