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Kein Unfallversicherungsschutz bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder: Zur Risikotragung bei ungesundem Lebensstil

ELISABETHKOHLBACHER (WIEN)
  1. Im Verfahren über einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch aus Arbeitsunfällen sind die Regeln des Anscheinsbeweises modifiziert anzuwenden. Auch dann, wenn noch andere Ursachen in Betracht kommen, muss nur feststehen, dass die Körperschädigung eine typische Folge eines als Unfall zu wertenden Ereignisses ist, das im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung stand (§ 175 Abs 1 ASVG) und daher ein Arbeitsunfall war. Der Anscheinsbeweis ist daher nicht zuzulassen, wenn ein Herzinfarkt nicht typische Folge von Verrichtungen ist, die der Versicherte unmittelbar vor seinem Herzinfarkt ausführte.

  2. Nach § 175 ASVG stehen Unfälle dann unter Versicherungsschutz, wenn die Unfallursache für die Verletzung wesentlich ist. Dies ist sie dann, wenn sie nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur im geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentlich. Als wesentlich wird eine Bedingung dann nicht angesehen, wenn die Schädigung durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß hätte ausgelöst werden können, ohne dass es besonderer, unersetzlicher 48äußerer Einwirkungen bedurft hätte. Ein anlagebedingt schon durch alltäglich vorkommende Ereignisse leicht auslösbares Leiden ist unabhängig davon, ob es sich um altersbedingte oder darüber hinausgehende Anlageschäden handelt, nicht vom Unfallversicherungsschutz umfasst.

  3. Alltäglich sind die Belastungen, die altersentsprechend üblicherweise mit gewisser Regelmäßigkeit im Leben auftreten, wenn auch nicht jeden Tag, wie etwa normales oder auch beschleunigtes Gehen, unter Umständen auch kurzes schnelles Laufen, Treppen steigen, Bücken, leichtes bis mittelschweres Heben oder ähnliche Kraftanstrengungen. Selbst wenn feststünde, dass ein Herzinfarkt infolge der Anstrengung bei der Berufsausübung eingetreten ist, wäre dennoch ein Arbeitsunfall zu verneinen, weil aufgrund der Gesundheitsstörungen des Versicherten die Unfallfolge auch bei einer alltäglichen Belastung (zB Treppensteigen) in absehbarer Zeit hätte eintreten können.

Der [...] Ehemann der Kl war als Kraftfahrer bei einem Speditionsunternehmen beschäftigt. Am 18.1.2007 transportierte er [...] Blechwicklungen [...]. Nachdem er [...] zur Vorbereitung der Entladung das Schiebeverdeck des Muldenaufliegers weggeschoben hatte, begann er, die Spanngurte, mit denen die Blechwicklungen gesichert waren, zu öffnen. [Dies] erfolgte durch ein ruckartiges Anziehen unter Einsatz der Bauchpresse. Als er die Gurte bei zwei Blechwicklungen auf diese Weise geöffnet hatte, brach er beim Lösen des letzten Spanngurts plötzlich zusammen und verstarb an einem Sekundenherztod. Der gesamte Arbeitsvorgang ab Beginn des Abplanens hatte höchstens 10 bis 15 Minuten gedauert. Der Sekundenherztod [...] ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen Herzinfarkt zurückzuführen. [Dabei] kam es zu einer Verengung der Herzkranzgefäße durch eine Plaque, die entweder einen Verschluss des Gefäßes „an Ort und Stelle“ verursachte, oder es kam zum Abreißen einer Plaque, die dann in die Peripherie des Gefäßes geschwemmt wurde, wo sie wiederum zum Verschluss des Gefäßes führte. Ob es beim Versicherten zu einer Verengung der Herzkranzgefäße „an Ort und Stelle“ oder einem Abreißen der Plaque kam, kann nicht festgestellt werden. Im Fall einer Durchflussstörung wäre der Herzinfarkt durch Einlegen einer Pause vermeidbar gewesen, sofern entsprechende Warnzeichen [...] bemerkt worden wären. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Versicherte solche Warnzeichen wahrgenommen hat. Er litt zu diesem Zeitpunkt an einem metabolischen Syndrom. Zur Stoffwechselstörung kamen Übergewicht und Bluthochdruck hinzu, die Risikofaktoren für Herzinfarkte darstellen [und] das Risiko, einen plötzlichen Herztod zu erleiden, um das 12-fache gegenüber der gesunden Population in der Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen erhöhen [können]. [...] Ursächlich für den Herzinfarkt waren [...] die [...] Risikofaktoren, darüber hinaus war auch eine körperliche Belastung in ungünstiger ergonomischer Körperhaltung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit an diesem Tag eine mitwirkende Ursache. Diese körperliche Belastung trat entweder beim Ziehen der Plane oder beim Öffnen der Spanngurte auf. Entweder führte das Abplanen des LKWs aufgrund der längeren körperlichen Anstrengung in ungünstiger ergonomischer Körperhaltung unter Einsatz der Bauchpresse zu einer Verengung der Blutgefäße, die letztlich zu dem Herzinfarkt infolge Mangelversorgung mit Sauerstoff führte, oder es kam durch das kurze, ruckartige mit Einsatz der Bauchpresse verbundene Anreißen an den Spanngurten zum Abreißen einer Plaque, die den Herzinfarkt hervorrief. Ob das Abplanen mitursächlich für den Herzinfarkt war oder das Öffnen der Spanngurte, kann nicht festgestellt werden. Bei einem gleichaltrigen Mann ohne [...] Risikofaktoren hätte jedenfalls das Abplanen des LKWs oder das Öffnen der Spanngurte nicht zu einem Sekundenherztod geführt. Körperlichen Belastungen wie beim Abplanen und Öffnen der Spanngurte, bei denen innerhalb kurzer Zeit in ungünstiger ergonomischer Situation Kraftanstrengungen durchgeführt werden mussten, war der Ehemann der Kl in seinem sonstigen täglichen Leben nicht ausgesetzt. Sie bedeuteten für ihn eine außergewöhnliche Belastung. Er führte in seinem Privatleben keine körperlich schweren Tätigkeiten aus. Er verbrachte nur die Wochenenden zu Hause, erledigte keine schweren Einkäufe und betrieb keinen Sport. Er ging [...] spazieren und gelegentlich wandern. [Bei] Berufsausübung als Berufskraftfahrer war er, ausgenommen beim Vorbereiten der Entladung von Blechwicklungen, gewöhnlich keinen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Eine allfällige durch Zeitdruck hervorgerufene Stresssituation war nicht Ursache für den Herzinfarkt. Grundsätzlich wäre [...] aufgrund seiner Vorschäden innerhalb eines Jahres jede Minuten dauernde Anstrengung geeignet gewesen, zu einer Minderversorgung des Herzens zu führen (etwa ein durchgehendes Treppensteigen über drei Stockwerke oder das Zurücklegen eines Höhenunterschieds von 100 m bei einer Wanderung in beschleunigtem Gehen). Im Fall einer solchen Durchflussstörung treten idR Warnzeichen [...] auf, die den Betroffenen dazu veranlassen, die Tätigkeit zu unterbrechen und eine Pause einzulegen, während sich das Herz erholen kann. Es ist auch möglich, dass Betroffene solche Warnzeichen nicht wahrnehmen, keine Pause einlegen und dann einen Sekundenherztod aufgrund einer Durchflussstörung erleiden. Im Fall des Ehemanns der Kl ist davon auszugehen, dass er solche Warnzeichen [...] nicht wahrgenommen hätte. Blutdruckspitzen, die zu einem Abreißen der Plaque führen, treten im alltäglichen Leben nicht bzw extrem selten auf. Es ist überwiegend unwahrscheinlich, dass der Versicherte innerhalb eines Jahres einen Sekundenherztod infolge Herzinfarkts mit Abreißen der Plaque erlitten hätte.

Mit Bescheid vom 4.7.2007 lehnte die Bekl die Anerkennung des Ereignisses vom 18.1.2007 als Arbeitsunfall ab und sprach aus, dass Ansprüche auf Leistungen nach § 173 ASVG nicht bestünden.

Das Erstgericht erkannte [...] das Klagebegehren, die Bekl sei schuldig, der Kl eine Witwenrente [...] zu zahlen und einen Teilersatz der Bestattungskosten [...] zu gewähren, dem Grunde nach zu Recht bestehend. Es verpflichtete die Bekl zu einer vorläufigen Zahlung 49von 100 € monatlich ab 19.1.2007 auf die Höhe der Witwenrente und zu einer vorläufigen Zahlung von 800 € auf die Höhe des Teilersatzes der Bestattungskosten. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, der Sekundenherztod des Ehemanns der Kl sei als Arbeitsunfall zu qualifizieren. Im Fall einer alternativen Kausalität genüge es, wenn feststehe, dass entweder das eine oder das andere Ereignis den Schaden (mit-)verursacht habe. Zwar hätte innerhalb eines Jahres jede Minuten dauernde alltägliche Belastung zu einem Herzinfarkt und letztlich zum Sekundenherztod führen können. Es stehe aber nicht fest, dass innerhalb eines absehbaren Zeitraums ein Sekundenherztod infolge Abreißens einer Plaque durch eine alltägliche Belastung eingetreten wäre. Im Fall der alternativen Kausalität obliege der Bekl der Beweis, dass der Sekundenherztod sowohl in der einen als auch in der anderen Form innerhalb eines Jahres durch eine alltägliche Belastung aufgetreten wäre. Von einer Gelegenheitsursache könne daher nicht ausgegangen werden. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. [...] Ein Herzinfarkt könne grundsätzlich als Unfall angesehen werden, wenn er anlässlich eines zeitlich begrenzten Ereignisses eintrete. Er gelte als Unfall, wenn er iZm einer außergewöhnlichen Belastung aufgetreten sei. Die Kl habe den Anschein für sich, dass der Tod ihres Ehemanns durch einen Arbeitsunfall wesentlich mitverursacht worden sei, weil er auf ein als Unfall zu wertendes Ereignis zurückgehe, das sich während der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet habe. Der Anscheinsbeweis hätte nur dann nicht genügt, wenn es zumindest gleich wahrscheinlich sei, dass eine andere Ursache die Körperschädigung im selben Ausmaß und etwa zur selben Zeit herbeigeführt hätte und ein solches Ereignis in naher Zukunft auch tatsächlich vorgekommen wäre und die Schädigung ausgelöst hätte. Nach dem [...] Sachverhalt sei der Bekl zwar der Nachweis gelungen, dass es sich bei der möglichen Todesursache der Durchflussstörung um eine bloße Gelegenheitsursache handeln würde, weil diese Schädigung durch andere alltägliche, vom Kl [Ehemann der Kl, Anm] auch tatsächlich durchgeführte Verrichtungen hätte hervorgerufen werden können. Für die mögliche Todesursache des Abreißens der Plaque habe jedoch selbiges nicht festgestellt werden können. Es stehe fest, dass der Versicherte während der versicherten Tätigkeit einen Sekundenherztod erlitten habe, nicht jedoch, ob der Herzinfarkt durch den Umstand hervorgerufen worden sei, dass entweder das Abplanen zu einer Durchflussstörung oder das Öffnen der Gurte zu einem Abreißen der Plaque geführt habe. Der Herztod infolge einer Durchflussstörung würde sich nach den Feststellungen als Gelegenheitsursache darstellen, nicht jedoch der Herztod durch Abreißen der Plaque. Der nicht gelungene Nachweis des Vorliegens einer Gelegenheitsursache für den Herztod durch Abreißen der Plaque schlage zum Nachteil der Bekl aus, auch wenn sich die alternative Gelegenheitsursache heraus gestellt habe. Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, Rsp des OGH zur Frage, inwieweit sich alternativ kausale Ursachen eines Arbeitsunfalls auf den Unfallversicherungsschutz auswirken, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Kl beantwortete Revision der Bekl ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, der Anscheinsbeweis sei unzulässig, weil das Abreißen der Plaque (und allenfalls aus diesem Grund eingetretener Herzinfarkt) nicht typische Folge von Abplanarbeiten eines LKW oder des Gurteöffnens sei. Deshalb gehe die mangelnde Beweisbarkeit, dass der Herzinfarkt des Versicherten in einem wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe, zu Lasten der Kl. Beim Versicherten hätten zwei anlagebedingte Ursachen bestanden, die zum Herzinfarkt führen konnten (Durchflussstörung durch Plaque; Abreißen der Plaque). Wenn nicht festgestellt werden könne, welche der beiden Ursachen zum Tod geführt habe, sei es verfehlt, den Schaden der UV zuzurechnen, weil beide konkurrierenden Ursachen anlagebedingt und somit „akausal“ seien. Seien sowohl eine „akausale Verursachung“ als auch eine „kausale Mitverursachung“ des Herzinfarkts in Betracht zu ziehen, trage die Kl die Beweislast. Es sei davon auszugehen, dass der Herztod aufgrund einer der beiden anlagebedingten Ursachen – der Durchflussstörung – genauso bei alltäglichen Belastungen des Versicherten hätte eintreten können. Daher sei das Ereignis nicht als Arbeitsunfall zu qualifizieren.

Hierzu wurde erwogen:

Gem § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen ist ein Arbeitsunfall [...] zu verneinen.

Unfälle iS dieser Bestimmung sind zeitlich begrenzte Ereignisse – eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung –, die zu einer Körperschädigung führen (stRsp RIS-Justiz RS0084348). Für die Qualifikation eines Unfalls als Arbeitsunfall ist idR erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), [...] zu dem zeitlich begrenzten [...] (Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (vgl 10 ObS 134/08s, SSV-NF 22/79; 10 ObS 16/11t).

Dass der Ehemann der Kl bei einer Verrichtung war, die im inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Kraftfahrer stand, als er den Herzinfarkt erlitt, der zum Sekundenherztod führte, ergibt sich aus den Feststellungen. Diesen ist auch zu entnehmen, dass diese nicht länger als höchstens 15 Minuten dauernde, mit einer nach den Verhältnissen des Versicherten außergewöhnlichen Belastung verbundene Verrichtung – Vorbereitung der Entladung: Abplanen [...] und Öffnen der Spanngurte – das schädigende Ereignis war. Ein Unfall ist demnach zu bejahen (vgl die Rsp, die das Vorliegen eines Unfalls bei Herzinfarkten bejaht, der iZm einer außergewöhnlichen Belastung eingetreten ist, zB 10 ObS 46/97f mwN, SSV-NF 11/41 =

[Ritzberger-Moser]
50; 10 ObS 325/97k mwN,
[krit Rudolf Müller]
). Fest steht aber auch, dass die vor dem Unfall bestehenden Gesundheitsstörungen des Versicherten mitursächlich für den zum Tod führenden Herzinfarkt waren. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich die Kl nicht auf einen Anscheinsbeweis stützen, weil ein Herzinfarkt nicht typische Folge von Verrichtungen ist, die der Versicherte unmittelbar vor seinem Herzinfarkt ausführte (vgl RIS-Justiz RS0110571). Daher trifft die Kl die objektive Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Wirkt am Eintritt des Gesundheitsschadens oder Todes des Versicherten neben der Ursache aus dem Schutzbereich der gesetzlichen UV auch eine Vorerkrankung (Vorschädigung) mit, so wird in stRsp des OGH der Körperschaden (Tod) nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nur dann der UV zugerechnet, wenn er ohne den Umstand aus der Gefahrensphäre der UV erheblich später oder erheblich geringer eingetreten wäre (10 ObS 164/09d mwN, SSV-NF 23/79; RIS-Justiz RS0084308; Rudolf Müller in SV-Komm, vor §§ 174–177 ASVG Rz 49). Als nicht wesentlich wird eine Bedingung angesehen, wenn die Schädigung durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß hätte ausgelöst werden können (10 ObS 164/09d mwN, SSV-NF 23/79; 10 ObS 134/08s, SSV-NF 22/79; vgl RIS-Justiz RS0084318; RS0084345; Rudolf Müller in SV-Komm, vor §§ 174–177 ASVG Rz 49 f). Alltäglich sind die Belastungen, die altersentsprechend üblicherweise mit gewisser Regelmäßigkeit im Leben, wenn auch nicht jeden Tag auftreten, wie etwa ein normales oder beschleunigtes Gehen, Treppensteigen, Bücken, leichtes bis mittelschweres Heben (zB eines Koffers, einer Bierkiste, einer Mineralwasserkiste udgl) oder ähnliche Kraftanstrengungen (10 ObS 50/94, SSV-NF 8/26; RIS-Justiz RS0084318 [T4, T5]).

Zutreffend beurteilte das Berufungsgericht, dass nach dem festgestellten Sachverhalt erwiesen ist, dass bei den vor dem Unfall gegebenen Gesundheitsstörungen des Ehemanns der Kl schon eine alltägliche Belastung einen Herzinfarkt mit Todesfolge hätte auslösen können. Der Unfall [...] war daher keine wesentliche Bedingung für den Tod des Versicherten, und zwar auch dann nicht, wenn feststünde, dass der Herzinfarkt real durch das Abreißen der Plaque bewirkt wurde, änderte dies ja nichts daran, dass aufgrund der Gesundheitsstörungen des Versicherten die Unfallfolge auch bei einer alltäglichen Belastung in absehbarer Zeit hätte eintreten können. [...]

Anmerkung

Im Jahr 2012 waren rund 42,7 % der Todesfälle in Österreich auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen, die damit die führende Todesursache waren (http://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/todesursachen/todesursachen_ausgewaehlte/index.htmlhttp://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/todesursachen/todesursachen_ausgewaehlte/index.html, zuletzt abgerufen am 31.10.2013). Der „wesentlichste vermeidbare Risikofaktor“ für derartige Erkrankungen ist ein ungesunder Lebensstil, der sich insb durch übermäßigen Tabakkonsum, Fehlernährung und körperliche Inaktivität auszeichnet (Jahrbuch der Gesundheitsstatistik 2011, 60). Vor allem daraus resultierendes (extremes) Übergewicht steht in engem Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Jahrbuch der Gesundheitsstatistik 2011, 61).

Der verstorbene Ehemann der eine Witwenrente und Bestattungskosten begehrenden Kl litt an einem metabolischen Syndrom. Dieses ist in erster Linie Ergebnis der Lebensgewohnheiten, insb ungesunder Ernährung und mangelnder Bewegung (dazu etwa https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/lexikon/m/Metabolisches_Syndrom_HK.htmlhttps://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/lexikon/m/Metabolisches_Syndrom_HK.html, zuletzt abgerufen am 31.10.2013). Zur Stoffwechselstörung kamen Übergewicht und Bluthochdruck als einen Herzinfarkt erhöhende Risikofaktoren hinzu. Der Sekundenherztod wäre nach den Feststellungen in den Entscheidungsgründen nicht eingetreten, wenn beim verstorbenen Ehemann der Kl keine Risikofaktoren vorgelegen wären.

Die vorliegende E verdeutlicht, dass die UV für die Folgen nicht arbeitsbedingter Risiken nicht aufkommt. Die negativen Konsequenzen eines ungesunden Lebensstils treffen daher nicht nur die versicherte Person, sondern im Todesfall auch die Angehörigen, die keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen haben. Mit seiner rechtlichen Beurteilung lässt der OGH keinen Zweifel daran, auch in Zukunft in solchen Fällen einerseits die Wesentlichkeit des Unfallereignisses für den Eintritt des Gesundheitsschadens bzw der Todesfolge zu verneinen, andererseits einen Anscheinsbeweis nicht zuzulassen.

Durch den Verweis auf das Vorliegen der Risikofaktoren beim verstorbenen Ehemann der Kl musste sich der OGH des Weiteren nicht der von der Revisionswerberin aufgeworfenen Frage stellen, ob die mangelnde Feststellbarkeit, welche von zwei konkurrierenden Unfallursachen (Verengung der Blutgefäße und folgende Mangelversorgung mit Sauerstoff oder Abreißen einer Plaque) zum Herzinfarkt mit Todesfolge geführt habe, den Unfallversicherungsträger oder die Kl trifft. Einen Grundsatz, im Zweifel zu Gunsten des Versicherten zu entscheiden, gibt es daher nicht (so bereits OGH10 ObS 67/02dSVSlg 50.063). Liegen bei der versicherten Person Risikofaktoren vor, führt dies dazu, dass die Unsicherheit, ob die Arbeitstätigkeit eine Gesundheitsstörung zu Folge hatte, die in absehbarer Zeit überwiegend unwahrscheinlich aufgetreten wäre, im Ergebnis zu Lasten der Kl fällt: Diese müsste den entsprechenden, faktisch nicht durchführbaren objektiven Beweis antreten.

1..
Herzinfarkt als Gelegenheitsursache

Die Theorie der wesentlichen Bedingung zielt darauf ab, jene Unfälle vom Versicherungsschutz der UV auszunehmen, für die die versicherte Tätigkeit nur Gelegenheitsursache war (statt aller Grillberger/Pfeil, Österreichisches Sozialrecht [2012] 71). Der beim verstorbenen Ehemann der Kl aufgetretene Herzinfarkt war insofern Gelegenheitsursache, als er nach den medizinischen Feststellungen mit mindestens gleicher Wahrscheinlichkeit „in naher Zukunft tatsächlich vorgekommen wäre und dieselbe Schädigung ausgelöst hätte“ (OGH10 ObS 57/92SSV-NF 6/30) und die Todesfolge „etwa zur selben Zeit“ auch durch ein anderes, alltägliches Ereignis hätte ausgelöst werden 51können (etwa OGH10 ObS 57/92SSV-NF 6/30; Resch, Sozialrecht [2011] 97). Im vorliegenden Fall lag daher überholende Kausalität (Tomandl, Sozialrecht [2009] Rz 213; Müller in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Kommentar [2013] vor §§ 174–177 Rz 49) vor: Zwar wurde der Tod des Ehemanns der Kl in concreto durch den Arbeitsunfall herbeigeführt, binnen absehbarer Zeit hätte es dazu aber aufgrund der Gesundheitsstörungen auch durch jedes andere alltägliche Ereignis kommen können. Dabei ist nicht erforderlich, dass das alltägliche Ereignis tatsächlich diese Folge ausgelöst hätte, vielmehr reicht die „leichte Auslösbarkeit“ (RS0084308 T 19, mit dem auch die vorliegende E verbunden wurde). Bemerkenswert ist, dass der OGH der Kritik Müllers (in SV-Komm vor §§ 174–177 Rz 50) an der Jahresfrist gefolgt sein dürfte und nunmehr auf die „Absehbarkeit“ des Schadenseintritts abstellt. Nach der erforderlichen Einzelfallbeurteilung, ob auch eine vom verstorbenen Ehemann der Kl tatsächlich ausgeübte alltägliche Verrichtung zum Schadenseintritt geführt hätte (zur Einzelfallbeurteilung Tarmann-Prentner in
Sonntag
[Hrsg], ASVG-Kommentar [2013] § 175 Rz 5; Müller in SV-Komm vor §§ 174–177 Rz 50) muss man zwar suchen, bei genauem Lesen findet sie sich zumindest in den Entscheidungsgründen: Der verstorbene Ehemann der Kl ging gelegentlich wandern – bei beschleunigtem Zurücklegen eines Höhenunterschieds von 100 m im Rahmen einer Wanderung hätte eine unfallursächliche Minderversorgung des Herzens auftreten können.

Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass der den Anlageschäden gleichzustellende Fall des metabolischen Syndroms mit den Risikofaktoren Übergewicht und Bluthochdruck dazu führte, dass der Arbeitsunfall keine wesentliche Bedingung für den Schadenseintritt darstellte.

2..
Unzulässigkeit des Anscheinsbeweises

Wie bereits zuvor ausgeführt, wird in den Entscheidungsgründen festgehalten, dass ein gleichaltriger Mann, bei dem keine der genannten Risikofaktoren vorliegen, durch das Abplanen des LKW oder das Öffnen der Spanngurte, also die körperliche Belastung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit, keinen Sekundenherztod erlitten hätte. Der Herzinfarkt war daher nicht typische Folge von Verrichtungen, die der versicherte verstorbene Ehemann der Kl unmittelbar vor dem Herzinfarkt durchführte. Bei fehlender Typizität ist allerdings der Anscheinsbeweis nicht zuzulassen (dazu etwa auch Müller, Anmerkung zu OGH10 ObS 325/97k

RdA 1998/35
): Damit eine Beweisführung im Wege des Anscheinsbeweises erfolgen kann, muss feststehen, dass die Körperschädigung bzw in concreto die Todesfolge typische Folge der im Rahmen der versicherten Tätigkeit erfolgten schädlichen Einwirkung ist (ausführlich Müller in SV-Komm vor §§ 174–177 Rz 52 ff, wenn auch in Rz 59 kritisch in Bezug auf die oftmals undifferenzierte Annahme eines typischen Zusammenhangs zwischen Unfall und daraus resultierender Gesundheitsschädigung). Aus der vorliegenden E kann für die künftige Anwendung des Anscheinsbeweises wohl abgeleitet werden, dass immer dann, wenn die Gesundheitsstörung nicht eingetreten wäre, wenn eine gesunde Person die versicherte Tätigkeit ausgeübt hätte, die Beweisführung mittels Anscheinsbeweises ausgeschlossen ist. Der Versicherungsträger kommt daher gar nicht erst in Verlegenheit, die mindestens ebenso hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Körperschadens durch ein nicht vom Schutzbereich der UV erfasstes Ereignis darlegen zu müssen (zur Entkräftung des Anscheinsbeweises statt aller Grillberger/Pfeil, Sozialrecht 73 mwN).

Die an die Stelle des Anscheinsbeweises tretende, die Kl treffende objektive Beweislast führt insb in solchen Fällen, in denen nicht festgestellt werden kann, ob die Gesundheitsschädigung bzw der Tod der versicherten Person auf eine Unfallursache zurückzuführen ist, die mit größerer Wahrscheinlichkeit innerhalb absehbarer Zeit auch im alltäglichen Leben eingetreten wäre, dazu, dass der Zufall bzw die fehlende Feststellbarkeit zugunsten der UV ausschlägt. Wie bereits zu Beginn festgehalten, stellt gerade ein ungesunder Lebensstil den wesentlichsten vermeidbaren Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar. Die vorliegende E verdeutlicht, dass gerade dieses Risiko nicht vom Unfallversicherungsschutz erfasst ist. Der E hätte daher wohl als Beisatz hinzugefügt werden können: „Bei ungesundem Lebenswandel ist selbst im Zweifel zugunsten der UV zu entscheiden.“52