Aschauer/Kohlbacher (Hrsg)Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2012 und 2013

Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien 2012+ 2013, 238+ 240 Seiten, broschiert, € 48,–

MONIKAWEISSENSTEINER (WIEN)

Paula Aschauer und Elisabeth Kohlbacher setzen das schwierige Unterfangen fort, das von BM für Justiz Beatrix Karl begonnen wurde, ein Jahrbuch Sozialversicherung herauszugeben. Auf jeweils rund 240 Seiten sollen einerseits ein Überblick über geänderte Rechtsvorschriften und die Judikatur zum österreichischen Sozialversicherungsrecht gegeben werden und andererseits vertiefende Darstellungen zu bestimmten Schwerpunkten geboten werden. Nach dem Vorwort richtet sich das Jahrbuch vor allem an PraktikerInnen, aber auch an WissenschafterInnen. Beide Zielgruppen zu erreichen, ist gleichzeitig Herausforderung und Schwierigkeit für das vorliegende Werk.

Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt die Konstanten der jährlichen Ausgaben: Im ersten Kapitel wird eine Zusammenstellung der Rechtsvorschriften des Sozialversicherungsrechts, die jeweils erlassen wurden bzw in Kraft getreten sind (im Jahrbuch 12 die des Jahres 2011 und im Jahrbuch 13 die des Jahres 2012), mit einer kurzen Beschreibung der inhaltlichen Schwerpunkte und eine Judikaturübersicht geboten. Anschließend folgt in beiden Ausgaben eine sehr ausführliche Darstellung der Änderungen und Judikatur zum Kinderbetreuungsgeldgesetz von Manuela Stadler. Das Kapitel „Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen im AlVG“ von Andreas Gerhartl umfasst ebenfalls gesetzliche Änderungen und die zu dieser Thematik ergangene Rsp; hier fällt eine gut gegliederte und Tatbestandselementen zugeordnete Darstellung besonders positiv auf. Winfried Pinggera und Barbara Bulla-Wagner geben jeweils einen Überblick über die Novellierungen in der PV; bei den Änderungen des Jahres 2011 werden auch das Pflegefondsgesetz und das Pflegegeldreformgesetz mitberücksichtigt, was zu einer teilweisen Überschneidung mit dem Kapitel von Wolfgang Seidl zum Pflegegeldreformgesetz führt. Im Anhang findet man die aktuellen veränderlichen Werte in der SV, die bei einem Erscheinungstermin des Jahrbuchs im Herbst wohl nur der Vollständigkeit halber trotzdem aufgenommen werden.

Die weiteren Kapitel, von denen in der vorliegenden Besprechung einige herausgegriffen werden, fallen höchst unterschiedlich aus. So findet man im Jahrbuch 2012 eine Analyse ausgewählter Entscheidungen zur Unfallversicherung von Susanne Mayer, die eine spannende Auswahl geordnet nach Themenkreisen bietet und die OGH-Entscheidungen nicht nur darstellt, sondern analysiert und bewertet – ein Kapitel, das durchaus auch für PraktikerInnen geeignet ist, aber Vorkenntnisse auf dem Gebiet des Unfallversicherungsrechts wohl voraussetzt. Die Darstellung des Programms „Selbständig Gesund“ der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft von Thomas Neumann auf fünf Seiten bleibt sehr kursorisch, weshalb der in der Zusammenfassung dann angesprochene Paradigmenwechsel im System der sozialen KV durch eine Verstärkung des Prinzips der Eigenverantwortung doch überrascht. Das Thema „Rehabilitation vor Pension“ steht im Mittelpunkt des Beitrags von Martin Gleitsmann, Martin Kircher und Martina Rosenmayr- Khoshideh: Das Budgetbegleitgesetz 2011, das am 1.1.2011 in Kraft getreten ist (und das, wie wir mittlerweile wissen, eine kurze Lebensdauer hatte, weil es bereits am 1.1.2014 zum Großteil durch eine neuerliche Reform des Rechts der Invaliditätspension für unter 50-Jährige abgelöst wird), wird als wichtiger und richtiger Schritt bezeichnet, gleichzeitig werden weitere Reformüberlegungen angestellt. Im Mittelpunkt dieser Gedanken stehen die Mitwirkungspflichten der Versicherten, die Kritik am System des Berufsschutzes und Frühinterventionsmaßnahmen; auch hier wird die Eigenverantwortung eingefordert ohne mit einem Nebensatz zu erwähnen, dass eine erfolgreiche Rehabilitation und angestrebte Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auch einen Beitrag der AG voraussetzt.

Im Jahrbuch 2013 werden von Peter Pratl in einem wenige Seiten umfassenden Beitrag Entscheidungen des OGH aus dem Unfallversicherungsrecht zu interessanten Fragen im Zusammenhang mit Dienstreisen und Betriebsfahrten behandelt. Edith Marhold-Weinmeier beschäftigt sich mit verfahrensrechtlichen Fragen, die in der juristischen Auseinandersetzung oft zu kurz kommen. Die Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens von der sukzessiven Kompetenz über die amtswegige Beweisaufnahme bis zur sogenannten Sperrfrist werden thematisiert. Es verwundert allerdings nicht nur aus sozialpolitischer Sicht, wenn von einer Richterin die entstehenden Kosten (vor allem für Sachverständigengutachten) in Verfahren wegen Leistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit quasi beklagt werden, die letztendlich dann trotz Neudurchführung des Verfahrens zu „keinem anderen Ergebnis als der bekämpfte Bescheid, nämlich zu einer Abweisung des Klagebegehrens führen“. Auch an anderer Stelle des Beitrags wird den KlägerInnen geradezu Verschleppungsabsicht an der Grenze zum Missbrauch unterstellt. Das neue „Krankengeld“ für Selbständige, korrekterweise die Unterstützungsleistung bei lang andauernder Krankheit, finanziert aus den Mitteln der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), wird von Thomas Neumann kurz dargestellt, wobei er ausführt, dass die Verfassungskonformität einer Quersubventionierung aus der bisherigen Judikatur des VfGH nicht eindeutig beantwortbar ist, jedoch im gegenständlichen Fall eine hohe Identität der Beitragszahler und Leistungsbezieher vorliege. Wie im Jahr zuvor stellen Martin Gleitsmann, Martin Kircher und 89Martina Rosenmayr-Khoshideh die Neuerungen zur Invaliditätspension dar (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012, im BGBl I 2013/35BGBl I 2013/35 kundgemacht, Inkrafttreten am 1.1.2014). Bereits in der Einleitung wird kritisch angemerkt, dass der Grundsatz „Reha vor Pension“ in der Praxis erfolglos geblieben sei und die Zahl der Neuzuerkennungen nicht um 10 % (gegenüber 2010) gesunken sei. Allerdings kann man aus Sicht der Rezensentin auch bei einem erstmaligen Sinken der Zuerkennungen von 2010 auf 2011 um 5,5 % durchaus von einer Trendumkehr sprechen. Wenn sich die AutorInnen auf die Sozialpartnereinigung von Bad Ischl 2011 berufen, übersehen sie in ihrem Beitrag, dass auch dienstgeberseitige Maßnahmen umzusetzen sind (zB Prüfung der Wiedereinführung einer Bonus-Malus-Regelung). Nicht nur die Mitwirkung des Einzelnen ist stärker einzufordern, sondern auch die Bereitschaft der DG einzufordern, rehabilitierte Versicherte zu beschäftigen; den Berufsschutz als Hürde für eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation zu sehen und den Betroffenen Unwillen zu unterstellen, greift jedenfalls zu kurz.

Zusammenfassend können die Jahrbücher für PraktikerInnen des Sozialversicherungsrechts einen Überblick über aktuelle Entwicklungen sowohl betreffend die gesetzgeberischen Aktivitäten als auch die Judikatur bieten, wobei die einzelnen Beiträge doch sehr unterschiedlich ausfallen.