Grillberger/MoslerÄrztliches Vertragspartnerrecht

Manz Verlag, Wien 2012, XX, 326 Seiten, broschiert, € 56,–

FRANZMARHOLD (WIEN)

Die Idee dieses Buches entstand ursprünglich aus dem Aktualisierungsbedarf des „Vorgängerwerks“ von Strasser (Hrsg), welches unter dem Titel „Arzt und gesetzliche Krankenversicherung“ mit den Beiträgen der jetzigen Autoren eine rechtsdogmatische Untersuchung des Vertragspartnerrechts im Jahr 1995 zum Inhalt hatte. Mosler hat im selben Jahr zum Thema „Grundprobleme des ärztlichen Vertragspartnerrechts“ habilitiert und den größten Teil des damaligen Werks – außer den Kapiteln 7.4. bis 7.9. und 9. – geschrieben. Es ist besonders erfreulich, dass 17 Jahre nach der Veröffentlichung des zuvor erwähnten Buches Mosler als Mitherausgeber und Autor der Arbeit deutlich sichtbar aufscheint.

Die neue Abhandlung bietet jedoch weit mehr als eine bloße Aktualisierung der alten Auflage. Das Konzept der Arbeit und folglich die Gliederung wurden grundlegend verändert, noch übersichtlicher und praxisorientierter strukturiert. Einige Beiträge wurden weggelassen, so wie bspw jener Beitrag über „die historische Entwicklung des Vertragspartnerrechts“, wobei eine kritische Abhandlung der Ausweitung der Pflichtversicherung sicherlich interessant gewesen wäre. Das Werk bietet eine umfassende und kritische Darstellung des Rechtsverhältnisses zwischen Krankenversicherungsträger und ihren Vertragspartnern (niedergelassene ÄrztInnen, ApothekerInnen, etc) und der damit verbundenen Problemfelder, wobei die einzelnen Kapitel abgegrenzte Fragestellungen aufgreifen und diese gründlich untersuchen. Obwohl die Kapitel auch als selbständige Abhandlungen der jeweiligen Themen angesehen werden könnten, ergibt die Abfolge der zwölf Kapitel doch eine nahezu vollständige Behandlung des ärztlichen Vertragspartnerrechts. Während die ersten drei Abschnitte eine gut strukturierte Einführung in die Grundlagen der gesetzlichen KV und die Organisation der medizinischen Versorgung geben, sowie die Steuerungsprobleme im Gesundheitswesen aus sozialpolitischen und wirtschaftlichen Perspektiven erörtern, werden in den folgenden Kapiteln strittige Ordnungsfragen abgehandelt.

So wird zB im fünften Kapitel die Beendigung des Gesamtvertrags und der so entstehende vertragslose Zustand untersucht. Es wird geprüft, ob bei fehlender gesetzlicher Regelung der Abschluss von Einzelverträgen im gesamtvertragslosen Zustand zulässig ist. Dabei schließt sich Mosler der Meinung von Kietaibl und Kletter an und vertritt die Auffassung, dass sich die Schutzbedürftigkeit von Individualverträgen Selbständiger gegenüber öffentlichen Einrichtungen in den letzten 60 Jahren wesentlich verändert hat und die ÄrztInnen auf den weitgehenden kollektivrechtlichen Schutz viel weniger angewiesen sind (S 109). Diesem Argument wird jedoch entgegengehalten, dass auch ein noch so offensichtlicher Wertewandel den Gesetzesinhalt nicht automatisch verändert. Mosler bringt zwei Hauptargumente gegen die Zulässigkeit des Einzelvertrags ohne Gesamtvertrag. Erstens wird mit der speziellen Natur des Einzelvertrages argumentiert, der lediglich eine Zustimmungserklärung des Arztes zu einem im Gesamtvertrag vorgegebenen Inhalt ist und folglich ohne den Gesamtvertrag nicht bestehen kann. Zweitens wird angeführt, dass das Gesetz den Einzelvertrag ohne Gesamtvertrag ausdrücklich nur für eine andere Berufsgruppe, nämlich für die freiberuflich tätigen klinischen PsychologInnen bzw PsychotherapeutInnen vorsieht. Somit kommt Mosler zur Schlussfolgerung, dass es keine zwingenden neuen Argumente gibt, die für die Zulässigkeit von Einzelverträgen im gesamtvertragslosen Zustand sprechen (S 111).

Das neunte Kapitel ist dem Thema WahlärztInnen gewidmet. Darin wird ua untersucht, ob ein Vertragsarzt Leistungen auch als Wahlarzt erbringen kann (S 242 ff), wie die Kostenerstattung ausfallen soll, wenn es um Leistungen eines Wahlarztes geht, für die bei den VertragsärztInnen Beschränkungen der Verrechenbarkeit vereinbart sind (S 251 ff) und ob Gesundenuntersuchungen auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers durchgeführt werden sollen, wenn sie von einem Arzt erbracht werden, der in keinerlei Vertragsbeziehung zu dem Versicherungsträger steht (S 255 ff). Weiters wird näher auf die Frage eingegangen, ob die Begrenzung der Kostenerstattung bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes in Konflikt mit den europarechtlichen Vorgaben stehe; konkreter formuliert, ob die Kostenerstattungsregelung des § 131 ASVG gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoße (S 248 ff). Windisch-Graetz bejaht dies bezüglich der WahlärztInnen, weil die Begrenzung der Kostenerstattung die Versicherten abschrecken könnte, private LeistungsanbieterInnen im Ausland in Anspruch zu nehmen. Dieses Argument – das mit der Rsp des EuGH vereinbar erscheint – hält Grillberger für „recht gekünstelt“. Seiner Auffassung zufolge liegt der Grund des möglichen Abschreckens der Versicherten bereits bei der Kostenerstattung nach den inländischen Tarifen. Kritisch wird auch die Meinung von Karl und Resch hinterfragt, die behaupten, dass nach der Rsp des EuGH der ausländische Arzt gleich wie ein inländischer Vertragsarzt zu behandeln ist. Grillberger bestreitet, dass aus der Rsp ein solcher Schluss zu ziehen ist. Letztlich kommt er zum Ergebnis, dass – auch wenn die Kostenerstattungsregelung einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit darstellte – sie mit den absehbaren inländischen Folgewirkungen einer vollen Erstattung sachlich gerechtfertigt werden kann (S 251).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es den Autoren gut gelingt, ein komplexes Thema detailliert und mit der notwendigen dogmatischen Tiefe aufzuarbeiten. Das Buch bietet eine solide Darstellung der aktuellen Rechtsfragen der gesetzlichen KV und bleibt ein Grundlagenwerk auf diesem Gebiet. Die Arbeit vereinigt hohe wissenschaftliche Qualität und Praktikabilität und ist somit sowohl für Fachleute und PraktikerInnen, als auch für interessierte Studierende eine empfehlenswerte Lektüre.566