ReuterDas Arbeitsrecht in der deutschen Rechts- und Wirtschaftsordnung

Nomos Verlag, Baden-Baden 2013, 680 Seiten, gebunden, € 149,–

ROBERTREBHAHN (WIEN)

Der Band versammelt 27 Aufsätze des prominenten Privatrechtlers aus vier Jahrzehnten. Sie umspannen das gesamte Gebiet des deutschen Arbeitsrechts und geben so einen hervorragenden Blick auf jene Fragen, die dort in den letzten Jahrzehnten bewegten. Zwei Anliegen prägen die Beiträge. Dieter Reuter geht es zum einen um die innere Konsistenz der Rechtsordnung, um die Freiheit von Widersprüchen der Wertungen wie der Wirkungen. Zum anderen wendet er sich gegen eine Absonderung des Arbeitsrechts von Grundwertungen der Gesamtrechtsordnung und damit einer Wirtschaftsordnung, die grundsätzlich marktwirtschaftlich ausgerichtet ist. Wiederholt wendet er sich gegen die auf Sinzheimer zurückgeführte, auch in Deutschland wirkungskräftige Sicht des Arbeitsrechts als Klassenrecht, das nur seinen eigenen Wertungen folge. Den Interessen der AN seien daher weniger die (persönlichen) Interessen des AG als vielmehr die Aufgaben eines AG/Unternehmens in der Marktwirtschaft gegenüberzustellen.558

Besonders deutlich kommen diese Anliegen in den ersten beiden Abschnitten zum Ausdruck: „Das Arbeitsrecht und das Postulat der Einheit der Rechtsordnung“ und „Arbeitsrecht in der sozialen Marktwirtschaft“. Hervorgehoben seien daraus der Aufsatz „Die Stellung des Arbeitsrechts in der Privatrechtsordnung“ (aus 1989) und jener über „Die Rolle des Arbeitsrechts im marktwirtschaftlichen System“ (aus dem Ordo-Jahrbuch 1985). Im erstgenannten geht Reuter verschiedenen Vorverständnissen im Arbeitsrecht nach, unterscheidet dazu Ansätze (schuldrechtlich, personenrechtlich und klassenrechtlich) und zeigt, wie sich diese Ansätze bei Einzelfragen jeweils unterschiedlich auswirken. Der bekannte Ordo-Aufsatz bündelt die Anliegen Reuters im Angesicht des (damals) herrschenden Verständnisses des Arbeitsrechts. Auch andere Beiträge spiegeln die Grundanliegen Reuters wider, etwa wenn er zur Funktion von Kündigungsschutz (insb Schutz im Arbeitsverhältnis oder vor Konkurrenz) und Sozialplanabfindung (Steuerung des AG-Handelns, nicht-Entschädigung für Arbeitsplatzverlust) oder gegen die Ableitung des Kündigungsschutzes aus der Erwerbsfreiheit Stellung nimmt.

Die Arbeiten Reuters zeigen, dass Rechtswissenschaft auch im Arbeitsrecht mehr sein kann (und soll) als bloße Rechtskunde, die Vorhandenes sammelt und ein wenig diskutiert, nämlich das Durchdenken der Probleme im größeren Zusammenhang – und damit etwas, was auch sehr gute Anwälte und Richter mangels Zeit idR nicht mehr schriftlich leisten. Die Lektüre von Beiträgen aus dem vorliegenden Band ist daher für alle, die sich für Arbeitsrecht wissenschaftlich interessieren, ein Gewinn, auch wenn sie Auffassungen nicht teilen.

Fraglich ist allerdings, wie sich die Anliegen Reuters zum Unionsrecht verhalten. Wie die Urteile Viking und Laval zeigen, sieht der EuGH das Arbeitsrecht zwar nicht als Sonderbereich – eine konsistente oder gar dogmatisch durchdringbare Rechtsordnung ist dem EuGH aber offenbar auch kein Anliegen. Man kann nur hoffen, dass Jüngere die systematischen Anliegen Reuters in diesem Bereich weiterverfolgen.