Muhri/Ertl/Gerlach/GriesmayrPersönliche Haftung der Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte

Linde Verlag, Wien 2013, 160 Seiten, kartoniert, € 58,–

MARTINAUER (SALZBURG)

Das Buch kommt von ausgewiesenen PraktikerInnen und soll ausweislich des Vorworts auch Leitfaden für PraktikerInnen sein. Es soll einen umfassenden Überblick über das Haftungspotenzial der gesetzlichen Regelungen zur Organverantwortung liefern. Dabei basiert das Werk auf einem Vortrag aus dem Seminar „Persönliche Haftung als Geschäftsführer und Vorstand vermeiden“, das seit rund 16 Jahren im Rahmen des Business Circle abgehalten wird. Das Grundkonzept dieses Seminars wurde vom ehemaligen Vortragenden Hon.-Prof. Dr. Karl Hempel erarbeitet und seitdem ständig anhand der gesetzlichen Neuerungen und den Entwicklungen in der Rsp überarbeitet. Indes wurde das Grundkonzept auch schon in der DACH-Schriftenreihe Band 18 (2002) veröffentlicht. Daraus lassen sich etwaige Übereinstimmungen in Strukturierung und Formulierung ableiten.

Das Buch gliedert sich in vier Teile. Teil A ist mit Rechtliche Grundlagen, Teil B mit Arbeitsrecht, Teil C mit Rechnungswesen und Teil D mit Versicherungssicht überschrieben. Die jeweiligen Teile werden von unterschiedlichen Autoren betreut. Eine die einzelnen Themenfelder integrierende Zusammenfassung fehlt. Für die unter Rechtliche Grundlagen besprochenen Themenfelder findet sich aber eine zusammenfassende Checkliste zur Haftungsvermeidung (S 102 ff). Literatur- und Rechtsprechungsverzeichnisse fehlen. Teil D verzichtet gänzlich auf einen Anmerkungsapparat, Teil C so gut als wie (5 Fußnoten). Ein relativ ausführliches Stichwortverzeichnis ist indes vorhanden.

Teil A ist von Georg Muhri verfasst. Es handelt sich um den umfänglichsten Beitrag (90 Seiten). Der Sache nach geht es um die unternehmens-, verwaltungsstraf-, insolvenz-, und strafrechtliche Verantwortung der im Titel bezeichneten Organe. Eine dies verdeutlichende Abschnittsüberschrift wäre sicher sinnvoller gewesen, zumal es auch unter B. (Arbeitsrecht) um „Rechtliche Grundlagen“ geht.

Was die unternehmensrechtlichen Ausführungen anlangt – und nur hier kann der Rezensent auch tatsächlich inhaltlich Stellung nehmen –, finden sich zunächst einleitende Ausführungen zu den Organen an sich und zB zu deren Vertretungsmacht. Unter 6. wird sodann die gesellschaftsrechtliche Haftung der Geschäftsführer/Vorstände anhand der „10 Gebote nach Markus Lutter“ (eine Quellenangabe fehlt) erläutert. Hier überzeugt aber schon der Aufbau wenig. Zum Beispiel: Unter 6.1.3. werden haftungsauslösende Sachverhalte im Rahmen von Kapitalaufbringung und -erhaltung177 besprochen. Unter Kapitalaufbringung werden § 10 Abs 4 GmbHG/§ 41 AktG vorgestellt, sodann wird auch schon überschriftlich zur Kapitalerhaltung übergegangen. Anschließend findet sich indes eine Überschrift mit „Keine verdeckten Sacheinlagen“ – eine Thematik, die wohl zur Kapitalaufbringung ressortiert. Allerdings wird aber unter dieser Überschrift auch § 36 Abs 2 GmbHG/§ 83 AktG abgehandelt (Einberufungspflicht der Generalversammlung/Hauptversammlung bei Verlust in Höhe des halben Stamm- bzw Grundkapitals). Desgleichen finden sich Ausführungen zum Eigenkapitalersatzrecht, wo im Anmerkungsapparat (FN 53) auf die herrschende und ausweitende Rsp des OGH, allerdings vor dem EKEG verwiesen wird. Gleichermaßen liegt es in inhaltlicher Hinsicht: So lautet das 4. Gebot nach Lutter: Einhaltung(en) von Gesellschafterweisungen (S 46). Eine klare Aussage, dass das wegen § 70 AktG für den Vorstand nicht gilt, findet sich nicht. Vielmehr wird nach der Aufzählung der 10 Gebote des Geschäftsführers damit fortgefahren, dass die Aufgaben des Vorstandes „im Sinne dieser zehn Gebote“ insb die sorgfältige Wahrnehmung der Organfunktionen etc umfasse. Auch fehlen – soweit ersichtlich – nähere Ausführungen zur praktisch besonders relevanten Frage, ob und inwieweit Gesellschafterbeschlüsse haftungsentlastend wirken (§ 25 Abs 5 GmbHG). Hinzu kommt aber auch, dass durchwegs veraltete Kommentarliteratur zitiert wird. Besonders auffällig ist das für Strasser in

(Schiemer)/Jabornegg/Strasser
(Kommentar zum Aktiengesetz5 [2010]). Hier wird ohne ersichtlichen Grund auf die 3. Auflage (zB FN 32, 40, 91), aber auch auf die 2. Auflage (zB FN 38, 42) verwiesen. Der nunmehr von Koppensteiner/Rüffler bearbeitete GmbH-Kommentar3 (2007) wird ebenfalls in einer Vorauflage (nur Koppensteiner) zitiert (zB FN 56, 57), Rummel, ABGB findet sich in zweiter Auflage (zB FN 84).

Teil B stammt von Roland Gerlach. Anders als im Inhaltsverzeichnis (Arbeitsrecht) ist er auf S 107 mit „Arbeitsrechtliche Sonderstellung und Haftung der Organe und leitenden Angestellten“ überschrieben und erstreckt sich bis S 118. Eine inhaltliche Stellungnahme muss dahinstehen. Allerdings leuchtet dem Nichtarbeitsrechtler auch hier der Aufbau wenig ein. Denn 1. ist mit „Aufsichtsräte“ überschrieben, ein 2. gibt es nicht. Einleitend (unter 1.) findet sich sogleich aber auch und nur, dass sich arbeitsrechtliche Probleme bei Aufsichtsräten nicht stellen, da sie in dieser Funktion in keinem Dienstverhältnis zur Gesellschaft stehen. Demgemäß finden sich auch unter 1.1. bis 1.4. Ausführungen zu Vorständen/ Geschäftsführern und leitenden Angestellten. Klarer wäre hier wohl gewesen neu mit 2. zu beginnen, oder überhaupt 1. zu überdenken. Zum Anmerkungsapparat ist jedoch positiv zu vermerken, dass hier aktuelle Kommentarliteratur berücksichtigt wurde.

Teil C (S 119-132) hat Peter Ertl verfasst. Es geht um Managerhaftung im Rechnungswesen. Dazu werden zum einen die unternehmensrechtlichen Buchführungs- und Berichtspflichten sowie die zur Einrichtung eines Internen Kontrollsystems dargestellt. Sodann werden die wichtigsten abgaben- bzw gebührenrechtlichen Tatbestände sowie auch die nach Finanzstrafrecht dargestellt. Als Kurzüberblick über die einzelnen Normen kann dieser Abschnitt als gelungen bezeichnet werden, wenngleich ein gewisser Anmerkungsapparat zu Standardkommentarliteratur sicher wünschenswert wäre.

Teil D (S 133-152) kommt von Norbert Griesmayr. Er widmet sich der Managerhaftung aus Versicherungssicht. Nach Beschreibung der einzelnen Risiken werden die unterschiedlichen unterschiedlichen Versicherungsprodukte, insb Varianten der Rechtsschutz-, aber auch die sogenannte D&O Versicherung (Directors & Officers Liability Insurance) behandelt. Bei letzterer kritisiert der Autor die begriffliche Übernahme zu Recht (S 146). Auch ansonsten ist positiv zu vermerken, dass diesem Thema doch relativ breiter Raum (S 133-152) eingeräumt wird. In klassischen juristischen Auseinandersetzungen kommt diese Problematik zumeist zu kurz. Einige weiterführende Verweise auf zB Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O-Versicherung (2012) wären freilich auch hier hilfreich gewesen.

Fazit: Selbst wenn es um die Publikation von Vortragsmanuskripten ging, hätte so manchen Ausführungen in diesem Buch noch tiefere Reflexion gut getan.