Brodil (Hrsg)Entgeltliches im Arbeitsrecht

Manz Verlag, Wien 2013, VII, 86 Seiten, broschiert, € 18,80

JOHANNANADERHIRN (LINZ)

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den Tagungsband der 4. Wiener Oktobergespräche 2011. Diese Tagung widmete sich einem hochaktuellen Thema, nämlich der variablen Entgeltgestaltung. Zu Beginn behandelt Mazal individualarbeitsrechtliche Aspekte variabler Entgeltgestaltung. Ausgangspunkt ist, dass AG häufig Flexibilität in der Arbeitswelt wünschen. Diesbezüglich ist der Spielraum in Entgeltfragen jedenfalls dort groß, wo die Entgelte über dem KollV liegen. Mazal weist darauf hin, dass der Vereinbarung von Variablen, an die eine flexible Entgeltgestaltung anknüpfen kann, innerhalb der Schranken des § 879 ABGB nur wenige Grenzen gesetzt sind. Unzulässig könnten zB variable Entgelte sein, die den AN dazu motivieren sollen, von anderen AN gesetzwidrige Überstunden einzufordern. Grundsätzlich könne die Entlohnung auch an Variablen geknüpft werden, die die Bezahlung vom Geschäftsvolumen oder von Unternehmenserträgen abhängig machen. Ein jährliches „Höherhängen des Brotkorbs“ hält aber auch Mazal in Anknüpfung an die diesbezügliche Judikatur des OGH für problematisch. Ausführungen zu den betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeitsschranken für einzelvertragliche variable Abgeltungen ergänzen den Beitrag. Hierbei wird insb auch auf § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG eingegangen. Im letzten Punkt werden ausführlich die Zulässigkeitsschranken variabler Vergütung im Bankwesengesetz behandelt. Hier gibt es spezielle Regelungen in § 39b BWG bzw in der Anlage zu § 39b BWG.

Im Anschluss an Mazal widmet sich Marhold den kollektivarbeitsrechtlichen Aspekten variabler Entgeltgestaltung. Dazu gehören zunächst kollektivvertragliche Aspekte, namentlich zB die sogenannte Verteiloption und kollektivvertragliche Regelungen betreffend All-In-Klauseln. Marhold meldet hier Vorbehalte gegenüber der kollektivvertraglichen Regelungsmacht an. Verbiete eine kollektivvertragliche Regelung All- In-Klauseln, würde dies gegen das Günstigkeitsprinzip des § 3 ArbVG verstoßen. Der KollV könne aber auch nicht das Erfordernis der Schriftlichkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung für solche Klauseln regeln. Ausführlich widmet sich Marhold dem Betriebsvereinbarungsrecht. In Bezug auf variable Entgelte tun sich hier eine Fülle von Fragen auf. Der Autor begrüßt es, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, durch die Novelle BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101 § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG auf seinen ursprünglichen gesundheitspolitisch motivierten Gehalt zurückzuführen, da die österreichische Mitbestimmungsordnung ursprünglich davon ausgegangen ist, dass nur die Einführung und Regelung von Akkord-, Stück- und Gedinglöhnen mitbestimmungspflichtig ist. Die E des OGH zu den Performance- Managementsystemen, in der der OGH die Anwendbarkeit des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG bejahte, hält Marhold für verfehlt. Seit 1.1.2011 sind von § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG auch leistungs- und erfolgsbezogene Prämien und Entgelte erfasst, soweit diese nicht unter § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG fallen und nicht nur für einzelne AN gewährt werden. Nach Ansicht des Autors sollen in den Anwendungsbereich der Z 16 nun jene leistungs und erfolgsbezogenen Prämien und Entgelte hineinfallen, die aufgrund der Änderung des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG aus dessen Geltungsbereich ausscheiden. Versuchen in der Literatur, andere Mitbestimmungstatbestände als Auffangbecken für die weggefallene zwingende Mitbestimmung nach § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG nutzbar zu machen, nämlich insb § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG, erteilt Marhold eine Absage.

Im dritten Beitrag befasst sich Felten mit Fragen der Fortzahlung flexibler Entgeltbestandteile. Zur Begrifflichkeit hält er zunächst fest, dass Entgeltmodelle, die auf subjektive Eigenschaften, wie Schnelligkeit, Genauigkeit, etc abstellen, wo also der AN unmittelbaren Einfluss auf die Entgelthöhe nehmen kann, leistungsbezogen sind, während es sich um erfolgsbezogenes Entgelt handelt, wenn der Entgeltanspruch zB mit der Erreichung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen verknüpft ist, also von Faktoren abhängt, die der Sphäre des AG zuzurechnen sind. Zu § 1155 ABGB führt der Autor aus, dass weder Abs 1 noch Abs 2 dieser Bestimmung für erfolgsbezogene Entgelte konzipiert ist. Das entscheidende Kriterium für die Anwendbarkeit des § 1155 ABGB dürfe nicht sein, ob die Arbeitsleistung unterblieben ist, sondern ob eine Einkommensminderung eingetreten ist, die dem AG zuzurechnen ist. Gehe man daher mit dem OGH von der Anwendbarkeit des § 1155 ABGB auf erfolgsbezogene Entgelte aus, müsse man diesen – entgegen dem OGH – auch auf alle Fälle anwenden, bei denen es zu einer Entgeltreduktion ohne Unterbleiben der Arbeitsleistung gekommen ist. Im Ergebnis spricht sich Felten aber mit beachtlichen Argumenten für eine Nichtanwendbarkeit des § 1155 ABGB auf erfolgsbezogene Entgelte aus. Erfolgsbezogene Entgelte hätten gerade den Sinn, dass sich unternehmerische Entscheidungen unmittelbar auf die Entgelthöhe auswirken bzw auswirken können. In der Vereinbarung solcher Entgelte könnte man eine konkludente und gänzliche Abbedingung des § 1155 ABGB sehen. Auch habe der Gesetzgeber spezielle Bestimmungen erlassen, die das Entgeltrisiko bei erfolgsbezogenen Entgelten abschließend regeln (zB § 12 AngG). Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber der Hinweis von Felten, dass man selbstverständlich niemals unterstellen kann, dass sich der AN zur Erbringung von Dienstleistungen ohne entsprechendes Entgelt aus jedwedem Grund verpflichten will und dass auch zu berücksichtigen ist, ob der Einkommensausfall auf eine Sorgfaltsverletzung des AG zurückzuführen ist.

Zum Urlaubsentgelt analysiert Felten zunächst die einschlägigen Regelungen des General-KollV über den Begriff des Entgelts gem § 6 UrlG. Er kommt in der Folge zum Ergebnis, dass Umsatz- und Gewinnbeteiligungen wegen des Ausfallprinzips nicht in den Entgeltfortzahlungsanspruch einzubeziehen sind. Bei krankheitsbedingten Fehlzeiten bejaht der Autor eine Kompensation von Einkommenseinbu172ßen bei zeitraumbezogenen und individualisierbaren Erfolgsentgelten auch dann, wenn der Einkommensausfall nicht zeitlich mit der Dienstverhinderung zusammenfällt. Fragen der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs schließen den Beitrag ab.

Im Anschluss an Felten widmet sich Mosler dem Thema „Entgeltferne Leistungen“. In einer Analyse der Judikatur kommt Mosler zu dem Ergebnis, dass „entgeltferne“ bzw „verpflichtungsferne“ Begünstigungen dadurch gekennzeichnet sind, dass kein enger Zusammenhang mit der Arbeitsleistung besteht, andere, nicht auf das Arbeitsverhältnis bezogene Ziele bei der Leistungserbringung im Vordergrund stehen und die Gewährung nicht nur an AN, sondern auch an andere Personengruppen erfolgt. Ausführlich widmet sich der Autor dem arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff. In der Folge legt er dar, dass der OGH offenbar davon ausgeht, dass es sich bei den verpflichtungsfernen Begünstigungen nicht um Entgelt, sondern um Schenkung handelt. Dies hält Mosler mit nachvollziehbaren Argumenten für nicht zutreffend. Der AG stellt ein Produkt, das er selbst erzeugt oder eine Dienstleistung, die er selbst anbietet, seinen AN vergünstigt zur Verfügung. Der Anlass für die Leistungsgewährung sei genauso wie bei den Freiflügen der Fluggesellschaften, beim Haustrunk im Brauereigewerbe oder der Freimilch in milchverarbeitenden Betrieben das Arbeitsverhältnis selbst. Die Gewährung an andere Gruppen sei auch bei den Freiflügen und Flugermäßigungen möglich und üblich. Auch sollte es für den Entgeltbegriff keine Rolle spielen, dass bei der Leistung zusätzliche Ziele verfolgt werden. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis besteht und nicht nur aus Freigiebigkeit geleistet wird. Ausführlich widmet sich Mosler der Frage, unter welchen Voraussetzungen der AG verpflichtet ist, eine einmal oder mehrfach erbrachte Leistung auch in Zukunft zu erbringen. Er kommt zum Schluss, dass bei entgeltfernen (verpflichtungsfernen) Leistungen, die die vom OGH angeführten Kriterien aufweisen, eine betriebliche Übung nicht generell ausgeschlossen werden sollte. Es sei nicht einzusehen, dass der AN nicht darauf vertrauen darf, dass eine lange Jahre gewährte Begünstigung auf Dauer versprochen wurde, nur weil damit auch soziale oder kulturelle Zwecke verfolgt werden und die Begünstigung auch Dritte – aus anderen Gründen – erhalten. Zum Abschluss geht Mosler Fragen der Einbeziehung „entgeltferner (verpflichtungsferner)“ Leistungen in die Entgeltfortzahlungsansprüche, Überstundenvergütung, Abfertigung etc sowie sozialversicherungsrechtlichen Aspekten nach.

Schließlich widmet sich Kozak unter dem Titel „Der Gratiskaffee im Arbeitsverhältnis“ ebenfalls den entgeltfernen Leistungen. Er stellt dar, dass die Unterscheidung zur betrieblichen Wohlfahrtseinrichtung häufig nicht einfach ist. Seiner Ansicht nach entsteht für die AN aber jedenfalls auch bei langjährigem Gebrauch kein Rechtsanspruch auf Weitergewährung. Europarechtliche Überlegungen runden den Beitrag ab. Auch auf den Entgeltbegriff des AEUV sollten die vom OGH entwickelten Grundsätze angewendet werden. Es sei aber im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob eine Leistung, die im nationalen Recht als entgeltfern charakterisiert wird, nicht doch Entgelt iSd Art 157 AEUV ist.

Abschließend lässt sich festhalten, dass der vorliegende Tagungsband interessante und informative Beiträge enthält, die die Diskussionen um die diversen, mit dem Entgeltbegriff zusammenhängenden Probleme bereichern.