Arbeitsverfassungsgesetz

§ 105 Abs 3 Z 2:
Beurteilung der SozialwidrigkeitOGH 27.6.2013, 8 ObA 28/13w

Hat der AN nach der Kündigung tatsächlich eine möglicherweise nachteilige Stelle angenommen, so sind zunächst 64seine Arbeitsmarktchancen zu beurteilen, weil er ansonsten die Beurteilung der Sozialwidrigkeit willkürlich beeinflussen könnte. Steht kein zumutbarer Verweisungsposten zur Verfügung, so ist der tatsächlich erlangte neue Arbeitsplatz in die Beurteilung miteinzubeziehen. Im Fall eines gerechtfertigten Pendelns sind sowohl der finanzielle Mehraufwand als auch der Zeitaufwand und die Beeinträchtigung der Lebensqualität zu berücksichtigen. Die primäre Funktion des Tatbestandsmerkmals der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung besteht darin, den Kündigungsschutz jenen AN zu gewähren, die auf ihren Arbeitsplatz zur Deckung ihrer wesentlichen Lebenshaltungskosten angewiesen sind.

Kündigung eines Buchhalters wegen FehlverhaltenOGH 24.7.2013, 9 ObA 76/13m

Hatte der AN, der als Buchhalter beschäftigt war, seine Anmeldung zur SV unter falschem Namen herbeigeführt, um einer Lohnpfändung zu entgehen, legte er immer wieder „Eigenmächtigkeiten“ an den Tag (ua Selbstauszahlung einer steuerfreien Prämie etc), hielt er häufig Vorlage- und Abgabetermine nicht ein, verbuchte er verhängte Zwangsstrafen nicht, meldete er einen Mitarbeiter zu spät bei der Mitarbeiter- Vorsorgekasse an und führte er für eine Halbtagskraft keine Krankenversicherungsbeiträge ab, wodurch ihr zustehende Zahlungen während des Mutterschutzes gefährdet waren, dann kann von einem sukzessiven Vertrauensverlust gegenüber dem AN ausgegangen werden und die Kündigung des AN ist infolge Überwiegens betrieblicher Interessen des AG gerechtfertigt.

§ 105 Abs 6:
Zustimmung zur Kündigung des AN aus „Rache“ des BetriebsratesOGH 25.6.2013, 9 ObA 38/13y

Stimmte der BR einer Kündigung deswegen zu, weil die einzelnen Betriebsratsmitglieder mit der Tätigkeit des AN als Director Human Resources unzufrieden waren und sie sich durch die Zustimmung für verschiedene Maßnahmen, die der AN in seiner Funktion gesetzt hatte, und für verschiedene von ihm getätigte Äußerungen „rächen“ wollten, damit die Kündigung nicht wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden kann, dann ist dieser Zustimmungsbeschluss rechtswirksam und eine Anfechtung der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit ausgeschlossen.

Da keine Berechtigung besteht, über die demokratische Willensbildung eines Organs der Betriebsverfassung Untersuchungen anzustellen, kann die Zustimmungserklärung des BR auf eine zugrunde liegende adäquate Interessenabwägung hin nicht überprüft werden.