Resch (Hrsg)Versetzung – Der Arbeitnehmer als Schachfigur des Arbeitgebers?

Verlag des ÖGB, Wien 2012, 88 Seiten, broschiert, € 24,90

MANFREDSTAUFER (GMUNDEN)

Das vom Institut für Rechtswissenschaft der Universität Klagenfurt mit der Arbeiterkammer Kärnten veranstaltete 28. Praktikerseminar beschäftigte sich im Mai 2012 mit dem Versetzungsschutz von AN. Die dabei gehaltenen Vorträge von Univ.-Prof. Dr. Gustav Wachter, Priv.-Doz. Dr. Harun Pacic und Ass.-Prof. Dr. Barbara Födermayr sind nun in Form eines Buches erschienen.

Im ersten Teil beschäftigt sich Wachter damit, was eine Versetzung ausmacht, welche Arten zu unterscheiden sind und wie verwandte Phänomene wie Entsendung und Arbeitskräfteüberlassung im Verhältnis zur Versetzung zu sehen sind. Zutreffend wird konstatiert, dass es für die Versetzung lediglich im § 101 ArbVG eine Legaldefinition als „Einreihung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz“ gibt. Eine Definition für den Bereich des Arbeitsvertragsrechts fehlt, doch wird auch hier iSd weiten Verständnisses des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriffs jede (nicht unwesentliche) Änderung des Arbeitsortes, Arbeitsinhaltes bzw der Arbeitszeit eine Versetzung darstellen.

Sehr anschaulich wird zwischen der arbeitsvertragsrechtlichen und der betriebsverfassungsrechtlichen Seite bei Versetzungen differenziert und gemäß der „Zwei-Ebenen- Theorie“ mit Judikaten untermauert, dass jede Versetzung nach beiden Kriterien, unabhängig voneinander, zu prüfen ist. Für den AG bedeutet dies, dass er bei einer vertragsändernden Versetzung neben der Zustimmung des AN auch die Zustimmung des BR braucht, wenn es sich um eine dauernde verschlechternde Versetzung iSd § 101 ArbVG handelt.

In der Folge geht Wachter auf die arbeitsvertragsrechtliche Seite von Versetzungen ein und unterscheidet vertragskonforme (direktoriale) Versetzungen, die einseitig und ohne Zustimmung des betroffenen AN vom AG im Rahmen seines Weisungsrechts angeordnet werden können, von vertragsändernden Versetzungen, die der Zustimmung des AN bedürfen, weil sie die vertraglich vereinbarten Grenzen in örtlicher, inhaltlicher oder zeitlicher Hinsicht überschreiten. Liegt bei letzterer Art der Versetzung die erforderliche Zustimmung des AN nicht vor, ist die Versetzung rechtswidrig und rechtsunwirksam. Thematisiert wird auch, dass vor allem die Abgrenzung zwischen vertragskonformen und vertragsändernden Versetzungen in der Praxis meist schwierig sowie oft umstritten ist und immer anhand des Einzelfalls im Wege einer Auslegung der vertraglichen Abreden zu erfolgen hat.

Nach der Darstellung der allgemeinen Grundsätze beschreibt Wachter, dass sich die Art der zu erbringenden Dienste grundsätzlich nach dem Arbeitsvertrag (bzw den ausdrücklichen sowie schlüssigen Änderungen während des Arbeitsverhältnisses) bestimmt. Ist über Art und Umfang der Dienste nichts vereinbart, sind nach § 1153 ABGB angemessene Dienste zu leisten, wobei zur Beurteilung der Angemessenheit die Verkehrssitte heranzuziehen ist. Daneben bezieht die Judikatur oft auch die Treuepflicht und Umstandsklausel in die Beurteilung mit ein. Auch für den Ort, an dem die Dienste zu erbringen sind, ist die ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung zwischen AN und AG entscheidend. Liegt keine Vereinbarung vor, sind gem § 905 ABGB subsidiär Natur und Zweck des Arbeitsvertrages heranzuziehen. Hinsichtlich Dauer, Lage und Umfang der Arbeitszeit sind ebenfalls die getroffenen Vereinbarungen entscheidend bzw subsidiär die angemessenen Dienste zu leisten.

Aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht unterscheidet Wachter vorübergehende von dauernden und verschlechternde von nicht verschlechternden Versetzungen. Ein Informations- und Beratungsrecht des BR besteht bei dauernden Versetzungen, auch wenn diese nicht verschlechternd sind. Liegt eine nur vorübergehende Versetzung vor, ist diese nur arbeitsvertragsrechtlich zu prüfen. Ändern sich bei einer dauernden Versetzung zugleich auch die Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen zum Nachteil des AN, ist zudem die vorherige Zustimmung des BR oder die ersatzweise Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichts erforderlich. Solange diese Zustimmung des BR oder Gerichts nicht vorliegt, ist die Versetzung rechtsunwirksam und braucht vom AN nicht befolgt zu werden (auch wenn eine direktoriale Versetzung vorliegt oder der AN der vertragsändernden Versetzung zugestimmt hat).

Im nächsten Beitrag beschäftigt sich Pacic mit dem Weisungsrecht des AG als Grundlage für Versetzungen und beleuchtet Rechtsgrundlage, Rechtsnatur, Umfang und Ausübungsschranken. Das Weisungsrecht sei ein Gestaltungsrecht und die Weisung selbst eine Willenserklärung, mit der die arbeitsvertraglichen Pflichten des AN konkretisiert werden. Es gehöre zu den prägenden Merkmalen jedes Arbeitsverhältnisses und zeuge von der persönlichen Abhängigkeit des Dienstleistenden und somit von dessen AN-Eigenschaft, so Pacic.

Rechtsgrundlage der Weisung ist nicht das Gesetz, sondern der Vertrag, in dem es zwar nur selten ausdrücklich erwähnt, aber doch stillschweigend eingeräumt wird. Der Gesetzgeber knüpft an dieses vertraglich eingeräumte Recht bloß an wie etwa in § 27 Z 4 AngG. Betreffend Umfang des Weisungsrechts vertritt Pacic die Meinung, dass sich das Weisungsrecht auf alle noch konkretisierungsfähigen Pflichten des AN aus dem Arbeitsverhältnis erstreckt. Das bedeutet auch, dass der Spielraum für ihre Konkretisierung mittels Weisungen (und damit auch für direktoriale Versetzungen) umso größer ist, je allgemeiner die Dienstpflicht umschrieben ist. Nach der Judikatur kommt beim häufig anzutreffenden Fall der relativ unbestimmten Arbeitspflicht der Verkehrssitte in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Die Gerichte umschreiben dies damit, dass dann, wenn „aus den Umständen bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht eindeutig hervorgeht, dass sich ein Arbeitnehmer nur zu den tatsächlich verrichteten (oder im Arbeitsvertrag erwähnten) Arbeiten verpflichtet hat, allein die Verkehrssitte dafür maßgebend ist, welche anderen Arbeiten er allenfalls zu übernehmen hat557. Ebenfalls existiert umfangreiche Judikatur zur schlüssigen Begründung oder Abänderung von Dienstpflichten. Interessant ist auch der Ansatz, dass über das vertraglich Vereinbarte hinausgehende Weisungen des AG zum Teil auch als Angebote zur Vertragsänderung gedeutet werden, die der AN ausdrücklich oder schlüssig annehmen kann.

Die Arbeitspflicht des AN an sich sieht Pacic nicht dynamisch, ergänzt aber, dass sich eine Änderung der Verpflichtungen aus (konkludenter) Vertragsänderung, aus übergeordneten Normen, aus der Fürsorgepflicht, aus ergänzender Vertragsauslegung oder den Grundsätzen zur Geschäftsgrundlage ergeben könne. Nach Letzteren würden selbst bei detaillierten Vereinbarungen nachfolgende Änderungen der Verhältnisse direktoriale Versetzungen rechtfertigen, wenn sie so gravierend sind, dass sie als Wegfall der Geschäftsgrundlage zu bezeichnen sind. Die Rechtsfolgen sind dann prinzipiell nach dem hypothetischen Parteiwillen auf Grundlage ergänzender Vertragsauslegung zu bestimmen. Zur Ausweitung des Weisungsrechts kann es in Not- oder Katastrophenfällen über die Treuepflicht kommen, was auch zur verpflichtenden Leistung gleichartiger, anderer bzw geringerwertigerer Dienste führen kann.

Mit den betriebsverfassungsrechtlichen Aspekten einer Versetzung nach § 101 ArbVG befasst sich Födermayr. Spannend ist der Hinweis, dass das Informationsrecht des BR bei einer dauernden Versetzung – anders als das Beratungsrecht – vom BR nicht eingefordert werden muss, sondern den Betriebsinhaber eine Verständigungspflicht (vor Durchführung der Versetzung) trifft. Daraus muss für den BR erkennbar sein, ob die Versetzung verschlechternd ist oder nicht. Das Informationsrecht ist auch einklagbar, die Verletzung aber nicht durch Verwaltungsstrafe sanktioniert. Ein Zustimmungsrecht, das im Einzelfall zu erklären ist und nicht etwa durch Mitwirkung bei einem Sozialplan oder bei Sozialmaßnahmen ersetzt werden kann, hat der BR nur bei (dauernden) verschlechternden Versetzungen. Die vor der Versetzung zu erteilende Zustimmung hat ausdrücklich zu erfolgen, kann aber an Bedingungen geknüpft sein. Besteht der BR aus mehreren Personen, ist ein entsprechender Beschluss nach § 68 ArbVG erforderlich. Bei seiner Entscheidung hat sich der BR vorrangig an den Interessen der Belegschaft und nicht an jenen des einzelnen (zu versetzenden) AN zu orientieren. Wieviel Zeit der BR zur Abgabe seiner Erklärung hat, ist nach Födermayr im Einzelfall und nicht in Analogie zur Frist des § 105 ArbVG zu bestimmen.

Födermayr beschreibt in der Folge die gesetzliche Definition des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriffs und weist darauf hin, dass unterhalb einer „Bagatellgrenze“ liegende Änderungen keine Mitwirkung des BR nach § 101 ArbVG begründen. Es muss sich vielmehr um wesentliche Änderungen handeln. Das geforderte Kriterium der Dauer ist erfüllt, wenn die Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz voraussichtlich länger als 13 Wochen andauert oder wenn kein Zeitraum angegeben ist. Kettenversetzungen sind analog der Kettendienstvertragsjudikatur lösbar. Eine provisorisch verbessernde Versetzung samt Rückversetzung ist als Gesamtakt zu sehen. Eine Zustimmung des BR ist erforderlich, wenn sich bei einem nach objektiven Gesichtspunkten durchzuführenden Vergleich der Situation vor und nach der Versetzung herausstellt, dass sich entweder die Entgelt- oder die sonstigen Arbeitsbedingungen verschlechtern.

Mit besonderer Sorgfalt beschreibt Födermayr auch die Rechtsfolgen einer nicht gesetzeskonform durchgeführten Versetzung. Verständigt der Betriebsinhaber den BR nicht, kann der BR Klage erheben. Erfolgte die Versetzung ohne Zustimmung des BR, kann sich nur der betroffene AN, nicht aber der BR zur Wehr setzen. Hinsichtlich der Möglichkeiten für den AN wird es für den Betroffenen vor dem Hintergrund einer sonst möglicherweise drohenden Entlassung am zweckmäßigsten sein, die zugewiesene Arbeit unter schriftlichem Protest anzutreten. Denkbar wäre auch, sich am alten Arbeitsplatz schriftlich arbeitsbereit zu erklären. Jedenfalls steht das Rechtsmittel der Feststellungsklage nach § 228 ZPO mit dem Begehren, dass der Versetzung nicht Folge geleistet werden muss, zur Verfügung, wobei hier den AN eine Aufgriffsobliegenheit trifft. Als ultima ratio wäre auch ein berechtigter Austritt des AN zu erwägen. Wenn der BR die Zustimmung zu einer geplanten Versetzung verweigert, kann der Betriebsinhaber den BR klagen und versuchen, dass das Arbeits- und Sozialgericht die fehlende Zustimmung mittels Rechtsgestaltungsurteil ersetzt.

Hinsichtlich der Abgrenzung des § 101 ArbVG zur Mitwirkung des BR nach § 102 ArbVG führt Födermayr aus, dass das Verhältnis beider Normen zueinander in Lehre und Rsp nicht einheitlich beantwortet wird. Der OGH versteht Versetzungen (wie auch Kündigungen oder Entlassungen) nicht als Disziplinarmaßnahmen iSd § 102 ArbVG. Zum Verhältnis von § 101 ArbVG zu § 109 ArbVG wird zunächst auf eine im Schrifttum heftig kritisierte E des OGH aus dem Jahr 2000 verwiesen, in der das Höchstgericht noch von einer Verdrängung des § 101 ArbVG durch die Mitbestimmung des BR nach § 109 ArbVG ausging. In einer späteren E aus dem Jahr 2005 zu einer Betriebsteilstilllegung kam der OGH allerdings zum Ergebnis, dass ein Sozialplan nicht die Mitwirkung des BR nach § 101 ArbVG ersetzen könne.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das vorliegende Buch einen raschen Überblick über das Thema verschafft und zweifellos eine wertvolle Hilfe für alle darstellt, die beruflich mit Versetzungen zu tun haben.