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Nichtigkeit der Kündigung eines Stammarbeitnehmers bei Leiharbeit im Betrieb

WOLFGANGGORICNIK (SALZBURG)
  1. Eine Austauschkündigung, bei der ein Stamm-AN gekündigt und auf seinem Arbeitsplatz durch einen Leih-AN ersetzt wird, ist nichtig.

  2. Liegen der Kündigung eines Stamm-AN bei gleichzeitiger Weiterbeschäftigung eines Leih-AN sachliche und für den Beschäftigerbetrieb wichtige Gründe, wie etwa Rationalisierungsmaßnahmen, zugrunde, so ist die Kündigung des Stamm-AN im Allgemeinen nicht mit Nichtigkeit bedroht.

Der Kl war ab 17.7.2000 bei der Bekl als Arbeiter in der Abteilung Strangpresse beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der KollV für Arbeiter der eisen- und metallverarbeitenden Industrie anzuwenden. Mit Schreiben vom 30.1.2012 wurde der Kl zum 30.4.2012 gekündigt. Der BR der Bekl widersprach der Kündigung, kam aber dem Verlangen des Kl, die Kündigung anzufechten, nicht nach.

Die Abteilung Strangpresse ist bei der Bekl im Dreischichtbetrieb organisiert. Bis April 2012 arbeiteten in jeder Schicht vier Arbeiter, seit Mai 2012 sind es nur mehr drei Arbeiter pro Schicht. Die Aufgaben der Arbeiter pro Schicht sind „arbeitsteilig“ verteilt, dh, jeder der AN beherrscht jede der drei Tätigkeiten (Mischer, Prüfer und Presser) und wird auch für alle drei Tätigkeiten eingesetzt. Nur der Kl arbeitete immer als Mischer.

Der Kündigung des Kl liegen wirtschaftliche Gründe der Bekl zugrunde. Die Geschäftsführung der Bekl wollte jenes Personal halten, das eine hohe fachliche 44Qualifikation aufweist. Dabei sollte Leih- und Stammpersonal gleich behandelt werden. Der Kl wurde ausgewählt, weil dieser als Einziger nur für die Aufgabe als Mischer angelernt und einsetzbar war. Bis April 2012 waren in der Abteilung Strangpresse neun Stammarbeiter und drei Leiharbeiter tätig, seit Mai 2012 sind es noch acht Stammarbeiter und zwei Leiharbeiter. Nach der Kündigung des Kl wurde kein neuer Leiharbeiter in der Abteilung Strangpresse aufgenommen.

Der Kl begehrte die Feststellung des aufrechten Bestands seines Arbeitsverhältnisses (Hauptbegehren) sowie hilfsweise die Rechtsgestaltung, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären (Eventualbegehren). Die Kündigung sei wegen § 2 Abs 3 AÜG nichtig. Diese Regel verbiete die Verdrängung der Stammbelegschaft. Der Arbeitsplatz des Kl sei nicht weggefallen, weil die nach wie vor beschäftigten Leiharbeiter dieselbe Tätigkeit wie der Kl ausübten. Die Kündigung sei auch sozialwidrig. Personenbezogene Kündigungsgründe lägen nicht vor.

Die Bekl entgegnete, dass das AÜG die Sanktion der Nichtigkeit einer Kündigung nicht vorsehe. Außerdem liege keine Austauschkündigung vor. Der Kl könne die Kündigung daher nur nach § 105 ArbVG anfechten.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt und stellte fest, dass das Dienstverhältnis des Kl über den 30.4.2012 hinaus aufrecht fortbestehe. Durch den Einsatz überlassener Arbeitskräfte dürfe für die AN im Beschäftigerbetrieb keine Gefährdung der Arbeitsplätze bewirkt werden. Ein Verstoß gegen § 2 Abs 3 AÜG könne die Nichtigkeit der Kündigung begründen. Eine Austauschkündigung ieS liege hier zwar nicht vor. Bei der Arbeitskräfteüberlassung sei aber das Einsparen von Personal nicht als betriebsbedingter Grund für eine Kündigung zu berücksichtigen, wenn vergleichbare Tätigkeiten im Betrieb weiterhin durch überlassene Arbeitskräfte ausgeführt würden. Dies sei hier zu bejahen, sodass die Gefährdung des Arbeitsplatzes des Kl durch den Einsatz der Leiharbeiter offenkundig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Hauptbegehren mit Teilurteil ab. Ein generelles Verbot, Stammarbeiter zu kündigen, solange Leiharbeiter beschäftigt werden, könne § 2 Abs 3 AÜG nicht entnommen werden. Erst wenn eine Situation eintrete, in der die Stammbelegschaft durch leichter freizusetzende Leih-AN ersetzt werde, könne der Normzweck eine Nichtigkeitssanktion im Fall der Kündigung von Stammarbeitern gebieten. Eine solche Austauschkündigung liege hier nicht vor. Der Grund für die Kündigung des Kl sei in Rationalisierungsmaßnahmen begründet gewesen. Das verpönte Motiv der Verdrängung des Kl als Stammarbeiter sei nicht erkennbar. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung eines Stammarbeiters nichtig sei, wenn gleichzeitig Leih-AN im selben Unternehmen beschäftigt seien, höchstgerichtliche Rsp fehle. [...]

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt. [...]

Voranzustellen ist, dass Gegenstand des Revisionsverfahrens nur das Feststellungsbegehren ist. Es geht daher nur um die Frage, ob die Kündigung des Kl wegen eines Zusammenhangs mit der Beschäftigung von Leih-AN iSd § 2 Abs 3 AÜG iVm § 879 ABGB nichtig ist. Die Anfechtung der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit ist nicht Thema des Revisionsverfahrens.

Der Kl vertritt die Ansicht, dass die Schutzbestimmung des § 2 Abs 3 AÜG so ausgelegt werden müsse, dass auch im Fall von Rationalisierungsmaßnahmen die Arbeitsverhältnisse der Stammarbeiter vorrangig zu schützen seien und daher die Beschäftigung von Leih-AN jedenfalls dann aufzuheben sei, wenn die Tätigkeit, für die der Leih-AN eingesetzt werde, auch vom zu kündigenden Stamm-AN ausgeübt werden könne. Dazu verweist er darauf, dass er nach einer entsprechenden Einweisung als Prüfer (nicht aber auch als Presser) hätte eingesetzt werden können.

Es stellt sich also die Frage, ob – bei Wegfall eines Arbeitsplatzes aus Rationalisierungsgründen – ein Stamm-AN einen ebenfalls schon beschäftigten Leih-AN verdrängen kann, wenn der Stamm-AN eine vergleichbare Tätigkeit wie der Leih-AN ausübt oder nach einer Umschulung die Tätigkeit des Leih-AN ausüben könnte.

Nach § 2 Abs 3 AÜG darf durch den Einsatz überlassener Arbeitskräfte für die AN im Beschäftigerbetrieb keine Beeinträchtigungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen und keine Gefährdung der Arbeitsplätze bewirkt werden.

Sacherer (in

Sacherer/Schwarz
, Arbeitskräfteüberlassungsgesetz2 107) führt aus, eine Kündigung werde „in der Regel“ wegen Verstoßes gegen ein ausdrückliches gesetzliches Verbot nichtig sein (§ 879 ABGB), wenn AN im Beschäftigerbetrieb (auch durch Änderungskündigung) gekündigt würden, obwohl vergleichbare Tätigkeiten im Betrieb (weiterhin) durch überlassene Arbeitskräfte ausgeführt würden. Darüber hinaus werde in einem Anfechtungsverfahren wegen Sozialwidrigkeit gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG der AG oft nur schwer in der Lage sein, betriebliche Gründe für die Kündigung gem lit b dieser Bestimmung nachzuweisen, wenn er im Betrieb für vergleichbare Tätigkeiten überlassene Arbeitskräfte zumindest zeitweise verwende.

Tomandl (Arbeitskräfteüberlassung 42) verweist auf die Ansicht von Sacherer. Zudem führt er aus, die Ziele des AÜG nach § 2 leg cit bestünden im Schutz der überlassenen Arbeitskräfte und in der Vermeidung arbeitsmarktpolitisch nachteiliger Entwicklungen. Mit dem Schutz der Stamm-AN nach § 2 Abs 3 AÜG werde die Zielsetzung der Vermeidung arbeitsmarktpolitisch nachteiliger Entwicklungen durch den Einsatz von überlassenen Arbeitskräften konkretisiert (Tomandl, Arbeitskräfteüberlassung 39 und 41).

Schindler (in ZellKomm2 § 2 AÜG Rz 16) vertritt die Auffassung, dass die Kündigung von Stamm-AN „in der Regel“ betrieblich nicht gerechtfertigt sein könne (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG), sofern im Unternehmen überlassene Arbeitskräfte beschäftigt würden, deren Tätigkeit der gekündigte AN – gegebenenfalls nach zumutbarer Umschulung – übernehmen könne. Würden Stamm-AN gekündigt und durch den Einsatz einer überlassenen Arbeitskraft ersetzt, so sei eine solche Kündigung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs 3 AÜG nichtig, dies unabhängig von der voraussichtlichen 45Dauer des Einsatzes der überlassenen Arbeitskraft, weil jegliche Austauschkündigung gegen das ausdrückliche gesetzliche Verbot verstoße. Zudem weist er darauf hin, dass § 2 Abs 2 und 3 AÜG zwei grundsätzliche Anordnungen zur Erreichung der in Abs 1 leg cit genannten Ziele enthielten.

Nach Geppert (Arbeitskräfteüberlassungsgesetz 40) fehlt es an den eine Kündigung rechtfertigenden betrieblichen Erfordernissen iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG, wenn Überlassungskräfte im Beschäftigerbetrieb eingesetzt und deshalb einzelne der in diesem sonst tätigen AN gekündigt werden.

Der OGH schließt sich der Ansicht an, dass eine Austauschkündigung derart, dass ein Stamm-AN gekündigt und auf seinem Arbeitsplatz durch einen Leih-AN ersetzt wird, wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 879 Abs 1 ABGB iVm § 2 Abs 3 AÜG nichtig ist.

Eine Austauschkündigung in diesem Sinn liegt hier unstrittig nicht vor. Es wurde also nicht der Kl durch einen Leih-AN ersetzt. Vielmehr hat das Erstgericht festgestellt, dass nach der Kündigung des Kl kein neuer Leiharbeiter in der Abteilung Strangpresse aufgenommen wurde.

Auch sonst kann im Anlassfall aufgrund der Weiterbeschäftigung von Leih-AN nicht von einer Nichtigkeitssanktion der Kündigung des Kl ausgegangen werden.

Nach den Feststellungen werden die Aufgaben in jeder Schicht arbeitsteilig erbracht, dh, jeder der (früher vier und jetzt drei) Arbeiter pro Schicht, gleichgültig ob Stamm- oder Leiharbeiter, übte alle drei Tätigkeiten als Mischer, Prüfer und Presser aus. In diesem Sinn hat auch der Kl selbst vorgebracht, dass es in der Abteilung Strangpresse keinen fixen Arbeitsplatz gegeben habe. Der Kl war aber der Einzige, der nur eine Tätigkeit, nämlich jene als Mischer, ausgeübt hat. Wird die Tätigkeit in der Abteilung Strangpresse als Gesamttätigkeit angesehen, so kann sich der Kl aufgrund seines eingeschränkten Einsatzbereichs nicht auf die Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit berufen.

Darüber hinaus ist entscheidend, dass der Kündigung des Kl Rationalisierungsmaßnahmen im Betrieb der Bekl zugrunde liegen. In der Abteilung Strangpresse sind seit Mai 2012 nicht mehr vier, sondern nur mehr drei AN pro Schicht (im Dreischichtbetrieb) tätig. Die AN in dieser Abteilung wurden um einen Stamm-AN und einen Leih-AN reduziert. Bei genauer Betrachtung wurde ua in der Schicht des Kl ein Arbeitsplatz eingespart, und zwar jener des Kl. Dieser Arbeitsplatz ist daher weggefallen. In dieser Schicht arbeitete und arbeitet nach wie vor ein Leih-AN.

Die Bekl kann sich auch auf einen sachlichen Grund für die Auswahl des Kl zur Kündigung berufen. Der Kl war als Einziger nur als Mischer einsetzbar. Eine Tätigkeit als Presser kam nicht in Betracht. Nur als Prüfer hätte er eingeschult werden können. Die Wichtigkeit der arbeitsteiligen Arbeitsweise in der Abteilung Strangpresse für die Bekl, also der Umstand, dass jeder AN pro Schicht alle Arbeiten beherrscht, wird vom Kl nicht entkräftet. Vielmehr weist er in seinem Vorbringen selbst darauf hin, dass es in der in Rede stehenden Abteilung keinen fixen Arbeitsplatz gegeben habe. Nach den Feststellungen war die Bekl bemüht, Stamm- und Leih-AN aus Anlass der Rationalisierung gleich zu behandeln.

In der konkreten Situation des Anlassfalls kann nach den dargestellten Grundsätzen nicht von einer Nichtigkeitssanktion der Kündigung des Kl als Stamm-AN ausgegangen werden. Die Kündigung des Kl stellt sich aufgrund der ihr zu Grunde liegenden sachlichen Rechtfertigung auch nicht als Verdrängung von Stamm-AN dar.

Zusammenfassend ergibt sich: Eine Austauschkündigung, bei der ein Stamm-AN gekündigt und auf seinem Arbeitsplatz durch einen Leih-AN ersetzt wird, ist nichtig. Liegen der Kündigung eines Stamm-AN bei gleichzeitiger Weiterbeschäftigung eines Leih-AN aber sachliche und für den Beschäftigerbetrieb wichtige Gründe, wie etwa Rationalisierungsmaßnahmen, zugrunde, so ist die Kündigung des Stamm-AN im Allgemeinen nicht mit Nichtigkeit bedroht.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. [...]

Anmerkung
1.
Einleitung

Voranzustellen ist, dass die E des OGH bei genauem Lesen sehr ausgewogen ist und sowohl im Ergebnis als auch von der Begründung her überzeugt.

Die vorliegende E des OGH behandelt – soweit ersichtlich – erstmals in der Rsp die Frage der Rechts(un)wirksamkeit der Kündigung eines Stamm-AN beim (weiteren) Einsatz von Leih-AN im Betrieb und hat deshalb entsprechende Beachtung selbst in der Presse erfahren (zB Silberbauer, OGH lässt Vorzug für Leiharbeiter bei Kündigungen zu, Der Standard 2013/37/02). Bis dato wurde diese Rechtsfolge zT in der Literatur aus dem „Gefährdungsverbot“ der Stammbelegschaft im Beschäftigerbetrieb gem § 2 Abs 3 AÜG abgeleitet (Leutner/Schwarz/Ziniel, AÜG [1989] § 2 Erl 6; Schrank, Grundfragen des Entgeltanspruchs überlassener Arbeitnehmer nach § 10 Abs 1 AÜG, ZAS 1991, 49 [52]; Sacherer/Schwarz, AÜG2 [2006] 107). Andere Autoren vertreten demgegenüber eine entsprechende Berücksichtigung von § 2 Abs 3 AÜG „bloß“ im Rahmen der Anfechtung einer Kündigung wegen Sozialwidrigkeit (Geppert, AÜG [1989] § 2 Erl 6; Grillberger, Neuerungen durch das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz [AÜG], wbl 1988, 313 [316]; Sacherer/Schöll, Gelegentliche Arbeitskräfteüberlassung – Wann und in welchem Umfang ist das AÜG anwendbar?RdW 2005/568 [494]) bzw ziehen je nach dem Ausmaß des Zusammenhanges zwischen Kündigung und Arbeitskräfteüberlassung einen der beiden Rechtsbehelfe für den Gekündigten heran (Tomandl, AÜG [2010] 42; Schindler in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 2 AÜG Rz 16).

Neben der klaren Aussage der E zur Rechtsfolge einer Austauschkündigung ist es für den Rechtsanwender auch sehr erfreulich, dass es der OGH aber nicht mit der Verneinung einer Austauschkündigung bewenden ließ (um auf die anhängige Kündigungsanfechtung zu verweisen), sondern sich sehr sorgfältig auch mit weiteren Nuancierungen einer „Gefährdung 46von Arbeitsplätzen“ der Stamm-AN im Beschäftigerbetrieb auseinandersetzte.

Mangels eines entsprechenden Vorbringens des Kl musste sich der OGH aber nicht mit der zusätzlichen (sehr spannenden!) Frage auseinandersetzen, ob nicht eine – allenfalls wegen eines Verstoßes gegen Art 1 Abs 1 Leiharbeits-RL 2008/104/EG (arg „vorübergehend“) europarechtlich unzulässige (dazu näher Schörghofer, Zur Umsetzung der Leiharbeits-RL im AÜG, ZAS 2012/61, 343 f; Schrattbauer/Goricnik, Wesentliche Änderungen durch die Novellierung des AÜG, wbl 2013, 121 [122], jeweils mwN) – „dauerhafte Überlassung“ des Leih-AN in der Schicht des Kl vorlag, was vielleicht zu einer gegenteiligen E hätte führen können.

2.
Nichtigkeitssanktion einer Austauschkündigung

Eine wesentliche Aussage der E ist einmal ihre klare Festlegung auf die Nichtigkeitssanktion einer „Austauschkündigung“: Wird ein Stamm-AN gekündigt und auf seinem Arbeitsplatz durch einen Leih-AN ersetzt, ist diese Kündigung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs 3 AÜG gem § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Der Begriff der „Austauschkündigung“ entstammt dabei dem Rechtsgebiet der Kündigungsanfechtung; demnach ist es dem AG grundsätzlich (dh ohne triftigen Anlass) verwehrt, AN in der Absicht zu kündigen, diese Stellen neu zu besetzen (vgl Wolligger in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 105 Rz 225; Gahleitner in
Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsrecht 34 [2009] § 105 Erl 50; OGH9 ObA 19/98d
[Kallab]
). Der „Austausch“ bezieht sich dabei streng genommen auf alle von diesem Vorgang betroffenen AN und nicht nur auf den vom Gekündigten konkret bekleideten Arbeitsplatz, dh eine entsprechende innerbetriebliche Nachbesetzung des Gekündigten verbunden mit einer Neubesetzung des dadurch frei werdenden Arbeitsplatzes des innerbetrieblichen Nachfolgers ist funktionell genauso eine verpönte Austauschkündigung. Trotz Rationalisierungsmaßnahmen hat der AG alle Möglichkeiten auszuschöpfen, seine bisherigen AN weiter zu beschäftigen; diese soziale Gestaltungspflicht kann dem AG auch gebieten, schulungswilligen AN eine solche Möglichkeit (einer Ein- bzw Nachschulung) zu eröffnen (vgl OGH9 ObA 19/98d
[Kallab]
zur Umstellung der Lagerhaltung auf EDV).

Wenn also eine solche „Austauschkündigung“ erfolgt, gleich ob durch Kündigung und externe Neubesetzung genau dieses Arbeitsplatzes (Austauschkündigung ieS) oder ob durch eine innerbetriebliche Rochade von AN verbunden mit einer externen Neubesetzung irgendeines der von der Rochade betroffenen Arbeitsplätze (Austauschkündigung iwS), kann der Gekündigte im Fall der Neubesetzung eines solchen Arbeitsplatzes durch eine Direktanstellung die Rechtswirksamkeit seiner Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG anfechten oder im Fall der Neubesetzung eines solchen Arbeitsplatzes durch einen Leih-AN die Nichtigkeit seiner Kündigung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs 3 AÜG feststellen lassen.

3.
Nichtigkeitssanktion einer sonstigen Verdrängung von Stammarbeitnehmern

Grundsätzlich folgerichtig leitet Schindler (in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 2 AÜG Rz 16) aus § 2 Abs 3 AÜG ab, dass idR die Kündigung von Stamm-AN betrieblich nicht gerechtfertigt sein kann, sofern im Unternehmen überlassene Arbeitskräfte beschäftigt werden, deren Tätigkeit der gekündigte AN – gegebenenfalls nach zumutbarer Umschulung – übernehmen kann, wobei Schindler offenbar aber (nur) von einer Anfechtbarkeit dieser Kündigung ausgeht (er zitiert § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG), wohingegen er in weiterer Folge „jegliche Austauschkündigung“ (damit wohl auch iwS) als nichtig ansieht. Auch nach Tomandl (AÜG 42) kommt als Sanktion bei Verstößen gegen den Schutz der Stammbelegschaft in erster Linie die Nichtigkeit der Rechtsgestaltung in Betracht; wenn der AG überlassene Arbeitskräfte beschäftigt, deren Arbeit auch von dem gekündigten Stamm-AN geleistet werden kann, könne dieser Umstand aber (nur) im Rahmen eines Kündigungsanfechtungsverfahrens eine Rolle spielen.

ME ist diese Differenzierung aber in konsequenter und stringenter Befolgung der gesetzlichen Zielvorgabe des § 2 Abs 3 AÜG, dass nämlich Stamm-AN nicht durch Leih-AN verdrängt werden dürfen, nicht zu rechtfertigen: Wenn eine Austauschkündigung erfolgt, kann der gekündigte Stamm-AN im Fall der Neubesetzung seines oder eines sonstigen im Zuge einer entsprechenden Personalrochade frei werdenden Arbeitsplatzes durch einen Leih-AN die Nichtigkeit seiner Kündigung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs 3 AÜG feststellen lassen.

Kommt es hingegen zu keinem derartigen „Austausch“ (iwS), dh wird „unter dem Strich“ tatsächlich ein Arbeitsplatz eingespart, kann der Gekündigte, der die Arbeit eines anderen AN des Betriebes zu leisten fähig und willens ist, im Rahmen einer Kündigungsanfechtung nur mehr den Rechtsbehelf des Sozialvergleiches heranziehen (§ 105 Abs 3c ArbVG), wenn dieser andere AN ein Stamm-AN ist oder aber auch diesfalls mE die Nichtigkeit seiner Kündigung feststellen lassen, wenn dieser andere AN ein Leih-AN ist, ohne dass es zu einem Vergleich sozialer Gesichtspunkte zwischen diesen beiden AN zu kommen hat (und ohne dass die Kündigung des Stamm-AN per se wesentliche soziale Interessen des Gekündigten beeinträchtigen muss, wie das eine Kündigungsanfechtung gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG voraussetzt).

Im Rahmen des § 2 Abs 3 AÜG scheidet mE also eine Kündigungsanfechtung aus und wäre sie auch systemfremd; wird gegen diese gesetzliche Zielvorgabe verstoßen, greift eben die Rechtsfolge der Nichtigkeit dieser Kündigung.

Auch der OGH folgt diesem Ansatz, wenn er nach Verneinung des Vorliegens einer „Austauschkündigung in diesem Sinn“, nämlich der Ersetzung des Kl durch einen (neu aufgenommenen) Leih-AN ausführt, dass „auch sonst im Anlassfall aufgrund der Weiterbeschäftigung von Leiharbeitnehmern nicht von einer Nichtigkeitssanktion der Kündigung des Kl ausgegangen werden (kann)“. MaW hätte der OGH die Kündigung des Kl wohl (auch) dann als nichtig angesehen, wenn er 47auch die beiden anderen Tätigkeiten der Schichtarbeit (Prüfer und Presser) – allenfalls nach einer Einschulung – hätte verrichten können; der AG hätte dann als personelle Rationalisierungsmaßnahme nur die diese Tätigkeiten verrichtenden Leih-AN an den Überlasser rückstellen können. Fallgegenständlich brachte der Kl aber nur vor, er hätte nach einer entsprechenden Einschulung auch als Prüfer (aber eben nicht auch als Presser) eingesetzt werden können.

Damit führte der OGH zu Recht aus, dass sich der Kl auf Grund seines eingeschränkten Einsatzbereiches (selbst nach der vorgebrachten Einschulungsmöglichkeit) nicht auf die mögliche Ausübung vergleichbarer Tätigkeiten, wie sie alle anderen AN, gleich ob Stammoder Leih-AN verrichten, berufen könne.

4.
Prozessuale Aspekte

Aus Gründen rechtlicher Vorsicht berief sich der Kl vermittels Feststellungsklage nicht nur auf die Nichtigkeit seiner Kündigung, sondern erhob eventualiter auch das Rechtsgestaltungsbegehren, seine Kündigung wegen Sozialwidrigkeit für rechtsunwirksam zu erklären. Dieser logische Widerspruch (eine nichtige Kündigung kann nicht für rechtsunwirksam erklärt werden) schadet im Verhältnis eines Hauptbegehrens zu einem Eventualbegehren nicht, weil das Eventualbegehren als (zulässige) innerprozessual bedingte Prozesshandlung nur dann Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung wird, wenn dem Hauptbegehren nicht stattgegeben wird (vgl Fasching in

Fasching/Konecny
, ZPO2 § 227 Rz 6 und § 226 Rz 114 [Stand 30.4.2004, www.rdb.at]). Ein Eventualbegehren muss auch nicht derselben Art von Begehren wie das Hauptbegehren zugehören. Darum kann bei einem Feststellungsbegehren eventualiter ein Rechtsgestaltungsbegehren gestellt werden (vgl Fasching in
Fasching/Konecny
, ZPO2 § 226 Rz 115; OGH9 ObA 30/10tARD 6143/5/2011).

In Folge Fällung des das Urteil des Erstgerichtes abändernden und das Hauptbegehren abweisenden Teilurteiles durch das Berufungsgericht, sodass in das Verfahren über die eventualiter erhobene Kündigungsanfechtungsklage einzutreten war, verwies das Berufungsgericht die Rechtssache bezüglich des Eventualbegehrens wohl mangels diesbezüglich ausreichend festgestellter Tatsachen an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurück. Warum der OGH diesen Aufhebungsbeschluss als entbehrlich ansah, erschließt sich dem Rezensenten rein auf Grund der oberstgerichtlichen Urteilsausfertigung deshalb nicht.

Jedenfalls konnte (bzw kann) der Rechtsstreit über die Kündigungsanfechtung erst nach der rechtskräftigen E des OGH über die Feststellungsklage durchgeführt werden.

5.
Resümee

Entgegen dem eingangs wiedergegebenen schlagwortartig verkürzenden Titel des Presse-Artikels hat der OGH mit der gegenständlichen E ganz im Gegenteil nicht nur die Nichtigkeitssanktion für die Austauschkündigung von Stamm-AN klargestellt, sondern diese Sanktion mE auch für Kündigungen bei einer sonstigen Verdrängung von Stamm-AN durch den Einsatz von Leih-AN für anwendbar erklärt, sodass eine solche Kündigung zu ihrer Rechtswirksamkeit eines triftigen Grundes (wie im gegenständlichen Fall) bedarf.

Ob eine Substituierung von Stamm-AN durch dauerhaft (also nicht nur für „Auftragsspitzen“) eingesetzte Leih-AN iwS darüber hinaus wegen einer allenfalls dadurch vorliegenden europarechtlichen Unzulässigkeit generell zu einer Rechtsunwirksamkeit der Kündigung von Stamm-AN auf vergleichbaren Arbeitsplätzen führt (dh selbst beim Wegfall von Arbeitsplätzen von Stamm-AN ohne Vergleich ihrer individuellen Leistungsfähigkeit mit der Leistungsfähigkeit im Betrieb auf vergleichbaren Arbeitsplätzen verbleibender Leih-AN), werden wohl weitere Entscheidungen zu diesem Rechtsgebiet weisen.