Gleichbehandlungsrecht in ausgegliederten Post-Unternehmen
Gleichbehandlungsrecht in ausgegliederten Post-Unternehmen
Durch besondere gesetzliche Anordnung bei der Ausgliederung der früheren Post- und Telegraphenverwaltung gelten auch für sämtliche privatrechtlichen Dienstverhältnisse der aus der Post und Telekom Austria hervorgegangenen Gesellschaften Teile des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (B-GlBG). Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, welche Auswirkungen diese spezielle Konstellation auf die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG)* und des B-GlBG* bzw die formellen Zuständigkeiten der Institutionen nach dem GBK/GAW-Gesetz* bzw B-GlBG haben.
Mit dem Poststrukturgesetz (PTSG)* wurde mit Wirkung vom 1.1.1997 die bis dahin bestehende Post- und Telegraphenverwaltung ausgegliedert und die Post und Telekom Austria AG (PTA) neu geschaffen. Im Dienst stehende BeamtInnen der Post- und Telegraphenverwaltung wurden gem § 17 PTSG der PTA bzw daraus hervorgegangenen Unternehmen zur Dienstleistung zugewiesen. Aufgrund des Fortbestandes von öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen zum Bund sowie der Bestimmung des § 17a PTSG, die sämtliche auf das Rechtsverhältnis der Beamten abstellende Rechtsvorschriften für weiter anwendbar erklärt, ist für diese Gruppe von AN unzweifelhaft, dass das B-GlBG zur Gänze, das GlBG hingegen gar nicht anzuwenden ist.
Unter den verschiedenen Modellen der Gestaltung von privatrechtlichen Dienstverhältnissen zum Bund bei Ausgliederungen,* entschied sich der Gesetzgeber hingegen in § 18 PTSG zur Überleitung aller bei der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten153 Vertragsbediensteten (VB) in privatrechtliche Dienstverhältnisse zur PTA. Mit der Übertragung dieser Dienstverhältnisse vom Bund auf die PTA sind die früheren VB aus dem Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 Z 1 B-GlBG ausgeschieden. Sie unterliegen, ebenso wie die Dienstverhältnisse aller seit 1997 eingetretenen AN, dem GlBG.
Der Gesetzgeber hat allerdings in § 76a Post- Betriebsverfassungsgesetz (PBVG)* angeordnet, dass die „Bestimmungen des 3. und 4. Teiles des Bundes- Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl Nr. 100/1993“ auch für alle in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehenden Bediensteten gelten. Durch § 76a PBVG ist jedenfalls nicht nur für die ehemaligen VB, sondern auch für sämtliche neu eintretende DN der 3. und 4. Teil des B-GlBG BGBl 1993/100 anzuwenden. Wohl aufgrund der klaren Spezifizierung der Normteile, auf die verwiesen wird, geht Bei von einer statischen Verweisung aus,* obwohl die Bestimmung § 79 PBVG, dass bei Verweisungen auf Bundesgesetze von der jeweils aktuellen Fassung auszugehen sei, wenn nicht auf eine bestimmte Fassung verwiesen werde, eher für die gesetzgeberische Intention einer dynamischen Verweisung spricht.
Mazal hat hinsichtlich der Geltung des B-GlBG für private DG grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes angemeldet, da ausgegliederte private AG durch die als Frauenfördergebot normierten „Quotenregelungen“ in ihrer privatautonomen Gestaltungshoheit beschränkt würden.* Auch Kucsko-Stadlmayr sieht das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung, um die Frauenfördermaßnahmen des B-GlBG auf privatrechtliche Dienstverhältnisse anzuwenden.* Nicht nur das von beiden AutorInnen genannte Beispiel der Vorbildfunktion eines großen Unternehmens im öffentlichen Einflussbereich rechtfertigt aber mE diese Maßnahme, sondern auch die Sicherstellung des gleichen Niveaus an Gleichstellungsförderung für die gesamte Belegschaft eines Unternehmens. Grundsätzlich ist zudem mit zu berücksichtigen, dass der mit den Fördermaßnahmen des B-GlBG verbundene unbestreitbare Mehraufwand nicht isoliert betrachtet werden darf: Die Maßnahmen tragen effektiv zur Gleichstellung bei,* was das Unternehmen auch durch die effizientere Nutzung seiner Personalressourcen profitieren lässt.
Von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Anwendung des B-GlBG ausgehend steht aber vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie weit auch das GlBG neben dem B-GlBG anzuwenden ist, bzw ob die anwendbaren Bestimmungen des B-GlBG die des GlBG verdrängen. Der OGH hat diese Frage bereits in einer E thematisiert,* aber nicht entschieden, weil sie dem Höchstgericht im konkreten Fall als nicht entscheidungswesentlich erschien.
Zu den Auffälligkeiten der Regelungen des Gleichbehandlungsrechts im Bereich der ehemaligen Post- und Telegraphenverwaltung zählt sicherlich die systematisch überraschende Einordnung des § 76a PBVG. Während derartige Fragen üblicherweise im Zusammenhang mit der Gestaltung überzuleitender Dienstrechtsverhältnisse geregelt werden,* hat der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des 3. und 4. Teils des B-GlBG („Mit der Gleichbehandlung und Frauenförderung befasste Personen und Institutionen“ bzw „Besondere Fördermaßnahmen für Frauen“) im Kontext der Übergangsbestimmungen (!) zum arbeitsverfassungsrechtlichen Sondergesetz PBVG normiert. Anlässlich der Novellierung des Gleichbehandlungsrechts 2004 wurde auf die Anpassung bestehender Verweisungen, wie der in § 76a PBVG, an die neue Gesetzesgliederung verzichtet, stattdessen wurde in § 43 B-GlBG pauschal angeordnet, dass Verweisungen auf Fassungen vor der Novelle 2004 auf die ab 1.7.2004 geltende Fassung des B-GlBG zu beziehen seien. Die Materialien zum Gesetz geben keinen Aufschluss über die Motive,* doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Gesetzgeber allfällige statische Verweisungen „aktualisieren“ und dem „Vergessen“ der verstreuten Verweisungen vorbeugen wollte. Im konkreten Fall trägt die unterlassene Anpassung insofern zur Unübersichtlichkeit bei, als der 3. und 4. Teil des B-GlBG idF BGBl 1993/100 im neu gegliederten B-GlBG nunmehr dem 2. Abschnitt des 1. Hauptstücks des I. Teils („Besondere Fördermaßnahmen für Frauen“) bzw dem II. Teil („Institutionen und Verfahren“) entsprechen. Wohl auch aufgrund der im Zuge der Neuanordnung bestehen gebliebenen Kohärenz der angesprochenen Regelungskomplexe scheinen auf den ersten Blick auftauchende Bedenken hinsichtlich der erforderlichen ausreichenden inhaltlichen Determinierung der Verweisungsnorm* allerdings nicht weiter verfolgenswert. Viel spricht jedenfalls für die Vermutung, dass die Frage der Anwendbarkeit des B-GlBG als Thema vom Gesetzgeber erst „spät erkannt und im Parlament hineinreklamiert wurde“.*
Der Frage der konkreten Anwendungsbereiche von GlBG und B-GlBG kommt, trotz hoher inhaltlicher154 Übereinstimmung beim europarechtlich gebotenen Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt,* aber insb aufgrund der Unterschiede im Rechtsschutzsystem und den im B-GlBG vorgesehenen Frauenfördermaßnahmen, * Bedeutung zu. Auch bei der Erstellung des Einkommensberichts des Bundes gem § 6a B-GlBG bzw der Einkommensberichte der Privatwirtschaft nach § 11a GlBG bestehen Diskrepanzen, etwa in Hinblick auf die Publikationspflicht des ersteren gegenüber der gesetzlich geschützten Vertraulichkeit der letzteren.*
Aufgrund der Formulierung des § 76a PBVG ist davon auszugehen, dass die nunmehr im II. Teil des anzuwendenden B-GlBG geregelten Institutionen für die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehenden AN zuständig sind und auch die besonderen Fördermaßnahmen des B-GlBG für diese Gruppen Anwendung finden. Materiell-rechtlich müssen, wie Bei bereits festgestellt hat,* die Institutionen jedoch an die Gleichbehandlungsgebote des I. und II. Teils des GlBG anknüpfen, da die entsprechenden Bestimmungen des B-GlBG nicht anzuwenden sind. Das bedeutet insb auch, dass grundsätzlich von den (allerdings mit dem § 20 B-GlBG weitgehend identischen) Geltendmachungsfristen der §§ 15 und 29 GlBG auszugehen ist.
Dass die vertraglichen Dienstverhältnisse grundsätzlich in den Anwendungsbereich des GlBG fallen, sah der OGH in der bereits angesprochenen E vom 19.11.2003 zu 9 ObA 12/03k als offenkundig an. In diesem Sinn verweist auch der Einkommensbericht des Bundes für die nicht-beamteten DN auf die Einkommensberichte der jeweiligen Rechtsträger iSd § 11a GlBG.* Als keineswegs selbstverständlich betrachtete der OGH jedoch, dass die Zuständigkeit der Institutionen nach dem B-GlBG die Zuständigkeit der GBK bzw der GAW ausschließen müssen. Im konkreten Fall entschied der OGH, dass eine Verbandsklage iSd heutigen § 12 Abs 3 GBK/GAW-G (die E erging noch zur Rechtslage vor dem 1.7.2004) nur möglich sei, wenn ein Vorschlag der angerufenen GBK zur Verwirklichung der Gleichberechtigung unbeachtet bleibe. Der vom Kl vertretene Standpunkt, ein Gutachten der B-GBK sei dem Gutachten der GBK gleichzusetzen, wurde vom OGH jedoch mit dem Hinweis verworfen, dass die Regeln des GlBG genau einzuhalten seien, wenn von der außergewöhnlichen Möglichkeit der Verbandsklage Gebrauch gemacht werden solle. Ob die Zuständigkeit der B-GBK die der GBK verdränge, ließ der OGH allerdings „dahinstehen“, weil der Weg zur GBK im konkreten Fall nicht beschritten, die Frage also nicht entscheidungswesentlich geworden sei.
Neben dem vom OGH angeschnittenen Problem der Möglichkeit einer Verbandsklage gem § 12 Abs 3 GBK/GAW-G stechen zwei andere, mit einer teilweisen Derogation der einschlägigen Bestimmungen des GBK/GAW-G durch Teile des B-GlBG verbundene, Problemkreise ins Auge:
Aufgrund der mangelnden Deckungsgleichheit zwischen den Institutionen wäre zunächst unklar, welche Institutionen „verdrängt“ werden sollten: Bei genauer Betrachtung käme wohl nur die Verdrängung der GBK durch die B-GBK in Frage. Die bei der B-GBK antragsberechtigten Gleichbehandlungsbeauftragten sowie die Arbeitsgruppen für Gleichbehandlung gem §§ 26 und 28 B-GlBG wären hingegen mE nicht mit der Struktur der GAW gleichzusetzen und können diese daher auch nicht „verdrängen“. Gem § 5 Abs 1 GBK/GAW-G wäre die GAW aber auch für die Beratung und Vertretung von in einem privaten Dienstverhältnis zur PTA bzw deren RechtsnachfolgerInnen stehenden Bediensteten zuständig und hätte sich dabei wie gezeigt jedenfalls auf die materiell-rechtlichen Bestimmungen des GlBG zu stützen. Sie wäre allerdings nur sehr eingeschränkt in der Lage, diese Aufgabe wahrzunehmen, wenn an die GBK mangels deren Zuständigkeit kein Antrag gerichtet werden dürfte, eine Antragstellung an die B-GlBG wiederum aufgrund der fehlenden Antragslegitimation gem § 23a B-GlBG eindeutig ausgeschlossen ist.
Ein noch wesentlicheres Rechtsschutzdefizit beträfe die Fristenhemmung durch Antragstellung bei der Kommission. Der § 20 Abs 6 B-GlBG normiert die Hemmung gerichtlicher Klagsfristen bei Anrufung der B-GBK. In Hinblick auf die eingeschränkte Anwendbarkeit des B-GlBG ist diese Bestimmung aber nicht anwendbar. Umgekehrt wären die fristhemmenden Bestimmungen des § 15 Abs 2 bzw § 29 Abs 2 GlBG zwar anwendbar, sie setzen aber ein Prüfverfahren der GBK, nicht der B-GBK voraus. Nach dem Wortlaut würde die Anrufung der B-GBK also regelmäßig die Gefahr der Fristversäumung zur gerichtlichen Geltendmachung mit sich bringen und damit die Tätigkeit der B-GBK in diesem speziellen Anwendungsbereich insgesamt in Frage stellen.
Insgesamt spricht mE wenig für die Annahme einer teilweisen Derogation der einschlägigen Bestimmungen des GBK/GAW-G durch die Anordnung des § 76a PBVG. Zunächst mangelt es dafür an hinreichender Bestimmtheit der derogierenden Norm, auch finden sich im Gesetz oder in den Materialien keine überzeugenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Zuständigkeit der GBK ausschließen wollte. Der Ausschussbericht streicht vielmehr hervor, dass durch die Anwendung des 3. Teils des B-GlBG eine Nachbildung von Gleichbehandlungsausschüssen nach dem Vorbild des § 69 Abs 2 ArbVG im PBVG unterbleiben könne.* Dies macht nicht nur die an gleicher Stelle behauptete Analogie zu § 54 Abs 6155 AMS-G* stichhaltiger – in Bezug auf den Verzicht auf die Gleichbehandlungsausschüsse ist die Regelung tatsächlich vergleichbar –, vor allem werden unter diesem Gesichtspunkt auch rechtsstaatliche Bedenken wegen der mangelnden Verständlichkeit der scheinbar dislozierten Anordnung des § 76a PBVG minimiert.*
Viel spricht dafür, dass der Gesetzgeber primär die Wahrung der Rechte der betroffenen AN im Sinn hatte. Das ordnet nicht nur § 18 Abs 1 zweiter Satz PTSG ausdrücklich an, auch der AB zum PBVG* betont, dass durch § 76a PBVG die einheitliche Gestaltung der Arbeitsverhältnisse aller AN gewährleistet werden solle. Die Möglichkeit zur Nutzung des engmaschigeren Netzes zB der „Kontaktfrauen“ des B-GlBG sollte diesem Ziel ebenso dienen, wie vor allem auch die Pflicht des/der DG zur Ergreifung frauenfördernder Maßnahmen. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass die zitierten Stellungnahmen von Mazal und Kucsko-Stadlmayer zu diesem Themenkomplex primär den letzteren Aspekt thematisieren.
Dass der Rechtsschutz für Bedienstete im privatrechtlichen Dienstverhältnis – insb durch die Nichthemmung gerichtlicher Fristen bei Antragstellung bei der (B-)GBK – eingeschränkt werden sollte, ist mE nicht ableitbar. Dies wäre auch kaum sachlich zu rechtfertigen, zumal das stärkste in der Literatur genannte Argument, das für eine exklusive Zuständigkeit der B-GBK sprechen würde, zunehmend an Strahlkraft verliert. Dass es verfahrensökonomisch wäre, die Verfahren bei der B-GBK zu bündeln,* weil „auf Grund der Personalstruktur der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft für die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten, nämlich die Beamten, auch weiterhin das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz“ gelte,* trifft aufgrund der personellen Strukturverschiebungen in den letzten zehn Jahren immer weniger zu. Von 19.534 ausgewiesenen Vollzeitkräften waren nach Angaben der Post AG 2012 nur noch knapp weniger als die Hälfte, nämlich 9.738 BeamtInnen.*
Im Ergebnis ist nach der hier vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass die Anrufung der B-GBK eine den/der in einem vertraglichen Dienstverhältnis stehenden AN eröffnete Möglichkeit darstellt, eine Anrufung der GBK aber ebenso zulässig ist. ME spricht alles dafür, dass das gesamte arbeitsrechtliche Spektrum des GlBG und des GBK/GAW-G sowohl den übergeleiteten ehemaligen VB, als auch den ab 1.1.1997 neu eingetretenen AN der PTA bzw ihren RechtsnachfolgerInnen, neben den im 2. Abschnitt des 1. Hauptstücks des I. Teils bzw den im II. Teil des B-GlBG geregelten Rechten zur Verfügung stehen. Auch wenn man allerdings davon ausginge, dass die einschlägigen Bestimmungen des GBK/GAW-G verdrängt werden sollten, wäre hinsichtlich der dann auftretenden Problematik der mangelnden Fristhemmung von einer planwidrigen Lücke des Gesetzgebers auszugehen, der unter keinen Umständen vorgesehen haben konnte, dass die Anrufung der B-GBK zur Versäumung der gerichtlichen Klagsfrist führen solle. Diese Lücke wäre durch analoge Anwendung der fristhemmenden Bestimmungen des GlBG bei Verfahren vor der B-GBK zu schließen. Die Argumente, die der OGH in der E zu 9 ObA 12/03k zur Analogie bei der Verbandsklage ins Treffen geführt hat, stünden dem nicht zwingend entgegen.
Inwiefern sich die Frage einer Verdrängung des GlBG durch das B-GlBG bei anderen Ausgliederungen anders darstellt, etwa wenn eine umfassende Geltung des B-GlBG gesetzlich angeordnet wird, konnte hier nicht behandelt werden. Eine nähere Untersuchung derartiger Fälle erscheint jedoch lohnend, insb auch in Hinblick auf möglicherweise bestehende Regelungslücken bei der Einkommenstransparenz bei Überleitung sämtlicher Dienstverhältnisse auf private RechtsträgerInnen bei gleichzeitiger Anwendbarkeit des B-GlBG.