WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg)Alter und Recht

Linde Verlag, Wien 2012, 216 Seiten, Hardcover, € 58,–

FLORIANG.BURGER (INNSBRUCK)

Die Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht griff mit „Alter und Recht“ ein Thema für ihr jährliches Symposium 2011 auf, das ähnlich einer Stoßfront, durch Unionsrecht erzeugt, auf unsere nationale Rechtsordnung trifft und dabei auch dort Dynamik erzeugt, wo bisher einmütige Behaglichkeit herrschte. In elf Vorträgen, die dieser Sammelband bewahrt, wurde dieser Umstand beleuchtet.

Die ersten vier Beiträge bilden einleitend den gemeinsamen Nenner: Ulrike Schneider (S 15–34) führt zuerst mit ihrer Darstellung der gesellschaftlichen Alterung vor, wo die demographischen Herausforderungen für Recht und Politik besonders liegen: in der Alters- und der Gesundheitssicherung. Elisabeth Holzleithner (S 35–45) lenkt die Aufmerksamkeit auf die Menschenwürde als Wurzel des Verbots der Altersdiskriminierung, um autonomes Handeln und damit auch die eigene Identität realisieren zu können – zwischen all den ökonomischen Aspekten, die freilich dem Unionsrecht als Marktordnung inhärent sind, ist dies eine Wohltat zu lesen. Die Schranken des einfachen Gesetzgebers zeichnen die nächsten beiden Beiträge einleitend vor: Magdalena Pöschl (S 47–70) bereitet das Verbot der Altersdiskriminierung aus verfassungsrechtlicher Sicht, insb aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes, auf und weist auf Gemeinsames, aber auch Trennendes (vor allem, dass jede/r altert) zu den klassischen Diskriminierungsmerkmalen hin. Robert Rebhahn (S 71–86) gewährt einen kompetenten Überblick über die RL 2000/78/EG mit ihrer Rsp des EuGH von Mangold bis Prigge, des Art 21 Grundrechte-Charta und des im Urteil Mangold erkannten allgemeinen Rechtsgrundsatzes als unionsrechtliche Grundlagen des Altersdiskriminierungsverbots. Dabei finden sich auch kritische Töne zur Ausdehnung des Diskriminierungsverbots über die Arbeitswelt hinaus auf die Sozialsphäre, wie sie bereits von der Europäischen Kommission (KOM[2008] 426 endg), aber auch als „levelling up“ vom BMASK (407/ME 24. GP) vorgeschlagen wurde.

Nach diesem allgemeinen Teil folgt nun der besondere Teil, in dem einzelne Rechtsgebiete näher betrachtet werden. Brigitta Lurger (S 87–111) nähert sich ihrem Thema der Grenzen der Selbstbestimmung im Alter aus privatrechtlicher Sicht über Menschen mit Behinderungen, die nicht mehr selbst bestimmen können, und stellt im Rahmen der Geschäftsfähigkeit die relativ jungen Rechtsinstitute der Vorsorgevollmacht und der Patientenverfügung einschließlich speziell deren Auslandsbezüge vor. Dieser Ansatz geht aber nicht am Thema Alter vorbei, sondern zeigt gerade, wie indirekt das Alter wirkt: Denn je älter man ist, desto eher ist man von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht betroffen. Christoph Kietaibls Beitrag über die gesetzliche Altersvorsorge (S 113–122) lässt sich als direkte Verlängerung von Schneiders einleitender Darstellung lesen: Nach Abbilden der Altersvorsorge im System der gesetzlichen PV, der berufsständischen Kammervorsorge und der BeamtInnenversorgung und ihrer Probleme beim Übertritt von einem in das andere System sieht er durch die gesellschaftliche Alterung größere Probleme in der langfristigen Finanzierung, wie überhaupt in der Legitimation des Gesamtsystems, entstehen. Eine Gegenrede dazu könnte man bspw in B. Schwarz, Alterssicherung mit Zukunft (2012) lesen. Stefan Perner (S 123–133) geht in seinem Beitrag, der wortgleich und mit einer Fußnote ergänzt auch in der Festschrift für Gert Iro (2013) veröffentlicht ist, der Frage nach, ob die EuGH-E Test-Achats, mit der Unisex-Tarife im privaten Versicherungsrecht geboten sind, auch auf das Alter übertragbar ist; dabei fällt sein Blick auch auf den schon oben erwähnten Kommissionsvorschlag. Cornelia Köchle (S 135–152) wendet sich dem Alter und Medizinrecht zu und konzentriert sich dabei auf die gesundheitsrechtliche Frage, ob das Alter ein Allokationskriterium für medizinische Leistungen ist bzw sein kann. Ihre Ausführungen zu dieser Frage der Altersrationierung basieren vor allem auf dem ASVG und dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Angenehm lesbar ist der Beitrag von Harald Eberhard (S 153–179) mit seinen Überlegungen zum Alter im Berufsrecht. Nachdem er exemplarisch verschiedene Altersregelungen im Berufsrecht nennt, konkretisiert er in Fortsetzung der Beiträge von Pöschl und Rebhahn die unions- und verfassungsrechtlichen Vorgaben aus berufsrechtlicher Perspektive und zeigt, dass das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung gleichheitsrechtliche Fragestellungen neu aufwirft. Einen weiteren Beleg, wie indirekt Alter auf an sich altersunabhängige Normen wirken kann, bietet Michael Lang mit seinem Blick auf das Alter im Steuerrecht (S 181–195), wenn er darlegt, dass sich die für die Einkommensteuer maßgebende Besteuerung559 pro Kalenderjahr zulasten von Menschen auswirkt, deren Einkommenshöhe von Jahr zu Jahr schwankt, was typischerweise auf Menschen zutrifft, die mit fortschreitendem Alter ein ständig steigendes Einkommen erwerben und anschließend mit Pensionseintritt einen spürbaren Einschnitt erleben. Auch die Rsp lehnt bspw bei pensionierten BeamtInnen Ausgaben als Werbungskosten ab, deren Abzugsfähigkeit in der Zeit ihres Aktivstandes noch akzeptiert wurde, obwohl ein Wegfall des Beamtengehalts nicht drohte. Und auch der Pensionistenabsetzbetrag bewirkt ein unterschiedliches Tarifgefüge. Der Sammelband schließt zuletzt, aber für die/den LeserIn der DRdA vielleicht am interessantesten, mit dem Beitrag von Michaela Windisch-Graetz zum Alter im Arbeitsrecht (S 197–210) ab, der – der Zielsetzung und des Umfangs des Sammelbandes angemessen – aufzeigt, in welchen Bereichen des Arbeitsrechts die höchstgerichtliche Rsp besonders des EuGH zum Verbot der Altersdiskriminierung eingreift, namentlich Einstiegsalter, Vordienstzeitenanrechnung, Entgeltanspruch und Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei lässt sie zu Recht erkennen, dass nicht alles, was der OGH zweifelsfrei annimmt, tatsächlich ein acte clair ist.

Der Sammelband dokumentiert das Thema „Alter im Recht“ durch Veranschaulichung, wo und wie Alter in den einzelnen Rechtsgebieten eine Rolle spielt, und umreißt die Grenzen des einfachen Gesetzgebers, wobei die AutorInnen je nach ihren Fachgebieten im öffentlichen oder privaten Recht ihren Blick stärker auf das Verfassungsrecht oder das Unionsrecht werfen. Der Sammelband trägt damit gewichtig zur Sensibilisierung für die Altersdiskriminierung bei und ist ein unentbehrliches Stück zur Weiterentwicklung in der Forschung.