Auswirkungen des Dienstgeberhaftungsprivilegs bei Solidarhaftung – (Kein) weiterer Diskussionsbedarf?
Auswirkungen des Dienstgeberhaftungsprivilegs bei Solidarhaftung – (Kein) weiterer Diskussionsbedarf?
Einführung und Problemstellung
Auswirkungen des Dienstgeberhaftungsprivilegs auf den/die nichtprivilegierte/n MitschädigerIn
Wirkung ausschließlich zulasten des/der Mitschädigers/Mitschädigerin
Abweichende Beurteilung bei Regressanspruch gem § 334 ASVG (?)
§ 333 ASVG als absolut zwingende Norm?
Auswirkungen des § 333 ASVG auf die Zurechnung fremden Verhaltens
Grundsätzliches
Haftungserleichterungen für einfache Arbeitskolleg/inn/en aufgrund des DHG?
Fazit und Ausblick
Gem § 333 Abs 1 ASVG ist der/die DG – sofern der Schaden nicht durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht (vgl Abs 3 leg cit) – „dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht hat
“. Eine entsprechende Privilegierung besteht auch für gesetzliche oder bevollmächtigte VertreterInnen des/der DG und „Aufseher im Betrieb“ (§ 333 Abs 4 ASVG) sowie die von § 335 ASVG erfassten Institutionen. Aufgrund der geschilderten – im Allgemeinen als „DG-Haftungsprivileg
“ bezeichneten – Sonderregelung kommt es (von Fällen vorsätzlicher Schädigung bzw Verursachung durch ein Verkehrsmittel mit gesetzlich erhöhter Haftpflicht abgesehen) zu einem Haftungsausschluss zugunsten des/der DG bzw der gleichgestellten Personen. Damit scheidet grundsätzlich nicht nur eine Inanspruchnahme dieser Personengruppe durch den/die Geschädigte/n, sondern – mangels Bestehens eines übergangsfähigen Anspruchs – auch eine solche durch den Sozialversicherungsträger unter Berufung auf die Legalzession des § 332 Abs 1 ASVG aus (vgl aber zum originären Regressrecht des Sozialversicherungsträgers gem § 334 2.2.).
Der OGH legt dabei sowohl den Begriff des „Arbeitsunfalles“ als auch jenen des „DG“ sowie des „Aufsehers im Betrieb“ weit aus.* Das DG-Haftungsprivileg ist daher nach stRsp grundsätzlich auch auf gem §§ 175, 176 mit Arbeitsunfällen iSd § 175 Abs 1 gleichgestellte Unfälle anzuwenden,* sofern die Schädigung durch den/die DG oder eine gleichgestellte Person erfolgt ist. DG iSd § 333 Abs 1 ist hierbei nicht nur der-/diejenige, der/die mit dem/der Verletzten durch ein Beschäftigungsverhältnis (insb iSd § 4 Abs 2 und 4) verbunden ist,* wobei es95 auf die Anmeldung zur SV nicht ankommt.* Vielmehr ist eine privilegierte DG-Eigenschaft nach stRsp auch dann anzunehmen wenn der/die Verletzte im Zeitpunkt des Unfalles in den jeweiligen Betrieb in der Art eines/einer eigenen DN eingegliedert ist.* Ein Verhältnis persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit ist demnach nicht erforderlich,* sofern die Tätigkeit „ihrer Art nach“ einer abhängigen Beschäftigung entspricht und nicht zum eigenen betrieblichen Aufgabenbereich des/der Verletzten gehört.* Die konkrete Gestaltung des Vertragsverhältnisses ist also für die Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung grundsätzlich unerheblich.* Entscheidend ist nur, dass der/die Verletzte bei der Tätigkeit die Sphäre des eigenen (betrieblichen oder auch privaten) Lebensbereichs verlässt und sich – wenn auch nur kurzfristig* – in den Aufgabenbereich des/der schädigenden Unternehmers/Unternehmerin einordnet.* Die Einordnung wiederum ist nach stRsp nur insoweit erforderlich, als der/die Helfende im – ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck kommenden oder nach der Sachlage zu vermutenden – Einverständnis des/der Unternehmers/Unternehmerin handeln und bereit sein muss, sich dessen/deren Weisungen zu unterwerfen.*
Auch bei der Beurteilung der Stellung als AufseherIn im Betrieb spielt insb die Weisungsbefugnis eine entscheidende Rolle.* Für die Qualifikation als AufseherIn im Betrieb ist nach stRsp ausreichend, dass der/die betreffende DN eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und Selbständigkeit verbundene Stellung zur Zeit des Unfalles innehat und die Verantwortung für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte trägt.* AufseherIn ist folglich jede Person, die andere Betriebsangehörige oder wenigstens einen (auch kleinen) Teil des Betriebes oder einen Betriebsvorgang in eigener Verantwortung zu überwachen hat.* Eine Dauerfunktion ist dabei nicht erforderlich,* womit insb die Position, die der betreffenden Person in der allgemeinen betrieblichen Hierarchie zukommt, unerheblich ist.* Entscheidend ist somit nur, dass der/die AufseherIn im Zeitpunkt des Unfalles bezüglich einer konkreten ihm/ihr aufgetragenen Arbeit entscheidungsbefugt war.*
Führt man sich die geschilderten Grundsätze vor Augen, so zeigt sich, dass das DG-Haftungsprivileg keineswegs nur im klassischen DN-DG-Verhältnis, sondern in zahlreichen weiteren Fallkonstellationen eine Rolle spielt. Die Haftungsprivilegierung hat nun aber entgegen dem ersten Anschein nicht nur auf den/die DG (Gleichgestellte/n) und den/die Geschädigte/n (sowie den Sozialversicherungsträger) Auswirkungen. Denn nicht selten wird ein Arbeitsunfall (iwS) von mehreren Personen verursacht. In einem solchen Fall haften mangels Bestimmbarkeit der Schadensanteile grundsätzlich alle SchädigerInnen solidarisch (vgl §§ 1301 f ABGB), es steht jedoch jedem/jeder von ihnen im Innenverhältnis eine der eigenen Haftungsquote entsprechende Regressmöglichkeit offen. Ist allerdings die Haftung eines/einer der SchädigerInnen durch die Privilegierung des § 333 ASVG ausgeschlossen, scheidet eine unmittelbare Geltendmachung durch den/die Geschädigte/n gegenüber dieser Person aus. Damit stellt sich die praktisch bedeutsame Frage, wie sich diese „gestörte Gesamtschuld
“* auf den/die nichtprivilegierte/n MitschädigerIn (MitschädigerInnen) auswirkt.
Ein ähnliches Problem tritt auf, wenn zwar der Schaden (Arbeitsunfall) nur durch eine Person verursacht wurde, dem/der Geschädigten aber nach allgemeinen Grundsätzen (insb aufgrund der §§ 1313a, 1315 ABGB, aber etwa auch wegen einer „Repräsentantenhaftung“*) eine (oder mehrere) weitere Person(en) haften würden. Kommt in einem derartigen Fall (nur) dem/der SchädigerIn oder – was sicherlich die praktisch relevantere Konstellation ist – dem/der (bloß) für fremdes Verhalten Haftpflichtigen die Privilegierung gem § 333 ASVG zu, erhebt sich wiederum die Frage nach den Auswirkungen dieser Privilegierung auf die jeweils andere haftpflichtige Person. Dies gilt im Besonderen dann, wenn es unter Außerachtlassung des § 333 ASVG zu einer Schadensteilung zwischen dem/der unmittelbaren SchädigerIn und dem/der nur Haftpflichtigen käme, wie dies insb im Anwendungsbereich des DHG der Fall ist.96
Im Folgenden soll zunächst der Fall der Schädigermehrheit erörtert werden. Dabei gilt es nicht nur die vom OGH seit Jahrzehnten vertretene Auffassung als solche (erneut) kritisch zu hinterfragen, sondern vor allem auch darauf einzugehen, aus welchen Gründen die vom Höchstgericht aufgestellten Maßstäbe auch gelten sollen, wenn dem Sozialversicherungsträger wegen grober Fahrlässigkeit gem § 334 ASVG ein originäres Rückgriffsrecht gegenüber dem/der DG (Gleichgestellten) zukommt. Eine jüngere E gibt darüber hinaus Anlass, über die Möglichkeit zu einem Verzicht auf die Haftungsprivilegierung nachzudenken. Im Anschluss daran sollen auch die Auswirkungen der Haftungsprivilegierung auf die (bloße) Zurechnung fremden Verhaltens zu dem/der DG (Gleichgestellten) und damit zusammenhängend die spezifische Problematik einer Arbeitskollegenhaftung kurz beleuchtet werden.
Wird der Arbeitsunfall durch mehrere SchädigerInnen verursacht, scheidet aber eine unmittelbare Inanspruchnahme eines/einer der SchädigerInnen wegen § 333 Abs 1 ASVG aus, bestehen grundsätzlich drei Möglichkeiten, die damit entstehende gestörte Gesamtschuld aufzulösen: Erstens könnte der/die nichtprivilegierte SchädigerIn den gesamten Schaden endgültig (allein) zu tragen haben, zweitens könnte diesem/dieser ungeachtet der Privilegierung eine interne Ausgleichsmöglichkeit gegen den/die privilegierte/n MitschädigerIn zugestanden werden oder aber drittens könnte das Haftungsprivileg dazu führen, dass der/die Geschädigte hinsichtlich des dem/der privilegierten SchädigerIn zuzurechnenden Schadensanteils auch von dem/der Nichtprivilegierten keinen Ersatz verlangen kann.*
Der OGH vertrat schon zu § 898 RVO, der Vorgängerbestimmung des § 333 ASVG, dass der/die nichtprivilegierte MitschädigerIn in einem solchen Fall den Schaden endgültig zur Gänze zu tragen hat.* Diese Auffassung wurde zwar angesichts kritischer Stellungnahmen in der Literatur* Anfang der 1970-er Jahre in einem verstärkten Senat* auf ihre Richtigkeit überprüft, letztlich hielt der OGH jedoch an der bisherigen Auffassung fest und lehnte auch eine Antragstellung beim VfGH im Hinblick auf eine Überprüfung anhand des Gleichheitssatzes ab. Das Höchstgericht begründete die alleinige Schadenstragung des/der Nichtprivilegierten dabei insb damit, dass der in § 1302 Satz 2 ABGB normierte Rückgriffsvorbehalt eine Entsprechung des § 896 ABGB im Schadenersatzrecht darstelle. Damit müsse aber auch der § 896 Satz 2 ABGB zugrunde liegende Gedanke, dass in Fällen, in denen eine/r von mehreren Mitschuldner/inne/n zu einer Verpflichtung unfähig war, der ausfallende Anteil von allen Mitverpflichteten übernommen werden muss, ins Schadenersatzrecht übertragen werden. Könne daher einer der SchädigerInnen wegen § 333 nicht in Anspruch genommen werden, bleibe der/die andere SchädigerIn dem/der Geschädigten mangels Entstehens einer Solidarverbindlichkeit wie ein/e AlleinschuldnerIn voll verantwortlich, ohne Regress nehmen zu können. Dies folge auch daraus, dass das Haftungsprivileg nicht durch eine Regressmöglichkeit oder die Zulässigkeit des Einwands eines Mitverschuldens des/der DG (Gleichgestellten) umgangen werden dürfe. Eine Übertragung der Rsp des deutschen BGH, der in der gegebenen Fallkonstellation von einer Freistellung des/der Zweitschädigers/Zweitschädigerin in Höhe des bei Hinwegdenken der Haftungsprivilegierung auf den/die ErstschädigerIn im Innenverhältnis entfallenden Verantwortungsteiles, und damit einer Kürzung des Schadenersatzanspruchs des/der Geschädigten, ausgeht,* auf das österreichische Recht lehnte der OGH ebenfalls mit der Begründung ab, dass die zivilrechtliche Lage nach dem deutschen BGB mit jener nach dem österreichischen ABGB nicht völlig übereinstimme.*
Der/die nichtprivilegierte MitschädigerIn kann daher nach stRsp* – unabhängig davon, ob er/sie ein/e Außenstehende/r oder ein/e „einfache/r“ Arbeitskollege/-kollegin ist (dazu nochmals eingehend unten 3.2.)* – weder intern bei dem/der DG (Gleichgestellten) Rückgriff nehmen noch sich gegenüber dem/der Geschädigten auf ein Mitverschulden des/der privilegierten Schädigers/Schädigerin berufen. Der aus § 333 ASVG für den/die geschädigte/n DN resultierende Nachteil wird also durch die Involvierung einer nichtprivilegierten Person als weitere/r SchädigerIn letztlich (vom Fall mangelnder Liquidität abgesehen) aufgehoben. Dagegen hat die Privilegierung gem § 333 für den/die solidarisch haftende/n MitschädigerIn erhebliche Nachteile zur Folge.*
Diese Auffassung wurde in der Literatur zu Recht vielfach kritisiert.* Zutreffend wurde dabei insb auf97 den Zweck des DG-Haftungsprivilegs hingewiesen. Denn historisch ist dieses nach (wohl) einhelliger Auffassung insb mit der Ablösefunktion der alleine von den DG finanzierten UV zu erklären.* Die DG finanzieren demnach die gesetzliche UV und werden im Gegenzug idR von ihrer zivilrechtlichen Haftung befreit. Salopp ausgedrückt kaufen sich diese also mit der Leistung der Unfallversicherungsbeiträge von ihrer Schadenersatzpflicht frei.* Dies zeigt aber, wie insb bereits Kletečka* herausgearbeitet hat, dass das Haftungsprivileg im Wesentlichen auf eine Regelung des internen Verhältnisses zwischen DG und DN abzielt. Hieran ändert sich selbst dann nichts, wenn man als Begründung des Haftungsprivilegs (auch) das (freilich nicht besonders stichhaltige)* Argument der Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens* ins Treffen führt. Damit erweist sich aber die von der hL* vertretene Kürzung des Schadenersatzanspruchs um die auf den/die DG (Gleichgestellte/n) entfallende Haftungsquote iSe „absoluten Außenwirkung
“ des Haftungsprivilegs jedenfalls als sachgerechtere Lösung als die vom OGH vertretene. Eine Änderung der Judikaturlinie in diesem Sinne ist freilich kaum zu erwarten.
Da der Schadenersatzanspruch gem § 332 Abs 1 ASVG insoweit auf den Sozialversicherungsträger übergeht, als dieser Leistungen zu erbringen hat, es also bezüglich all jener Ansprüche, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch eine Sozialversicherungsleistung liquidieren soll (Kongruenzprinzip),* zu einer Legalzession auf den Sozialversicherungsträger kommt, ist es vielfach letzterer und nicht der/die Geschädigte selbst, der den Ersatzanspruch gegen den/die SchädigerIn geltend macht. Die Frage der Auswirkungen des Haftungsprivilegs auf den/die MitschädigerIn stellt sich damit nicht nur im Verhältnis zu dem/der Geschädigten, sondern auch bzw vor allem in jenem zum Sozialversicherungsträger.
Im Lichte der geschilderten stRsp ist grundsätzlich anzunehmen, dass der/die MitschädigerIn auch gegenüber dem einen gem § 332 übergegangenen Ersatzanspruch geltend machenden Sozialversicherungsträger voll haftet. Zwar geht der OGH im Zusammenhang mit dem in stRsp* angenommen „Familienhaftungsprivileg“*zu Recht davon aus, dass der Sozialversicherungsträger in Fällen, in denen ein/e privilegierte/r Angehörige/r den Schaden nicht alleine verursacht hat, gegen den/die nicht privilegierte/n MitschädigerIn nur in dem Ausmaß Regress nehmen kann, in dem letzterer nach § 1302 ABGB intern gehaftet hätte.* Dies begründet das Höchstgericht aber insb damit, dass die haftungsrechtliche Stellung des/der Mitverantwortlichen durch den Forderungsübergang gem § 332 im Vergleich zur Situation gegenüber dem/der Geschädigten nicht verschlechtert werden könne, umgekehrt aber ein interner Ausgleichsanspruch des/der nichtprivilegierten Schädigers/Schädigerin das Familienhaftungsprivileg aushebeln würde.* Gerade erstgenanntes Argument schlägt jedoch in Bezug auf § 333 ASVG nicht durch, da die Privilegierung hier nicht wie beim „Familienhaftungsprivileg“ nur im Verhältnis zum Sozialversicherungsträger und daher erst infolge der Legalzession, sondern bereits im Verhältnis zu dem/der Geschädigten selbst besteht. Wenn der OGH nun (schon) in diesem Verhältnis von einer Verpflichtung zur vollen Schadenstragung durch den/die nichtprivilegierte/n MitschädigerIn ausgeht, ist a priori kein Grund ersichtlich, warum das Gleiche nicht auch bei Geltendmachung des übergegangenen Ersatzanspruchs durch den Sozialversicherungsträger gelten sollte.* Denn letzterer tritt durch den Forderungsübergang schlicht in die Position des/der Geschädigten ein.
Zu beachten ist allerdings, dass der/die DG (Gleichgestellte) dem Sozialversicherungsträger gem § 334 Abs 1 ASVG alle nach dem ASVG zu gewährenden Leistungen auch dann zu ersetzen hat, wenn er grob fahrlässig gehandelt hat. Damit kommt es also zwar im Falle grober Fahrlässigkeit mangels Schadenersatzpflicht gegenüber dem/der Geschädigten zu keiner Legalzession gem § 332 ASVG, besteht aber98 ein originärer Regressanspruch des jeweils leistungspflichtigen Sozialversicherungsträgers. Dem Sozialversicherungsträger steht somit im Falle (zumindest) grober Fahrlässigkeit des/der DG (Gleichgestellte/n) sowohl ein Ersatzanspruch gem § 332 ASVG gegenüber dem/der nichtprivilegierten SchädigerIn als auch ein solcher gem § 334 ASVG gegen den/die DG (Gleichgestellte/n) zu. Wenngleich es sich einmal um einen von dem/der SchädigerIn abgeleiteten, das andere Mal dagegen um einen originären gesetzlichen Anspruch handelt, ist im Lichte des (gleichen) Zweckes beider „Regressansprüche“ davon auszugehen, dass auch der Sozialversicherungsträger seine Aufwendungen nur einmal ersetzt verlangen kann.* Mangels Vorrangregelung steht diesem grundsätzlich eine Wahlmöglichkeit dahingehend zu, welche/n SchädigerIn er (zuerst) in Anspruch nimmt.*
In weiterer Folge stellt sich jedoch die Frage, ob dem/der nichtprivilegierten MitschädigerIn nicht wenigstens in einem solchen Fall der Einwand des Mitverschuldens des/der DG (Gleichgestellte/n) bzw ein interner Ausgleichsanspruch iSd § 1302 Satz 2 ABGB zugebilligt werden muss. Denn nicht nur hinge andernfalls das Ausmaß der endgültigen (!) Schadenstragung sowohl des/der DG (Gleichgestellten) als auch des/der Zweitschädigers/Zweischädigerin in Bezug auf vom Sozialversicherungsträger zu gewährende Leistungen ausschließlich davon ab, wen der Sozialversicherungsträger zuerst in Anspruch nimmt.* Vielmehr sprechen auch unter Berücksichtigung der vom OGH aus § 896 ABGB und der Gefahr einer Umgehung des DG-Haftungsprivilegs abgeleiteten Argumente gewichtige Gründe dafür, dass der/die nichtprivilegierte MitschädigerIn bei Bestehen eines Regressanspruchs des Sozialversicherungsträgers gem § 334 ASVG im Ergebnis nur seinen eigenen Anteil zu tragen hat. Dem Sozialversicherungsträger gegenüber kommt es nämlich im Falle grober Fahrlässigkeit des/der DG (Gleichgestellten) gerade zu keinem Haftungsausschluss.* Vielmehr haben letzterem bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 334 ASVG im Ergebnis beide SchädigerInnen dem Grunde nach (in Höhe der gewährten Sozialversicherungsleistungen) zu haften. Damit stehen einander DG (Gleichgestellte/r) und sonstige/r SchädigerIn im Verhältnis zum Sozialversicherungsträger (!) wiederum als bzw wie SolidarschuldnerInnen gegenüber. Dies muss aber letztlich zu dem Schluss führen, dass ein interner Rückgriffsanspruch bzw eine nur anteilige Haftung gegenüber dem Sozialversicherungsträger die (einzig) sachgerechte Lösung darstellt.*
Während der OGH freilich zunächst lediglich festgehalten hat, der/die DG (Gleichgestellte) dürfe nicht über das in § 334 ASVG vorgesehene Ausmaß hinaus in Anspruch genommen werden,* hat er zuletzt einen internen Regress des/der Zweitschädigers/Zweitschädigerin gegen den/die DG (Gleichgestellte/n) im Hinblick auf dem Sozialversicherungsträger ersetzte Leistungen explizit auch für den Fall einer Berufung auf die Ersatzpflicht gem § 334 ASVG für unzulässig erklärt.* Darüber hinaus wurde (wenngleich „nur“ im Rahmen der Zurückweisung einer außerordentlichen Revision) in einem Fall, in dem sowohl die DG als auch eine nichtprivilegierte Mitschädigerin seitens der AUVA unter Berufung auf §§ 332 und 334 ASVG geklagt wurde, festgehalten, dass ein/e neben dem/der DG haftende/r ZweitschädigerIn kein Mitverschulden des/der haftungsbefreiten DG einwenden könne.* Der OGH scheint somit von der Verpflichtung zur endgültigen Schadenstragung allein durch den/die ZweitschädigerIn auch bei Bestehen eines Regressanspruchs gem § 334 ASVG überzeugt zu sein.
Gerade die zuletzt zitierte E offenbart allerdings, dass die Auffassung des OGH letztlich zu kaum aufzulösenden Widersprüchen führt. Denn das Höchstgericht brachte das Argument der Unzulässigkeit einer Berufung auf das Mitverschulden des/der DG vor, um damit die Richtigkeit der Annahme einer Haftung beider Schädigerinnen zur ungeteilten Haftung durch das Berufungsgericht zu begründen. MaW bejahte der OGH also im konkreten Fall die Verpflichtung der nichtprivilegierten Mitschädigerin zur vollen Schadenstragung mit dem Argument des Bestehens einer Solidarhaftung beider Schädigerinnen. Wenngleich ein interner Ausgleichsanspruch im konkreten Fall nicht Gegenstand des Verfahrens war, ist es gerade die Annahme einer solchen Solidarhaftung, die konsequenterweise gem § 1302 ABGB zu einem internen Ausgleichsanspruch des/der allein in Anspruch genommenen nichtprivilegierten Schädigers/Schädigerin führen muss. Eben ein solcher soll nun aber nach Auffassung des OGH in seiner jüngsten E nicht bestehen.*
Es mag sein, dass die geschilderte Problematik vor allem auf die E durch zwei unterschiedliche Senate des OGH (einmal des 2., das andere Mal des 9. Senats) zurückzuführen ist. Ungeachtet dessen könnte (und sollte) sie mE zum Anlass genommen werden, die bisher vertretene Auffassung (wenigstens) in Bezug auf § 334 ASVG auf ihre Konsistenz und Sachgerechtheit zu überprüfen.
Verschärft werden die Folgen der stRsp für eine/n nichtprivilegierte/n MitschädigerIn zusätzlich dadurch, dass nach Auffassung des OGH § 333 Abs 1 ASVG auch einem Ausgleich zugunsten des/der Mitschä99digers/Mitschädigerin aufgrund vertraglicher Nebenpflichten oder entsprechender vertraglicher Vereinbarungen entgegensteht.
So hat dieser zunächst einen Schadenersatzanspruch des/der in Anspruch genommenen Zweitschädigers/Zweitschädigerin gegen den/die gem § 333 ASVG Privilegierte/n unter Berufung auf die Verletzung (werk)vertraglicher Schutzpflichten insb mit dem Argument verneint, dass neben § 333 ASVG kein Raum für eine schadenersatzrechtlich relevante (werk)vertragliche Nebenpflicht bestehe, den/die VertragspartnerIn vor den Folgen des Haftungsprivilegs zu schützen. Im konkreten Fall war in den rechtlichen und technischen Bedingungen des dem Vertragsabschluss zugrunde gelegten Angebots ua die Verpflichtung der Auftragnehmerin normiert worden, sämtliche Vorkehrungen zum Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum zu treffen. Der wegen Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten von einem geschädigten DN der Auftragnehmerin (Werkunternehmerin) in Anspruch genommene Auftraggeber (Werkbesteller) machte geltend, der von ihm zu ersetzende Schaden sei (auch) dadurch entstanden, dass die beklagte Werkunternehmerin Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten und die DN nicht überwachen lassen habe. Daher stünden ihm ungeachtet des unternehmensinternen Haftungsprivilegs Ansprüche aus Vertragsverletzung zu, da die Werkunternehmerin ihm durch schuldhafte Nichterfüllung vertraglicher Nebenpflichten einen Vermögensschaden zugefügt habe.*
Dieser Argumentation erteilte der OGH im Lichte seiner stRsp wohl zu Recht eine Absage. Denn wie der OGH zutreffend festhielt, ist Zweck der den eigenen Mitarbeiter/inne/n gegenüber bestehenden Fürsorgepflichten grundsätzlich nicht der Schutz des/der Werkbestellers/Werkbestellerin vor Vermögensschäden aus der Inanspruchnahme durch eine/n DN des/der Werkunternehmers/Werkunternehmerin wegen einer eigenen Sorgfaltspflichtverletzung. Auch aus der ausdrücklichen Vereinbarung der (schon ex lege bestehenden) Verpflichtung zur Vornahme von Vorkehrungen zum Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum lässt sich aber nicht zwingend ableiten, dass damit bezweckt war, den Werkbesteller auch für den Fall schadlos zu halten, dass dieser aufgrund eigenen (!) Verschuldens schadenersatzpflichtig wird, eine Schadensteilung infolge Mitverschuldens der Werkunternehmerin aber wegen § 333 ausscheidet. MaW mangelte es im konkreten Fall also mE an dem für die Zurechnung des Schadens des Werkbestellers erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang.
Der OGH hat allerdings in jüngerer Zeit darüber hinaus festgehalten, dass die vom Gesetzgeber ge wollte Haftungsbefreiung gem § 333 ASVG auch durch explizite vertragliche Vereinbarungen, wonach die (später) gem § 333 privilegierte Person den/die AuftraggeberIn gegenüber Ansprüchen Dritter schad und klaglos hält, nicht unterlaufen werden könne. Dabei verwies er auf die erwähnte Vorentscheidung sowie die Ausführungen des Berufungsgerichtes. Letzteres hatte ua dargelegt, das DG-Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG sei eine zwingende Vorschrift, der auch durch eine vertragliche Freistellungserklärung nicht der Boden entzogen werden dürfe.*
Konkret fand sich in den dem Werkvertrag mit der Auftragnehmerin (Werkunternehmerin) zugrunde gelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Auftraggeberin (ÖBB) eine Klausel, wonach diese „für die Einhaltung der zum Schutz von Personen und Sachen bestehenden allgemeinen und der im Einzelfall seitens der Bahndienststellen bekannt gegebenen besonderen Vorschriften (Unfallverhütungsvorschrift, Vorschriften für das Arbeiten an oder in der Nähe von Bahnstromanlagen, DV EL 52) unter eigener Verantwortung zu sorgen
“ hatte und verpflichtet war, „den Auftraggeber gegenüber allen Ansprüchen Dritter, die daraus erwachsen, dass diese Vorschriften vom Auftragnehmer oder seinen Leuten nicht eingehalten werden, zur Gänze schad- und klaglos zu halten.
“* Anders als in der Vorentscheidung war also explizit eine Schad und Klagloshaltung der Auftraggeberin für den Fall einer Inanspruchnahme durch eine infolge Verletzung der Sorgfaltspflichten durch die Werkunternehmerin geschädigte dritte Person vereinbart worden.
Nun ließe sich die Verneinung eines Ersatzanspruchs durch den OGH auch in diesem Fall uU noch damit begründen, dass die Verletzung des DN der Auftragnehmerin auch auf ein (eigenes) schuldhaftes Verhalten der Auftraggeberin (bzw einer dieser zuzurechnenden Person) zurückzuführen war. Man könnte also argumentieren, dass die gegenständliche Vereinbarung lediglich Ersatzansprüche außenstehender Personen, die infolge einer Zurechnung des Verhaltens der Auftragnehmerin zur Auftraggeberin (insb gem § 1313a ABGB) gegen letztere geltend gemacht werden, erfassen sollte und daher im Konkreten nicht schlagend wurde. Nicht nur scheint dieses Ergebnis jedoch alles andere als eindeutig, vielmehr begründete der OGH seine Entscheidung nicht mit der Auslegung der zitierten Vertragsklausel, sondern damit, dass § 333 ASVG durch vertragliche Vereinbarungen nicht unterlaufen werden könne. Dabei billigte er offenbar die Annahme des Berufungsgerichtes, dass § 333 Abs 1 ASVG eine vertraglich nicht abdingbare, zwingende Vorschrift sei.
Gerade insoweit sind nun – losgelöst vom Ergebnis der konkreten E – Zweifel angebracht. Denn bei den §§ 332-337 ASVG handelt es sich auch nach Auffassung des OGH um zivilrechtliche Regelungen, die die Schadenersatzbestimmungen des (allgemeinen) Zivilrechts ergänzen und teilweise modifizieren.* Weder aus einer Bestimmung im ASVG noch aus dem Zweck des DG-Haftungsprivilegs oder einer spezifischen Schutzbedürftigkeit des/der DG (Gleichgestellten) (zB vor einer Übermacht des Gegenübers) ergibt sich, dass dieses (zweiseitig) zwingend sein sollte. So sind gem § 539 ASVG ausdrücklich nur Vereinbarungen ohne rechtliche Wirkung, wonach die Anwendung der Bestimmungen des ASVG „zum Nachteil der Versicherten
“ (ihrer Angehörigen) im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird. § 539a Abs 2 ASVG normiert zwar, dass durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen100 Rechtes Verpflichtungen nach dem ASVG, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden können. Beim DG-Haftungsprivileg handelt es sich jedoch zum einen schon ex definitione nicht um eine „Verpflichtung“. Zum anderen hat § 539a ASVG offenkundig den Zweck, Dispositionen zulasten der Sozialversicherungsträger zu verhindern. Ein Verzicht auf die Haftungsprivilegierung hat aber (im Gegensatz etwa zu einem Verzicht auf einen gem § 332 ASVG übergangsfähigen Schadenersatzanspruch) grundsätzlich keine nachteiligen Auswirkungen auf den Sozialversicherungsträger.
Als mögliche Begründung für den zwingenden Charakter des § 333 ASVG könnte allenfalls die bei einem Verzicht auch gegenüber dem/der Geschädigten (und nicht nur gegenüber dem/der MitschädigerIn) bestehende Gefahr einer Doppelliquidation ins Treffen geführt werden. Auch dieser lässt sich jedoch schon auf Basis des geltenden Rechts begegnen: Nach hA* ist die in § 332 Abs 3 ASVG enthaltende Anordnung, wonach ein Schadenersatzanspruch „nach § 333“ nicht auf den Sozialversicherungsträger übergeht, iSe Verweises nur auf § 333 Abs 1 und 2 ASVG zu lesen. Diese ist daher auf den Fall des Bestehens eines Schadenersatzanspruchs trotz Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung – also auf jenen vorsätzlicher Schädigung durch den/die DG (Gleichgestellte/n) – zu beschränken. Dementsprechend kommt es in Fällen, in denen das Haftungsprivileg wegen der in § 333 Abs 3 ASVG statuierten Ausnahme* nicht zur Anwendung kommt, (ganz normal) zu einer Legalzession gem § 332 Abs 1 ASVG. Eine vergleichbare Situation liegt aber vor, wenn das Haftungsprivileg aufgrund dessen vertraglicher Abdingung nicht anwendbar ist. Auch in einem solchen Fall ist daher mE von einer Legalzession auf den Sozialversicherungsträger auszugehen, womit die Problematik einer Doppelliquidation nicht (mehr) besteht. Die im Falle eines grob fahrlässigen Handelns des/der DG (Gleichgestellten) entstehende Kollision mit § 334 ASVG ist wiederum iSd hA* zu § 333 Abs 3 ASVG dahingehend aufzulösen, dass die Legalzession des § 332 Abs 1 als gegenüber dem originären Regressrecht des Sozialversicherungsträgers gem § 334 vorranging angesehen wird, § 334 also nicht anzuwenden ist, soweit § 332 reicht.
Selbst wenn man aber im Verhältnis zu dem/der Geschädigten eine Unabdingbarkeit des § 333 ASVG auch zu dessen/deren Gunsten annehmen wollte, bedeutet dies keineswegs zwingend, dass der/die DG (Gleichgestellten) sich auch (nur) gegenüber einem/einer mithaftenden VertragspartnerIn nicht verpflichten kann, ihm/ihr den aus dem DG-Haftungsprivileg resultierenden Nachteil auszugleichen. MaW ist mE kein Grund ersichtlich, warum auch diesem/dieser gegenüber ein Verzicht auf das DG-Haftungsprivileg nicht möglich sein sollte.
Es mag sein, dass eine differenzierte Analyse durch den OGH hier zu einem anderen Ergebnis geführt hat. Sollte dem so sein, wären aber wenigstens einige klarstellende Sätze dahingehend wünschenswert gewesen, warum das DG-Haftungsprivileg nach Auffassung des OGH auch durch vertragliche Vereinbarungen „nicht unterlaufen werden“ kann.
§ 333 Abs 1 ASVG schließt in seinem Anwendungsbereich nach stRsp sämtliche anderen Haftungsgründe aus, gleichgültig, ob es sich um Fälle der deliktischen oder vertraglichen Verschuldens-, Gefährdungs- oder Eingriffshaftung handelt.* Damit kommt insb auch eine Haftung des/der DG (Gleichgestellten) für dessen/deren Erfüllungs- oder Besorgungsgehilfen gem § 1313a* bzw § 1315 ABGB* oder eine solche nach dem AHG* nicht in Betracht. Wird daher ein/e DN (iwS) im Zuge eines Arbeitsunfalles durch eine dem/der DG (Gleichgestellten) zurechenbare Person geschädigt, scheidet eine Inanspruchnahme des/der ansonsten (nur) haftpflichtigen DG (Gleichgestellten) durch erstere/n von vornherein aus. Der/die Geschädigte kann sich in einem solchen Fall also – sofern nicht auch dies, wie etwa nach dem AHG (vgl dessen § 1), ausgeschlossen ist – nur an den/die nichtprivilegierte/n SchädigerIn selbst halten. Dieses Ergebnis ist insoweit idR unproblematisch, als dem/der nur Haftpflichtigen nach allgemeinen Regeln ein Regressrecht gegenüber dem/der unmittelbaren SchädigerIn zusteht, wenn er/ sie an dessen Stelle in Anspruch genommen wird (vgl insb § 1313 ABGB). Insofern hat in den meisten Fällen unabhängig von § 333 ASVG der/die unmittelbare SchädigerIn den Schaden endgültig zu tragen. § 333 ASVG bewirkt also – seiner historischen Begründung entsprechend – lediglich eine „Benachteiligung“ des/der Geschädigten, der/die sich nur an den/die unmittelbare/n SchädigerIn, nicht aber an den/die privilegierte/n Haftpflichtige/n wenden kann.
Abweichendes gilt allerdings dann, wenn der/die SchädigerIn unter Außerachtlassung des § 333 ASVG nicht den ganzen Schaden endgültig alleine zu tragen hätte. Zu denken ist hier insb an die Vorgaben des DHG, welches im Falle der Schädigung eines/einer Dritten durch eine/n DN unter bestimmten Voraussetzungen Haftungserleichterungen zugunsten des/der101 DN im Innenverhältnis zu dem/der DG vorsieht. Dies wurde in der Literatur zum Anlass genommen, die in stRsp* vertretene, unter Beachtung nur der Vorgaben der §§ 332 ff ASVG richtige, These, dass „einfachen“ Arbeitskolleg/inn/en nur gegenüber den Sozialversicherungsträgern (gem § 332 Abs 5 ASVG), nicht aber auch gegenüber einem/einer geschädigten Kollegen/Kollegin eine Haftungsprivilegierung zukommt, zu hinterfragen. Wenngleich der OGH auch den diesbezüglichen Argumenten bisher nicht gefolgt ist, soll auch diese Problematik erneut kurz beleuchtet werden.
Das DHG gilt gem dessen § 1 Abs 1 insb für DN (Lehrlinge) in einem privatrechtlichen oder in einem öffentlich-rechtlichen Dienst(Lehr)verhältnis sowie dienstnehmerähnliche Personen, wobei Schädigungen in Vollziehung der Gesetze gem Abs 2 leg cit explizit ausgenommen sind. Fügt ein/e vom DHG erfasste/r DN bei Erbringung der Dienstleistungen einem/einer Dritten nicht vorsätzlich einen Schaden zu, kommt es nach den §§ 3 bzw 4 DHG – je nach Fahrlässigkeitsgrad – zu einer Aufteilung des endgültig zu tragenden Schadens zwischen DN und DG. Dies allerdings ausdrücklich nur unter der Voraussetzung, dass der/ die DG „auf Grund der §§ 1313a bis 1316 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches oder auf Grund einer anderen gesetzlichen Verpflichtung vom Dritten zum Ersatz des Schadens in Anspruch hätte genommen werden können
“ bzw aufgrund dieser Vorgaben tatsächlich zum Ersatz herangezogen wurde (vgl § 3 Abs 2 und 3 bzw § 4 Abs 1 DHG).
Voraussetzung der Anwendbarkeit der Haftungserleichterungen des DHG ist daher, dass sich der/die DG im Verhältnis zu dem/der Geschädigten das Verhalten des/der unmittelbaren Schädigers/Schädigerin zurechnen lassen muss. In Betracht kommt hier (von Fällen der Repräsentantenhaftung und der Halterhaftung nach dem EKHG abgesehen) angesichts der eingeschränkten Voraussetzungen des § 1315 ABGB insb eine Erfüllungsgehilfenhaftung gem § 1313a ABGB. Der/die DG muss sich also des/der Schädigers/Schädigerin zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung bedient haben.* In der Literatur wurde nun zunächst vorgebracht, dass der/die DG – vorerst unter Außerachtlassung des § 333 ASVG – wegen einer Übertragung der Fürsorgepflicht gem § 1157 ABGB idR gem § 1313a ABGB für das Verschulden seiner DN auch gegenüber anderen DN einzustehen und daher den Schaden entsprechend der Vorgaben des DHG teilweise zu tragen habe.* In weiterer Folge wurde zum einem argumentiert, dass § 333 ASVG von vornherein nur direkte Ersatzansprüche gegen den/die DG, nicht aber auch den Vergütungsanspruch des/der DN gem § 3 DHG erfasse, der Schaden also grundsätzlich gem den Vorgaben des DHG auf den/die DG überwälzt werden könne. Wolle man dieses Ergebnis vermeiden, müsse man die Haftung des/der DN gegenüber dem/der Kollegen/Kollegin analog § 333 ASVG ausschließen.*Zum anderen wurde vertreten, dass eine Überwälzung des Schadens auf den/die DG zwar im Falle der Schädigung eines/einer Arbeitskollegen/-kollegin wegen § 333 Abs 1 ASVG grundsätzlich ausscheide, im Lichte des Zwecks des DHG und unter Berücksichtigung des § 332 Abs 5 aber davon ausgegangen werden müsse, dass Ersatzansprüche des/der Geschädigten gegen den/die Arbeitskollegen/Arbeitskollegin insoweit ausgeschlossen seien, als nach § 3 DHG der Schaden auf den/die DG überwälzt werden könnte. Zur Herstellung dieses Ergebnisses sei § 332 Abs 5 ASVG analog anzuwenden.*
Den OGH haben diese Vorschläge, wie bereits erwähnt, nicht überzeugt, sodass er (nach wie vor) in stRsp davon ausgeht, dass eine Zurechnung des Verhaltens des/der schädigenden DN zu dem/der DG wegen § 333 Abs 1 ASVG von vornherein ausscheidet. Damit kommt nach Auffassung des OGH eine Überwälzung des von dem/der schädigenden DN zu tragenden Schadens auf den/die DG gem § 3 DHG ebenso wenig in Betracht wie eine (daran anknüpfende) Kürzung des Ersatzanspruchs des/der Geschädigten. Die Prüfung der Frage, ob ein/e DN gegenüber einem/einer anderen DN Erfüllungsgehilfe/-gehilfin des/der DG gem § 1313a ABGB sein kann, erübrigt sich im Lichte dieser Annahme.*
Die vom Höchstgericht vertretene Auffassung lässt sich auf Basis der gesetzlichen Vorgaben a priori schlüssig begründen.* Geht man nämlich davon aus, dass ein Vergütungsanspruch gegenüber dem/der DG gem § 3 DHG wegen § 333 Abs 1 ASVG ausscheidet, bliebe nur eine Kürzung des Ersatzanspruchs des/der DN gegenüber dem/der schädigenden DN in analoger Anwendung des § 332 Abs 5 oder des § 333 ASVG. Das Vorliegen einer planwidrigen Lücke scheint diesbezüglich jedoch im Lichte der ausdrücklich gem § 333 Abs 4 ASVG gleichgestellten Personen sowie des § 332 Abs 5 ASVG zweifelhaft. Zwingend ist das Ergebnis des OGH jedoch keineswegs. Denn geht man – wie insb auch der deutsche BGH* – an den102 gegenständlichen Fall ebenso heran wie an jenen der Schädigermehrheit, ist auch hier zunächst von der Schadensverteilung im Innenverhältnis auszugehen. Folgt man hier der Auffassung, dass ein/e DN grundsätzlich auch gegenüber einem/einer anderen DN Erfüllungsgehilfe/-gehilfin des/der DG gem § 1313a ABGB sein kann, hätte grundsätzlich der/die DG den Schaden nach Maßgabe des DHG (teilweise) zu tragen. Da dessen Haftung allerdings wegen § 333 Abs 1 zu entfallen hat, scheidet eine Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs durch den/die geschädigte/n DN insoweit aus. Der zum Fall der Schädigermehrheit dargelegten Auffassung entsprechend, ist daher der Ersatzanspruch des/der geschädigten DN iSe „absoluten Außenwirkung“ der Haftungsprivilegierung um die dem/der DG im Innenverhältnis zuzurechnenden Haftungsquote zu kürzen. Entgegen der Auffassung des OGH steht auch dieses Ergebnis mit § 333 Abs 1 ASVG im Einklang und wird sowohl dem Zweck der Haftungsprivilegierung als auch jenem des DHG mE wesentlich besser gerecht als die alleinige Schadenstragung durch den/die schädigende/n DN.*
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass das Haftungsprivileg des § 333 ASVG im Lichte der stRsp des OGH massive Verschlechterungen sowohl für eine/n mit dem/der DG (Gleichgestellten) haftende/n MitschädigerIn als auch für (allein) schädigende Arbeitskolleg/inn/en zur Folge hat. Dieses Ergebnis bringt nicht nur die Betroffenen uU in eine prekäre Situation, sondern scheint auch mit dem Zweck des DG-Haftungsprivilegs sowie der historischen Ablösefunktion der gesetzlichen UV kaum vereinbar. Verschärft wird die Situation zusätzlich durch die in stRsp vorgenommene Ausweitung der Haftungsprivilegierung weit über das klassische DN-DG-Verhältnis hinaus.
Schlussendlich kann nur (erneut) der Appell an den OGH gerichtet werden, seine Auffassung – auch im Lichte der inzwischen zahlreichen gegenteiligen Stellungnahmen in der Literatur – zu überdenken. Dies gilt im Besonderen für jene Fälle, in denen dem Sozialversicherungsträger ein Regressanspruch gem § 334 ASVG gegen den/die privilegierte/n MitschädigerIn zusteht. Denn auch unter Zugrundelegung der vom OGH für eine alleinige Schadenstragung durch den/die nichtprivilegierte/n MitschädigerIn ins Treffen geführten Argumente, kann eine solche diesbezüglich nicht überzeugen. Der OGH gerät überdies in Widerspruch zu seiner eigenen Judikatur, wenn er zwar eine Haftung zur ungeteilten Hand gegenüber dem Sozialversicherungsträger annimmt,* einen internen Ausgleichsanspruch aber ungeachtet dessen ablehnt.*
Zu hoffen bleibt auch, dass die Verneinung einer vertraglichen Abdingbarkeit des Haftungsprivilegs (zumindest) gegenüber einem/einer potentiellen MitschädigerIn doch nicht so absolut zu sehen ist, wie es die beiden bisherigen Entscheidungen* scheinen lassen. Eine (eng umgrenzte) Möglichkeit zu entsprechenden vertraglichen Dispositionen ließe sich (wenngleich mit einigem Argumentationsaufwand) wohl auch nach wie vor mit der bisherigen Judikatur in Einklang bringen. Ob der OGH diese Chance ergreifen wird, bleibt abzuwarten.103