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(Kein) Unfallversicherungsschutz bei Hilfstätigkeit im Zuge des Hausbaus der Lebensgefährtin

SUSANNEMAYER (SALZBURG)
  1. Auch für den Unfallversicherungsschutz selbständig Erwerbstätiger ist entscheidend, dass sich die im Unfallzeitpunkt verrichtete Tätigkeit als Ausübung der Erwerbstätigkeit darstellt. Dies ist nicht der Fall, wenn für die unfallbringende Verrichtung im Wesentlichen eigenwirtschaftliche Interessen maßgeblich waren.

  2. § 176 Abs 1 Z 6 ASVG verlangt nicht nur, dass die Person wie ein/e in einem Dienst-, Lehr- oder ähnlichem Verhältnis Vollversicherte/r tätig wird, sondern auch, dass die Arbeit in einem oder für einen Betrieb geleistet wird. Der Versicherungsschutz setzt demnach die Unterstützung eines fremden Unternehmens in dessen Unternehmensbereich voraus.

Der Kl betrieb im Jahr 2001 ein Unternehmen, dessen Gegenstand die Herstellung und Montage von Fenstern und Wintergärten sowie die Vornahme von Tischlereiarbeiten war. Er verfügt über eine Gewerbeberechtigung als „Tischler eingeschränkt auf Montagearbeiten“ und für das „Handelsgewerbe“. Im Frühjahr 2001 begann seine damalige Lebensgefährtin auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück ein Einfamilienhaus zu errichten [...]. Vereinbart war, dass der Kl beim Hausbau mithilft und nach Fertigstellung das Haus unentgeltlich bewohnen könne. Am 17.5.2001 sah der Kl, dass die Maurer im Bereich des Dachstuhls Maurerarbeiten durchführten. Diese Arbeiten mussten noch an diesem Tag abgeschlossen werden, da am nächsten Tag der Dachstuhl geliefert und montiert werden sollte. Damit die Arbeiten schneller beendet werden konnten, half der Kl den Maurern. Als er dabei war, den Maurern Ziegel zu reichen [...], stürzte er ab und verletzte sich schwer. Nicht festgestellt werden kann, ob die Maurer bei dem Bauunternehmen [...] beschäftigt und für dieses Unternehmen tätig waren [...].

Der Kl begehrt die Feststellung, dass der Unfall ein Arbeitsunfall iSd §§ 175, 176 ASVG sei [...].

Die Bekl wandte im Wesentlichen ein, der Unfall habe sich bei privaten Arbeiten anlässlich des Hausbaus der damaligen Lebensgefährtin des Kl ereignet [...].

Das Erstgericht wies die Klage ab. Über die eingangs angeführten Feststellungen hinaus traf es noch folgende weitere wesentliche Feststellungen:

„Der Kl stellte im Rahmen seines Unternehmens [...] Fenster bzw Fensterrahmen her. Diese verkaufte er an Bauunternehmen und montierte sie an der jeweiligen Baustelle [...]. Für den Bau des Einfamilienhauses seiner damaligen Lebensgefährtin prüfte er die Angebote von Baufirmen und führte die Vorverhandlungen [...]. Für die Arbeitszeit, die der Kl auf der Baustelle verbrachte, stellte er seiner Lebensgefährtin keine Rechnungen aus. Er erhielt dafür auch nie Entgelt. Er verrechnete ihr aber teilweise die Materialkosten. Auch seine Mitarbeiter arbeiteten auf der Baustelle, ua bei der Montage der Fenster. Als die Fenster eingebaut wurden, forderte der Kl von seiner Lebensgefährtin einen bestimmten Geldbetrag, mit dem er die Materialkosten und den Lohn seiner Mitarbeiter bezahlte. Am 17.5.2001 half er den Maurern, obwohl er mit der Lieferung des Dachstuhls ‚nichts zu tun hatte‘. Seine Aufgabe wäre es (erst) gewesen, nach Lieferung und Montage des Dachstuhls ein Paneel zu montieren [...].“

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge [...]. Gegen diese E richtet sich der Rekurs der Bekl [...].

Rechtliche Beurteilung

I. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kl seinen Unfallversicherungsschutz nicht aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ableiten kann:

I.1. [...] Der Unfallversicherungsschutz der [...] selbständig Erwerbstätigen wird nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG durch die Mitgliedschaft zu einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft erworben. Er erstreckt sich daher auf Tätigkeiten, die in einem [...] inneren Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet [...]. Es ist nach objektiven Gesichtspunkten zu prüfen, ob sich die Tätigkeit als zur Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz tauglich darstellt und ob sie vom Handelnden subjektiv auch in dieser Intention entfaltet wurde (10 ObS 96/99m, SSV-NF 13/53 mwN ua; RIS-Justiz RS0083633; RS0084368; RS0084388).

I.2. Entscheidend für den Versicherungsschutz ist daher auch bei selbständig Erwerbstätigen, ob sich das Verhalten als Ausübung der Erwerbstätigkeit darstellt (10 ObS 108/08t, SSV-NF 22/59 ua).

I.2.1. Im vorliegenden Fall steht dazu fest, dass der Kl das Zureichen der Ziegel an die Maurer [...] außerhalb seiner gewerberechtlichen Befugnisse ausgeübt hat [...].

I.3. [...] Soweit [...] durch eine unbefugte Gewerbeausübung eine Pflichtversicherung als „neuer Selbständiger“ iSd § 2 Abs 1 Z 4 GSVG begründet wird, besteht auch für sie der Schutz der UV (Tomandl in

Tomandl
, SV-System 13. Erg.-Lfg 281).

I.3.1. Eine durch die Erteilung einer Gewerbeberechtigung erworbene Kammermitgliedschaft führt aber nicht zu einem Versicherungsschutz für alle gewerblichen Tätigkeiten, nämlich dann, wenn diese mit dem Betrieb, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft ist, nicht im Zusammenhang stehen und unberechtigt entfaltet werden (RIS-Justiz RS0083617; vgl auch 10 ObS 154/88, SSV-NF 2/85 ua).

I.4. Auch wenn der Unfallversicherungsschutz für selbständig Erwerbstätige nach der Rsp nicht nur auf berufsspezifische Tätigkeiten eingeschränkt ist (vgl 10 ObS 2390/96k, SSV-NF 10/112 mwN), fehlt es im vorliegenden Fall an der Voraussetzung, dass die vom 40Kl zum Unfallszeitpunkt verrichtete Tätigkeit in einem engen Zusammenhang mit seinem Gewerbebetrieb stand und wesentlich betrieblichen Zwecken diente [...].

I.4.1. Der Versicherte steht aber [...] dann nicht unter dem Schutz der gesetzlichen UV, wenn für die unfallbringende Verrichtung im Wesentlichen seine eigenwirtschaftlichen Interessen maßgeblich sind und die auch vorhandenen betrieblichen Interessen nur einen völlig im Hintergrund stehenden Nebenzweck des Handelns bilden (RIS-Justiz RS0084271 [T17]; 10 ObS 4/10a, SSV-NF 24/8).

I.4.2. Ein Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine Tätigkeit auch wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt war, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (Krasney in SGB VIIKomm [11. Lfg Mai 2012] § 8 Rz 50; 10 ObS 102/10p, SSV-NF 24/57).

I.4.3. Dies ist hier schon deshalb zu verneinen, weil der Kl ein Unternehmen [...] betrieb, dessen Gegenstand die Herstellung von Fensterrahmen für Bauunternehmen und deren Montage [...] war. Er bot also üblicherweise [...] nicht die Vornahme von Maurerarbeiten an, die mit der Fenstermontage in keinem Zusammenhang stehen [...].

I.5. Es liegen aber auch keine geschützten sogenannten „unternehmensfremden Gefälligkeitsleistungen“ (vgl Tomandl in

Tomandl
, SV-System, 13. Erg.-Lfg, 281 mwN) vor, weil solche nur dann unter Versicherungsschutz stehen, wenn sie als Kundendienstleistungen eng mit dem Betrieb oder der Erwerbstätigkeit zusammenhängen [...].

II. Nicht zu teilen ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, es bestehe Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG: [...]

II.1. Nach [...] § 176 Abs 1 Z 6 ASVG sind den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht.

II.2. Eine solche betriebliche Tätigkeit liegt nach stRsp vor, wenn es sich um eine – wenn auch nur kurzfristige – ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem mutmaßlichen oder wirklichen Willen des Unternehmers entspricht, die ihrer Art nach üblicherweise von Personen verrichtet wird, die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses von dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig sind (§ 4 ASVG) und durch die ein enger ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird. Unter einer ernstlichen Arbeit versteht man dabei Handlungen, die auch sonst in dem in Frage stehenden Betrieb anfallen und üblicherweise von einem AN im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses iSd allgemeinen Arbeitsmarkts verrichtet werden. Entscheidende Bedeutung kommt somit dem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu, in dem im konkreten Fall die helfende Tätigkeit verrichtet wird. Es muss sich um eine arbeitnehmerähnliche, betriebliche spezifische Tätigkeit handeln, die als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheint, durch die ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird. Die Handlungstendenz muss auf Belange des Unternehmens gerichtet sein (RIS-Justiz RS0084164, RS0084241, RS0084264). Beispielsweise wurde die vom Bauherrn laut Vereinbarung mit der Baufirma bereitgestellte Hilfskraft, die bei Montage des Dachstuhls durch einen sachkundigen Monteur der Baufirma behilflich war und hiebei einen Unfall erlitt, als unter Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG stehend angesehen (10 ObS 34/89, SSV-NF 3/28). Leistet jemand Hilfe nur vorübergehend und aus Gefälligkeit, so steht es ihm zwar frei, seine Tätigkeit einzustellen und seine weitere Mitarbeit zu verweigern. So lange er aber an der Ausführung des Plans des Unternehmers mit dessen ausdrücklichem oder nach der Sachlage zu vermutenden Willen mitwirkt, zeigt er damit seine Bereitschaft, sich den dazu erforderlichen Weisungen des Unternehmers zu fügen (SZ 48/50 ua).

II.3. Wenn § 176 Abs 1 Z 6 ASVG eine „betriebliche Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt“ verlangt, bedeutet dies nicht nur, dass die Person wie ein in einem Dienst-, Lehr- oder ähnlichem Verhältnis Vollversicherter tätig wird (10 ObS 196/02z = SSV-NF 16/81). Seine Anwendung setzt auch voraus, dass die Arbeit in einem oder für einen Betrieb geleistet werden muss (10 ObS 247/03a, SSV-NF 18/90; 10 ObS 196/02z, SSV-NF 16/81; 10 ObS 212/88, SSV-NF 2/133), also in einer oder für eine auf Erzielung eines bestimmten Arbeitserfolgs ausgerichteten Organisation (Tomandl, SV-System, 11. Erg-Lfg 294 mwN).

II.3.1. Dafür spricht die in 10 ObS 34/89, SSV-NF 3/28 im Einzelnen dargestellte historische Entwicklung dieser Bestimmung, bei der trotz des Übergangs zur Personenversicherung der Begriff des Betriebs weiterhin beachtlich blieb und die Risikosphäre der UV absteckt (10 ObS 124/92, SSV-NF 6/85 unter Hinweis auf Tomandl, Der Schutzbereich der Unfallversicherung, ZAS 1975, 123 [127]) [...].

II.3.2. Es wurde bereits ausgesprochen, dass es für das Vorliegen eines Betriebs (der DG-Eigenschaft) nicht darauf ankomme, ob eine entsprechende Gewerbeberechtigung desjenigen besteht, auf dessen Rechnung der Betrieb geführt wird (10 ObS 247/03a, SSV-NF 18/90 mwN). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls iSd § 175 ASVG ist es deshalb nicht erheblich, ob der Betrieb, in dem der Verunglückte in einem [...] Beschäftigungsverhältnis steht, über eine erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt. Wenn § 176 Abs 1 Z 6 den Arbeitsunfällen Unfälle gleichstellt, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt, dann kann für Unfälle nach dieser Gesetzesstelle nichts anderes gelten [...] (10 ObS 247/03a, SSV-NF 18/90).

II.4. Wird die Tätigkeit jedoch nicht in einem oder für einen Betrieb ausgeübt, bleibt der Helfer nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ungeschützt (10 ObS 247/03a, SSV-NF 18/90; 10 ObS 124/92, SSV-NF 6/85 mwN). Der Versicherungsschutz nach dieser Gesetzesstelle setzt die Unterstützung eines fremden Unternehmens in seinem Unternehmensbereich voraus. Mangels Vorliegens eines Betriebs gelangt daher auch für den Helfer eines „Pfuschers“ § 176 Abs 1 Z 6 ASVG nicht zur Anwendung [...] (so bereits OLG Wien 14 R 129/67, SSV 7/78). Auch der Helfer eines Gastwirts, der selbst 41ein Haus deckt, ist nicht geschützt (Tomandl, SVSystem 11. Erg.-Lfg 294; siehe auch Grillberger [Sic!], Österreichisches Sozialrecht9 71).

II.5. Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus diesen Grundsätzen:

Dass die an der Baustelle arbeitenden Maurer, denen der Kl die Ziegel zureichte, für das beauftragte Bauunternehmen [...] tätig waren, konnte nicht festgestellt werden. Dass die Maurer in einem oder für einen anderen Betrieb tätig gewesen wären [...] hat der Kl nicht vorgebracht. Bestehen kein Vorbringen und keine entsprechenden Feststellungen dazu, dass das Zureichen der Ziegel, im Zuge dessen sich der Unfall ereignete, als Hilfstätigkeit für in einem oder für einen Betrieb tätige Maurer erfolgte, mangelt es an der Voraussetzung der „betrieblichen Tätigkeit“ iSd § 176 Abs 1 Z 6 ASVG. Der Kl kann deshalb nicht den sich aus dieser Gesetzesstelle ergebenden Versicherungsschutz für sich in Anspruch nehmen [...].

Anmerkung
1.
Problemstellung

Wie unzählige Male zuvor hatte sich der OGH in der gegenständlichen E mit der Abgrenzung des „geschützten Lebensbereichs“ der UV zu beschäftigen. Da sowohl gewerbliche Selbständige (vgl § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG) als auch „neue Selbständige“ (vgl § 2 Abs 1 Z 4 GSVG) gem § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG in der UV teilversichert sind, stellte zunächst die Generalklausel des § 175 Abs 1 ASVG im Zusammenhang mit der selbständigen Erwerbstätigkeit des Verletzten einen möglichen Anknüpfungspunkt für den Unfallversicherungsschutz dar. Diesbezüglich erweist sich die Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes vielfach als (noch) problematischer als im Falle einer unselbständigen Tätigkeit. Denn betriebliche und eigenwirtschaftliche Tätigkeiten lassen sich hier noch schwerer trennen, da die nähere Ausgestaltung der Erwerbstätigkeit letztlich dem/der Selbständigen selbst obliegt (vgl auch OGH10 ObS 137/02ySSV-NF 16/88; Müller in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm [2013] § 175 Rz 96; Tomandl in
Tomandl
[Hrsg], SV-System 2.3.2.3.1.2., jeweils mwN). Ungeachtet dieser Schwierigkeiten kamen im vorliegenden Fall alle drei Instanzen übereinstimmend zum Ergebnis, dass Unfallversicherungsschutz gem § 175 Abs 1 nicht gegeben war.

Da sich der Unfall des Kl bei Unterstützung der auf der Baustelle seiner Lebensgefährtin tätigen Maurer ereignete, kam jedoch darüber hinaus ein Unfallversicherungsschutz wegen Ausübung einer „betrieblichen Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt“ iSd § 176 Abs 1 Z 6 ASVG in Betracht. Wenngleich § 176 Abs 1 Z 6 durch den OGH an sich weit ausgelegt wird (näher unten 3.), verneint dieser – im Gegensatz zum Berufungsgericht – auch einen Unfallversicherungsschutz nach dieser Bestimmung. Vor allem dieses Ergebnis verdient eine nähere Betrachtung. Zuvor soll jedoch kurz auf die Argumente für das Nichtbestehen von Versicherungsschutz gem § 175 Abs 1 ASVG eingegangen werden.

2.
Kein Unfallversicherungsschutz als selbständig Erwerbstätiger

Für den Unfallversicherungsschutz ist auch bei selbständig Erwerbstätigen entscheidend, ob sich das Verhalten als Ausübung der Erwerbstätigkeit darstellt (vgl zuletzt auch OGH10 ObS 3/12gARD 6224/7/2012 mwN). Die betreffende Handlung muss folglich nach stRsp von dem/der Versicherten subjektiv mit der Intention gesetzt werden, seiner/ihrer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachzukommen, darüber hinaus aber auch von der Warte Außenstehender als Ausfluss dieser Erwerbstätigkeit angesehen werden können (vgl zB OGH10 ObS 137/02ySSV-NF 16/88 mwN), also bei objektiver Betrachtung zur Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz tauglich sein (so zuletzt auch OGH10 ObS 3/12gARD 6224/7/2012 mwN). In Bezug auf gewerbliche Selbständige ist hier von der die Kammermitgliedschaft und damit den Unfallversicherungsschutz begründenden Gewerbeberechtigung auszugehen. Der Unfallversicherungsschutz erstreckt sich demnach nur auf Tätigkeiten, die (noch) in einem inneren Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen (vgl zuletzt OGH10 ObS 3/12gARD 6224/7/2012 mwN).

Diese Voraussetzungen wurden im konkreten Fall zutreffend für nicht gegeben erachtet. Entscheidend war dabei – ungeachtet der insoweit etwas missverständlichen Ausführungen des OGH – nicht, dass das Zureichen der Ziegel außerhalb der gewerberechtlichen Befugnis des Kl lag. Denn auch die Gewerbeberechtigung überschreitende Tätigkeiten können nach den geschilderten Kriterien der gewerblichen Tätigkeit „dienen“ (idS auch Müller in SV-Komm § 175 Rz 97). Ausschlaggebend war vielmehr – was der OGH ebenfalls festhält –, dass der Verletzte die unfallbringende Handlung überwiegend im privaten, also eigenwirtschaftlichen Interesse vornahm. Denn diesem ging es offenkundig um die Beschleunigung des Baus des auch ihm zur privaten Nutzung versprochenen Hauses und nicht darum, seine eigene betriebliche Tätigkeit zu fördern. Insb war dieser den Feststellungen zufolge auch mit dem Einbau des Dachstuhls nicht befasst und hätte er auf einer „dienstlichen“ Baustelle wohl kaum derartige Hilfstätigkeiten entfaltet. Aus dem Sachverhalt ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich eine verzögerte Fertigstellung der Maurerarbeiten nachteilig auf die gewerbliche Tätigkeit des Verletzten ausgewirkt hätte. Die Tätigkeit diente damit – unabhängig von der Frage, ob der Kl im Zuge des Fenstereinbaus seiner gewerblichen Tätigkeit nachging oder auch diesbezüglich seine eigenwirtschaftlichen Interessen im Vordergrund standen – nicht der versicherten Erwerbstätigkeit (vgl im Gegensatz dazu den Sachverhalt bei OGH10 ObS 210/88SSV-NF 2/107 – Ausbessern von Büromöbeln durch technischen Zeichner; OGH10 ObS 154/94SSV-NF 8/81Sicherung der Zufahrt zum Lager durch Gemüsehändler; OGH10 ObS 70/90SSV-NF 4/32Vorführung von Flinte durch Waffenhändler im Zuge einer Privatjagd).

Angesichts der überwiegend eigenwirtschaftlichen Interessen verneint der OGH zutreffend auch das Vorliegen einer unfallversicherungsgeschützten 42„unternehmensfremden Gefälligkeitsleistung“ (dazu etwa auch OGH10 ObS 2390/96kSSV-NF 10/112; näher Müller in SV-Komm § 175 Rz 100 ff mwN).

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass zwar sowohl bei Tätigkeiten, für die es keiner Gewerbeberechtigung bedarf, als auch bei solchen, die von einer bestehenden Gewerbeberechtigung nicht erfasst sind, Unfallversicherungsschutz als „neue/r Selbständige/r“ bestehen kann (vgl § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG iVm § 2 Abs 1 Z 4 GSVG; OGH10 ObS 11/12hDRdA 2012, 526; VwGH2005/08/0082VwSlg 17.184A), auch hier aber ein innerer Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestehen muss. Selbst wenn der Verletzte nun Maurerarbeiten entgegen der Feststellungen außerhalb seiner Gewerbebefugnis (generell) selbständig als „Pfuscher“ angeboten hätte, hätte geprüft werden müssen, ob die unfallbringende Tätigkeit im konkreten Fall (noch) Ausfluss dieser selbständigen Tätigkeit und nicht der eigenwirtschaftlichen Unterstützung der Lebensgefährtin war.

Erwähnt sei überdies, dass der Unfallversicherungsschutz „neuer Selbständiger“ (mangels „optingin“) nur bei Überschreiten der in § 4 GSVG normierten Versicherungsgrenze besteht (vgl § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG iVm § 2 Abs 1 Z 4 GSVG iVm § 4 Abs 1 Z 5 bzw 6 GSVG; siehe auch VwGH2009/08/0118VwSlg 17.764A). Damit scheidet insb bei ausnahmsweisen Tätigkeiten ohne gewerberechtliche Befugnis ein Unfallversicherungsschutz als „neue/r Selbständige/r“ idR auch aus diesem Grund aus.

3.
Unfallversicherungsschutz gem § 176 Abs 1 Z 6 ASVG?
3.1.
Tätigwerden wie ein nach § 4 Versicherter

§ 176 Abs 1 Z 6 ASVG bezieht allerdings Personen in den Unfallversicherungsschutz ein, die bei einer betrieblichen Tätigkeit verunfallen, „wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht“. Eine solche Tätigkeit liegt nach der auch in der gegenständlichen E wiedergegebenen stRsp immer dann vor, wenn es sich um eine „ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem mutmaßlichen oder wirklichen Willen des Unternehmers entspricht, die ihrer Art nach üblicherweise von Personen verrichtet wird, die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses von dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig sind (§ 4 ASVG) und durch die ein enger ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird“ (vgl zB zuletzt OGH10 ObS 60/07gSSV-NF 21/38). Entscheidendes sozialversicherungsrechtliches Moment ist die Eingliederung des/der Helfenden in den Betrieb und die Unterstellung unter die Weisungsbefugnis des/der „DG“ (OGH3 Ob 172/97hJBl 1998, 790 [krit Holzer]). Dies ist insb nicht der Fall, solange der/die Verletzte seinen/ihren persönlichen – betrieblichen oder privaten – Lebensbereich und die Sphäre seines/ihres eigenen Aufgabenbereichs nicht verlässt (OGH10 ObS 60/07gSSV-NF 21/38 mwN).

Zur Frage, wann die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, existiert eine Vielzahl sehr kasuistischer Entscheidungen. Der Thematik kommt dabei vor allem insofern besondere Brisanz zu, als der OGH bei Bejahung des Unfallversicherungsschutzes gem § 176 Abs 1 Z 6 ASVG – gleichsam automatisch – auch von der Geltung des DG-Haftungsprivilegs gem § 333 Abs 1 ASVG zugunsten desjenigen ausgeht, für den der/die Verletzte tätig geworden ist (idS zuletzt explizit OGH10 ObS 60/07gSSV-NF 21/38 mwN). Insgesamt ist die Judikatur hier – vor allem, wenn es (auch) um die Anwendbarkeit des § 333 geht – großzügig und lässt schon sehr kurzfristige Hilfstätigkeiten genügen. Ausschlaggebend ist demnach nur, dass sich die Tätigkeit (ex ante) objektiv als eine wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt charakterisieren lässt (zB OGH10 ObS 247/03aSSV-NF 18/90), wobei es auf die Beweggründe des Tätigwerdens (familienrechtliche Beziehungen, sittliche Verpflichtungen, freiwillige Mitarbeit, Nachbarschaftshilfe) grundsätzlich nicht ankommt (vgl insb OGH3 Ob 172/97hJBl 1998, 790 [krit Holzer]; OGH2 Ob 353/97vbbl 2000/34, 34, wo die gegenteilige Auffassung Neumayrs [zuletzt in

Schwimann
{Hrsg}, ABGB-Praxiskommentar VII3 {2005} § 333 ASVG Rz 35] ausdrücklich abgelehnt wurde). Dementsprechend wurde etwa bei der Verletzung eines Landwirts, der ein vom Tierarzt behandeltes Pferd aus Gefälligkeit festhielt, der Versicherungsschutz gem § 176 Abs 1 Z 6 und infolgedessen die Anwendbarkeit des DG-Haftungsprivilegs bejaht (OGH3 Ob 172/97hJBl 1998, 790 [krit Holzer]). Gleiches gilt für einen Unfall im Zuge der freiwilligen Hilfe beim Miststreuen eines benachbarten Landwirts (OGH2 Ob 33/87SZ 60/96). Auch die Verletzung des Eigentümers eines Mopeds, der dieses während der Vornahme von Schweißarbeiten durch die beauftragte Werkstätte festhielt, wurde als Arbeitsunfall iSd § 176 Abs 1 Z 6 mit der Konsequenz der Anwendbarkeit des § 333 angesehen (OGH2 Ob 40/79SZ 52/66).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läge – lässt man die Frage des Vorliegens einer „betrieblichen Tätigkeit“ vorerst außer Betracht (dazu sogleich 3.2.) – a priori eine Bejahung von Unfallversicherungsschutz gem § 176 Abs 1 Z 6 ASVG durchaus nahe, könnte man doch annehmen, dass der Verletzte durch das Zureichen der Ziegel seinen eigenen Aufgabenbereich (Fenstermontage) verließ und lässt sich dieses auch objektiv als wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung charakterisieren. Im Lichte der geschilderten Judikate scheint auch der Umstand, dass der Kl überwiegend im Interesse seiner Lebensgefährtin bzw in seinem eigenen privaten Interessen tätig wurde, einer Bejahung des Unfallversicherungsschutzes nicht entgegenzustehen.

Gegen diese Annahme lässt sich jedoch zunächst ins Treffen führen, dass der eigenwirtschaftliche Lebensbereich des Verletzten wohl die gesamten Bauarbeiten umfasste, dieser also auch bei Zureichen der Ziegel (noch) in der eigenen (privaten) Sphäre tätig wurde. Darüber hinaus hat der OGH mehrfach letztlich doch auf die Beweggründe des Tätigwerdens abgestellt und insb bei Hilfstätigkeiten, die Ausfluss der familiären Beziehung sind, einen Unfallversicherungsschutz gem § 176 Abs 1 Z 6 ASVG verneint (OGH10 ObS 196/02zSSV-NF 16/81Mitarbeit im Betrieb der Ehegattin). Ebenso hat er festgehalten, 43dass eine Abgrenzung zwischen Tätigkeiten, die im Interesse eines Unternehmers ausgeführt werden und solchen, die wesentlich allein eigenen Interessen oder jenen außenstehender Dritter zu dienen bestimmt sind, zu erfolgen habe (OGH10 ObS 60/07gSSV-NF 21/38Selbstvornahme des Heckenschnitts unter Hochspannungsleitung aus ästhetischen Gründen; vgl auch Müller in SV-Komm § 176 Rz 131).

Im konkreten Fall musste der OGH auf die geschilderte Problematik freilich nicht näher eingehen, da ein Unfallversicherungsschutz gem § 176 Abs 1 Z 6 ASVG aus einem anderen Grund ausschied.

3.2.
Kein Unfallversicherungsschutz mangels Tätigkeit für einen „Betrieb“

Zutreffend geht der OGH davon aus, dass § 176 Abs 1 Z 6 ASVG eine betriebliche Tätigkeit erfordert, eine solche aber nur im Falle des Tätigwerdens für einen Betrieb bzw ein Unternehmen vorliegen kann. Wenngleich das Bestehen eines Betriebs auch nach der Rsp nicht vom Vorliegen einer Gewerbeberechtigung abhängt (vgl insb auch OGH10 ObS 247/03aSSV-NF 18/90), scheidet eine Anwendung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG insb bei Unterstützung eigenwirtschaftlich handelnder Privater (also zB Hilfe in einem fremden privaten Haushalt, vgl Müller in SV-Komm § 176 Rz 128) aus (vgl auch das vom OGH angeführte Beispiel des Helfers eines Gastwirts, der ein Haus deckt). Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass im Verhältnis zur Lebensgefährtin von vornhe rein (und unabhängig von den Beweggründen des Kl) keine Tätigkeit iSd § 176 Abs 1 Z 6 vorliegen konnte.

Damit blieb als mögliche betriebliche Tätigkeit nur eine solche für die Maurer bzw deren Betrieb. Inwieweit die Verneinung einer solchen durch den OGH zutreffend ist, lässt sich mangels Kenntnis des genauen Verfahrensgangs nicht abschließend beurteilen. Angesichts der im Sachverhalt wiedergegebenen Feststellungen liegt jedoch der Schluss nahe, dass es sich bei den Maurern um „Pfuscher“ handelte, die nicht für ein anderes Unternehmen („einen Betrieb“) unselbständig tätig wurden. Möglich wäre zwar auch eine Tätigkeit des Kl für den selbständigen („Pfuscher“-)Betrieb eines der Maurer. Offenbar lagen jedoch auch diese Voraussetzungen nicht vor bzw fehlte es an einem entsprechenden Vorbringen. Legt man diese Annahmen zugrunde, ist dem OGH mE in seiner Argumentation zu folgen (zu Tätigkeiten in der „Schattenwirtschaft“ vgl auch Müller in SV-Komm § 176 Rz 132).

4.
Fazit

Die ausführlich begründete E des OGH zeigt sehr gut das Zusammenspiel zwischen § 175 Abs 1 und § 176 Abs 1 Z 6 ASVG bei selbständig Erwerbstätigen. Immer dann nämlich, wenn eine Hilfstätigkeit wie im gegenständlichen Fall nicht (mehr) der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit zuzurechnen ist, stellt sich – aufgrund des Verlassens der eigenen betrieblichen Sphäre – die Frage nach dem Bestehen von Unfallversicherungsschutz gem § 176 Abs 1 Z 6. In der konkreten Konstellation schied auch ein solcher mangels Tätigwerdens des Verletzten für einen Betrieb aus. Offen geblieben ist damit, ob der OGH angesichts der eigenwirtschaftlichen Interessen des Kl auch dann zum selben Ergebnis gekommen wäre, wenn die unterstützten Maurer für das beauftragte Bauunternehmen (also einen Betrieb) tätig geworden wären. Geht man davon aus, dass überwiegend eigenwirtschaftliche Tätigkeiten generell nicht unter Unfallversicherungsschutz stehen sollen, müsste die Antwort hier konsequenterweise ja lauten. Berücksichtigt man, dass sich das Bauunternehmen bzw ein als „Aufseher“ zu qualifizierender Maurer in der Folge auch nicht auf das Haftungsprivileg des § 333 berufen könnte, schiene freilich vor allem im Schadenersatzprozess auch das gegenteilige Ergebnis nicht allzu überraschend, neigt der OGH doch generell stark zur Ausweitung der Haftungsprivilegierung.