Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg)Arbeitsverfassungsgesetz – Kommentar

28.-35. ErgLfg, Gesamtwerk in 2 Mappen, Manz Verlag, Wien 2013, XXVIII, 2.184 Seiten, € 168,–

RUDOLFMOSLER (SALZBURG)

In der Besprechung der 22.-27. ErgLfg (DRdA 2012, 546) habe ich der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass ein baldiger Abschluss des Gesamtprojekts erfolgen möge. Dem sind Herausgeber und Verlag nun schon sehr nahe gekommen. Durch acht Lieferungen im Jahr 2013 wurde der Großteil der Lücken geschlossen. Wiederum kann nur in Form von Beispielen auf die einzelnen Beiträge eingegangen werden.

Jabornegg hat nun die §§ 96, 100 und 102 kommentiert. Wie schon in den vorangegangenen Kommentierungen findet eine sehr ausführliche, geradezu monografische Auseinandersetzung mit Rsp und Literatur auf höchstem Niveau statt. So umfasst die (28.) Lieferung zu § 96 fast 90 Seiten. Besonders interessant aufgrund der Aktualität sind die Ausführungen zu § 96 Abs 1 Z 4 (Leistungsentgeltsysteme). Diese Bestimmung wurde mit 1.1.2011 insofern geändert, als die Mitbestimmung bei der Einführung von leistungsbezogenen Prämien und Entgelten, die nicht akkordähnlich sind, zu § 97 Abs 1 Z 16 transferiert wurde. Damit wurde die zwingende Mitbestimmung wesentlich eingeschränkt und die174 fakultative Mitbestimmung erheblich ausgeweitet (Rz 191). Da § 97 Abs 1 Z 16 leistungs- und erfolgsbezogene Prämien und Entgelte erfasst, ist damit auch die umstrittene Frage geklärt, ob Provisionen in einer BV geregelt werden können (Rz 195).

Jabornegg weist zu Recht auch auf Probleme bzw Unstimmigkeiten der Neuregelung hin (Rz 195). So hat sich der einschränkende Relativsatz „die auf Arbeits(Persönlichkeits) bewertungsverfahren, statistischen Verfahren, Datenerfassungsverfahren, Kleinstzeitverfahren oder ähnlichen Entgeltfindungsmethoden beruhen“ nach hM nur auf die „sonstigen“ leistungsbezogenen Prämien und Entgelte bezogen. Da diese aber nicht mehr in § 96 Abs 1 Z 4 aufscheinen, schränkt der Relativsatz nunmehr die Mitbestimmung bei akkordähnlichen Prämien und Entgelten ein. Vom Wortlaut ist es nicht einmal sicher, ob nicht auch die Akkord-, Stück- und Gedinglöhne nur noch unter dieser Voraussetzung in die zwingende Mitbestimmung einzubeziehen sind. Während man letzteres unter Verweis auf den Normzweck wohl ausschließen kann, lässt sich die möglicherweise unbeabsichtigte Einschränkung hinsichtlich der akkordähnlichen Prämien und Entgelte nicht durch Auslegung „reparieren“.

Weiters zeigt Jabornegg (Rz 196) auf, dass durch das Fehlen von Übergangsbestimmungen Betriebsvereinbarungen über „sonstige leistungsbezogene Prämien und Entgelte“, die nach § 96 Abs 1 Z 4 abgeschlossen wurden, nunmehr (seit 1.1.2011) solche nach § 97 Abs 1 Z 16 sind. Das hat ua zur Folge, dass der Ausschluss der Nachwirkung für Betriebsvereinbarungen nach § 96 (Abs 2) nicht mehr zum Tragen kommt.

Die Kommentierung von § 96a (29. Lfg) hat Naderhirn übernommen. Sie ist materialreich, bietet einen sehr guten Überblick und geht auf alle wesentlichen Probleme dieser Bestimmung ein. Die Darstellung ist immer erfreulich abwägend, manchmal könnte allenfalls die eigene Positionierung etwas stärker in den Vordergrund treten. Zu Recht, wenn auch vorsichtig, wird der OGH (20.8.2008, 9 ObA 95/08y) hinsichtlich der E zu einem Personalbeurteilungsbogen für Führungskräfte (Rz 49 f) kritisiert. Ausführlich wird diskutiert, ob § 96a in Tendenzbetrieben anwendbar ist (Rz 45). So wird die Ausnahme des § 96 Abs 1 Z 2 in § 132 Abs 4 richtigerweise als zentrales Argument für eine Ausnahme des § 96a angeführt, weil es in beiden Fällen um die Ermittlung und Verwendung von AN-Daten geht, die über die allgemeinen Angaben zur Person und die fachlichen Voraussetzungen hinausgehen und Fragen der religiösen Einstellung für einen kirchlichen Betrieb durchaus wichtig sind (fraglich ist allerdings, ob dies ohne weiteres auch für Personalbeurteilungssysteme gem § 96a Abs 1 Z 2 gilt). Zuzustimmen ist Naderhirn auch darin, dass eine systematische und historische Auslegung eher die Gegenmeinung stützt, weil § 96a im Unterschied zu § 96 Abs 1 Z 2 auffälligerweise nicht ausdrücklich in § 132 Abs 4 Satz 2 genannt wird, obwohl nach Einführung von § 96a auch § 132 Abs 4 schon geändert wurde. Unabhängig von diesen rechtsdogmatischen Fragen kann man durchaus in Zweifel ziehen, ob tatsächlich ein so weitgehender Tendenzschutz rechtspolitisch noch erforderlich ist. Ob die verfassungsrechtlich gewährleistete Autonomie der Kirchen wirklich verlangt, dass Leistungsbeurteilungssysteme oder sogar Akkordlöhne vom BR nicht verhindert werden können, scheint mir keinesfalls eindeutig zu sein.

Auch die Kommentierung des § 101 durch Födermayr (31. Lfg) ist sehr gut gelungen. Relativ ausführlich werden zunächst individualrechtliche Fragen diskutiert und dabei die Rsp des OGH zur „dynamischen“ Arbeitspflicht unter Bezugnahme (va) auf Spielbüchler kritisch durchleuchtet (Rz 20 ff). Die Kritik an der „Franz-Josefs-Bahnhof-Entscheidung“ überzeugt, weil der OGH ausdrücklichen Vereinbarungen über den Arbeitsort letztlich nur den Charakter einer Wissenserklärung beimisst (Rz 31). Zu Recht wird den Problemen der Versetzung von öffentlich Bediensteten in (ausgegliederte) Unternehmen ein eigenes Kapitel gewidmet (Rz 108 ff), weil sich dort viele diffizile Fragen stellen. Im Rahmen eines Kommentars als Service für die Praxis durchaus vertretbar ist die Auflistung von Entscheidungen, in denen eine Versetzung als verschlechternd oder nicht verschlechternd qualifiziert wurde (Rz 75). Dem Nachteil dieser Darstellungsform, dass uU entscheidende Sachverhaltsdetails ausgeblendet werden, versucht Födermayr zT mit ergänzenden Bemerkungen zu entgegnen.

Schließlich hat Naderhirn noch gemeinsam mit Ritzberger- Moser die §§ 171-207 (33. Lfg), die §§ 208-253 (34. Lfg) und die §§ 254-264 (35. Lfg) kommentiert. Die beiden Autorinnen haben dabei eine eher unangenehme Aufgabe übernommen. Erstens handelt es sich weitgehend um organisatorische Bestimmungen, die in Umsetzung einschlägiger unionsrechtlicher Richtlinien erlassen worden und die nur zT aus rechtsdogmatischer Sicht kommentierbar sind. Zweitens ist die Bedeutung dieser Regelungen wenigstens teilweise verkehrt proportional zu der produzierten Menge an Gesetzestext (weitgehend durch unionsrechtliche Vorgaben verursacht). So hat es offenbar sechs Jahre nach Einführung der Bestimmungen über die Beteiligung der AN in der Europäischen Genossenschaft in Österreich noch keine solche gegeben (§ 254 Rz 9). Soweit ersichtlich werden die relevanten Probleme unter Einarbeitung der vorhandenen Literatur (in vielen Fällen auch deutsche Werke) ausführlich genug behandelt. Man kann es auch so sagen: Die Verfasserinnen haben aus der spröden Materie durchaus einiges herausgeholt. Schon dafür ist ihnen Respekt zu zollen.

Die 2013 erschienenen Lieferungen haben jedenfalls das bisherige hohe Niveau des Kommentars gehalten. Dazu ist den AutorInnen zu gratulieren.