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Fraktionelle Wahlwerbung nicht vom Personalvertretungsmandat umfasst

ELIASFELTEN (SALZBURG)
  1. Es ist selbstverständlich, dass die demokratisch gewählten Personalvertreter, die sich gegebenenfalls einer Wiederwahl stellen, jedenfalls aber ihre Aufgaben pflichtgemäß erfüllen und die Wahlberechtigten davon überzeugen wollen, berechtigt sind, auch von sich aus die Kontakte zu den Bediensteten herzustellen und ihnen ihre Standpunkte und Auffassungen darzulegen.

  2. Bei einer rein fraktionellen Tätigkeit handelt es sich, ebenso wie bei einer gewerkschaftlichen Maßnahme, um eine Tätigkeit, die unabhängig von der Ausübung der Personalvertretertätigkeit erfolgt.

  3. Es ist zwar richtig, dass Wahlwerbung einer demokratischen Wahl immanent ist, doch ist diese nicht vom Mandat des § 28 Abs 2 PVG bzw § 70 Abs 3 PBVG umfasst.

Der [...] gem § 17 Abs 1a Poststrukturgesetz (PTSG) der Erstkl dienstzugewiesene Bundesbeamte übt zugleich die Funktion eines Personalvertreters im bekl Zentralausschuss und des Bundesvorsitzenden der Fraktion F aus (in der Folge kurz Personalvertreter genannt).

Am 7.10.2010 erhob die Erstkl bei der Di eine Disziplinaranzeige gegen den Personalvertreter, in der sie [...] den Vorwurf geltend machte, er habe entgegen der als Weisung zu qualifizierenden Car-Policy, Pkt 2.7 bis Pkt 4.1, ein Dienstfahrzeug, welches von ihm genutzt werde, ohne ihre Zustimmung mit Aufklebern bzw Werbeplakaten seiner wahlwerbenden Fraktion F versehen; dies ungeachtet der Tatsache, dass er in der Vergangenheit mehrmals zur Einhaltung einer rechtskonformen Verhaltensweise ausdrücklich angehalten habe werden müssen und worden sei, wie zB mit E-Mail vom 5.7.2010. Mit Schreiben vom selben Tag (7.10.2010) übermittelte die Erstkl die Disziplinaranzeige dem Bekl und ersuchte um Zustimmung zur disziplinären Verfolgung des Personalvertreters bis spätestens 15.10.2010. Der Bekl entsprach diesem Ersuchen nicht.

Den Mitgliedern des Bekl stehen bei der Erstkl mehrere Fahrzeuge zur Verfügung. Auf einem davon von den Angehörigen der Fraktion F benützten PKW war auf der Heckscheibe ein Aufkleber angebracht. Die Aufschrift bestand auf der linken Seite der Heckscheibe aus den in großer Schrift applizierten Großbuchstaben „F“, unterhalb in kleinerer Schrift „F Liste – Mehr Mensch – weniger Partei“ und darunter in einer mittleren Schriftgröße etwas schräg gehalten der Schriftzug „Dein * Team on Tour“. Die rechte Seite des Aufklebers bestand aus einem überdimensionalen „Stimmzettel für die PV-Wahl und GPF-Wahl vom 21. bis 23. September“, wobei bei der Liste *, der F bereits ein Kreuz gesetzt war [...].

Mit E-Mail vom 5.7.2010 forderte die Erstkl den Personalvertreter auf, die am Fahrzeug angebrachten Werbefolien unverzüglich zu entfernen, weil sie ihre – gem Pkte 2.7 bzw 4.1 der Car-Policy – notwendige Zustimmung nicht erteilt habe.

Die Kl begehrten mit der vorliegenden Klage [...] die Feststellung, dass die dem Personalvertreter in der Disziplinaranzeige vom 7.10.2010 vorgeworfenen Handlungen, nämlich ua das Anbringen von Aufklebern und Werbeplakaten seiner wahlwerbenden Fraktion F auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeug, nicht in Ausübung seines Mandats als Mitglied der Bekl erfolgt seien. Das – im Übrigen weisungswidrige, weil gegen die Pkte 2.7 bis 4.1 der Car-Policy verstoßende – Anbringen von Aufklebern und Werbeplakaten der Fraktion F auf einem von ihr der Personalvertretung zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeug sei eine wahlwerbende Maßnahme, die als rein gewerkschaftlich-fraktionelle Einzelaktion außerhalb jeglichen Zusammenhangs mit der Mandatsausübung iSd Post-Betriebsverfassungsgesetzes (PBVG) stehe. Der Bekl habe die gem § 70 Abs 1 PBVG notwendige Zustimmung zur dienstrechtlichen Verfolgung des Personalvertreters daher zu Unrecht verweigert.

Der Bekl bestritt dies. [...]

Das Erstgericht [...] stellte mit Wirkung zwischen der Erstkl und des Bekl fest, dass die dem Personalvertreter in der Disziplinaranzeige vom 7.10.2010 vorgeworfene Handlung, nämlich das Anbringen von Aufklebern und Werbeplakaten seiner wahlwerbenden Fraktion F auf dem von der Erstkl zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeug nicht in Ausübung seines Mandats als Mitglied des Bekl erfolgt sei. [...]

Das Berufungsgericht gab [...] der gegen den klagestattgebenden Teil der E gerichteten Berufung des Bekl nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung:

Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich nicht mehr. [...] Aber auch mit ihren Überlegungen, ob der dem Personalvertreter in § 70 PBVG eingeräumte Schutz iSd Mandatsschutzklausel des § 120 ArbVG zu interpretieren sei, zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die vorliegende Rechtsfrage kann mit Hilfe der insb in OGH8 ObA 76/07w erarbeiteten Leitlinien gelöst werden (vgl OGH4 Ob 110/12y; Zechner in

Fasching/Konecny
2 § 502 ZPO Rz 70 mwN). Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Auch unter Anlegung der zu § 28 Abs 2 Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG) – der Wortlaut dieser Bestimmung entspricht praktisch jenem des § 70 Abs 3 PBVG – ergangenen Grundsätze ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Personalvertreter habe durch das Anbringen der Werbefolie seiner wahlwerbenden Fraktion F auf dem von der Erstkl zur Verfügung gestellten Fahrzeug nicht in Ausübung seines Mandats als Mitglied des Bekl gehandelt, jedenfalls vertretbar. Nach ständiger Spruchpraxis der Personalvertretungsaufsichtskommission (PVAK), an der sich der OGH bereits in 8 ObA 76/07w orientiert hat,512 gehört zur Ausübung der Personalvertreterfunktion all das, was nach dem Wortlaut des Bundes-Personalvertretungsgesetzes Personalvertretungstätigkeit ist. So die Teilnahme an Sitzungen des Personalvertretungsorgans, dem der Personalvertreter angehört, die Teilnahme an Verhandlungen mit dem DG und an Dienststellenversammlungen, ebenso die Teilnahme an unverbindlichen Besprechungen, die vom DG für notwendig gehalten wurden, sowie alle Geschäftsführungshandlungen für das Personalvertretungsorgan. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit im weitesten Sinn der Personalvertretertätigkeit iSd Vertretung der Interessen der Bediensteten gegenüber dem DG oder der Vertretung dienlichen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeit zu werten ist (A19-PVAK/04). Funktionsausübung ist überdies jede Tätigkeit eines Personalvertreters, die dem Personalvertretungsorgan, dem er angehört, als Geschäftsführungshandlung zuzurechnen ist, weil ihn das Gesetz für das Organ zu Handlungen berufen hat. Die Ausübung der Funktion als Personalvertreter geht allerdings weit über die Vorbereitung von und die Teilnahme an formellen oder durch Mitteilung an den Dienstvorgesetzten formell abgegrenzten Veranstaltungen hinaus. Die Personalvertreter haben schon zur Erlangung der zur Beschlussfassung erforderlichen persönlichen Informationen insb auch Kontakte zu anderen Personalvertretern und DG-Vertretern, vor allem aber auch zu den zu vertretenden Bediensteten, herzustellen. Sie haben auch die vom Organ gefassten Beschlüsse zu vollziehen. Ferner sind sie verpflichtet, Anfragen, Wünsche, Beschwerden, Anzeigen und Anregungen der zu vertretenden Bediensteten entgegenzunehmen und zu beantworten bzw dem Ausschuss, dem sie angehören, weiterzugeben. Es ist aber auch selbstverständlich, dass die demokratisch gewählten Personalvertreter, die sich gegebenenfalls einer Wiederwahl stellen, jedenfalls aber ihre Aufgaben pflichtgemäß erfüllen und die Wahlberechtigten davon überzeugen wollen, berechtigt sind, auch von sich aus die Kontakte zu den Bediensteten herzustellen und ihnen ihre Standpunkte und Auffassungen darzulegen. Schließlich können die Wählergruppen sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten und Wert darauf legen, dass die Bediensteten ihre Standpunkte und die Gründe hiefür erfahren (A11-PVAK/08; A11-PVAK/06; Schragel, PVG § 28 Rz 5). Auch die Vorbereitung und Durchführung der Wahl der Personalvertreterinnen und Personalvertreter sind Aufgaben der dazu befugten Personalvertretungsorgane (vgl §§ 28 ff PBVG, §§ 20 ff PVG; vgl auch §§ 54 ff ArbVG). Es liegt im Wesen der in § 28 PVG den Personalvertretern eingeräumten Immunität, dass auch gewisse Pflichtverletzungen sanktionslos zu bleiben haben, wenn sie in Ausübung der Funktion als Personalvertreter erfolgen. Sie müssen aber mit dieser in untrennbarem Zusammenhang stehen. Handlungen, die sich trennen lassen, sind zu trennen und gesondert rechtlich zu beurteilen (A41-PVAK/11; A19-PVAK/10; A14-PVAK/07; A21-PVAK/01 uva).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, bei der gegenständlichen Klebefolie handle es sich schon nach Form und Aufmachung um ein Wahlwerbeplakat der Fraktion F, zumal die darin enthaltene Informationen über das Datum der Wahl und die Namen der wahlwerbenden Parteien deutlich in den Hintergrund treten, ist jedenfalls vertretbar. Für einen objektiven Betrachter kann insb wegen des bei der als wahlwerbenden Partei auftretenden Fraktion F bereits gesetzten Kreuzes am abgebildeten Stimmzettel kein Zweifel daran bestehen, dass es sich dabei um eine Werbemaßnahme der Fraktion F handelt und nicht um eine bloße Ankündigung der Personalvertretungswahl und der Gewerkschaftswahl. Damit soll erkennbar der (unvoreingenommene) wahlberechtigte AN zur Wahl der Fraktion F animiert werden. Bei dieser letztlich rein fraktionellen Tätigkeit handelt es sich, ebenso wie bei einer gewerkschaftlichen Maßnahme (vgl A14-PVAK/07), um eine Tätigkeit, die unabhängig von der Ausübung der Personalvertretertätigkeit erfolgt (vgl Schragel, aaO), mit der Ausübung der Funktion als Personalvertreter also nicht in untrennbarem Zusammenhang steht. Es ist zwar richtig, dass – so die Revision – die Wahlwerbung einer demokratischen Wahl immanent ist, doch ist diese nicht vom Mandat des § 28 Abs 2 PVG bzw § 70 Abs 3 PBVG umfasst.

Eine Tätigkeit, die inhaltlich keine Funktionsausübung ist, wird aber auch nicht dadurch zur Funktionsausübung, dass der betroffene Personalvertreter Kenntnisse und Möglichkeiten – wie hier die Verwendung des von der Erstkl zur Verfügung gestellten Fahrzeugs – ausnutzt, die er nur wegen seiner Personalvertretungsfunktion hat (A14-PVAK/07). [...]

Da die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist ihre Revision zurückzuweisen. [...]

Anmerkung
1
Problemstellung

Das vorliegende Urteil beschäftigt sich mit der Frage, welche Aktivitäten ein gewählter Personalvertreter ergreifen darf, um erneut gewählt zu werden, ohne dafür disziplinär zur Verantwortung gezogen zu werden. Es zeichnet sich durch eine bemerkenswert restriktive Haltung aus. Denn der OGH vertritt wortwörtlich die Ansicht: „Es ist zwar richtig, dass ... die Wahlwerbung einer demokratischen Wahl immanent ist, doch ist diese nicht vom Mandat des § 28 Abs 2 PVG bzw § 70 Abs 3 PBVG umfasst.“ Soll das also bedeuten, dass jede Äußerung oder Handlung eines gewählten Personalvertreters, der um seine Wiederwahl wirbt, disziplinarrechtliche Konsequenzen haben kann? Nähme man diese Aussage wörtlich, so müsste das wohl zB auch für den Fall gelten, dass ein Personalvertreter auf eine vermeintlich rechtswidrige Praxis des DG im Personalbereich hinweist und verspricht, diese bei einer Wiederwahl abzustellen. Genau solche Aussagen fallen aber im Bereich des privaten Arbeitsrechts regelmäßig unter die Mandatsschutzklausel des § 120 ArbVG (Schneller in

Cerny et al
, ArbVG 34 § 120 Erl 10). Das hat auch seinen guten Grund. Denn der Hinweis auf Ungereimtheiten im Personalbereich steht zweifelsfrei in direktem Bezug zu den Aufgaben der Belegschaftsvertretung. Das gilt unabhängig davon, ob diese Aussagen nun im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl erfolgen oder nicht. Folglich soll der AG die Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht durch die513 Androhung rechtlicher Schritte konterkarieren können (vgl bloß Wolligger in ZellKomm2 § 120 ArbVG Rz 2 mwN). Das gilt selbst dann, wenn ein Mitglied der Belegschaftsvertretung im Einzelfall mit seiner Äußerung über das Ziel hinausschießen und damit letztlich sogar rechtswidrig handeln sollte. Den Mitgliedern der Belegschaftsvertretung soll nicht das Risiko aufgebürdet werden, die Rechtmäßigkeit jedes ihrer Schritte beurteilen zu müssen, solange sie der Meinung sein konnten, dass ihr Verhalten noch von der Mandatsausübung gedeckt ist (OGH9 ObA 47/97w [Kallab]).

Diese Grundwertung überträgt der OGH auch auf das öffentliche Dienstrecht, ohne jedoch die Frage zu beantworten, ob dort tatsächlich dasselbe Schutzniveau besteht, wie es die Mandatsschutzklausel des § 120 ArbVG für den privaten Bereich festlegt. Nach § 28 Abs PVG können Organe der Personalvertretung nur dann für Äußerungen und Handlungen zur disziplinären Verantwortung gezogen werden, wenn der zuständige Ausschuss seine Zustimmung erteilt hat. Dieser ist verpflichtet seine Zustimmung zu erteilen, wenn feststeht, dass die Äußerung oder Handlung nicht „in Ausübung der Funktion“ als Personalvertreter erfolgt ist. Entscheidend für die Frage der disziplinären Verantwortlichkeit ist somit, ob die strittigen Äußerungen oder Handlungen im Zusammenhang mit der Personalvertretungsfunktion stehen. Nicht von Relevanz ist hingegen, ob die Äußerung bzw Handlung rechtskonform oder rechtswidrig war. Wie der OGH in 8 ObA 76/07w (ASoK 2008, 217) festgehalten hat, können selbst rechtswidrige Handlungen der Immunität des Personalvertretungsmandats unterliegen. Mit der gegenständlichen E stellt der OGH nunmehr klar, dass dies in gleicherweise auch für das Personalvertretungsrecht der Post gem § 70 PBVG gilt.

Für die Frage, ob der Zentralausschuss im konkreten Fall seine Zustimmung zur disziplinären Verfolgung hätte geben müssen, ist also entscheidungsrelevant, ob das Verhalten des Personalvertreters im Zuge der Personalvertretungswahlen „in Ausübung des Mandats“ gem § 70 Abs 3 PBG (bzw in „Ausübung der Funktion“ gem § 28 Abs 2 PVG) erfolgt ist. Sollte dies zu bejahen sein, wäre der Zentralausschuss verpflichtet gewesen, seine Zustimmung zu versagen (siehe Schragel, PVG § 28 Rz 1), selbst wenn auf Grund des Verstoßes gegen eine DG-Weisung („Car-Policy“) eine rechtswidrige Handlung vorliegen sollte. Der eingangs wiedergegebene Satz legt freilich nahe, dass Handlungen, die der Wahlwerbung dienen, nie „in Ausübung des Mandats“ erfolgen. Zugegebenermaßen wird das dadurch relativiert, dass der OGH unter Bezugnahme auf die Spruchpraxis der Personalvertretungsaufsichtskommission zuerst noch die Ansicht vertritt, dass es sehr wohl zur Ausübung des Personalvertretungsmandats gehört, im Zuge einer anstehenden Wiederwahl, die Bediensteten von der eigenen guten Arbeit zu überzeugen und ihnen die eigenen Standpunkte und Auffassungen näher zu bringen. Das legt nahe, dass der OGH wohl doch davon ausgeht, dass sich die Immunität der Personalvertreter auch auf Handlungen im Zuge von Wahlwerbungsaktivitäten beziehen kann. Die eingangs wiedergegebene Feststellung des OGH ist damit aber in ihrer Pauschalität zumindest missverständlich. Gemeint war wohl, dass nur fraktionelle Wahlwerbung nicht von § 28 PVG bzw § 70 PBVG erfasst ist. Denn fraktionellen Tätigkeiten spricht der OGH per se jeden Zusammenhang mit dem Personalvertretungsmandat ab. Wenn man sich die faktischen Gegebenheiten bei den Personalvertretungs- und Betriebsratswahlen in staatlichen Einrichtungen oder staatsnahen Betrieben vor Augen hält, entspricht diese Erk freilich nicht dem tatsächlichen Befund. Vielmehr ist eine Verschränkung betrieblicher Vertretungsfunktionen mit fraktionellen und/oder gewerkschaftlichen Aktivitäten keine Seltenheit. So war auch im vorliegenden Fall der streitgegenständliche Personalvertreter in Personalunion auch Bundes-Fraktionsvorsitzender. Insofern erscheint die Feststellung, dass fraktionelle Tätigkeiten keinerlei Zusammenhang mit dem Personalvertretungsmandat hätten, zumindest lebensfremd. Zugegebenermaßen deckt sich der soziologische Befund nicht immer mit den rechtlichen Grundlagen. Es scheint daher im Rahmen der vorliegenden Rezension geboten, zuerst der Frage nachzugehen, inwieweit Wahlwerbung an sich Teil der Mandatsausübung der Belegschaftsvertretung (sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich) ist (siehe Pkt 2.) und ob bejahendenfalls in weiterer Folge auch fraktionelle bzw gewerkschaftliche Aktivitäten davon erfasst sein können (siehe Pkt 3.). Der OGH hielt beides nicht für notwendig. Er hat seine (zu) knappe Begründung im Wesentlichen auf die Spruchpraxis der Personalvertretungsaufsichtskommission gestützt.

2
Wahlwerbung als Mandatsausübung

Dabei ist die Frage, ob Wahlwerbung Teil der Mandatsausübung – sowohl des BR als auch der Personalvertretung – ist, keineswegs eindeutig. Weder im ArbVG noch im PVG (bzw PBVG) werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für Wahlwerbung im Zuge von Betriebsrats- oder Personalvertretungswahlen ausdrücklich geregelt. Die bestehenden Vorschriften betreffen lediglich die Vorbereitung und Durchführung der Wahl, insb die Einrichtung und die Aufgaben des Wahlvorstandes (§ 51–58 ArbVG) bzw Wahlausschusses (§ 16–20 PVG). Konkretes lässt sich daraus für die gegenständliche Problemstellung aber nicht gewinnen. Zwar kann wohl aus dem Umstand, dass sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich die Belegschafts- bzw Personalvertretungswahlen auf demokratischen Prinzipien beruhen, abgeleitet werden, dass dies grundsätzlich auch die Zulässigkeit von Wahlwerbung beinhalten muss (so bereits Gerhartl, DRdA 2007, 203). Der OGH will daraus jedoch nicht den Schluss ziehen, dass Äußerungen und Handlungen im Zuge von Wahlwerbung auch dem Mandatsschutz unterliegen.

Im Anwendungsbereich des ArbVG lässt sich freilich eine positivrechtliche Anknüpfung dafür in § 120 Abs 4 finden. Nach dieser Bestimmung unterliegen nicht nur die Betriebsratsmitglieder dem besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Vielmehr wurde die Mandatsschutzklausel auch auf gewisse andere Personenkreise ausgedehnt, um eine effektive Belegschaftsvertretung zu gewährleisten. Dazu zählen gem514 § 120 Abs 4 Z 2 auch „Wahlwerber“ und zwar seit der ArbVG-Novelle BGBl 1986/394 ab dem Zeitpunkt, in dem ihre Absicht, auf einem Wahlvorschlag zu kandidieren, offenkundig wird. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass der Betriebsinhaber die Wahl eines BR dadurch verhindert, dass jene Personen, die sich zur Wahl stellen, gekündigt werden (Wolligger in ZellKomm2 § 120 Rz 39). Dh, dass wahlwerbende Personen gem § 120 Abs 4 Z 2 jedenfalls besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz genießen. Damit aber nicht genug. Wahlwerbende Personen unterliegen auch dem Beschränkungsverbot des § 115 Abs 3. Das ergibt sich aus der Verweisung in § 120 Abs 1, der wiederum nach Abs 4 leg cit „sinngemäß“ auch für Wahlwerber gilt. Nach § 115 Abs 3 dürfen die Mitglieder des BR „in der Ausübung ihrer Tätigkeit“ nicht beschränkt werden. Eine „sinngemäße“ Anwendung dieser Bestimmung kann wohl nur bedeuten, dass wahlwerbende Personen bei der Ausübung ihrer Wahlwerbungsaktivitäten nicht beschränkt werden dürfen. Das ist die „Tätigkeit“, die sie in ihrer Funktion als „Wahlwerber“ ausüben und die somit dem Schutz des § 115 Abs 3 untersteht. Das ArbVG geht folglich davon aus, dass im Zuge der Betriebsratswahlen geworben wird und, dass diese Wahlwerbung essentiell für das Funktionieren einer effektiven Belegschaftsvertretung ist. Andernfalls hätte der Gesetzgeber wohl nicht den besonderen Schutz des § 120 bzw § 115 Abs 3 auch auf wahlwerbende Personen ausgedehnt. Dabei kann es freilich keine Rolle spielen, ob die Wahlwerbung von Personen ausgeübt wird, die sich erstmalig zum BR bewerben oder ob sich bereits gewählte Betriebsratsmitglieder zur Wiederwahl stellen. Aus der Verschränkung von § 120 Abs 1 mit Abs 4 kann somit der Schluss gezogen werden, dass Wahlwerbung auch Teil der Betriebsratsfunktion ist.

Für den öffentlichen Bereich fehlt hingegen eine vergleichbare Regelung. Gem § 28 Abs 1 PVG bezieht sich der besondere Schutz nur auf Personalvertreter und Mitglieder der Wahlausschüsse. Dasselbe gilt gem § 70 PBVG auch für die Post. § 70 Abs 2 PBVG erweitert diesen Schutz zwar auf den Kreis der Ersatzmitglieder, die auch im Anwendungsbereich des PVG gem § 27 Abs 3 zumindest einem besonderen Versetzungs- und Kündigungs- bzw Entlassungsschutz unterliegen. Wahlwerbende Personen sind davon aber nicht ausdrücklich erfasst; weder nach dem PBVG noch nach dem PVG. Es stellt sich daher die Frage, ob es sich dabei um eine Gesetzeslücke handelt, die im Wege einer Analogie geschlossen werden kann. Für das Vorliegen einer Lücke spricht der Vergleich mit dem ArbVG. Einer Erweiterung der disziplinären Immunität im Wege einer Analogie steht jedoch – zumindest im Anwendungsbereich des PVG – entgegen, dass damit die Personalhoheit des DG, konkret des Bundes, einer Beschränkung unterworfen wird. Dass sich der Bund als DG tatsächlich selbst beschränken wollte, wird man aber vernünftigerweise nur dann vertreten können, wenn es dafür eindeutige Anhaltspunkte gibt. Diese fehlen im konkreten Fall. Die Annahme einer planwidrigen Lücke scheidet daher aus. Das bedeutet, dass im Gegensatz zum ArbVG wahlwerbende Personen nicht dem besonderen Schutz des § 28 PVG unterliegen (siehe auch PVAK A 20/76, K-P Nr 88 bzw Schragel, PVG § 28 Rz 3). Auf Grund des historischen Konnexes wird man dies auch für das PBVG annehmen müssen, auch wenn dieses im Wesentlichen dem ArbVG nachgebildet ist. Folglich ist davon auszugehen, dass Wahlwerbung im Zuge von Personalvertretungswahlen tatsächlich anderen rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegt als im Zuge von Betriebsratswahlen nach dem ArbVG. Ob sich diese Differenzierung durch die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes sachlich rechtfertigen lässt, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Vor allem für das PBVG erscheint dies – in Anbetracht der erfolgten Ausgliederung der Post – fragwürdig.

Dh jedoch nicht, dass Äußerungen und Handlungen, die der Wahlwerbung dienen, keinerlei Schutz genießen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie von einem bereits gewählten Personalvertreter mit Blick auf eine allfällige Wiederwahl gesetzt werden. Dem besonderen Schutz des § 28 PVG (und damit auch des § 70 PBVG) unterliegen nämlich alle jene Äußerungen und Handlungen der Personalvertretung, die der Erfüllung ihrer Interessenvertretungsaufgabe (§ 2 PVG) dienen. Dazu zählt auch die Durchführung und Abhaltung von Personalvertretungswahlen. Es kann daher gar kein Zweifel daran bestehen, dass zB Äußerungen eines Personalvertreters, mit denen die Bediensteten einer Dienststelle dazu animiert werden sollen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, vom Schutz des § 28 PVG erfasst sind. Derartige Äußerungen erfolgen „in Ausübung der Funktion“ bzw „in Ausübung des Mandats“ als Personalvertreter iSd § 28 Abs 2 PVG bzw § 70 Abs 3 PBVG.

Es kann daher festgehalten werden, dass auch im öffentlichen Bereich Wahlwerbungsaktivitäten grundsätzlich dem Immunitätsschutz zumindest bereits gewählter Personalvertretungsorgane unterliegen. Dem entspricht auch die Spruchpraxis der Personalvertretungsaufsichtskommission, auf die sich der OGH im vorliegenden Zusammenhang beruft (vgl bloß PVAK A 15/86, K-P Nr 308 bzw Schragel, PVG § 28 Rz 5).

3
Grenzen der Mandatsausübung bei Wahlwerbemaßnahmen

Der OGH will diesen Immunitätsschutz jedoch anscheinend nur auf solche Werbemaßnahmen erstrecken, die auf die Wahl selbst gerichtet sind und nicht auf die wahlwerbenden Personen bzw Gruppen. So stößt sich der Gerichtshof – in Bestätigung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts – an dem Umstand, dass auf dem streitgegenständlichen Plakat das Datum der Wahl und die Namen der anderen wahlwerbenden Parteien viel kleiner abgedruckt waren als der Schriftzug der wahlwerbenden Fraktion, so dass diese Informationen „deutlich in den Hintergrund treten“. Heißt das also, dass Wahlwerbung nur so aussehen darf, dass rein objektiv über die formellen Eckpunkte einer Personalvertretungswahl informiert wird? Genau das ist Aufgabe des Wahlausschusses bzw des Wahlvorstandes. Dieser hat als zur Objektivität verpflichtetes Wahlorgan gem § 55 ArbVG bzw § 20 PVG den Wahltermin und auch die Wahlvorschläge kundzumachen. Hätte also ein Mitglied des Wahlausschusses das fragliche Plakat zur Veröffentlichung515 des Wahltermins und der wahlwerbenden Gruppen verwendet, wäre der Auffassung des OGH, dass dies eine Überschreitung des gesetzlichen Mandats darstellt, vollinhaltlich beizupflichten. Ein Gebot, dass sich auch wahlwerbende Betriebsrats- oder Personalvertretungsmitglieder gegenüber den anderen wahlwerbenden Gruppen neutral verhalten müssen, ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen. Darüber hinaus kann es wohl doch nicht Sinn und Zweck einer Wahlwerbung sein, ohnehin bereits bekannte Informationen (Wahltermin, etc) nochmals auf einem Wahlplakat zusammenzufassen. Es stellt sich daher die Frage, zu welchem rechtlichen Ergebnis der OGH gekommen wäre, wenn im konkreten Fall auf dem Wahlplakat anstelle des Fraktionsnamens zehn Wahlversprechen konkreten Inhalts abgedruckt worden wären (zB 1. Reduktion von Überstunden, 2. Verbesserte Burn-Out-Prävention, etc), mit denen die wahlwerbende Gruppe zur Wahl angetreten wäre. Eigentlich kann nicht daran gezweifelt werden, dass die Formulierung dienstrechtlicher Verbesserungsvorschläge – sei es auch im Wege eines Wahlprogrammes – der Wahrung und Förderung beruflicher, wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und gesundheitlicher Interessen der Bediensteten gem § 2 PVG bzw § 38 ArbVG dient. Eine disziplinäre Verantwortlichkeit für solche veröffentlichten Aussagen käme, da sie in Ausübung des Mandats erfolgen, demnach nicht in Frage. Macht es nun aber wirklich einen Unterschied, ob diese Forderungen ausformuliert abgedruckt werden oder ob anstelle dessen mit dem Namen einer Fraktion oder Gewerkschaftseinrichtung geworben wird, die genau für diese Inhalte eintritt? Oder anders ausgedrückt: Ist es der Personalvertretung bzw dem BR nicht gestattet, seine Aktivitäten mit der Gewerkschaftspolitik (auch bloß einer bestimmten Fraktion) abzustimmen? Ganz im Gegenteil. Auch wenn BR bzw Personalvertretung und Gewerkschaft als rechtlich voneinander getrennte Institutionen der Interessenvertretung konzipiert sind, steht das Gesetz einer inhaltlichen Verschränkung nicht entgegen. Zumindest im Anwendungsbereich des ArbVG ist der BR sogar gem § 39 Abs 2 dazu verpflichtet, bei der Verwirklichung seiner Interessenvertretungsaufgaben im Einvernehmen mit der Gewerkschaft vorzugehen. Auch wenn eine vergleichbare Regelung für den öffentlichen Bereich fehlt, kann nicht daran gezweifelt werden, dass auch im Anwendungsbereich des PVG die Personalvertretung ihre Interessenvertretungsaufgabe mit der Gewerkschaft abstimmen darf. Ein Kooperationsverbot wäre schon im Lichte des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit (Art 12 StGG, Art 11 EMRK) problematisch, da den Gewerkschaften so jede Einflussmöglichkeit auf die Betriebe bzw Dienststellen genommen wäre. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich aber die Aussage des OGH, dass gewerkschaftliche Maßnahmen jedenfalls „unabhängig von der Ausübung der Personalvertretertätigkeit“ erfolgen und damit nicht dem Immunitätsschutz des § 28 PVG bzw § 70 PBVG unterliegen können, zumindest als diskussionswürdig. Das gilt insb in jenen Fällen, in denen es eine personelle Verschränkung zwischen der Personalvertretung und der Gewerkschaft bzw einer bestimmten Fraktion gibt. Weder das PVG bzw PBVG noch das ArbVG schließen derartige personelle Verschränkungen rechtlich aus. Solange also eine gewerkschaftliche oder fraktionelle Maßnahme eines Betriebsrats- oder Personalvertretungsmitglieds (auch) der Wahrung oder Förderung der Belegschaftsinteressen dient, kann sie gleichzeitig auch in Ausübung des Betriebsrats- bzw Personalvertretungsmandats erfolgen. Der bloße Konnex zu einer Fraktions- oder Gewerkschaftspolitik entzieht sie nicht dem Bereich der Mandatsausübung. ME ist daher der Begriff der „Mandats- bzw Funktionsausübung“ im Anwendungsbereich des § 28 PVG bzw § 70 PBVG weit zu verstehen, so dass tatsächlich nur solche Äußerungen und Handlungen nicht mehr erfasst sind, die wirklich in keinerlei – nicht einmal mittelbarem – Zusammenhang mit der Interessenvertretungsaufgabe der Personalvertretung stehen. Das wäre zB bei rein parteipolitischen Äußerungen ohne jedweden dienstrechtlichen Bezug denkbar. Gewerkschaftlichen und auch gewerkschaftspolitischen Aussagen kann dies hingegen nicht per se abgesprochen werden.

4
Ergebnis

Im konkreten Fall hätten also die zuständigen Gerichte ermitteln müssen, inwiefern die Tätigkeit der streitgegenständlichen Fraktion Bezug zu den Interessen der Postbediensteten hat. Aus dem bloßen Umstand, dass im konkreten Fall die wahlwerbende Gruppe mit dem Namen und dem Logo der Bundesfraktion geworben hatte, lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass keinerlei inhaltlicher Zusammenhang zu den Interessenvertretungsaufgaben der Personalvertretung besteht. Das gilt insb dann, wenn – wie im konkreten Fall – auch noch eine personelle Verschränkung gegeben ist. Die Notwendigkeit einer vollständigen (gewerkschafts-)politischen Neutralität der Personalvertretung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Diese ließe sich allenfalls mit dem Argument begründen, dass der einzelne Betrieb bzw die einzelne Dienststelle nicht zur Arena politischer Auseinandersetzungen werden soll. Das gilt auf Grund der gebotenen Objektivität vor allem für den Bereich des öffentlichen Dienstes. Dagegen spricht freilich, dass der BR und auch die Personalvertretung ihre Aufgaben bereits tunlichst ohne Störung des Betriebes (§ 25 PVG bzw § 38 Abs 3 ArbVG) bzw unter Bedachtnahme auf das öffentliche Wohl (§ 2 Abs 2 PVG) wahrzunehmen haben. Das gilt zweifellos auch und gerade für Wahlwerbemaßnahmen. Dass aber im konkreten Fall, der Betriebsablauf durch das Anbringen eines Plakates in einem Dienstfahrzeug, das nur der Personalvertretung zur Verwendung überlassen worden ist, bereits in unzumutbarer Weise gestört wurde, ist kaum vorstellbar. Umso mehr erscheint es daher befremdlich, dass dieses Verhalten eine disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit des betreffenden Personalvertreters auslösen können soll.516