49Sozialwidrigkeit ist nicht gleich Rechtswidrigkeit – oder zur Naturalrestitution als abschreckende Maßnahme
Sozialwidrigkeit ist nicht gleich Rechtswidrigkeit – oder zur Naturalrestitution als abschreckende Maßnahme
Die Kl war seit 1994 [...] bei Rechtsvorgängern der [...] Bekl beschäftigt. Mit [...] 18.9.2008 wurde die Kl zum 31.1.2009 gekündigt, weil sie als Einzige der Mitarbeiter vor Vollendung des Regelpensionsalters stand. [...] Am 30.9.2008 brachte die Kl gegen die Kündigung eine Anfechtungsklage wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ein. Aufgrund des ungewissen Ausgangs dieses Verfahrens beantragte sie Ende 2008 die Gewährung der Alterspension, die sie am 1.2.2009 antrat. Im Fall des Antritts der ASVG-Alterspension um ein Jahr später (am 1.2.2010) wäre die Pension höher gewesen.
Der Anfechtungsklage [...] wurde mit Urteil vom 19.5.2009 [...] stattgegeben und die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt; das Urteil wurde im April 2010 rechtskräftig. Aufgrund dieses Urteils wurde der Kl das ausstehende Entgelt für den Zeitraum 1.2.2009 bis 31.1.2010 nachgezahlt. Das Dienstverhältnis der Kl endete durch DG-Kündigung zum 31.1.2010; diese Kündigung wurde von der Kl nicht angefochten.
Mit der zugrunde liegenden Klage begehrte die Kl die Feststellung, dass ihr die Bekl für alle aus der Kündigung zum 31.1.2009 resultierenden Schäden, die ihr durch die im Hinblick auf die frühere Antragstellung geringere ASVG-Pension entstünden, zu haften habe. Die Kündigungsanfechtung habe sie wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung gewonnen. Die Bekl habe mit der Kündigung gegen die sie treffende Fürsorgepflicht verstoßen. Die Praxis der Bekl, Frauen zum 60. und Männer zum 62,5. Geburtstag zu kündigen, sei überdies alters- und geschlechterdiskriminierend. [...] Aufgrund der Kündigung sei sie gezwungen gewesen, die Alterspension [...] zu beantragen.
Die Bekl entgegnete, dass die Kl nicht gezwungen gewesen sei, in Pension zu gehen. [...] Mit den erhaltenen Abfertigungszahlungen hätte sie die Zeit zwischen der Kündigung und der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils im Anfechtungsverfahren überbrücken können. [...] Ein Verschulden könne ihr [der Bekl] nicht angelastet werden. Die Kündigung sei auch nicht geschlechter- und/oder altersdiskriminierend gewesen. [...]
Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab. Ein Schadenersatzanspruch der Kl gem § 1295 ABGB komme mangels eines rechtswidrigen Verhaltens der Bekl nicht in Betracht. Ersatz- bzw Schadenersatzansprüche für den Verlust des Arbeitsverhältnisses seien nicht Gegenstand [...] des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG. Auch der Schutzzweck der §§ 12 und 26 GlBG erstrecke sich nicht auf einen durch die Weiterbeschäftigung allenfalls höheren Pensionsanspruch.
Das Berufungsgericht bestätigte diese E. [...] Soweit sich die Kl auf eine Verletzung des GlBG stütze, sei zu beachten, dass dieses Gesetz dem diskriminierten AN ein Wahlrecht zwischen einer Anfechtung der Kündigung oder der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen [...] einräume. Abgesehen davon, dass die Sechsmonatsfrist nach §§ 15 und 29 GlBG bei Einbringung der Klage längst verstrichen gewesen sei, habe die Kl die Kündigung zum 31.1.2009 angefochten und nicht gegen sich gelten lassen. [...]
[...] Der OGH sah die Revision der Kl als zulässig, aber nicht berechtigt an. [...]
2.1 Es entspricht der Rsp, dass bei einem Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes [bei] Beurteilung der Betriebsbedingtheit der Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG zu überprüfen ist, ob der AG seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist. [...]
2.2 Die rechtliche Konsequenz eines Verstoßes [da]gegen besteht [...] in der Anfechtbarkeit der Kündigung mit der Wirkung, dass die Auflösungserklärung [...] ex tunc für unwirksam erklärt wird (RIS-Justiz RS0028417 [T2]). Mit der Herstellung des rechtmäßigen Zustands wird dem Erfüllungsanspruch des AN Rechnung getragen (vgl Marhold in
2.3Windisch-Graetz hat in ihrer Untersuchung zur sozialen Gestaltungspflicht des AG (Soziale Gestaltungspflicht über die Betriebsgrenzen hinaus?ZAS 1996, 109) darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit [...] als gesetzliche Konkretisierung des allgemeinen Fürsorgegedankens verstanden werden könne (vgl auch Binder in
Der OGH folgt dem Ansatz, dass § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht darstelle, nicht. Der allgemeine Kündigungsschutz des ArbVG ist als personelles Mitwirkungsrecht der Belegschaft konzipiert. Die Anfechtungsbefugnis ist also ein besonderes Recht der Belegschaft. [...] Gegebenenfalls kann sie das Klagerecht auch dem AN selbst überlassen (OGH8 ObA 21/12i). Die kollektive Konzeption des Kündigungsschutzes wird in besonderem Maß auch durch das Sperrecht des BR deutlich. [...]503
[Daraus] folgt, dass das Anfechtungsrecht der Belegschaft wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung von der Fürsorgepflicht des AG zu unterscheiden ist.
2.4 [...] ist auch zu berücksichtigen, dass außerhalb des gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsschutzes – bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit – ein grundsätzlich freies Kündigungsrecht besteht. Eine Kündigung des AG ist daher im Allgemeinen nicht rechtswidrig. Abgesehen von gesondert zu beurteilenden Diskriminierungstatbeständen kann der AG auch nicht verpflichtet sein, ein Arbeitsverhältnis über die Erreichung des Regelpensionsalters hinaus allein aus dem Grund fortzusetzen, dem AN eine höhere Abfertigung oder höhere Pensionszahlungen zu sichern (vgl Marhold, aaO Rz 107).
2.5 [...] stellt die Möglichkeit für den AN, bei Verletzung der sozialen Gestaltungspflicht durch den AG iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG die Kündigungserklärung durch Rechtsgestaltungsurteil beseitigen zu lassen, einen angemessenen Interessenausgleich dar. Eine Sozialwidrigkeit iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist demnach nicht mit einer Rechtswidrigkeit iSd § 1295 ABGB gleichzusetzen.
2.6 Auch wenn der Anfechtungsklage der Kl [...] wegen Beeinträchtigung wesentlicher Interessen nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG stattgegeben wurde, weil „sich bei einer Weiterbeschäftigung der Kl bis zum 31.1.2010 die Einkommenseinbuße von rund 30 % auf (zumutbare) rund 20 % reduziert hätte
“ und der Kündigung keine maßgeblichen betrieblichen Erfordernisse der Bekl entgegengestanden seien, kann sie den Pensionsschaden, der sich daraus ergibt, dass sie trotz der (später erfolgreichen) Anfechtung der Kündigung einen Pensionsantrag gestellt [hat] und die Alterspension bereits zum 1.2.2009 angetreten ist, nicht unter Berufung auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend machen. [...]
4.1 In der E C-356/09, Kleist, gelangte der EuGH zum Ergebnis, dass eine Möglichkeit des AG zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Altersgrenze, mit der ein Anspruch auf Altersrente besteht, eine unmittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen des Geschlechts darstellt, wenn Frauen diesen Anspruch in einem Alter erwerben, das fünf Jahre niedriger ist als das Alter, in dem der Anspruch für Männer entsteht. Nach der [...] RL 2006/54/EG [...] ist gegen eine unmittelbare Ungleichbehandlung nur die Einrede der wesentlichen beruflichen Anforderung zulässig (Art 14 Abs 2; vgl Schrammel/Winkler, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht 133). [...] eine Kündigung wegen Erreichen des gesetzlichen (Regel-)Pensionsalters geschlechterspezifisch diskriminierend ist, wenn für Männer und Frauen ein unterschiedliches (Regel-)Pensionsalter besteht.
4.2 Nach den Feststellungen wurde die Kl gekündigt, weil [...] ein Arbeitsplatz eingespart werden sollte und sie als Einzige vor Erreichen des Regelpensionsalters gestanden ist. Dazu hat das Erstgericht [...] festgehalten, dass es nicht generell Vorgabe bei der Rechtsvorgängerin der Bekl gewesen sei, Mitarbeiter mit Erreichen des Regelpensionsalters automatisch und ohne weiteren Anlass zu kündigen. [...]
Die Kl hat sich [...] auf die generelle Vorgabe [...] bei der Bekl selbst berufen, Frauen zum 60. und Männer zum 62,5. Geburtstag zu kündigen. In der Berufung hat sie dazu auf § 16 Z 4 lit a des Mutter-KollV Bezug genommen. [...]
4.3 Die Fragen, ob der erwähnte KollV auf die Kl anwendbar ist und ob bei der Bekl die von der Kl behauptete Kündigungsautomatik besteht, müssen [...] mit Rücksicht auf die Bestimmungen des GlBG nicht abschließend geklärt werden.
Bei einer Verletzung des Diskriminierungsverbots nach [...] RL 2006/54/EG müssen die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen. Die Mitgliedstaaten haben dafür Sorge zu tragen, dass der [...] durch eine Diskriminierung zugefügte Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen und angemessen ersetzt wird. Ein Wiedereinstellungsanspruch muss nicht zwingend gewährt werden (Schrammel, aaO 133).
Diese Vorgaben wurden in Österreich mit dem GlBG (hier idF BGBl I 2008/98) umgesetzt. § 12 Abs 7 GlBG räumt dem [...] AN ein Wahlrecht ein. Er kann die diskriminierende Kündigung bzw Entlassung entweder gerichtlich anfechten oder aber den Schaden (Vermögensschaden und immateriellen Schaden) aus der diskriminierenden Beendigung geltend machen. Nach den Gesetzesmaterialien handelt es sich bei der mit einer erfolgreichen Anfechtung verbundenen Wiederherstellung des Arbeitsverhältnisses um die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands iS einer Naturalrestitution gem § 1323 ABGB. Hopf/Mayr/Eichinger (GlBG § 12 Rz 92) weisen darauf hin, dass – entgegen den Vorgaben der RL – neben der Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands keine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung vorgesehen ist.
4.4 Diese Frage und jene nach den [...] unionsrechtlichen Konsequenzen müssen hier aber nicht weiter vertieft werden. Die von der Kl geltend gemachten Ansprüche scheitern [...] an der Nichteinhaltung der Klagefrist nach § 15 Abs 1a GlBG. [...]
[...] hat die Kl [...] die Kündigung zum 31.1.2009 angefochten. In der Anfechtungsklage hat sie dazu vorgebracht, dass es bei der Bekl eine (interne) RL gebe, derzufolge alle Mitarbeiter mit dem 60. Lebensjahr gekündigt würden. Auf eine geschlechterspezifisch diskriminierende Kündigung iZm dem Erreichen eines unterschiedlichen Pensionsalters hat sie nicht Bezug genommen. [...] hat das Berufungsgericht im Anfechtungsverfahren [...] festgehalten, dass die Frage der Diskriminierung im Verfahren nicht relevant gewesen sei.
Mangels Anfechtung der fraglichen Kündigung nach dem GlBG wäre der Kl selbst nach [...] § 12 Abs 7 leg cit (trotz normierten Wahlrechts) die Geltendmachung des darin vorgesehenen Schadenersatzanspruchs offen gestanden. Die Kl hätte aber die Frist nach § 15 Abs 1a leg cit wahren müssen.
5.1 Im vorliegenden Verfahren beruft sich die Kl ausdrücklich nicht auf einen Schadenersatzanspruch nach § 12 Abs 7 letzter Satz GlBG. Vielmehr vertritt sie die Ansicht, dass eine diskriminierende Kündigung [...] rechtswidrig sei und bei einem schuldhaften Verhalten des AG die Ansprüche unabhängig von den in den §§ 15 bzw 29 GlBG genannten Fristen geltend gemacht werden könnten.504
5.2 Mit dieser Ansicht ist die Kl nicht im Recht.
Nach Lehre und Rsp geht ein zeitlich späteres Spezialgesetz einer grundsätzlichen Regelung vor. Ist die spätere Regel zugleich lex generalis, so hebt im Zweifel das spätere Gesetz auch das frühere speziellere Gesetz eines bestimmten Rechtsgebiets dann auf, wenn das spätere Gesetz selbst eine „Kodifikation“ darstellt (RIS-Justiz RS0008900; OGH2 Ob 92/11k; OGH7 Ob 224/11h).
Mit dem GlBG wurden die Diskriminierungsverbote, die sich aus den einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben ergeben, umgesetzt. [...] Die Bestimmungen des GlBG sind [...] speziell dafür normiert worden, um einen angemessenen Rechtsschutz der Betroffenen wegen verbotener Diskriminierung zu schaffen. [...]
5.3 [...] stehen die Bestimmungen des GlBG zu den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften im Derogationsverhältnis (vgl OGH2 Ob 92/11k). Beim GlBG handelt es sich nicht nur um die spätere Regelung, sondern zugleich auch um die lex specialis. Außerdem sind die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des GlBG auch als abschließende Regelungen zum Ausgleich von Beeinträchtigungen aufgrund von Diskriminierungen im Anwendungsbereich des GlBG zu sehen.
Bei den schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des GlBG handelt es sich somit um die späteren Spezialbestimmungen im Verhältnis zu den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Dies gilt auch für § 15 GlBG [...], der als lex specialis die allgemeinen Verjährungsvorschriften des ABGB verdrängt.
Da es sich bei den schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des GlBG somit um spezielle und abschließende Regelungen zur Sanktionierung der von der Kl behaupteten Verstöße gegen das Verbot der Diskriminierung (hier) aus Gründen des Geschlechts handelt, kann sie nicht auf die [...] §§ 1295 ff ABGB zurückgreifen. [...]
6.1 Zu der von der Kl geltend gemachten Altersdiskriminierung ist darauf hinzuweisen, dass [diese] unter bestimmten Umständen zulässig sein kann und daher einer Rechtfertigung zugänglich ist (Art 6 der RL 2000/78/EG). [...]
6.3 Die Frage, ob sich die Kl auf eine Diskriminierung aus Gründen des Alters berufen könnte, muss [...] nicht abschließend beantwortet werden. [...] § 26 Abs 7 stellt das Pendant zu § 12 Abs 7 dar; § 29 Abs 1a GlBG entspricht der Regelung des § 15 Abs 1a leg cit (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 26 Rz 43 und § 29 Rz 1). Dementsprechend gilt die [...] Beurteilung zur Derogation der allgemeinen schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des ABGB auch für eine Altersdiskriminierung.
7.1 Zusammenfassend ergibt sich: [... Die Zusammenfassung entspricht den der E vorangestellten Leitsätzen.] [...]
Die Revision war in der vorliegenden E zulässig, da bisher höchstgerichtliche Rsp zum Bestehen eines allgemeinen Schadenersatzanspruchs bei sozialwidsozialwidriger Kündigung wie auch zur Spezialität der Schadenersatzansprüche des GlBG gegenüber allgemeinen Ersatzansprüchen nach dem ABGB fehlte. Einen Ersatzanspruch wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung verneinte der OGH: Ein sozialwidriges Verhalten nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist nicht rechtswidrig iSd § 1295 ABGB. Einer Berufung auf die Fürsorgepflicht des AG, aus der die Rechtswidrigkeit resultieren könnte, erteilte der OGH eine Absage. Dem ist insb unter dem Aspekt der grundsätzlich bestehenden Kündigungsfreiheit, auf die auch der OGH rekurriert, beizupflichten.
Auch eine Berufung auf rechtswidriges AG-Verhalten wegen Verstoßes gegen das GlBG schied zur Begründung eines Schadenersatzanspruchs nach ABGB aus: Aufgrund Posteriorität und Spezialität der (schadenersatzrechtlichen) Vorschriften zur Sanktionierung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Gründen des Geschlechts bzw des Alters gegenüber den allgemeinen Vorschriften der §§ 1295 ff ABGB könnten bei ungerechtfertigter Ungleichbehandlung ausschließlich Ansprüche nach § 12 Abs 7 bzw § 26 Abs 7 GlBG geltend gemacht werden. Da die Fristen zur Geltendmachung dieser Ansprüche gem §§ 15 Abs 1a, 29 Abs 1a GlBG abgelaufen waren, musste zwar nicht in der Sache entschieden werden, ob eine ungerechtfertigte Diskriminierung vorlag. Selbst bei Rechtswidrigkeit des AG-Handelns wegen Verstoßes gegen die genannten Diskriminierungsverbote hätte sich die Kl jedoch nicht auf §§ 1295 ff ABGB berufen können, um ihren Vermögensschaden ersetzt zu bekommen.
Fraglich ist, ob bei Einhalten der Fristen des GlBG und tatsächlicher Berufung auf die Diskriminierung Pensionsschaden und Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht hätten werden können und ob dies unionsrechtlich geboten ist. Der OGH scheint dies zumindest dann für möglich zu halten, wenn die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG angefochten wird (Pkt 4.4 der E).
In seiner Anm zur vorliegenden E plädiert Grillberger (in wbl 2013, 331 [335]) dafür, § 12 Abs 7 GlBG richtlinienkonform auszulegen und zusätzlich zur Anfechtung den Ersatz des Vermögensschadens zu gewähren. Ähnlich sehen dies Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Art 12 Rz 92, 97: Mit § 12 Abs 7 GlBG werde gegen die RL 2006/54 verstoßen; in richtlinienkonformer Auslegung seien die anderen Absätze des § 12 GlBG analog auf die Beendigung anzuwenden. Unter Verweis auf EuGH 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Slg 1997, I-2195 Rn 29 wird in der Literatur festgehalten, ein Verstoß gegen Unionsrecht dürfe nicht mit weniger wirksamen Sanktionen geahndet werden als gleichwertige Verstöße nach nationalem Recht (zB Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG Art 12 Rz 96; Kletečka in
Gem Art 25 RL 2006/54 können Sanktionen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen, auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen. Erachtet man ein Anfechtungsrecht bei diskriminierender Kündigung als wirksam, verhältnismäßig und abschreckend (zB Diller/Kriege/Arnold, NZA 2006, 887 [888]; dagegen zB Kamanabrou, RdA 2007, 199 [294]), so könnte – auch wegen des Primats der Naturalrestitution (vgl die ErläutRV [415 BlgNR 23. GP 6] zu § 12 Abs 7 GlBG) – mit dem Anfechtungsrecht den unionsrechtlichen Vorgaben Genüge getan sein. Art 25 ist jedoch in Synopse mit Art 18 RL 2006/54 zu lesen, wonach der „durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden ... tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird ...
“. Daraus wird in der Literatur die Europarechtswidrigkeit des § 12 Abs 7 GlBG, der lediglich ein Wahlrecht zwischen der Anfechtung und dem Ersatz des Vermögensschadens sowie eines allfälligen ideellen Schadens zulässt, abgeleitet und für eine richtlinienkonforme Auslegung plädiert.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Unklar ist, ob der Ausgleich/Ersatz des Schadens gem Art 18 RL 2006/54 tatsächlich monetär zu erfolgen hat oder ob nicht durch Anfechtung der diskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenso abschreckender und angemessener Ersatz geleistet wird. Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass auch das BAG darüber bislang nicht entschieden hat (zB 8 AZR 642/08 Rn 16); in der Literatur wird jedoch darauf hingewiesen, dass Art 18 leg cit (bzw die Vorgängerbestimmung Art 6 Abs 2 RL 76/207) auf „missverstandener
“ EuGH-Judikatur beruht (Kamanabrou, RdA 2006, 321 [336]): Ob als Sanktion ein Schadenersatzanspruch ieS gewährt wird, sei den Mitgliedstaaten überlassen (zB EuGH 26.1.1993, C-271/91, Marshall II, Slg 1993, I-4367 Rn 23; explizit Rs Draehmpaehl, Rn 25: „Wenn sich ein Mitgliedstaat dafür entscheidet, den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot mit der Sanktion einer Entschädigung zu belegen...
“; dazu auch Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht3 [2010] 187; Junker, Arbeitsrecht12 [2012] Rz 166). Im Gegensatz zur österreichischen Literatur wird zudem aus dem systematischen Zusammenhang zwischen Art 18 und 25 RL 2006/54 abgeleitet, dass es nicht unbedingt des Schadenersatzes ieS bedarf, um der RL gerecht zu werden (Kamanabrou, RdA 2006, 336).
Aufgrund der Unsicherheit, wie Art 18 RL 2006/54 auszulegen ist, wäre die Frage der Europarechtskonformität des § 12 Abs 7 GlBG wohl dem EuGH vorzulegen.
Selbst wenn man entgegen der bisherigen EuGHJudikatur zusätzlich zur Kündigungsanfechtung einen Schadenersatzanspruch bejaht, stellt sich die Frage, ob der Pensionsschaden als reiner Vermögensschaden auch verschuldensunabhängig zu ersetzen ist. Grundsätzlich sind die Schadenersatzansprüche des § 12 Abs 7 GlBG zwar verschuldensunabhängig zu gewähren (Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht3 186; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG Art 12 Rz 8). Abschreckendes Bußgeld soll neben der Anfechtung der Beendigung jedoch lediglich bei Verschulden des AG zu zahlen sein (Kamanabrou, RdA 2007, 204). Mag auch der Pensionsschaden im Gegensatz zu einem derartigen Bußgeld ein tatsächlich eingetretener Schaden sein, so kann diesem Ansatz, Schadenersatz zusätzlich zur Anfechtung nur verschuldensabhängig zu gewähren, einiges abgewonnen werden, insb wenn bereits die Anfechtung als hinreichend abschreckende Maßnahme eingeordnet wird.
Abschließend kann die Verschuldensfrage an dieser Stelle nicht beantwortet werden, allerdings könnte der Ersatzanspruch auch aus anderen Gründen scheitern: Der Pensionsschaden ist nicht unmittelbar aufgrund der Diskriminierung, sondern wegen des Pensionsantrags der Kl eingetreten. Wie die Bekl festgehalten hat, hätte die Kl (zumindest in der Theorie) mit dem Antrag zuwarten können. Fraglich ist daher bereits, ob ein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen der diskriminierenden Beendigung und dem Eintritt des Pensionsschadens existiert. Schließlich wäre der Pensionsschaden auch eingetreten, wenn der AG das Arbeitsverhältnis diskriminierungsfrei beendet hätte – auch in diesem Fall wäre die Pension niedriger gewesen als bei späterer Beendigung. Gerhartl, ecolex 2011, 939 (940), hält fest, dass ein Vermögensschaden, der auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, nicht ersatzfähig ist. Es ist daher überaus fraglich, ob ein ersatzfähiger Schaden vorliegt, das AG-Verhalten kausal für den Schadenseintritt war und den AG ein Verschulden daran trifft.
Wie Art 18 RL 2006/54 zu interpretieren ist, müsste der EuGH aufgrund seines Auslegungsmonopols betreffend das Unionsrecht entscheiden. Dass dies der damit verfolgten Rechtssicherheit dient, zeigt die auszugsweise dargestellte kontroverse Auslegung der Vorschrift in der Literatur. Mangels Sicherheit, wie Art 18 leg cit zu interpretieren ist, scheidet eine richtlinienkonforme Auslegung des § 12 Abs 7 GlBG – abgesehen davon, dass der Wortlaut des § 12 Abs 7 GlBG klar und eindeutig und eine richtlinienkonforme Interpretation contra legem nicht zulässig ist (vgl auch Windisch-Graetz in ZellKomm2 [2011] § 12 GlBG Rz 11) – wohl aus.
Die E offenbart schließlich eine Diskrepanz des Sozialversicherungsrechts: Werden AN, die die Anspruchsvoraussetzungen für eine Alterspension erfüllen, gekündigt, haben diese gem § 22 AlVG keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Existiert keine finanzielle Absicherung, die eine Arbeitssuche trotz fehlender Entgeltzahlung während laufendem Kündigungsanfechtungsprozess ermöglicht, sind die AN in praxi gezwungen, die Alterspension anzutreten. Ob hierdurch dem Ziel der faktischen Anhebung des Pensionsantrittsalters oder jenem der Erhöhung des Anteils älterer AN (Grillberger/Pfeil, Österreichisches Sozialrecht9 [2012] 123) entsprochen wird, ist zu bezweifeln.506