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C-Leg-Kniegelenksprothese als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation?

MONIKAWEISSENSTEINER (WIEN)
  1. Die Krankenbehandlung muss abgeschlossen sein, ehe die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation beginnen.

  2. Andererseits muss aber zwischen der Krankenbehandlung und der Rehabilitation ein entsprechender zeitlicher Konnex bestehen.

  3. Nach dem Wortlaut des § 154 Abs 1 ASVG werden Hilfsmittel nicht im Rahmen bzw als Teil einer Krankenbehandlung iSd ASVG in der Form von Sachleistungen erbracht, sondern es kann unter den im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen die Satzung eines Krankenversicherungsträgers Zuschüsse für die Anschaffung der notwendigen Hilfsmittel sowie für deren Instandsetzung vorsehen.

Die [...] 1954 geborene Kl wurde im Jahr 1972 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt, wobei sie ihr rechtes Bein verlor. Sie trägt seither eine Oberschenkelprothese, die im Laufe der Jahre immer wieder ausgewechselt wurde. Die Kl ist seit 1972 als Vollzeitarbeitskraft im Bauamt einer Tiroler Gemeinde tätig, wobei sie ca 70 % ihrer Arbeit im Sitzen, ca 30 % abwechselnd im Stehen und Gehen verrichtet. Ungefähr 5 % ihrer Arbeitszeit entfallen auf Bauverhandlungen im Außendienst bzw Botengänge zwischen verschiedenen Behörden. Das Bauamt ist in einem dreistöckigen Gebäude ohne Lift untergebracht. Im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit ist die Kl gezwungen, mehrmals täglich zum Teil mit schweren Aktenordnern zwischen den einzelnen Stockwerken auf- und abzugehen. Die Kl ist in den Arbeitsprozess nach wie vor voll integriert und möchte dies bis zur ihrer Pensionierung auch bleiben. Sie ist eine begeisterte Sportlerin, fährt Rad und auch Schi.

Bei der Kl liegt ein auf den Verkehrsunfall im Jahr 1972 zurückzuführender Zustand mit Amputation im Bereich des rechten Oberschenkels sowie plastischer Deckung mit verminderter muskulärer Funktion im Bereich der linken Wade vor. [...] Die Lendenwirbelsäule der Kl zeigt bereits deutliche degenerative Veränderungen. [...]

Die Kl wurde seit dem Unfall sukzessive mit mehreren mechanische Kniegelenke aufweisenden Prothesen versorgt. [...] Die derzeitige Prothese der Kl wird zu einer weiteren Verschlechterung der Wirbelsäulenbeschwerden der Kl führen. [...]

Die C-Leg-Prothese ist aus orthopädischer Sicht geeignet, das Gangbild der Kl deutlich zu verbessern und ihre bereits deutlich vorgeschädigte Wirbelsäule zu schonen. [...]

Durch den Einsatz der C-Leg-Prothese würde die Lebensqualität der sportlichen und nach wie vor voll berufstätigen Kl weitgehend verbessert, die bereits vorgeschädigte Brust- und Lendenwirbelsäule entlastet und das Auftreten weiterer gesundheitlicher Schäden – vor allem im Bereich der Wirbelsäule – hintangehalten und die bei der Verwendung der mechanischen Prothese bestehende erhöhte Sturzgefahr verringert. [...]

Nachdem die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) eine von der Kl beantragte Kostenübernahme für eine C-Leg-Prothese mit Schreiben vom 28.4.2006 abgelehnt hatte, beantragte die Kl mit Schreiben vom 4.7.2007 auch bei der Bekl die Übernahme der Kosten einer C-Leg-Prothese bzw für den Fall der Ablehnung die Ausstellung eines diesbezüglichen Bescheids. Die Erlassung eines Bescheids wurde [...] abgelehnt.

Mit der am 28.4.2009 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Kl, die Bekl zur Übernahme der Kosten einer C-Leg-Kniegelenksprothese zu verpflichten. [...]

Die Bekl beantragte die Zurückweisung der Klage mit der Begründung, eine Klage in Sozialrechtssachen sei nur aufgrund eines – hier nicht vorliegenden – Bescheids oder dann zulässig, wenn der Versicherungsträger nicht binnen sechs Monaten über einen Antrag bescheidmäßig entschieden habe. Die Kl habe diese Sechsmonatsfrist nicht abgewartet. Im Übrigen seien Leistungsklagen in Kostenerstattungssachen nur möglich, wenn die Versicherte den Kostenaufwand selbst vorfinanziere und die Erstattung des ihr bereits angefallenen Rechnungsbetrags begehre. [...] Mit Klagszurückweisung sei aber auch deshalb vorzugehen, weil die gewünschte Prothese als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation schon im Grundsätzlichen nicht von der Bekl, sondern von der PVA zu finanzieren sei [...]

Hilfsweise beantragte die Bekl die Abweisung des Klagebegehrens, weil die als aktive Geherin einzustufende Kl durch immer wieder ausgetauschte mechanische Prothesen ausreichend versorgt sei. [...]

Das Erstgericht erkannte die Bekl schuldig, die Kosten für eine C-Leg-Kniegelenksprothese zu übernehmen. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es feststellte, dass der Anspruch der Kl auf Kostenübernahme für die Anschaffung einer C-Leg-Kniegelenksprothese durch die Bekl – nach Maßgabe der Satzung – zu Recht bestehe. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen die Auffassung, die vorliegende Klage stelle eine zulässige Säumnisklage [...] dar. [...] Eine Qualifikation der C-Leg-Prothese als – eine Maßnahme der Krankenbehandlung bildenden – Heilbehelf iSd § 137 ASVG scheide aus, weil die Heilbehandlung der Kl nach ihrer Oberschenkelamputation im Jahr 1972 längst abgeschlossen sei und auch das Vorliegen einer akuten aktuellen aus der Amputationsverletzung an sich resultierenden Folgeerkrankung von den Parteien nicht behauptet werde. Von den Heilbehelfen zu unterscheiden seien die sogenannten „Hilfsmittel“, welche sowohl im Rahmen des § 154 ASVG als Hilfe bei körperlichen Gebrechen als auch gem § 154a ASVG als medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der KV vorgesehen und nach gefestigter Rsp als nach Abschluss des Heilungsprozesses zum Einsatz kommende Behelfe definiert seien.517 Da die medizinische Rehabilitation „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ zur Sicherung ihres Erfolgs oder zur Folgenerleichterung gewährt werde, stelle die 40 Jahre nach der Amputationsverletzung ohne Anknüpfung an eine verletzungsbedingte Heilbehandlung von der Kl angestrebte prothetische Versorgung auch keine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation iSd § 154a ASVG dar. Die von der Kl begehrte C-Leg-Prothese sei daher als Hilfsmittel iSd § 154 ASVG zu qualifizieren. [...]

Bei der materiellen Prüfung des Anspruchs auf Übernahme der Kosten eines Heilmittels wie – im vorliegenden Fall – einer C-Leg-Prothese seien die allgemeinen krankenversicherungs-rechtlichen Grundsätze des § 133 Abs 2 ASVG zu berücksichtigen, wonach die Leistung des Krankenversicherungsträgers ausreichend und zweckmäßig sein müsse, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe. [...]

Der Bekl sei aber darin beizupflichten, dass sowohl das die Kostenerstattungspflicht betreffende Leistungsbegehren der Kl als auch der iS einer Leistungsverpflichtung formulierte Urteilsspruch des Erstgerichts verfehlt seien. Nach stRsp sei nämlich eine Leistungsklage auf Kostenerstattung nur für die Vergangenheit zulässig, was voraussetze, dass die Versicherte das Hilfsmittel bis (spätestens) Schluss der Verhandlung erster Instanz bereits selbst angeschafft und die diesbezüglichen Kosten bereits selbst aufgewendet haben müsse. [...] Es sei daher das Ersturteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Urteilsspruch auf die Feststellung zu lauten habe, dass der Anspruch der Kl auf Kostenerstattung für die Anschaffung einer C-Leg-Kniegelenksprothese nach Maßgabe der Satzung der Bekl zu Recht bestehe. [...]

Gegen diese E richtet sich die außerordentliche Revision der Kl. [...]

Die Bekl beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben. [...]

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zwar zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt. [...]

3. In ihrer Rechtsrüge macht die Kl geltend, die C-Leg-Prothese diene nach den Feststellungen zur Verhinderung einer weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustands und sei daher als eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation iSd § 154a ASVG im Anschluss an eine Krankenbehandlung anzusehen. Unter dem für das Vorliegen einer medizinischen Maßnahme der Rehabilitation in der KV geforderten Tatbestandsmerkmal, dass diese Maßnahme „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ zu gewähren sei, sei nicht nur der unmittelbare (zeitliche) Anschluss zu verstehen, sondern es genüge vielmehr, dass – wie bei der Kl – grundsätzlich zuvor eine Krankenbehandlung stattgefunden habe und die medizinische Rehabilitation diesen Behandlungserfolg sichern bzw das Leben mit dem regelwidrigen Körperzustand iSd Selbsterhaltungsfähigkeit erleichtern und gewährleisten solle.

3.1 Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass die Krankenversicherungsträger nach § 154a Abs 1 ASVG, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder die Folgen der Krankheit zu erleichtern, „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ nach pflichtgemäßem Ermessen und nach Maßgabe des § 133 Abs 2 ASVG medizinische Maßnahmen der Rehabilitation gewähren, und zwar mit dem Ziel, den Gesundheitszustand der Versicherten und ihrer Angehörigen soweit wiederherzustellen, dass sie in der Lage sind, in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen.

3.2 Die medizinische Rehabilitation ist somit im Anschluss an eine Krankenbehandlung zur Sicherung ihres Erfolgs oder zur Folgenerleichterung derart zu gewähren, dass der Versicherte durch Verbesserung seines Gesundheitszustands in die Lage versetzt wird, einen angemessenen Platz in der Gemeinschaft möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen. Die zeitliche Aneinanderreihung von Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation wurde für nötig erachtet, um Leistungsvoraussetzungen zu schaffen und ein Unterlaufen der Vorschriften über den Arzneimittel-Erstattungskodex, Kostenbeteiligungen und kassenfreien Raum im Kurativbereich zu verhindern. Es muss also die Krankenbehandlung abgeschlossen sein, ehe die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation beginnen. Andererseits muss aber zwischen der Krankenbehandlung und der Rehabilitation ein entsprechender zeitlicher Konnex bestehen (vgl Binder in

Tomandl
, SV-System 21. ErgLfg 264/47 mwN). Die medizinische Rehabilitation schließt optimalerweise an die akutmedizinische Versorgung an und steht mit dieser im ursächlichen zeitlichen Zusammenhang. Die Gewährung von ärztlicher Hilfe, Heilmittel, Heilbehelf als Rehabilitationsmaßnahme kommt daher nur im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenbehandlung in Betracht (vgl in diesem Sinne auch die Bestimmung des § 154a Abs 2 Z 3 ASVG; Kindermann, Kann die medizinische Rehabilitation eine Pflichtleistung der Krankenversicherung werden?SozSi 1992, 547 f).

3.3 Das Berufungsgericht ist somit zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Kl 40 Jahre nach ihrer Amputationsverletzung ohne Anknüpfung an eine verletzungsbedingte Heilbehandlung angestrebte prothetische Versorgung wegen des fehlenden engen zeitlichen Zusammenhangs keine medizinische Maßnahme der Rehabilitation in der KV nach § 154a ASVG darstellt.

4. Die von der Kl begehrte Kostenübernahme für eine C-Leg-Prothese ist daher als Kostenübernahmebegehren für ein Hilfsmittel iSd § 154 ASVG anzusehen.

4.1 § 154 Abs 1 ASVG bestimmt, dass die Satzung bei Verstümmelungen, Verunstaltungen und körperlichen Gebrechen, welche die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit oder die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, wesentlich beeinträchtigen, Zuschüsse für die Anschaffung der notwendigen Hilfsmittel vorsehen kann. Hilfsmittel sind Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Verstümmelung, Verunstaltung oder einem Gebrechen verbundene körperliche oder psychische Beeinträchtigungen zu mildern oder zu beseitigen.

4.2 Nach dem Wortlaut des § 154 Abs 1 ASVG werden Hilfsmittel nicht im Rahmen bzw als Teil einer Krankenbehandlung iSd ASVG in der Form von Sachleistungen erbracht, sondern es kann unter den in518 diesem Gesetz umschriebenen Voraussetzungen die Satzung eines Krankenversicherungsträgers Zuschüsse für die Anschaffung der notwendigen Hilfsmittel sowie für deren Instandsetzung vorsehen. Es handelt sich dabei um satzungsmäßige Mehrleistungen iSd § 121 Abs 3 ASVG, also um Pflichtleistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, dessen Durchsetzung auf dem Rechtsweg im Verfahren vor dem Arbeitsund Sozialgericht möglich ist (vgl Schober in

Sonntag
, ASVG3 § 121 Rz 3 ff und 9).

4.3 Für Hilfsmittel, die im Rahmen der Hilfe bei körperlichen Gebrechen gewährt werden, sind daher lediglich satzungsmäßige Zuschüsse vorgesehen. [...]

4.4 Nach § 40 Abs 1 Z 3 der maßgebenden Satzung 2011 der Bekl leistet die Kasse für die Anschaffung eines notwendigen Hilfsmittels und für dessen Instandsetzung, wenn diese zweckentsprechend und wirtschaftlich ist, einen Zuschuss, wenn die Kosten höher sind als 20 % der Höchstbeitragsgrundlage (§ 108 Abs 3 ASVG). Der Zuschuss beträgt 90 % der Anschaffungskosten, höchstens jedoch 1. bei orthopädischen Maßnahmen [...], 2. bei Anti-Varus-Schuhen [...] und 3. bei allen übrigen Hilfsmitteln das Dreifache der Höchstbeitragsgrundlage (§ 108 Abs 3 ASVG), wobei vom Versicherten/von der Versicherten (Angehörigen) jedenfalls 20 % der Höchstbeitragsgrundlage (§ 108 Abs 3 ASVG) zu tragen sind.

4.5 Das Ausmaß der von der Krankenkasse für Hilfsmittel zu übernehmenden Kosten darf somit die satzungsmäßige Höchstgrenze nicht übersteigen, es sei denn, diese Hilfsmittel werden als Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gewährt, was hier jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall ist. [...]

5. Schließlich wendet sich die Kl in ihren Revisionsausführungen noch gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts über eine notwendige Umformulierung des Klagebegehrens in ein Feststellungsbegehren. [...]

5.1 Dazu ist auszuführen, dass aus den Bestimmungen des § 82 ASGG hervorgeht, dass in Sozialrechtssachen die Klage ein unter Bedachtnahme auf die Art des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmtes Begehren zu enthalten hat. Das von einem Versicherten erhobene Klagebegehren ist aber auch dann hinreichend bestimmt, wenn es auf Leistungen „im gesetzlichen Ausmaß“ gerichtet ist. [...] Unter diesen Gesichtspunkten ist auch ein Klagebegehren, den bekl Krankenversicherungsträger schuldig zu erkennen, einen Kostenzuschuss „im gesetzmäßigen und satzungs- bzw richtlinienmäßigen Umfang“ zu leisten, nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0085906). Wird ein solches Begehren nur dem Grunde nach bestritten, ist auch nur ein urteilsmäßiger Ausspruch über den Anspruchsgrund erforderlich, weil es hinsichtlich der Höhe des gebührenden Kostenzuschusses gesetzliche, satzungsmäßige oder richtlinienmäßige Bestimmungen gibt. Nur im Falle des Fehlens entsprechender gesetzlich, satzungsmäßig oder richtlinienmäßig festgelegter Kostensätze werden die Höhe dieser Kosten im Urteilsspruch betragsmäßig festzustellen sein (vgl OGH10 ObS 58/03g, SSV-NF 18/32; OGH10 ObS 361/01p, SSV-NF 15/142; OGH10 ObS 315/00x, SSV-NF 15/57 ua). [...]

5.2 Im vorliegenden Fall gibt es jedoch in der Satzung der Bekl eine – wie bereits dargelegt – eindeutige Bestimmung über die Höhe eines der Kl für die Beschaffung einer C-Leg-Kniegelenksprothese gebührenden Kostenzuschusses. [...]

5.3 Im vorliegenden Fall bedarf es [...] dieser (subsidiären) Feststellungsklage nicht, weil eine Entscheidung über das von der Kl erhobene Leistungsbegehren in der Form möglich ist, dass die Bekl gegenüber der Kl verpflichtet wird, die Kosten für eine C-Leg-Kniegelenksprothese im satzungsmäßigen Umfang [...] zu übernehmen. [...]

Aus den dargelegten Erwägungen war der Revision der Kl im Ergebnis ein Erfolg zu versagen. [...]

Anmerkung

Die vorliegende OGH-E überrascht und regt in mehrfacher Hinsicht zum Nachdenken an: Zum einen werden verfahrensrechtliche Fragen auf der Ebene der beteiligten Versicherungsträger (Pensionsversicherungs- und Krankenversicherungsträger) und von den Instanzen des Sozialgerichtsverfahrens höchst unterschiedlich behandelt und letztendlich beantwortet und zum anderen kann auch die materiellrechtliche Lösung des Falls nicht vollständig überzeugen. Eine positive OGH-E aus dem Jahr 2005 betraf ebenfalls eine C-Leg-Kniegelenksprothese (OGH10 ObS 7/05k RIS-Justiz RS0119969; SSV-NF 19/34), ohne dass in der vorliegenden E eine Auseinandersetzung damit erfolgt. Sozialpolitisch irritierend ist, dass eine nach einer Beinamputation weiterhin voll erwerbstätige Kl trotz festgestellter weiterer Verschlechterung ihrer Wirbelsäulenbeschwerden bei herkömmlicher Prothesenversorgung den Großteil der Kosten der orthopädisch geeigneten Prothese selbst tragen muss – in einer Zeit, in der der Gedanke „Rehabilitation vor Pension“ im SRÄG 2012 (BGBl I 2013/3BGBl I 2013/3) neuerlich verstärkt wurde.

1
Verfahrensrechtliche Fragen

Eine besondere Herausforderung im vorliegenden Sachverhalt besteht darin, verfahrensrechtliche und inhaltliche Fragen zu trennen. Je nachdem, welche Rechtsgrundlage als mögliche Anspruchsgrundlage für die beantragte Kostenübernahme für die C-Leg-Kniegelenksprothese herangezogen wird, ergeben sich unterschiedliche Zuständigkeiten, aber auch unterschiedliche Rechtsschutzmöglichkeiten. Nicht nur die Versicherte stand offenbar vor diesen Herausforderungen.

1.1.
Verwaltungsverfahren

Zuerst beantragte die Versicherte die Kostenübernahme bei der PVA; es erfolgte eine Ablehnung mit einem Schreiben. Daraufhin stellte sie bei der zuständigen Gebietskrankenkasse (GKK) einen Antrag mit einem Antrag auf Bescheidausstellung für den Fall der Ablehnung. Die GKK lehnte die Ausstellung eines Bescheides ab.

1.2.
Sozialgerichtsverfahren

Daraufhin wurde die gegenständliche Klage eingebracht, mit dem Klagebegehren auf Kostenübernahme. Sie habe bereits mehrfach die Ausstellung eines519 Bescheides beantragt und lediglich Mitteilung erhalten, dass nur für den Fall der eigenen Vorfinanzierung und Einreichung der Rechnung ein Bescheid ausgestellt werden könne. Die Bekl brachte nun vor, dass Klage nur gegen einen Bescheid eingebracht werden könne (!) oder wenn nicht binnen sechs Monaten entschieden worden sei. Leistungsklagen in Kostenerstattungssachen seien nur bei Vorfinanzierung möglich; außerdem sei die PVA für die Finanzierung zuständig. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, dem Schreiben der Bekl komme Bescheidqualität zu, weshalb eine Klage zulässig sei. Inhaltlich wurde dem Klagebegehren stattgegeben. Das OLG vertrat die Auffassung, eine Säumnisklage sei zulässig, weil die Versicherte seit 2007 mehrere Anträge gestellt habe. Das Urteil wurde in ein Feststellungsurteil geändert. Der OGH bestätigt das Urteil des Berufungsgerichts – jedoch mit der Maßgabe, dass anstelle des Feststellungsurteils eine Entscheidung über das Leistungsbegehren getroffen wird („Die Bekl ist schuldig, die Kosten für die Anschaffung einer C-Leg-Kniegelenksprothese im satzungsmäßigem Umfang zu übernehmen“).

1.3.
Überlegungen

Erinnert werden muss in diesem Zusammenhang an § 367 Abs 1 ASVG: Über den Antrag auf Zuerkennung einer Leistung aus der KV ist ein Bescheid zu erlassen, wenn die beantragte Leistung ganz oder teilweise abgelehnt wird und der Anspruchswerber ausdrücklich einen Bescheid verlangt (Z 2 leg cit). Auch bei Pflichtleistungen ohne individuellen Rechtsanspruch kann in Ansehung dieser Leistungen gegen eine Ermessensentscheidung Klage wegen gesetzwidriger Ermessensübung erhoben werden (ua RIS-Justiz RS0117386). Aus dem Anspruch auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens resultiert auch ein (materieller) Anspruch auf Zuerkennung der begehrten Leistung, sofern die am Gesetzessinn orientierte Ermessensübung zu einer positiven Entscheidung führt. Ob dies in einem konkreten Fall zutrifft, ist keine Frage der Klagszulässigkeit, sondern der Begründetheit (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit in Verfahren in Sozialrechtssachen [1996] 157 ff). Anders wurde vom OGH zu Anträgen auf Rehabilitationsleistungen aus dem Bereich der PV entschieden, weil hier eben keine Bescheiderlassungspflicht bestehe (vgl RIS-Justiz RS0084894).

Wäre im vorliegenden Fall die PVA der Auffassung gewesen, es handle sich um einen Antrag auf medizinische Rehabilitation für den nicht sie, sondern die GKK zuständig ist, hätte der Antrag jedoch unverzüglich an den zuständigen Krankenversicherungsträger weitergeleitet werden müssen (§ 154a Abs 3 ASVG).

Zum Sozialgerichtsverfahren ist an die geänderte Rsp betreffend Fragen der Kostenübernahme durch die Krankenversicherungsträger zu erinnern: Wurde vom Versicherungsträger mit einem Bescheid über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Kostenübernahme für ein Heilmittel entschieden, so steht dem Betroffenen die seinem Rechtsstandpunkt entsprechende Feststellungsklage offen, wenn eine Leistungsklage (noch) nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0124349).

2
Prüfung der Anspruchsgrundlagen

Auch die materiellrechtliche Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Sachverhalt erfolgt mA nicht immer nachvollziehbar. Das Erstgericht erkannte die Bekl schuldig, die Kosten für die C-Leg-Kniegelenksprothese zu übernehmen. Auch wenn diese ca vier Mal so teuer sei wie eine herkömmliche Prothese, sei der Einsatz im konkreten Fall zweckmäßig und notwendig. Soweit aus dem OGH-Urteil erkennbar, unterblieb offenbar die rechtliche Zuordnung zu den im ASVG vorgesehenen Maßnahmen. Das OLG vertrat die Auffassung, dass kein Heilbehelf iSd § 137 ASVG vorliege, weil die Heilbehandlung nach der Amputation 1972 „längst abgeschlossen sei und das Vorliegen einer Folgeerkrankung von der Patientin nicht behauptet werde“. „Hilfsmittel“ kommen sowohl im Rahmen des § 154 ASVG bei körperlichen Gebrechen als auch gem § 154a ASVG als medizinische Maßnahme der Rehabilitation in Frage. Da die zuletzt genannte Maßnahme „im Anschluss“ an die Krankenbehandlung zu erfolgen habe, sei die Prothese 40 Jahre nach der Amputationsverletzung ein Hilfsmittel iSd § 154 ASVG.

Der OGH bekräftigt diese Begründung: Die medizinische Rehabilitation iSd § 154a ASVG ist im Anschluss an eine Krankenbehandlung zur Sicherung ihres Erfolgs oder zur Folgenerleichterung derart zu gewähren, dass die Versicherten durch Verbesserung ihres Gesundheitszustandes in die Lage versetzt werden, einen angemessenen Platz in der Gemeinschaft möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen. Die zeitliche Aneinanderreihung von Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation wurde für nötig erachtet, um Leistungsvoraussetzungen zu schaffen und ein Unterlaufen der Vorschriften über den Arzneimittel-Erstattungskodex, Kostenbeteiligungen und kassenfreien Raum im Kurativbereich zu verhindern. Es muss also die Krankenbehandlung abgeschlossen sein, ehe die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation beginnen. Andererseits muss aber zwischen der Krankenbehandlung und der Rehabilitation ein entsprechender zeitlicher Konnex bestehen (vgl Binder in

Tomandl
, SV-System 21. ErgLfg 264/47 mwN). Allerdings führt Binder (aaO) einleitend aus, dass die medizinische Rehabilitation seit der 50. ASVG-Novelle (1992) eine Pflichtaufgabe der KV darstellt und später als Pflichtleistung eingeführt werden soll(te). Außerdem führt er im Anschluss an den vom OGH zitierten Satz aus, dass dieser gesetzlichen Konzeption nun die gesundheitspolitische Sicht gegenüberstehe, die ein begleitendes Einsetzen der Rehabilitation fordert. § 154a ASVG sei nicht zu eng zu deuten. Der Krankenbehandlungsmaßstab könne nicht mit voller Schärfe auf den – naturgemäß vageren – Rehabilitationstatbestand übertragen werden. Diesen Ausführungen Binders kann nur zugestimmt werden. Weiters zitiert der OGH in der vorliegenden Entscheidungsbegründung Kindermann (Kann die medizinische Rehabilitation eine Pflichtleistung der Krankenversicherung werden?SozSi 1992, 547 f), wonach die Rehabilitation optimalerweise an die akutmedizinische Versorgung anschließt und mit dieser in ursächlichem Zusammenhang steht. Die Gewährung von ärztlicher Hilfe, Heilmittel, Heilbehelf als Rehabili520tationsmaßnahme komme daher nur im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenbehandlung in Betracht. Kindermann schreibt aber aaO auch – ebenfalls nicht vom OGH zitiert –, dass die vom Gesetzgeber verlangte zeitliche und inhaltliche Abfolge möglicherweise ein Kompromiss war, um für idente Leistungen nicht Ansprüche nach zwei verschieden gefassten gesetzlichen Bestimmungen zu begründen. Die Wortfolge „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ sei am ehesten als ein Verbot der gleichzeitigen Gewährung von Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation zu verstehen.

MA entspricht das auch dem Willen des Gesetzgebers, wonach ursprünglich ja sogar geplant war, die Leistungen der medizinischen Rehabilitation aus der KV ab 1994 in Leistungen mit individuellem Rechtsanspruch umzuwandeln (RV zur 50. ASVG Novelle, 18. GP 284 dB). Eine restriktive Interpretation des § 154a ASVG wie im vorliegenden Fall, bei der die Versicherte nach der Amputation ursprünglich (immer wieder) mit herkömmlichen Prothesen versorgt wurde, die aber nun nach den Feststellungen sogar zu einer weiteren – wohl behandlungsbedürftigen – Gesundheitsschädigung (an der Wirbelsäule) führen, erscheint zu eng. Die zeitliche Abfolge (arg: im Anschluss an die Krankenbehandlung) so zu interpretieren, dass ein unmittelbarer Anschluss an die Krankenbehandlung vorliegen muss, schließt im vorliegenden Fall eine Versicherte von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen aus der KV aus, die noch länger berufstätig sein möchte und könnte. Ob die Maßnahmen (wie ursprünglich beantragt und in der Klagebeantwortung vom Krankenversicherungsträger offenbar eingewendet wurde) in die Zuständigkeit der Pensionsversicherungen gem §§ 300 ff ASVG fallen, ist offen. Dazu ist anzumerken, dass gem § 302 Abs 2 ASVG medizinische Maßnahmen der Rehabilitation vom Pensionsversicherungsträger gewährt werden, wenn und soweit sie nicht aus einer gesetzlichen KV gewährt werden. Allerdings besteht hier insofern ein Rechtsschutzdefizit als – wie bereits ausgeführt – die Pensionsversicherungsträger über Anträge auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mittels Bescheid zu entscheiden haben (§ 367 ASVG).

In dem in der Einleitung erwähnten, durchaus vergleichbaren Fall (OGH 23.5.2005, 10 ObS 7/05k) erhielt der Kl bereits 14 Tage nach der Amputation eine Versorgung mit der C-Leg-Kniegelenksprothese als Leihgerät; die Kostenübernahme als medizinische Maßnahme der Rehabilitation wurde auch damals mit Bescheid abgelehnt. Die damalige Bekl bestritt die Zulässigkeit des Rechtswegs. Der OGH berief sich auf die bereits 2003 ergangene OGH-E 10 ObS 258/02t (SSV-NF 17/17) zur Zulässigkeit des Rechtsweges für Begehren auf Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der KV nach § 154a ASVG. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kl habe bei fehlerfreier Handhabung des Ermessens iSd Gesetzes Anspruch auf Zuerkennung der Leistung, sei zutreffend. Das OLG hatte festgestellt, dass ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts diese Versorgung die einzige Maßnahme darstelle, die den Zweck der Krankenbehandlung erreiche, der gem § 154a Abs 1 erster Satz ASVG auch für die medizinische Rehabilitation maßgebend ist: ausreichend und zweckmäßig, das Maß des Notwendigen nicht überschreitend. Damals wurde daher kein Ermessensspielraum für die Bekl mehr gesehen.

Im vorliegenden Fall jedoch erhält die Versicherte für ein Hilfsmittel bei körperlichen Gebrechen gem § 154 ASVG den satzungsmäßigen Zuschuss gem § 40 der Satzung der Bekl. Dieser ist mit dem Dreifachen der Höchstbeitragsgrundlage begrenzt (somit 2012: € 432,–), wenn es sich nicht um eine medizinische Maßnahme der Rehabilitation handelt. Tatsächlich betragen die Kosten der C-Leg-Kniegelenksprothese rund € 32.000,–.

3
Schlussbemerkung

Gerade im Hinblick auf die aktuellen Reformen des Sozialrechts („Invaliditätspension neu“) und die Verstärkung des Rehabilitationsgedankens ist zu hoffen, dass Versicherte dabei unterstützt werden, länger im Erwerbsprozess zu bleiben. Eine bessere Zusammenarbeit der Versicherungsträger anstelle negativer Zuständigkeitskonflikte kann dazu beitragen. Verfahrensrechtliche Fragen sind rasch und klar zu lösen – die bescheidmäßige Erledigung von Anträgen, wo es im Gesetz vorgesehen ist, darf keine Hürde für die Versicherten darstellen. Es darf auch nicht zugewartet werden, bis Invalidität bzw Berufsunfähigkeit eintritt oder die Versicherten arbeitslos werden. Gerade in Sachverhalten wie dem vorliegenden, in dem die Versicherte trotz eines Unfalls mit einer schweren Gesundheitsschädigung weiter voll erwerbstätig ist, müssen rechtzeitig Maßnahmen der Rehabilitation ergriffen werden.521