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Verfristung einer Kündigung nach dem VBG

HELMUTZIEHENSACK (WIEN)
  1. Auch dann, wenn der DG ihm zur Kenntnis gelangte konkrete Vorfälle zum Anlass für eine Ermahnung genommen hat, kann er eine spätere Wiederholung dieses Verhaltens dennoch zur Begründung seines Auflösungsrechts heranziehen.

  2. Für die Beurteilung der Unverzüglichkeit der Auflösung des Dienstverhältnisses kommt es auch darauf an, ob der DN aufgrund des Verhaltens des DG bzw des für den Ausspruch der Auflösung zuständigen Organs darauf vertrauen darf, dass das Dienstverhältnis aufrecht bleibt.

  3. Hat ein Lehrer gegen eine sich auf seinen Unterricht beziehende Weisung verstoßen und erklärt, sich an diese nicht mehr zu halten, so ist das Vorliegen einer gröblichen Verletzung der Dienstpflichten nach § 32 Abs 2 Z 1 VBG zu bejahen.

Der Kl war ab 13.9.1993 bei der Bekl als Bundeslehrer in einem Gymnasium tätig. Mit Schreiben vom 2.3.2012, zugegangen am 5.3.2012, kündigte die Bekl das Dienstverhältnis zum 31.8.2012. Im Kündigungsschreiben wurden die Kündigungsgründe des § 32 Abs 2 Z 1 und 6 VBG angeführt. Die gegenüber dem Kl erhobenen Vorwürfe wurden näher konkretisiert.

Aufgrund seiner chaotischen Art im Unterricht, die immer wieder Anlass zu Beschwerden wegen Überforderung und Verunsicherung der Schüler gab, wurde der Kl ab dem Schuljahr 2005/2006 vom Landesschulinspektor (LSI) fachlich betreut. Schon damals wurde ihm die Vorgabe gemacht, 14 Tage vor einer Schularbeit den Prüfungsstoff und eine Woche vorher die konkreten Schularbeitsangaben bekannt zu geben. Nach weiteren Beschwerden und Gesprächen wurde dem Kl im Jahr 2010 eine schriftliche Weisung erteilt, die sich ebenfalls auf die Bekanntgabe des Prüfungsstoffs und die Vorlage der konkreten Schularbeitsangaben bezog. Nach weiteren Gesprächen mit dem Kl wurde er nach einem Schulleiterwechsel Anfang Dezember 2011 darauf hingewiesen, dass die schriftliche Weisung in vollem Umfang aufrecht bleibt. Ankündigungen des Kl, die Weisung nicht einzuhalten, wurden nicht akzeptiert. Kurz vor Weihnachten 2011 richteten die Schüler einer Klasse ein Schreiben an den Kl, in dem sie ihre Probleme mit dem Unterricht des Kl zum Ausdruck brachten. Im Jänner 2012 hat der Kl die zeitlichen Vorgaben der Weisung nicht beachtet. Im Anschluss an die entsprechende Schularbeit erklärte der Kl, dass er die Weisung inakzeptabel und nicht praktikabel finde und er sich an diese nicht halten werde. Am 9.2.2012 fand wiederum ein Gespräch mit dem Kl statt, an dem der LSI, der Schulleiter und zwei Mitarbeiter der Personalvertretung teilnahmen. Im Laufe des Gesprächs erklärte der LSI, dass er das Kündigungsverfahren gegen den Kl einleiten werde. Mit Schreiben vom 13.2.2012 wurde dem Kl vom Landesschulrat (LSR) mitgeteilt, dass das Dienstverhältnis durch Kündigung beendet und ihm eine einvernehmliche Lösung angeboten werde. Da eine einvernehmliche Auflösung nicht zustande kam, sprach die Bekl die Kündigung aus.127

Mit der zugrunde liegenden Klage begehrte der Kl die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis zur Bekl über den 31.8.2012 hinaus aufrecht sei. Die Kündigungsgründe seien verfristet. Außerdem seien im Kündigungsschreiben nur unsubstantiierte Einzelvorwürfe von Schülern enthalten, die nicht ausreichten, eine Kündigung zu rechtfertigen. Unrichtig sei auch der von der Bekl erhobene Vorwurf, er habe eine ihm erteilte Weisung nicht befolgt und er habe sich geweigert, der Weisung nachzukommen. Eine Weisung aus dem Jahr 2010 habe sich nur auf die Person des damaligen Schuldirektors bezogen.

Die Bekl entgegnete, dass der Kl gem § 32 Abs 2 Z 1 und 6 VBG ordnungsgemäß gekündigt worden sei. Aufgrund seines dienstbezogenen Verhaltens sei er vom LSI etwa acht Jahre begleitet worden. Es sei häufig zu Beschwerden über den Kl gekommen, die sich insb im Jahr 2009 und 2010 gehäuft hätten. Dies habe es notwendig gemacht, dass am 16.9.2010 eine schriftliche Weisung ausgesprochen worden sei. Die Weisung habe sich darauf bezogen, alle Kopien von Texten, Vokabeln und Aufgabenstellungen vor dem Austeilen an die Schüler zur Genehmigung vorzulegen und nur nach Genehmigung durch den Schuldirektor zu verteilen. Weiters sei angeordnet worden, dass der Kl 14 Tage vor den Schularbeiten den jeweiligen Stoffbereich und eine Woche vorher die konkreten Schularbeitsangaben dem Schuldirektor vorlegen müsse. Im Schuljahr 2011/2012 sei es erneut zu nicht tolerierbarem Fehlverhalten des Kl gekommen. Auch die Beschwerden hätten sich wieder gehäuft. Am 30.1.2012 habe der Kl gegen die Weisung vom 16.9.2010 verstoßen, zumal er die entsprechende Englischschularbeit dem Direktor erst am selben Tag vorgelegt habe. Der Kl habe die Weisung bewusst ignoriert. Die Kündigung sei rechtzeitig erfolgt.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab. Der Kl habe die Schüler durch seine chaotische Unterrichtsmethode überfordert und verunsichert sowie durch Äußerungen auch verletzt. Zudem habe er die ständigen Vorgaben der Vorgesetzten, die notwendig gewesen seien, um seinen Unterricht zu strukturieren, sowie die schriftliche Weisung zu den Schularbeiten nicht eingehalten. Der Kündigungsgrund des § 32 Abs 2 Z 1 VBG werde typischerweise durch dienstlichen Ungehorsam verwirklicht. Eine Verfristung der Kündigungsgründe sei nicht eingetreten, weil von dauerhaften, immer wieder auftretenden Pflichtverletzungen des Kl auszugehen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und hob das angefochtene Urteil des Erstgerichts auf. [...] Gegen diese E richten sich die Rekurse beider Parteien. Der Kl begehrt, dem Klagebegehren stattzugeben, der Rekurs der Bekl zielt auf eine Wiederherstellung der E des Erstgerichts ab. [...]

Rechtliche Beurteilung

[...] Demgegenüber ist der Rekurs der Bekl zulässig [...] und auch berechtigt.

1. Der Kl macht die Unwirksamkeit der Kündigung bei Vorliegen eines besonderen Kündigungsschutzes nach § 32 VBG geltend.

Unstrittig ist, dass zum Ausspruch der Kündigung die Schulbehörde, konkret die Personalstelle des LSR, nicht aber der Schulleiter als unmittelbarer Dienstvorgesetzter und auch nicht der LSI als fachliches Aufsichtsorgan zuständig war (vgl 8 ObA 53/08i).

2.1 Das Berufungsgericht teilte den Sachverhalt in zwei Zeitperioden. Hinsichtlich der ersten Periode (bis zur Aufrechterhaltung der schriftlichen Weisung Anfang Dezember 2011) habe die Bekl auf ihr Kündigungsrecht verzichtet, weil sie den Kl lediglich ermahnt habe.

2.2 Hat der DG ihm zur Kenntnis gelangte konkrete Vorfälle bloß zum Anlass für eine Ermahnung genommen, so kann eine derartige Erklärung nach hL und stRsp nur dahin verstanden werden, dass der DG auf das Recht, den DN wegen dieses Verhaltens zu entlassen bzw hier zu kündigen, verzichtet hat. In einem solchen Fall kann nur ein danach erfolgtes oder dem DG zur Kenntnis gelangtes Verhalten die Entlassung (bzw hier die Kündigung) rechtfertigen. Die Unbegründetheit einer im Anschluss an die Ermahnung doch noch ausgesprochenen Entlassung bzw Kündigung resultiert daraus, dass die Ermahnung wegen eines konkreten Anlassfalls als (schlüssiger) Verzicht auf die Ausübung des Auflösungsrechts wegen dieses Anlassfalls zu werten ist. Abgemahnte alte Vorfälle können daher später nicht neuerlich als Entlassungsgrund (hier Kündigungsgrund) herangezogen werden. Bei späterer Wiederholung des abgemahnten Verhaltens können aber die alten Vorfälle im Rahmen einer Würdigung des Gesamtverhaltens auch noch nachträglich Berücksichtigung finden (8 ObA 19/13x mwN).

2.3 Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Aufsplittung des sich auf das Unterrichtsverhalten des Kl beziehenden Sachverhalts auf zwei gesondert beurteilte Zeitperioden als nicht gerechtfertigt.

Der Kl wurde aufgrund seiner chaotischen Art im Unterricht über viele Jahre vom LSI fachlich betreut. Schon im Schuljahr 2005/2006 wurden ihm Vorgaben in Bezug auf den Prüfungsstoff für Schularbeiten und die konkreten Schularbeitsangaben gemacht, die in der Folge auch in die schriftliche Weisung Eingang gefunden haben. Im Jänner 2012 hat der Kl gegen die Weisung verstoßen und erklärt, er werde sich an diese nicht halten. Die Schwierigkeiten mit dem Kl insb in Bezug auf die Überforderung der Schüler bei Schularbeiten haben sich über die Jahre hinweggezogen und auch im Jänner 2012 wieder ergeben. Damit haben sich genau jene Probleme wiederholt, die durch die Vorgaben des LSI und durch die schriftliche Weisung verhindert werden sollten.

Aufgrund des Umstands, dass sich das inkriminierte, weisungswidrige Verhalten des Kl Ende Jänner 2012 wiederholt hat, kann nicht von einem Verzicht der Bekl auf das Kündigungsrecht im Zusammenhang mit diesem Verhalten ausgegangen werden. Vielmehr sind auch die früheren Problem- und Beschwerdefälle in die Beurteilung miteinzubeziehen und als Gesamtverhalten des Kl zu berücksichtigen. Aufgrund der mehrfachen Gespräche, der Vorgaben und letztlich der schriftlichen Weisung konnte der Kl gerade nicht darauf vertrauen, dass bei einem künftigen Fehlverhalten von der Bekl keine Kündigung ausgesprochen werde.

3.1 Das Berufungsgericht steht weiters auf dem Standpunkt, dass dem Schulleiter im Zusammenhang mit dem Brief der Schulklasse und den Vorfällen um128 die Schularbeit Ende Jänner 2012 eine zögerliche Vorgangsweise vorzuwerfen sei, weshalb die Kündigung verfristet sei.

3.2 In der Rsp ist anerkannt, dass auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft gehalten ist, einen Entlassungsgrund (hier einen Kündigungsgrund) unverzüglich geltend zu machen. Für den Beginn des Zeitraums zur Beurteilung der Unverzüglichkeit der Kündigung ist grundsätzlich die Kenntnisnahme des die vorzeitige Auflösung rechtfertigenden Sachverhalts durch das für den Ausspruch der Entlassung bzw Kündigung zuständige Organ maßgebend (RIS-Justiz RS0029273; 9 ObA 84/10h). Hinsichtlich der Frage, ob der Kündigungsgrund unverzüglich geltend gemacht wurde, ist dem DG allgemein zuzubilligen, den relevanten Sachverhalt aufzuklären. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei juristischen Personen und insb im öffentlichen Bereich aufgrund der besonderen internen Organisationsstrukturen die Willensbildung regelmäßig umständlicher und langwieriger als bei physischen Personen erfolgt. Dadurch bedingte Verzögerungen werden von der Rsp grundsätzlich als gerechtfertigt anerkannt (RIS-Justiz RS0029328; 9 ObA 155/09y).

3.3 Das weisungswidrige Verhalten des Kl hat sich Ende Jänner 2012 wiederholt. Es liegt in dieser Hinsicht ein Dauerzustand vor, sodass dieses neuerliche Fehlverhalten unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens zum Anlass der Kündigung gemacht werden konnte (vgl RIS-Justiz RS0028859).

Nach den Vorfällen rund um die Schularbeit Ende Jänner 2012 sprach der Schulleiter den Kl auf sein weisungswidriges Verhalten an. Schon am 9.2. fand ein Gespräch mit dem LSI statt. Die Schulbehörde teilte dem Kl wenige Tage nach diesem Gespräch, bei dem sich der LSI zur Einleitung des Kündigungsverfahrens entschieden hatte, mit, dass das Dienstverhältnis gekündigt werde. Die weitere Frist bis zum tatsächlichen Ausspruch der Kündigung war vor allem durch das Angebot an den Kl auf einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses bedingt.

Unter diesen Umständen kann von einem verzögerten Ausspruch der Kündigung durch die Schulbehörde und von einer Verfristung des Kündigungsrechts nicht ausgegangen werden. Das Zustandekommen des Gesprächs mit dem Schulinspektor erforderte einen gewissen Zeitaufwand. Ob der Kl ein solches Gespräch selbst angeregt hat, bleibt unerheblich. In Anbetracht der wiederholten Gespräche und vor allem der schriftlichen Weisung sowie aufgrund der unverzüglich nach dem Gespräch mit dem LSI durch den LSR mitgeteilten Entscheidung, dass das Dienstverhältnis gekündigt werde, konnte der Kl nicht darauf vertrauen, dass das Dienstverhältnis aufrecht bleibe. Die befassten Personen auf Seiten der Bekl haben die Probleme mit dem Kl gerade nicht auf sich beruhen lassen. Vielmehr waren sie bemüht, nach dem neuerlichen Fehlverhalten des Kl eine rasche Entscheidung herbeizuführen.

4.1 Schließlich verneinte das Berufungsgericht – anders als das Erstgericht – das Vorliegen einer gröblichen Pflichtverletzung.

Die Grundsätze für das Vorliegen einer gröblichen Verletzung der Dienstpflichten nach § 32 Abs 2 Z 1 VBG hat das Erstgericht zutreffend dargelegt. Allgemein gilt, dass je schwerwiegender die verletzte dienstliche Pflicht wiegt, desto weniger häufig die Verletzung erfolgt sein muss. Auch kleine Dienstpflichtverletzungen können bei Beharrlichkeit das Gewicht einer gröblichen Dienstpflichtverletzung erreichen (Ziehensack Rz 399).

4.2 Der Kl hat über Jahre ein problemhaftes Verhalten gegenüber den Schülern gezeigt, weshalb ihm dienstliche Vorgaben insb in Bezug auf den Prüfungsstoff und die konkreten Schularbeitsangaben gemacht werden mussten. Er hat nicht nur gegen die ebenfalls darauf abzielende schriftliche Weisung verstoßen, sondern zudem erklärt, sich an diese nicht zu halten. In dieser Äußerung gelangt klar dienstlicher Ungehorsam zum Ausdruck. Ein solches weisungswidriges Verhalten verwirklicht je nach Umfang und Ausmaß des dienstlichen Ungehorsams in typischer Weise den Kündigungsgrund des § 32 Abs 2 Z 1 VBG. Die Befolgung von Anordnungen der Vorgesetzten zählt nämlich zu den wesentlichen Pflichten des Vertragsbediensteten (VB), insb auch eines Lehrers, wenn die Vorgaben für die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Schulbetriebs notwendig sind (Ziehensack Rz 403 f). Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade im schulischen Bereich, dem für die geistige und emotionale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ein großer Stellenwert zukommt, besondere Sensibilität zu fordern ist. Lehrkräfte üben im Hinblick auf die Aufgabenstellung der Schule eine Vorbildfunktion aus. An sie sind daher erhöhte Anforderungen zu stellen. Auch den DG trifft in dieser Hinsicht eine Verantwortung gegenüber den Schülern und den Eltern sowie auch zur Wahrung des Ansehens des Schulunterrichts (Ziehensack Rz 408 f).

Durch das weisungswidrige Verhalten des Kl und die Weigerung, die Weisung einzuhalten, wurde ein strukturierter, alters- und lernadäquater Lehrbetrieb gefährdet. Der Ansicht des Berufungsgerichts, dass das Verhalten des Kl noch nicht als grobe Pflichtverletzung anzusehen sei, ist insgesamt nicht beizupflichten.

5. [...] Da die Bekl weder auf das Kündigungsrecht verzichtet noch von diesem verspätet Gebrauch gemacht hat und das weisungswidrige Unterrichtsverhalten des Kl als grobe Dienstpflichtverletzung zu qualifizieren ist, erweist sich die Kündigung als berechtigt. [...]

Anmerkung
1.
Verwirkung des Kündigungsrechtes des AG durch Ermahnung

Im vorliegenden Fall hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, wie in arbeitsrechtlicher Sicht die Wertung auszufallen hat, wenn bei einem Vertragslehrer ein besonders mangelhafter Unterricht bereits über diverse Schuljahre hinweg festgestellt werden musste, nicht aber sogleich dagegen mit der Beendigung des Dienstverhältnisses vorgegangen wurde, sondern zunächst nur mit Weisungen und Ermahnungen. Von AN-Seite wurde verständlicherweise gegen die verfügte AG-Kündigung, gestützt auf § 32 Abs 2 Z 1 und 6 VBG, eingewendet, dass ein allenfalls mangelhaftes Verhalten des AN, welches129 überdies bestritten wurde, bereits einen längeren Zeitraum hindurch der AG-Seite bekannt gewesen und von dieser entweder nicht oder nur durch Ermahnung geahndet worden sei.

Hinsichtlich der Ermahnung wurde auf die Judikatur verwiesen, der zufolge wegen eines Sachverhaltes, bezüglich dessen eine Ermahnung stattgefunden hat, keine Beendigung des Dienstverhältnisses von AG-Seite verfügt werden darf, da in der Ermahnung durch den AG die Einräumung einer zweiten Chance gelegen ist.

Mit dieser Argumentation hatte der auf Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses klagende AN in erster Instanz keinen Erfolg, wohl aber in der Berufungsinstanz (OLG Linz). Das Kalkül des Berufungsgerichtes wurde jedoch vom OGH nicht geteilt. Aus Anlass des Rekurses gegen den Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschluss, welcher unter Rechtskraftvorbehalt gefällt worden war, verfügte der OGH die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der zweiten Instanz ist immerhin zuzugestehen, dass sie wenigstens einen Rechtskraftvorbehalt beigefügt hatte. Andernfalls hätte das Erstgericht unter Bindung an die Rechtsansicht des OLG den Fall weiter verhandeln und entscheiden müssen. Erst gegen eine dann weitere abschlägige E im zweiten Rechtsgang hätte dann die AG-Seite den OGH anrufen können. Hier zeigt sich eine gewisse Schwäche des Rechtsmittelsystems. Trotz aller Entlastungsnotwendigkeit für das Höchstgericht sollten bei Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüssen nach § 519 ZPO Rekurse an den OGH stets zulässig sein, um unnötige Verzögerungen, nämlich eine Anrufbarkeit des OGH, erst im zweiten Rechtsgang hintanzuhalten.

In der Sache selbst vermag die E vollinhaltlich zu überzeugen. Die Wiederholung eines bereits abgemahnten Verhaltens führt ja nicht zur Kündigung oder Entlassung wegen des bereits abgemahnten Verhaltens, sondern wegen eines daran anschließend gesetzten neuen Verhaltens.

2.
Schlüssige Verzeihung

Auch erscheint in diesem Zusammenhang überlegenswert, die bisherige Judikatur zwar zu berücksichtigen, aber ihre Reichweite und dementsprechend auch ihre Richtigkeit zu überdenken. Es wird wohl stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommen, ob tatsächlich bei einem abgemahnten Verhalten von einer schlüssigen Verzeihung iSd § 863 ABGB ausgegangen werden kann. Wenn sich nämlich erst schrittweise für die Personalstelle herausstellt, dass das zunächst als weniger schwerwiegend vermutete Verhalten doch besonders gröblicher Natur ist, sollte nicht in jedem Fall von einer bereits eingetretenen Verkonsumierung des Kündigungsrechtes des AG auszugehen sein. Gedacht sei etwa an die Konstellation, dass ein Vertragslehrer bei einer Schullandwoche entsetzliche Dienstpflichtverletzungen begeht, indem er etwa noch minderjährige Schülerinnen gegen deren Willen am Körper berührt, Alkoholkonsum der Schülerinnen in Kneipen nicht unterbindet, sondern sogar fördert, etwa durch Einladung hierzu und Bezahlung der anfallenden Beträge. Wenn in einem derartigen Fall nur ein Bruchteil des Sachverhaltes dem jeweiligen Landesschulrat bekannt wurde und dann von der Schuldirektorin oder aber dem zuständigen Landesschulrat sodann eine Ermahnung ausgesprochen wird, muss diese wohl in einem anderen Licht gesehen werden. Wenn nämlich der Sachverhalt damals erst umrisshaft und die ganze Gravität und Massivität der Vorwürfe noch nicht hinreichend bekannt waren, sollte eine derartige Ermahnung nicht als Einräumung einer weiteren Chance (fehl)gedeutet werden dürfen.

Ein ähnliches Kalkül mag dann gelten, wenn ein VB zunächst formunwirksam entlassen wurde, etwa da die Personalvertretung 14 Tage vor dem Ausspruch der Entlassung nicht eingeschalten worden ist, wie dies § 9 PVG fordert. Wenn dann in weiterer Folge eine (Eventual-) Kündigung ausgesprochen wird, dies unter Einbeziehung der Personalvertretung, wie vom Gesetz gefordert, wird dann wohl eher nicht von einer Verfristung ausgegangen werden können, wenn durch die vorangegangene – wenngleich formunwirksame – Entlassung der DN entnehmen konnte, dass der DG unter keinen Umständen eine zweite Chance wegen eines Fehlverhaltens einräumen wollte. In einem derartigen Fall sollten daher nicht übertrieben formelle Betrachtungsweisen eine materielle Überprüfung des Falles durch das Gericht verhindern. Die jeweilige Überprüfung der Rechtssache durch das Arbeitsgericht ergibt sodann, ob der angezogene Beendigungsgrund Bestand hat (oder nicht).

Einen sehr wesentlichen Aspekt stellt der Umstand dar, dass nach der Rsp (Zur Verkonsumierung des Beendigungsrechtes durch eine bereits ausgesprochene Ermahnung siehe OGH

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10
2012
, 8 ObA 64/12p [vorzeitige Auflösung eines Lehrverhältnisses nach § 15 Abs 3 lit c BAG: „Die letzten konkret festgestellten Fälle verspäteten Erscheinens zum Unterricht fanden danach alle bereits im Jahre 2009 statt und waren, zusammen mit Beschwerden über schlechtes Benehmen des Klägers, am 28. September 2009 Anlass für die Erteilung einer förmlichen Verwarnung. Damit können dieselben Vorfälle aber nicht später neuerlich als Entlassungsgrund herangezogen werden. Wählt der AG die Sanktion einer bloßen Verwarnung, bringt er damit schlüssig einen Verzicht auf sein allfälliges Entlassungsrecht zum Ausdruck [RIS-Justiz RS0029023].“) eine vom DG ausgesprochene Ermahnung wegen eines bestimmten Verhaltens der Einräumung einer zweiten Chance entspricht. Durch die Ermahnung wegen eines Sachverhaltes kann der DN maW davon ausgehen, dass das von ihm gesetzte Fehlverhalten dieses eine Mal noch nachgesehen bzw verziehen wird, bei einem allfälligen nächsten Mal aber entsprechende gravierendere dienstrechtliche Schritte gesetzt werden (müssen). Dementsprechend kann wegen eines Vorfalles, wegen dessen eine Ermahnung ausgesprochen worden ist, nicht in weiterer Folge auch mit einer DG-Kündigung reagiert werden. Diesfalls ist nämlich ein allfälliger Kündigungsgrund durch die ausgesprochene Ermahnung bereits „verkonsumiert“. Dies wird in arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Rechtsvertreter des auf Fortbestand des Dienstverhältnisses klagenden DN mit einem entsprechenden Einwand geltend gemacht (dazu etwa LG Innsbruck als ASG
10
9
2010
, 46 Cga 18/09m
).

Ein anderes Kalkül mag aber dann gelten, wenn der Personalstelle zum Ermahnungszeitpunkt noch130 nicht alle Verfehlungen sowie die Dimension des Fehlverhaltens bekannt waren und ihr überdies auch nicht bekannt sein konnten. Dann sollte sehr wohl noch eine Kündigung oder Entlassung möglich sein; wurde die Ermahnung nämlich in der Meinung ausgesprochen, dass es sich um eine „verzeihbare Sünde“ gehandelt hat, stellt sich dann aber heraus, dass entsetzliche Fehltritte vom DN zu verantworten sind, muss dem AG die adäquate Reaktionsmöglichkeit (Kündigung/Entlassung) zugebilligt werden. Dies stellt jedoch – was offen zu legen ist – nur die Meinung des Glossators dar. Eine diesbezügliche Differenzierung findet sich in der Rsp (noch) nicht.

3.
Zeitkomponente

Grundsätzlich gilt auch im öffentlichen Dienst der Unverzüglichkeitsgrundsatz (OLG Linz

25
5
2011
, 12 Ra 29/11p unter Verweis auf RIS-Justiz RS0029273; OGH
28
8
2003
, 8 ObA 83/03v
; 9 ObA 112/97dArbSlg 11.645; 9 ObA 212/94 ArbSlg 11.343; 9 ObA 182/88 ArbSlg 10.779 ua; Löschnigg, Arbeitsrecht11 [2011] 597 bei Rz 7/236 zum Unverzüglichkeitsgrundsatz im allgemeinen Arbeitsrecht bei der Entlassung) für den Ausspruch der Kündigung wie auch der Entlassung, der OGH nimmt jedoch Rücksicht auf die idR vorliegende kompliziertere Organisationsstruktur; im Fall des OGH vom
26
1
1965
(4 Ob 7/65
ArbSlg 8047)
etwa wurde eine Verzögerung von drei Wochen gebilligt, da es sich beim DG um ein Bundesland handelte und über die Entlassung ein Kollegium zu entscheiden hatte. Dennoch muss auch hier der Rechtsträger darauf achten, zügig über die Beendigung (oder den Fortbestand des Dienstverhältnisses) zu entscheiden.

Anderes gilt freilich bei Dauertatbeständen. Verweigert – wie im vorliegenden Fall – eine Lehrkraft etwa die Vollziehung einer Weisung, folgt aus der nicht sogleich ausgesprochenen Kündigung bzw Entlassung nicht die Möglichkeit dieses VB, im rechtswidrigen Zustand für die restliche Dauer des Dienstverhältnisses zu verharren. Bleibt der Vertragslehrer bei seiner Weigerung, allenfalls nach Wiederholung der Ermahnung bzw Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seiner Verhaltensweise, stellt dies einen neuerlichen Kündigungs- bzw sogar Entlassungsgrund dar. Als Faustregel ergibt sich daher, dass abgemahnte alte Vorfälle später nicht neuerlich als Entlassungsgrund bzw Kündigungsgrund herangezogen werden können, wohl aber bei späterer Wiederholung des abgemahnten Verhaltens deshalb eine Kündigung bzw Entlassung rechtswirksam ausgesprochen werden kann. Zudem können die alten Vorfälle im Rahmen einer Würdigung des Gesamtverhaltens auch noch nachträglich Berücksichtigung finden. Keine Verletzung des Unverzüglichkeitsgrundsatzes nahm der OGH im vorliegenden Fall an, da sich eine weitere Frist bis zum tatsächlichen Ausspruch der Kündigung vor allem durch das Angebot an den Kl auf einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses ergeben hatte.

4.
Grobe Dienstpflichtverletzung

Die E enthält weiters auch interessante Ausführungen zum Kündigungsgrund der gröblichen Verletzung der Dienstpflicht nach § 32 Abs 2 Z 1 VBG. Z 1 leg cit definiert den Kündigungsgrund mit den Worten „wenn der Vertragsbedienstete seine Dienstpflicht gröblich verletzt“. Hier stellt sich die Auslegungsfrage, was unter der gröblichen Verletzung der Dienstpflicht zu verstehen ist. Soll hier eine Verletzung der Dienstpflicht auch ausreichen? Diese Frage sollte wohl zu verneinen sein, zumal der Gesetzgeber eben nicht bloß von der Verletzung der Dienstpflicht gesprochen hat, sondern ausdrücklich die Formulierung der gröblichen Verletzung verwendet hat. Nach dem gewöhnlichen Wortsinn wird unter der gröblichen Dienstpflichtverletzung eben die besondere Gravität der Verfehlung zu sehen sein. Eine bloße Ordnungswidrigkeit wird als Kündigungsgrund nach dem ausgedrückten Willen des Gesetzgebers nicht hinreichen. Es muss sich schon um eine besondere Verletzung der Dienstpflicht handeln, also das Element einer gewissen Schwere des Verstoßes hinzutreten. Anders erscheint die Formulierung der gröblichen Verletzung der Dienstpflicht nicht deutbar. Im Gegenzug hierfür sollte es sich aber auch so verhalten, dass eine Beharrlichkeit dann nicht erforderlich ist, wenn bereits der erstmalige Verstoß eine solche Schwere aufweist, dass eine weitere Zusammenarbeit zwischen DG und DN andererseits nicht mehr infrage kommen kann.

Dienstlicher Ungehorsam, insb in Form der Weisungsverweigerung, fällt unter diesen Beendigungstatbestand. Der Kündigungsgrund bezieht sich darauf, dass der VB „seine Dienstpflicht gröblich verletzt, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt“ und stellt damit die Kehrseite der Dienstpflichten dar. Oftmals erfolgt – wie im vorliegenden Fall – eine gemeinsame Anziehung dieses Kündigungsgrundes mit jenem der Vertrauensunwürdigkeit nach Z 6 leg cit, welcher insb auch außerdienstliches Verhalten erfasst. Eine strikte Abgrenzung zwischen dem Kündigungsgrund der Z 1 und jenem der Z 6 (Dienstunwürdigkeit in Folge abträglichen Verhaltens) besteht nicht. Manche Fälle lassen sich beiden zuordnen, ohne dass einem der beiden Beendigungsgründe das Übergewicht zukäme (OGH4 Ob 58/82ArbSlg 10.140 =

: Der zu Recht gekündigte VB montierte während der Dienstzeit vier Felgen mit Reifen von einem von ihm für herrenlos gehaltenen PKW ab, um sie sich anzueignen. Sowohl der Kündigungsgrund der Z 1 wie auch jener der Z 6 wurden dadurch als verwirklicht angesehen.). Schwere Dienstpflichtverletzungen machen den DN oft vertrauensunwürdig für seinen AG.

Wie auch bei den anderen Kündigungsgründen bestehen oft mehrere Punkte der berechtigten Unzufriedenheit des DG mit den Leistungen (bzw Nicht-Leistungen) des VB. Bei vielen Kündigungen geht es um multikausale Gründe und nicht nur einen „argen Vorfall“. Die Zusammenschau vieler Dienstpflichtverletzungen macht dann auch die Gravität aus, die zur Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigt und die weitere Zusammenarbeit (über die Kündigungsfrist und den -termin hinaus) für den DG nicht mehr zumutbar erscheinen lässt. Im Fall einer Gymnasialprofessorin etwa haben die Gerichte einschließlich des OGH die Kündigung als gem § 32 Abs 2 Z 1 wegen gröblicher Pflichtverletzung als berechtigt angesehen (OGH

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8
2012
, 9 ObA 60/12g). Nicht nur die zahlreichen Verspätungen beim Arbeitsantritt (Erscheinen zum Unterricht), sondern auch das131 Verhalten gegenüber den Vorgesetzten (Beschimpfung des Schuldirektors mit „Sie miese Ratte!“) und die Weigerung hinsichtlich des Alkotests, insb aber auch die Alkoholisierung stellten nicht bloß geringfügige Ordnungswidrigkeiten dar; zudem begründete das Gesamtverhalten eine Vertrauensunwürdigkeit iSd § 32 Abs 2 Z 6 VBG (siehe auch Ziehensack, VBG-Praxiskommentar § 32 Rz 395 ff mwN).

Im vorliegenden Fall würdigte der OGH die bisherige Historie des Dienstverhältnisses, wie sie auch aus den Ermahnungen hervorging, und ordnete folglich die neuerlichen Verfehlungen sowie die Uneinsichtigkeit, indem die Weisungen explizit vom DN missachtet, ja sogar abgelehnt worden waren, als gröblichste Dienstpflichtverletzungen iSd § 32 Abs 2 Z 1 VBG ein. Mehr Einsichtigkeit des VB, insb eine nicht offene Ablehnung der Weisungen und Ermahnungen, hätte uU zu einem anderen Resultat geführt.