SchumacherDie privilegierte Haftung des Arbeitnehmers

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2012, 263 Seiten, broschiert, € 76,90

FERDINANDKERSCHNER (LINZ)

Die tiefschürfende und mutige deutsche Dissertation – betreut vom renommierten Zivil- und Arbeitsrechtsprofessor 86Karl-Georg Loritz – geht grundlegenden Fragen der Haftungsprivilegierung des DN nach, die in Deutschland – anders als in Österreich durch das DHG – noch immer allein auf richterlicher Rechtsfortbildung beruht. Trotz jahrzehntelanger Judikatur ist – wie Carsten Schumacher deutlich aufzeigt – auch jetzt noch beträchtliche Rechtsunsicherheit gegeben, während sich in Österreich die Judikatur kaum mehr mit Fragen des DHG befassen muss. Die Nachteile richterlicher Rechtsschöpfung werden dabei in Deutschland offenbar. Bestehen keine festen positivierten Fundamente, gerät vieles oder alles leicht ins Wanken, gesichert vermeinte Säulen können einbrechen, sodass das gesamte Gebäude der Haftungsminderung in Gefahr gerät, zur Gänze einzustürzen!

So konstatiert der Autor, dass noch immer keine durchgehenden tragenden dogmatischen Grundlagen der Haftungsbeschränkung gefunden worden seien (S 62 ff), alles auf Billigkeits- bzw Gerichtsüberlegungen beruhe. Wenn zwar diese Frage für das österreichische Recht wegen der Kodifikation nicht konstitutiv ist, so spielen doch die bestimmenden Gründe für Einzelfragen immer wieder eine Rolle; vgl etwa OGH9 ObA 34/06zZAS 2007/20 (Rauchen am Arbeitsplatz).

Wenn für Österreich das Betriebsrisiko und die typische Unverhältnismäßigkeit zwischen Entlohnung und Haftungsrisiko im Vordergrund stehen (vgl Kerschner, Kommentar zum DHG2 [2004] 1 ff), so versucht Schumacher – mE nicht wirklich überzeugend – das Betriebsrisikoargument maßgeblich zu relativieren (S 117 ff). Immerhin ist die Haftungsminderung nun auf alle DN erstreckt – die Rsp hat ja die Voraussetzung der gefahrengeneigten Tätigkeit fallen gelassen –, nun ebenso die Mankohaftung miteinbezogen (S 33 ff). Zu dieser ist allerdings auch zum DHG insb im Hinblick auf die Beweislast manches offen (vgl wieder Kerschner, DHG2 Rz 2/25).

Die Schuldrechtsmodernisierung in Deutschland (in Kraft seit 1.1.2002) hätte laut Materialien durch die Neufassung des § 276 Abs 1 BGB eine bessere Absicherung der Haftungsminderung der DN bringen sollen; siehe Schumacher 148 ff. Danach haftet der Schuldner für Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn „eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt der Schuldenverhältnisse zu entnehmen ist“. Das ist in Wahrheit auch die maßgebliche Basis der Haftungsminderung: Die vertragsimmanente Risikoverteilung bestimmt die Haftungsstruktur. „Das im Verhältnis zum möglichen Gewinn des Dienstgebers typischerweise niedrige Entgelt des Dienstnehmers verlangt eine weitere Zuordnung des Schadensrisikos zum Betrieb“; vgl so bereits Kerschner, DHG2 Erl 1. Warum Schumacher diesen naheliegenden Begründungsansatz einer zwingenden Haftungsminderung „abwürgt“ (S 157 ff), wird nicht sofort einsichtig.

Man wird allerdings beim weiteren Studium des Werks das Gefühl nicht los, dass es ergebnisorientiert, nämlich in Richtung grundsätzliche vertragliche Abdingbarkeit verfasst ist. Nun ist dem Autor zuzugestehen, dass richterliche Eigenschöpfungen (einseitig) zwingender Natur noch schwerer als Regelungen dispositiver Art zu begründen sind. Die hA teilt allerdings diese Scheu nicht (vgl die Darstellung S 170 ff). Das DHG hat diese Frage doch im Grundsätzlichen eindeutig „zwingend“ (vgl § 5 DHG) gelöst und nur bei einer solch zwingenden Ausgestaltung macht eine Haftungsminderung der DN Sinn. Unbillige Vertragsbestimmungen im Dienstvertrag nach allgemeinen Regeln zu bekämpfen – so der Autor im Ergebnis –, gibt dem DN Steine statt Brot.

Für die österreichische Rechtslage finden sich – zusammenfassend für die vorliegende Untersuchung – aber immer wieder Sachüberlegungen, die allenfalls auch hier argumentativ verwertbar sein könnten. Für den Rezensenten bleibt freilich eine Quintessenz: Es dürfte der Rechtskultur meistens mehr nützen, wenn die Judikatur nicht selbst versucht, neuen Sach- und Interessenslagen durch (letztlich erfundene) Eigenschöpfungen zu entsprechen, sondern den Gesetzgeber zu klaren Entscheidungen aufruft. Das ist beim DHG passiert und für alle Beteiligten im Rahmen der Sozialpartnerschaft in sehr sinnvoller Weise gelungen. Es könnte auch einmal ein österreichisches Gesetz zum Vorbild für den deutschen Gesetzgeber werden!